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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Globale Standards der WFME für die Qualitätsverbesserung der ärztlichen Weiterbildung: Welche Standards sind auch in Deutschland anwendbar? Empfehlungen für Weiterbildungsbefugte und Weiterbildungsbeauftragte

Artikel Weiterbildung

  • author Simon Schwill - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • author Martina Kadmon - Universität Augsburg, Medizinische Fakultät, Dekanat, Augsburg, Deutschland
  • author Eckhart G. Hahn - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Medizinische Fakultät, Erlangen, Deutschland
  • author Raphael Kunisch - Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • author Pascal O. Berberat - Technische Universität München. Medical Education Center, München, Deutschland
  • corresponding author Folkert Fehr - Gemeinschaftspraxis Dr. Folkert Fehr & Dr. Jan Buschmann, Sinsheim, Deutschland
  • author Eva Hennel - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Abteilung für Assessment und Evaluation, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2022;39(4):Doc42

doi: 10.3205/zma001563, urn:nbn:de:0183-zma0015634

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001563.shtml

Eingereicht: 4. November 2021
Überarbeitet: 2. Juni 2022
Angenommen: 5. Juli 2022
Veröffentlicht: 15. September 2022

© 2022 Schwill et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018, die Berufsordnungen der Landesärztekammern und die Heilberufe-Kammergesetze der Bundesländer sind formale Grundlagen der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland, sagen jedoch wenig zu deren Struktur, Prozessen und Ergebnissen aus. Die World Federation for Medical Education (WFME) hat globale Standards für die Qualitätsverbesserung der ärztlichen Weiterbildung entwickelt und in einer überarbeiteten Neuauflage im Jahr 2015 publiziert. Eine Fassung in deutscher Sprache unter Berücksichtigung der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland ist bisher nicht publiziert.

Zielsetzung: Der Ausschuss Weiterbildung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) hat sich zum Ziel gesetzt, erstens die WFME Standards ins Deutsche zu übersetzen und zweitens Empfehlungen für Weiterbildungsbefugte (WBBef) und Weiterbildungsbeauftragte (WBBea) in Klinik und Praxis zu geben, die dem Kontext in Deutschland angepasst sind.

Methoden: Die WFME Standards wurden von einer Arbeitsgruppe des GMA Ausschusses Weiterbildung ins Deutsche übersetzt, begrifflich an die ärztliche Weiterbildung in Deutschland adaptiert und von einer interdisziplinären Expertenrunde aus 9 Mitgliedern des Ausschusses geprüft. In einem zweiten Schritt wurden von dieser Expertenrunde mittels der nominalen Gruppentechnik (NGT) iterativ die für WBBef und WBBea in Deutschland relevanten WFME Grundstandards und Standards für eine Qualitätsentwicklung der ärztlichen Weiterbildung herausgearbeitet und in Form von Empfehlungen zusammengestellt.

Ergebnisse: Die Übersetzung der WFME Richtlinien wurde unter Berücksichtigung der begrifflichen Systematik der Weiterbildung in Deutschland ohne inhaltliche Änderungen von der Expertengruppe konsentiert. In einem zweiten Schritt wurden 90 Standards identifiziert, die für die ärztliche Weiterbildung in Deutschland im Besonderen für WBBef und WBBea, als hilfreich eingeschätzt wurden (wie bspw. Entwicklung einer professionellen Identität, eine patientenzentriere Handlungsweise oder Unterstützung von selbstgesteuertem Lernen). Es wurde darauf geachtet, nur Empfehlungen zu geben, die von WBBef und WBBea beeinflusst werden können. Diese Standards wurden als Empfehlungen an WBBef und WBBea zusammengefasst und berücksichtigen alle Kapitel der WFME Standards.

Schlussfolgerung: Mit dem Ziel einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Weiterbildung werden die hier ausgewählten WFME-Standards für WBBef und WBBea in Klinik und Praxis empfohlen. Empirische longitudinale Studien sind zukünftig erforderlich, um sowohl die Implementierung, als auch die Ergebnisse der Anwendung der modifizierten WFME-Kriterien in Deutschland zu prüfen.

Schlüsselwörter: ärztliche Weiterbildung, globale Standards der WFME für die Ärztliche Weiterbildung, Qualitätssicherung, lebenslanges Lernen, weiterbildungsbefugte Ärzte, Weiterbildungsbefugnis, Weiterbildungsstätte


1. Einleitung

Die Bundesärztekammer als rechtlich unverbindliche Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern erarbeitet in der „Ständigen Konferenz Ärztliche Weiterbildung“ (StäKo) – in der alle Landesärztekammern vertreten sind – Vorlagen für die ärztliche Weiterbildung, insbesondere die (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO). Diese wird von den Landesärztekammern bei Bedarf modifiziert und durch die zuständige Aufsichtsbehörde (in der Regel das Landesministerium für Gesundheit als Rechtsaufsicht, nicht als Fachaufsicht) in Landesrecht umgesetzt (ratifiziert). Beschlussorgan für die MWBO ist der Deutsche Ärztetag, Beschlussorgan für die Weiterbildungsordnung (WBO) der einzelnen Landesärztekammern ist der Ärztetag des Landes. Am 15.11.2018 wurde durch den Vorstand der Bundesärztekammer - nach Vorbereitung in der StäKo und Beschluss durch den deutschen Ärztetag – eine Novelle der MWBO [1] verabschiedet. Kernstück der neuen MWBO ist der Übergang zu einer kompetenzbasierten Weiterbildung. Seit 2019 wurde diese MWBO mit den Modifikationen der verschiedenen Landesärztetage in 17 Kammerbezirken ratifiziert.

Nach den Heilberufe-Kammergesetzen der Länder erfolgt die Weiterbildung in den Gebieten und Teilgebieten in praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung (s. z. B. Artikel 30 (1) HKaG Bayern [2]. In der Präambel der MWBO 2018, Satz 7 und 8 steht: „Die Weiterbildung wird in angemessen vergüteter hauptberuflicher Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an zugelassenen Weiterbildungsstätten durchgeführt. Sie erfolgt unter Anleitung befugter Ärzte in praktischer Tätigkeit und theoretischer Unterweisung sowie teilweise durch die erfolgreiche Teilnahme an anerkannten Kursen“. Definierte Lernziele und valide, an verschiedene Kompetenzebenen angepasste Prüfungskonzepte fehlen, obwohl in der Präambel zur MWBO 2018, Satz 4 festgelegt ist: „Die Weiterbildung erfolgt in strukturierter Form, um in Gebieten die Qualifikation als Facharzt, darauf aufbauend eine Spezialisierung in Schwerpunkten oder in einer Zusatz-Weiterbildung zu erhalten“. Die Weiterbildung basiert in der Regel im Wesentlichen auf dem Prinzip des „Lernens durch Handeln“ (=learning by doing) [3]. Auch strukturierte Weiterbildungs- und Trainingsprogramme mit zeitlichem und örtlichem Rahmen, und definierter Verantwortlichkeit und Finanzierung sind in Deutschland nicht explizit vorgesehen. Es gibt einzelne Ausnahmen: In der Allgemeinmedizin existieren bundesweit nach dem Vorbild der „Verbundweiterbildungplus“ in Baden-Württemberg seit 2017 in fast allen Kammerbezirken die „Kompetenzzentren Weiterbildung“ zur Förderung der Qualität und Effizienz der allgemeinärztlichen Weiterbildung [4]. Diese greifen Elemente wie ein begleitendes Seminarprogramm, ein begleitendes Mentoringprogramm und die Qualifikation der Weiterbildenden durch didaktische Seminare (Train-the-Trainer) auf, wie sie Teil eines Weiterbildungsprogramms sein könnten. Die Teilnahme ist fakultativ.

Die World Federation of Medical Education (WFME) hat 2003 globale Standards zur Qualitätsverbesserung der ärztlichen Berufsbildung (medizinische Ausbildung, ärztliche Weiterbildung und ärztliche Fortbildung) entwickelt. Diese wurden für die ärztliche Weiterbildung (WB) 2015 überarbeitet [5]. In einer Übersichtsarbeit von 2019 wurden Publikationen zur Anwendbarkeit der Globalen WFME Standards für Weiterbildung (WFME-WBS) zusammengefasst [6]. Die ärztliche Berufsbildung einschließlich der ärztlichen WB fokussiert international zunehmend auf Kompetenzen, Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung [7]. Bisher existiert keine deutsche Übersetzung der WFME-WBS, und die Anwendung derselben in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist nicht beschrieben.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Ausschuss Weiterbildung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung [8] die Aufgabe gestellt, die WFME-WBS im deutschen Sprachraum zugänglich und nutzbar zu machen. Ziele dieser Arbeit sind erstens die Übersetzung der WFME-WBS ins Deutsche und zweitens, Kernaussagen für Weiterbildungsbefugte (WBBef) und Weiterbildungsbeauftragte (WBBea) in Klinik und Praxis zu identifizieren, die dem Kontext in Deutschland angepasst sind.


2. Prozessbeschreibung

2.1. Übersetzung

In einem mehrstufigen Prozess erfolgte die Übersetzung der WFME-WBS (Postgraduate Medical Education WFME Global Standards for Quality Improvement – the 2015 revision) [4] vom Englischen ins Deutsche. Dazu wurden die Kriterien von deutschsprachigen Mitgliedern des Ausschusses mit Erfahrung in der Weiterbildung in Deutschland und sehr guten Kenntnissen der englischen Sprache zunächst wörtlich übersetzt und die Übersetzung in einer standortübergreifenden, interdisziplinären und interprofessionellen Arbeitsgruppe kritisch diskutiert. An Stellen, an denen es im Sinne der Anwendbarkeit im deutschen Weiterbildungskontext unbedingt notwendig war, wurden Anpassungen der Formulierungen durchgeführt. Die Validierung der Übersetzung erfolgte begleitend zum Priorisierungsprozess (s.u.).

2.2. Priorisierung

Im Anschluss an die Übersetzung erfolgte die Bewertung einzelner Standards in einem Gruppenkonsensusverfahren (modifizierte Nominale Gruppentechnik) [9]. Bewertet wurde durch 9 Expertinnen und Experten. Es wurden eine unabhängige Bewertung der einzelnen Standards (=Nominale Gruppentechnik (NGT)) durch alle Expertinnen und Experten sowie Konsensus-Besprechungen durch Videotelefonkonferenzen durchgeführt (Zoom®, San José, U.S.). Im Vorfeld der Videotelefonkonferenzen wurden die Bewertungen tabellarisch zusammengefasst (Excel, Microsoft, Redmond, U.S.) und deskriptiv unter Berechnung von Summenwert, Median und Quantilen ausgewertet. Für die Bewertungen wurde eine dreiteilige Skala mit 0=nicht bedeutsam, 1=bedeutsam oder 2=sehr bedeutsam genutzt. Standards, die nicht mindestens im Durchschnitt als bedeutsam eingeschätzt wurden (Summenwert=9), wurden entfernt außer sie wurden durch mindestens drei Expertinnen oder Experten mit 2 bewertet. In dem Fall erfolgte eine Einzelfallbesprechung. Alle Standards mit einem höheren Summenwert als 9 wurden einzeln besprochen.

Die Bewertungen wurden in drei Schritten mit folgenden Fragestellungen durchgeführt:

1.
Wie bedeutsam ist der Standard für die ärztliche Weiterbildung in Deutschland?
2.
Wie bedeutsam ist der Standard für WBBef bzw. WBBea?
3.
Kann der Standard von WBBef bzw. WBBea beeinflusst werden?

3. Ergebnisse

3.1. Eine deutsche Übersetzung der WFME Standards

Die Vorlage der WFME konnte sinngetreu und wenn möglich wörtlich, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt werden (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Im folgenden Validierungsprozess wurden keine Änderungen der Übersetzung vorgenommen. Auf eine Differenzierung des Begriffes „Weiterbildungsträger“ in beispielsweise Landesärztekammer oder Weiterbildungsstätten und WBBea wurde verzichtet. Auf die Definition in den WFME-WBS wird hingewiesen (S. 13, S. 15 und Fußnote 3 auf Seite 17 der Deutschen Übersetzung).

3.2. Die Expertinnen und Experten

Insgesamt führten n=9 Expertinnen und Experten die Bewertungen für die Priorisierung durch, eine davon nur in der ersten Runde (weiblich n=4 bzw. n=3, männlich n=5). Alle waren Ärztinnen und Ärzte, 75% mit abgeschlossener Facharztweiterbildung (n=6), 25% mit eigener Weiterbildungsbefugnis (n=2), 50% mit der Qualifikation „Master of Medical Education“ (n=4), aus insgesamt fünf verschiedenen Fachrichtungen (Allgemeinmedizin, Chirurgie, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Psychiatrie, Transfusionsmedizin). Das durchschnittliche Alter betrug 46 Jahre.

3.3. Prozessbeschreibung der Priorisierung

Der Verlauf der Priorisierung ist in chronologischer Reihenfolge in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden nach einem initialen Präsenztreffen im Februar 2020 ausschließlich Videotelefonkonferenzen durchgeführt. Im Präsenztreffen erfolgten die Diskussion der Übersetzung, ein Überblick über die Standards und der Austausch über mögliche Auswertungsfragen während des gesamten Priorisierungsprozesses. Nach einer Verzögerung im Rahmen der COVID-19-Pandemie wurde in einer Videotelefonkonferenz im November 2020 das weitere Procedere für ein mehrstufiges Vorgehen festgelegt und mit dem ersten NGT begonnen. Nach dem initialen NGT schied eine Expertin auf eigenen Wunsch aus. Der folgende NGT wurden von allen verbliebenen n=8 Expertinnen und Experten durchgeführt. Die Beurteilung des Handlungsfeldes von WBBef und WBBea, also ob die jeweiligen Standards von diesen beeinflusst werden können, wurde im Verlauf als dritte Fragestellung integriert, um eine in Deutschland gezielt anwendbare Empfehlung zu entwickeln. Dies war notwendig geworden, weil viele Standards als wichtig aber nicht als im Handlungsfeld von WBBef und WBBea identifiziert worden waren. Auch diese Einschätzung erfolgte ausschließlich in der Arbeitsgruppe. Im Prozess wurden dafür Änderungen der Formulierungen der Originalübersetzung vorgenommen, weil in der Originalübersetzung von „Weiterbildungsträger“ gesprochen wird und dies bspw. mit „WBBef „oder aber auch mit „die Ärztekammer“ kontextbezogen angepasst werden kann. Im Konsensus-Prozess fiel auf, dass manche Standards eher für den stationären Bereich, andere eher für den ambulanten Bereich der Weiterbildung anwendbar sind, die überwiegende Zahl allerdings für beide Weiterbildungskontexte. Relevante Unterschiede zeigten sich insbesondere in Kapitel 5 (weitere weiterbildende Personen), was im stationären, aber weniger im ambulanten Sektor relevant ist, wo selten dritte in die ärztliche Weiterbildung integriert sind. Weiterhin stehen im stationären Bereich andere Ressourcen als im ambulanten Bereich zur Verfügung.

3.4. Die für Weiterbildungsbefugte relevanten Standards der WFME

In vier NGT-Runden und sechs Videotelefonkonferenzen wurden aus n=250 Standards der 9 Kapitel der WFME-WBS insgesamt n=90 Standards identifiziert, die als bedeutsam für die ärztliche Weiterbildung in Deutschland und als bedeutsam für WBBef und WBBea im deutschen Weiterbildungskontext bewertet wurden und die von WBBef und WBBea beeinflusst werden können (siehe Anhang 2 [Anh. 2], Seite 1 bis 6). Das Originaldokument teilt in verpflichtende Standards (S) und in fakultative Standards zur Qualitätsentwicklung (Q) ein, die in der deutschsprachigen Version mit „die/der WBBef muss“ bzw. „die/der WBBef sollte“ überschrieben sind.

Die Kapitel sind:

1.
Ziele und Ergebnisse des Weiterbildungsprogramms
2.
Allgemeine Aspekte des Weiterbildungsprogramms
3.
Beurteilung der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW)
4.
Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung
5.
Weiterbildungsbefugte (WBBef) und weitere weiterbildende Personen: Weiterbildungsbeauftragte (WBBea)
6.
Ressourcen für die Weiterbildung
7.
Evaluation der Weiterbildung
8.
Führungsstruktur und Verwaltung
9.
Fortlaufende Erneuerung

4. Diskussion

Eine annähernd wortgetreue Übersetzung der WFME Kriterien wurde erfolgreich durchgeführt. Weiterhin konnten in einem NGT Prozess insgesamt n=90 Standards identifiziert werden, die nicht nur bedeutsam für die ärztliche Weiterbildung in Deutschland und für WBBef und WBBea sind, sondern auch von diesen beeinflusst werden können. Die ausgewählten Standards wurden sprachlich den deutschlandweit üblichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Weiterbildung angepasst (bspw. Besonderheit der personengebundenen Weiterbildungsbefugnis im Gegensatz zur institutionellen Zertifizierung). Damit liegt einerseits erstmalig eine deutschsprachige Übersetzung der multinational entwickelten Kriterien für eine qualitativ hochwertige, ärztliche Weiterbildung vor; andererseits wird erstmalig eine Auswahl von Standards der WFME-WBS empfohlen, die von WBBef und WBBea unmittelbar in Klinik oder Praxis genutzt werden kann.

Die MWBO [1] orientiert sich nicht an den international entwickelten WFME Kriterien für eine hochwertige, ärztliche Weiterbildung [5]. Diese wurden in Deutschland bis jetzt aufgrund der nicht vorhandenen deutschen Übersetzung und aufgrund der notwendigen sprachlichen und kulturellen Adaptionen nicht beachtet. Aus mehreren Ländern gibt es Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass die Anwendung der WFME Kriterien den Qualitätssicherungsprozess entscheidend und im positiven Sinne begleitet [6]. Hier wird eine deutschsprachige Übersetzung der WFME Kriterien vorgelegt, die zur Qualitätssicherung wie auch zur Weiterentwicklung der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland beitragen kann.

Weiterhin wird in der vorliegenden Arbeit der erste Schritt zur sprachlichen und kulturellen Anpassung der WFME Kriterien umgesetzt. Aus den n=250 originalen WFME-Standards wurden insgesamt n=90 Standards identifiziert, die für WBBef in Deutschland bedeutsam und auch prinzipiell umsetzbar erscheinen. Dabei können keine Fragen zum Ist-Stand und zu den Entwicklungsbedarfen für die Implementierung der globalen Standards der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland beantwortet werden. Zur Umsetzung einzelner Kriterien könnte die Zusammenarbeit zwischen Praxen, aber auch Kliniken, im Sinne von sog. Weiterbildungsverbünden sinnvoll sein. In der Bündelung von Ressourcen können bspw. begleitende Seminarprogramme für ÄiW im Sinne einer theoretischen Begleitung der Weiterbildung umgesetzt werden, sodass zwischen einzelnen Weiterbildungsstätten Synergien genutzt werden können. Beispielhaft dafür sind die Kompetenzzentren Weiterbildung in der Allgemeinmedizin [4], [10], [11]. Dort konnte gezeigt werden, dass mit Begleitseminaren nicht nur Wissen, Fertigkeiten und Haltungen, sondern auch das Verhalten von ÄiW beeinflusst werden kann [12], [13]. Weiterhin ist die Implementierung der globalen Standards am ehesten mit einem Qualitätssicherungs- und Entwicklungsprozess zu vergleichen. Eine Möglichkeit, WBBef in der Umsetzung der Weiterbildung in ihrer Weiterbildungsstätte zu unterstützen, stellen sog. „Train-the-Trainer“ Seminare dar [14], [15]. Diese sollten möglichst flächendeckend und regelmäßig für alle WBBef angeboten werden, auch im Sinne eines Qualitätszirkels für die ärztliche Weiterbildung [16], [17]. Auf diese Weise sollen unter anderem methodische Aspekte der Weiterbildung im Rahmen der Arbeit mit Patientinnen und Patienten genutzt werden, beispielsweise die Anwendung von formativen arbeitsplatzbasierten Prüfungen im ärztlichen Alltag wie mini-CEX (mini Clinical Evaluation Exercise) und DOPS (Direct Observation of Procedural Skills), bei denen die Lernenden beobachtet werden und direkt Rückmeldung („Feedback“) erhalten [18], [19], [20]. Feedback wird hierbei als bidirektionale Kommunikation verstanden und sollte auch die regelmäßige Anpassung der Weiterbildung inhaltlich wie formell auf der Basis dieser Rückmeldungen zur Folge haben, um eine sukzessive Verbesserung zu gewährleisten. Um die geforderten Inhalte der Weiterbildung umfassend und transparent abzudecken, erscheint die Er- und Überarbeitung von Weiterbildungscurricula, welche in einigen Fachgebieten schon bestehen, für alle Weiterbildungsbereiche unter Berücksichtigung der WFME Kriterien wünschenswert [4], [5].

Die Zusammenstellung der Standards für WBBef könnte den Eindruck erwecken, dass WBBef allein für die Erfüllung und Umsetzung der Anforderungen zuständig wären. Die Verantwortung für die Organisation der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland ist allerdings zwischen (Landes-)Ärztekammern und Kliniken, Klinikträger und andere Weiterbildungsstätten aufgeteilt. In einem nächsten Schritt soll die wortgetreue deutsche Übersetzung genutzt werden, um Standards aus Sicht der zuständigen (Landes-)Ärztekammern sprachlich und kulturell anzupassen, was ein hohes Potenzial an wertvollen Anregungen zur weiteren Entwicklung der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland verspricht. Insbesondere auch die Fortentwicklung der Evaluation und der Begleitforschung in der ärztlichen Weiterbildung könnten nicht nur Entwicklungsbedarfe aufzeigen, sondern vor allem erfolgreiche und vielversprechend Ansätze untersuchen, die die Qualität der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland nachhaltig stärken würden.

Stärken und Schwächen

Bei der vorgestellten Arbeit handelt es sich um einen Expertenkonsens in einem interdisziplinären Team. Die WFME-WBS wurden weitgehend wortgetreu und in einem kontrollierten Prozess übersetzt. Im zweiten Schritt des NGT zur Auswahl von für WBBef bedeutsame Standards wurden sprachliche und kulturelle Anpassungen durchgeführt, die im Verlauf mehrfach auf ihre Verständlichkeit geprüft wurden. Die Ausrichtung auf WBBef wurde entschieden, weil eine Fokussierung notwendig wurde und die Ausrichtung auf die WBBef in der Expert*innen-Runde als wichtig und akut eingeschätzt wurde. In einem nächsten Schritt könnte bspw. die Sicht der Ärztekammern (Relevant und im Handlungsfeld der Ärztekammern) durchgeführt werden. Eingeschränkt sind die Ergebnisse durch die geringe Zahl an Bewertungen durch 8 bzw. 9 Expertinnen und Experten. Bei einem konsensorientierten Vorgehen und fehlender finanzieller Förderung konnte keine detaillierte Analyse der Inter-Rater-Korrelation durchgeführt werden. Allerdings haben diese aus unterschiedlichen Perspektiven und Fachrichtungen beurteilt, wodurch ein für WBBef verwendbares Dokument entstanden ist. Auch sind nur einige Fachgebiete und Tätigkeitsschwerpunkte vertreten. Andere Schwerpunktsetzungen wären denkbar, insbesondere wenn ÄiW, mandatierte Vertreterinnen und Vertreter von Landesärztekammern und Rechtsaufsicht sowie Weiterbildungsstätten einbezogen würden. Folgepublikationen werden diese zusätzlichen Sichtweisen aufgreifen. Alle Leserinnen und Leser und alle Interessengruppen können sich für ihren eigenen Bereich anhand der ungekürzten, nicht bewerteten deutschen Übersetzung der WFME-WBS (siehe Anhang 1 [Anh. 1]) orientieren. Diese Arbeit kann keine Fragen zum Ist-Stand und zu den Entwicklungsbedarfen für die Implementierung der globalen Standards der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland beantworten.


5. Schlussfolgerung

Bei dieser Arbeit handelt es sich um einen ersten Schritt internationale Empfehlungen für die ärztliche Weiterbildung auch für Deutschland zugänglich zu machen. Die Zusammenstellung der ausgewählten Standards (90 Empfehlungen an WBBef) ist ein für WBBef nutzbares Dokument, das für eine reflektive Einschätzung der Weiterbildungssituation an der Weiterbildungsstätte hilfreich sein kann. Anforderungen an die Qualität der ärztlichen Weiterbildung, wie sie in den WMFE-WBS beschrieben sind, können nicht von den WBBef allein sichergestellt und geleistet werden. WBBef könnten mit Hilfe von Ärztekammern und deren Beauftragten mit begleitenden Angeboten die ÄiW unterstützen (z.B. im Sinne eines Grundcurriculums mit Themen wie evidenzbasierte Medizin, ärztliche Ethik oder ärztliche Selbstfürsorge). Aber auch WBBef und WBBea sollten in ihrem Weiterbildungsauftrag besser unterstützt werden, beispielsweise mit „Train-the-Trainer“ Seminaren. Somit stellt die Übersetzung der globalen Standards der WFME nur einen ersten Schritt zur Qualitätsverbesserung der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland und evtl. auch in Österreich und der Schweiz dar. In weiteren Schritten könnten die Kriterien und Empfehlungen hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen in der Weiterbildung, in der Patientenversorgung aber auch in der Ausbildung wie interprofessionelles Lernen, patientenzentrierte Medizin und Versorgungskontinuität, Umgang mit Wissenschaftlichkeit in der Medizin oder aber auch Kommunikation (bspw. in den Massenmedien) angepasst werden. Es obliegt nun allen Beteiligten, konkrete Empfehlungen in die Praxis umzusetzen.


Förderung

Die GMA fördert die Arbeit des GMA Ausschusses Weiterbildung mit einem Budget von 500€ pro Jahr, das 2020 teilweise und 2021 nicht in Anspruch genommen wurde. Eine andere finanzielle Förderung erfolgte nicht.


Beteiligung der Autoren

Die Autoren Folkert Fehr und Eva Hennel haben zu gleichen Teilen zur Publikation beigetragen.

Den Autor*innen liegt daran, immer auch die Menschen anzusprechen, die sich der LGBTQIA+ Gruppe zugehörig fühlen.


Danksagungen

Wir danken allen Ausschussmitgliedern für die gewinnbringende Zusammenarbeit und würdigen die Arbeit der Originalschrift der „Postgraduate Medical Education WFME Global Standards for Quality Improvement (The 2015 Revision)“.


Abkürzungen

  • ÄiW: Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung
  • GMA: Gesellschaft für Medizinische Ausbildung
  • HKaG: Heilberufe-Kammergesetz
  • KWBW: Kompetenzzentrum Weiterbildung Baden-Würtemberg
  • MWBO: (Muster-)Weiterbildungsordnung
  • NGT: Nominale Gruppentechnik
  • StäKo: Ständige Konferenz für Ärztliche Weiterbildung der Bundesärztekammer
  • WBBea: Weiterbildungsbeauftragte
  • WBBef: Weiterbildungsbefugte
  • WFME: World Federation for Medical Education (engl.)
  • WFME-WBS: Postgraduate Medical Education WFME Global Standards for Quality Improvement (The 2015 Revision) (engl.)

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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