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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Weiterbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe: Wo stehen wir aktuell und was brauchen wir für die Zukunft? Eine Studie zur Weiterbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe in Deutschland, Österreich und Schweiz

Artikel Weiterbildung

  • corresponding author Franziska M. Winder - Kantonsspital St. Gallen, Frauenklinik, St. Gallen, Schweiz; Junges Forum der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe – gynécologie suisse (SGGG), Bern, Schweiz
  • author Georg Breuer - Universitätsklinikum Tulln, Tulln an der Donau, Österreich; Junge Gyn in der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG), Wien, Österreich
  • author Martine Favero - Junges Forum der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe – gynécologie suisse (SGGG), Bern, Schweiz; Rhypraxis, Feuerthalen, Schweiz
  • author Philipp Foessleitner - Junge Gyn in der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG), Wien, Österreich; Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und Feto-Maternale Medizin, Wien, Österreich
  • author Margareta Friemann - Universitätsspital Münster, Department für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster, Deutschland; Junges Forum in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Berlin, Deutschland
  • author Benedict Krischer - Junges Forum der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe – gynécologie suisse (SGGG), Bern, Schweiz; Universität Zürich, Institut für Medizinische Genetik, Zürich, Schweiz
  • author Karin Windsperger - Junge Gyn in der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG), Wien, Österreich; Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und Feto-Maternale Medizin, Wien, Österreich
  • author Martin Weiss - Universitätsspital Münster, Department für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster, Deutschland; Eberhard Karls Universität Tübingen, Department für Frauengesundheit, Tübingen, Deutschland

GMS J Med Educ 2022;39(4):Doc41

doi: 10.3205/zma001562, urn:nbn:de:0183-zma0015622

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001562.shtml

Eingereicht: 4. November 2021
Überarbeitet: 1. Mai 2022
Angenommen: 5. Juli 2022
Veröffentlicht: 15. September 2022

© 2022 Winder et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziel: Diese Studie stellt die aktuelle Situation der medizinischen Weiterbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Zusätzlich werden adaptierbare Stärken der jeweiligen Länder identifiziert.

Studiendesign: Wir führten eine Online-Umfrage mit 30 Fragen durch. Die Umfrage wurde durch verschiedenste Kommunikationskanäle der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe beworben. Die Teilnahme war freiwillig und anonym.

Resultat: 422 Assistenzärzt*innen und junge Fachärzt*innen nahmen an der Umfrage teil. Unterschiede zwischen den drei Ländern zeigten sich bei den Aufgaben der Ärzt*innen und dem Training in Sub-Spezialisierungen. Grundsätzlich berichteten die Teilnehmer*innen, dass sie einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation verbringen. Ein beunruhigendes Ergebnis ist die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen angaben, Schwierigkeiten mit der Erfüllung der geforderten Fallzahlen für selbstdurchgeführte Eingriffe zu haben. Auf die Frage, wie sicher sie sich bei Standardeingriffen fühlen, gaben 2/3 an, „sich sicher bis sehr sicher“ zu fühlen. Diese Zahl war 12% höher bei Assistenzärzt*innen, welche während ihrer Weiterbildung Simulationstrainings besucht haben.

Zusammenfassung: Mit Hilfe dieser Umfrage konnten Schwachstellen bei der Arbeitsverteilung und der Umsetzung aktueller Weiterbildungsinhalte identifiziert werden. Projekte und Ideen wie EBCOG PACT und EPA, die Reduktion von Bürokratie, und die Vertiefung von Fähigkeiten durch Simulationstraining helfen individuelle Schwachstellen zu kompensieren und für die Zukunft vorbereitet zu sein.

Schlüsselwörter: klinische Weiterbildung, OBGYN-Weiterbildung, PGME, Lehrplan, internationale Zusammenarbeit, Facharztweiterbildung


Einleitung

Eine qualitativ hochwertige Weiterbildung ist unerlässlich, um Fachärzt*in für Geburtshilfe und Gynäkologie (OBGYN) zu werden und eine optimale Patientenversorgung für die Zukunft zu gewährleisten. Jedes Land in Europa hat spezifische Ziele und Qualifikationen für die Weiterbildung zum/r Fachärzt*in und die postgraduale medizinische Ausbildung (PGME) festgelegt [1]. Da die Curricula in den einzelnen Ländern individuell definiert und umgesetzt werden, unterscheiden sie sich in den meisten Teilen Europas erheblich, z. B. im Anforderungskatalog. Die Unterschiede in der Weiterbildung sind häufig auf die unterschiedliche medizinische Infrastruktur der meisten Länder, die unterschiedlichen klinischen Zuständigkeiten der Subspezialisierungen und den Mangel an geschützten Zeiträumen für die praktische und theoretische Ausbildung zurückzuführen. So wird beispielsweise die Brustchirurgie, die in einigen Ländern obligatorischer Bestandteil der Weiterbildungspläne ist, in anderen Ländern gar nicht ausgebildet. Im Jahr 2009 stellten Rodriguez et al. fest, dass es große Unterschiede in der Definition von Ausbildungsinhalten und -ergebnissen zwischen europäischen Weiterbildungsassistent*innen in der OBGYN auf allen Erfahrungsebenen gibt [2]. Der daraus resultierende Bedarf an einer Harmonisierung der europäischen Weiterbildungsergebnisse spiegelt sich in der Erstellung des paneuropäischen Curriculums für die Weiterbildung in der Gynäkologie und Geburtshilfe durch das European Board and College of Obstetrics and Gynaecology (EBCOG PACT) wider.

Die benachbarten deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz unterscheiden sich in ihren Weiterbildungscurricula erheblich, sind jedoch in Bezug auf die medizinische Infrastruktur und die Gesundheitssysteme vergleichbar. Daher sind diese Länder ideale Modelle für die Untersuchung der Auswirkungen unterschiedlicher Weiterbildungsstrategien auf die Ausbildungsergebnisse [1] und die Zufriedenheit der Weiterbildungsassistent*innen. In dieser Studie wollen wir ein repräsentatives Bild der aktuellen Situation der Weiterbildung in der OBGYN in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeichnen. Außerdem wollen wir adaptierbare Stärken und Vorteile der verschiedenen Systeme ermitteln.


Methodik

Eine freiwillige Online-Umfrage wurde als geeignete Methode gewählt, um einen umfassenden Überblick über die allgemeine Situation und die Zufriedenheit der Weiterbildungsassistent*innen zu erhalten. Das Format der Online-Umfrage ermöglicht die Teilnahme einer großen Gruppe von Personen, die geografisch weit verstreut sind, bei begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Die Teilnahme war anonym. Wir führten die Umfrage mit Hilfe eines digitalen Fragebogens mit insgesamt 30 Fragen durch (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Der Fragebogen wurde im Konsens von Experten entworfen, allesamt Vertreter der Jungen Foren der Deutschen (DGGG), Schweizer (SGGG) und Österreichischen (OEGGG) Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Beratung erfolgte durch acht Gynäkologen (FMW, KW, GB, MF, PF, MF, BK, MW) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die zum Teil an der Entwicklung der nationalen OBGYN-Curricula beteiligt sind. Die Experten entschieden sich für eine Fokussierung auf bestimmte Themen (z.B. Simulationsprogramme, Weiterbildungsordnung oder Weiterbildung in Subspezialisierungen), um ein repräsentatives Bild der aktuellen Situation der Weiterbildungsassistent*innen zu erhalten, aber eine Überfrachtung der Umfrage zu vermeiden. Der Fragebogen wurde in deutscher Sprache als Online-Fragebogen erstellt, um eine breite Zugänglichkeit zu ermöglichen. Die Fragen wurden sequentiell präsentiert. Eine neue Frage wurde nur angezeigt, wenn die vorhergehende beantwortet wurde. Um die Umfrage abzuschließen, mussten die Befragten also alle 30 Fragen beantworten. Die Umfrage wurde von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH), Department for Health Sciences and Technology, Consumer Behavior, gesteuert und über die Kommunikationskanäle der Fachgesellschaften beworben. Die Datenerhebung fand von August bis September 2020 statt. Mehrfachteilnahmen einer Person wurden durch eine anonyme IP-Adressprüfung ausgeschlossen. Die Auswertung der Daten wurde mit SPSS 26.0 (IBM Corp.) durchgeführt.


Ergebnisse

Merkmale der Teilnehmer*innen

Insgesamt haben 422 Weiterbildungsassistent*innen an der Befragung teilgenommen. Davon werden 209 (49,5%) in Deutschland, 116 (27,5%) in der Schweiz und 97 (23%) in Österreich ausgebildet. 88,9% waren weiblich und das Durchschnittsalter lag bei 32 Jahren. Etwa drei Viertel der Studienteilnehmer*innen befanden sich im dritten Jahr der Weiterbildung oder weiter. 42% arbeiteten in einer Klinik der Maximalversorgung mit mindestens 500 Betten. 77% der Teilnehmer*innen arbeiteten in Vollzeit.

Teilzeitarbeit und Arbeitsteilung

Obwohl die meisten Teilnehmer*innen Vollzeit arbeiteten, stufte die Mehrheit (70%) ein Teilzeitpensum zwischen 80 und 95% als die attraktivste Arbeitsverpflichtung ein. Dies scheint jedoch nicht den allgemeinen Wunsch nach weniger Arbeit widerzuspiegeln, da Teilzeitarbeit mit weniger als 40 %- Wochenpensum von 82% der Teilnehmer*innen als „nicht oder überhaupt nicht attraktiv“ eingestuft wurde und 40-55%- Pensen von 45% der Teilnehmer*innen als deutlich weniger attraktiv empfunden wurden. Insgesamt scheinen Teilzeitarbeitsmodelle bereits weit verbreitet zu sein, denn 94% der Teilnehmer bestätigten, dass ihr Arbeitgeber eine Form von reduziertem Arbeitspensum anbietet (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Arbeitsbelastung

Insbesondere wurden deutliche länderspezifische Unterschiede bei der Durchführung medizinischer Verfahren durch ärztliches und nichtärztliches Personal festgestellt. Bestimmte Tätigkeiten werden in Österreich und der Schweiz nicht mehr ausschließlich von Ärzt*innen durchgeführt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). So gaben beispielsweise 98% der Weiterbildungsassistent*innen in der Schweiz an, dass sie „nie oder selten“ einen intravenösen Zugang legen, während 85% der deutschen Weiterbildungsassistent*innen diesen Eingriff „immer bis oft“ durchführten. Im Allgemeinen gaben die Teilnehmer*innen an, den größten Teil ihrer täglichen Arbeitszeit mit der Dokumentation zu verbringen. 27% empfanden dies als „nicht oder überhaupt nicht effizient“ und nur ein Viertel der Weiterbildungsassistent*innen gab an, eine Assistenz (z.B. Stationsassistentin) zur Verfügung zu haben, die sie bei Dokumentations- und Organisationsaufgaben unterstützt.

Weiterbildung von Subspezialisierungen in der OBGYN

Was die Weiterbildung in bestimmten Teilbereichen der OBGYN anbelangt, so bewerteten 76% der Teilnehmer*innen die Geburtshilfe in den betreffenden Ländern als „gut bis sehr gut“ vertreten (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Große Unterschiede zwischen den Ländern wurden in der gynäkologischen Onkologie und Senologie sowie in der Schwangerenvorsorge festgestellt. Interessanterweise gaben nur 5% der Teilnehmer*innen an, dass die Endokrinologie in ihren Curricula „gut oder sehr gut“ abgedeckt sei. Die Kinder- und Jugendgynäkologie, sowie die Sexualmedizin und die Reproduktionsmedizin wurden von der großen Mehrheit der Teilnehmer*innen als unterrepräsentierte Teilbereiche der OBGYN-Weiterbildung angesehen (siehe Anhang 2 [Anh. 2]).

Bewertung und Umsetzung der geltenden Weiterbildungskatalog

Interessanterweise fühlten sich nur 22% der Teilnehmer*innen „gut bis sehr gut“ auf ihre Tätigkeit als Fachärzt*in im Krankenhaus und nur 11% „gut bis sehr gut“ auf die Arbeit in der Niederlassung/Ordination vorbereitet. Die Mehrheit der Weiterbildungsassistent*innen schätzte sich nur „mäßig“ auf die weitere Arbeit im Krankenhaus (66%) oder in der Niederlassung/Ordination (57%) vorbereitet ein. Dies steht im Zusammenhang mit der Aussage, dass nur 47% der Weiterbildungsassistent*innen angaben, die geforderte Pflichtzahl an selbst durchgeführten Eingriffen regelmäßig zu erfüllen (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). 53% der Teilnehmer*innen gaben an, dass sie erhebliche Schwierigkeiten hatten, die geforderte Pflichtzahl an selbst durchgeführten und dokumentierten Eingriffen zu erfüllen.

Zwei Drittel der Teilnehmer*innen waren sich einig, dass ein elektronisch geführtes Logbuch bei der Dokumentation der verpflichtenden Eingriffe sinnvoll ist. Allerdings zeigte die Umfrage erhebliche, länderspezifische Unterschiede in der tatsächlichen Umsetzung eines elektronisch geführten Logbuchs. Während 86% der Teilnehmer*innen aus der Schweiz antworteten, dass ihr Logbuch elektronisch geführt wird, führten zum Zeitpunkt der Umfrage nur 5% aus Deutschland und 1% aus Österreich ihr Logbuch elektronisch.

Außerdem wurde nur 48% der Teilnehmer*innen ein jährliches und in schriftlicher Form dokumentiertes Beurteilungsgespräch angeboten. 54% der Weiterbildungsassistent*innen gaben an, einen Vorgesetzten zu haben, der sie bei Fragen zu medizinischen Inhalten oder zur Karriereplanung berät.

Intrinsisches Sicherheitsgefühl während der Intervention

Um festzustellen, ob das Fehlen von selbst durchgeführten Eingriffen und die entsprechende Dokumentation einen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl der Weiterbildungsassistent*innen haben, wurden die Teilnehmer*innen gefragt, wie sicher sie sich in Standardsituationen und -eingriffen der OBGYN fühlen. Dabei ist das intrinsische Sicherheitsgefühl bei der Durchführung von Standardeingriffen ein wichtiger Parameter zur Bestimmung der Qualität der Weiterbildung. Interessanterweise fühlten sich rund zwei Drittel der Weiterbildungsassistent*innen bei Standardeingriffen wie Kürettage, Kaiserschnitt und Hysteroskopie „sicher bis sehr sicher“. Bei anderen Eingriffen wie der einfachen Laparoskopie und der Vakuumextraktion, sowie bei der Behandlung von geburtshilflichen Notfällen wie Postpartaler Blutung oder Schulterdystokie fühlte sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen nur „mäßig“ sicher. Wenn es um seltene Situationen wie Steißgeburten oder Zangengeburten geht, fühlten sich die meisten Teilnehmer*innen „nicht“ oder „überhaupt nicht“ sicher (siehe Anhang 3 [Anh. 3]).

Unter Berücksichtigung der Jahre der Facharztweiterbildung nahm das Sicherheitsgefühl bei häufig durchgeführten Eingriffen wie Kürettage, Hysteroskopie und Kaiserschnitt mit der Zeit zu.

Wurde in den betreffenden Kliniken der Teilnehmer*innen ein Simulationstraining in der Geburtshilfe (44% mit Simulationstraining) oder Gynäkologie (20%) angeboten, resultierte dies in einer deutlichen Steigerung der Sicherheit bei all jenen Weiterbildungsassistent*innen, die das Simulationstraining für ihre Weiterbildung nutzen konnten. Insbesondere bei jenen Eingriffen (einfache Laparoskopie, Management von Nachblutungen oder Schulterdystokie und Vakuumextraktion), die in jedem Krankenhaus jederzeit auftreten können, fühlen sich die Weiterbildungsassistent*innen mit Simulationstraining bis zu 12% sicherer als die Teilnehmer*innen ohne (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]; Kasten mit gestrichelter Linie: deutliche Unterschiede zwischen „mit“ und „ohne“ Simulationstraining).


Diskussion

Ziel dieser Studie war es, die aktuelle Situation der OBGYN-Weiterbildung sowie adaptierbare Stärken der verschiedenen Weiterbildungssysteme in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu identifizieren. Anonyme Umfragen zur „Kundenzufriedenheit“ mit ihrer Weiterbildung- und Arbeitssituation, aber auch die Einschätzung der Leiter*innen der Einrichtungen, werden in einigen Ländern zentral erfasst. Seit 1996 führt das Schweizerische Institut für ärztliche Fortbildung (SIWF) jährlich eine Umfrage unter Schweizer Weiterbildungsassistent*innen durch, die als Vorbild für diese hier vorliegende internationale Umfrage diente. Die Ergebnisse der SIWF-Befragung dienen seit Jahrzehnten als Feedback, um erfolgreiche Konzepte zu erkennen und zu fördern oder um Schwachstellen frühzeitig aufzudecken. Die Ergebnisse der Umfrage werden jährlich online veröffentlicht und bieten jungen Ärzt*innen damit eine Beurteilungsgrundlage für die Wahl einer attraktiven Arbeits- und Ausbildungsstelle. Zugleich liefern die Daten ein jährliches Benchmarking der institutionellen Ausbildungsqualität [3]. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bietet eine große Chance, von anderen Ausbildungssystemen zu lernen und zu profitieren. PGME ist Teamarbeit, die gemeinsames Engagement für Innovation, gemeinsame Verantwortung, unterstützende Rahmenbedingungen und eine Lehr-Kultur erfordert [4]. Neben einigen regionalen und interdisziplinären Evaluationsprojekten [5], [6] ist diese Umfrage unseres Wissens nach das erste grenzüberschreitende Projekt mit besonderem Fokus auf OBGYN als spezifisches Fachgebiet. Diese Daten dienen als wertvolle Grundlage für die weitere Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der supranationalen PGME in OBGYN.

Um die länderspezifischen Unterschiede in der Weiterbildung zu überwinden, wurden große Anstrengungen unternommen, die Weiterbildungsstandards in OBGYN zu harmonisieren. Die Tendenz zur europaweiten Harmonisierung ist das Ergebnis der zunehmenden Mobilität von Fachärzt*innen und Patient*innen und der Notwendigkeit einer Qualitätssicherung der Weiterbildung in ganz Europa [7], [8], [9]. Innerhalb der Europäischen Union verfügen jedoch alle Länder über gegenseitig anerkannte Ausbildungsabschlüsse für das Medizinstudium und die Zeit der Weiterbildung. Diese gegenseitige Anerkennung ist meist nicht inhaltsbezogen, sondern basiert auf Mindestanforderungen, einschließlich der Qualität der Weiterbildungsstätte (anerkannte Lehrkrankenhäuser) und der Dauer der Weiterbildung [1], [10], [11]. Ein Vorstoß in Richtung eines gemeinsamen, harmonisierten, europäischen Curriculums für die Weiterbildung in OBGYN ist das Project for Achieving Consensus in Training (PACT) des European Board and College of Obstetrics and Gynaecology (EBCOG) [12]. Das Curriculum definiert Inhalte und Kompetenzen während einer dreijährigen Grundausbildung (sog. „core“), die für alle Gynäkolog*innen gleich ist. Daran schließt sich eine zweijährige Weiterbildungsphase mit Wahlmodulen an, die je nach gewünschtem Profil gewählt werden können (sog. „electives“). EBCOG PACT bietet also genügend Möglichkeiten, um länderspezifische Bürden der PGME zu überwinden. Innerhalb unserer Studiengruppe hat Österreich die EBCOG PACT Struktur in der Weiterbildung bereits umgesetzt.

Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung und Aufrechterhaltung einer hohen Qualität der PGME ist es, die begrenzten zeitlichen Ressourcen so gut wie möglich zu verteilen und nicht-medizinische Aufgaben umzustrukturieren oder bürokratische Prozesse zu evaluieren [6]. Laut einer aktuellen Studie von Trezzini et al. verbringt ein Weiterbildungsassistent*innen 167 Minuten pro Tag mit der Dokumentation von Patientenakten. Dies entspricht 27% ihrer Arbeitszeit. Anstatt abzubauen, hat die medizinische Bürokratie in den letzten Jahren erheblich zugenommen [13]. Auch in der vorliegenden Umfrage beklagten die Teilnehmer*innen, dass die Bürokratie einen großen Teil ihrer täglichen Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Medizinische Dokumentation und Organisation von Standardabläufen werden als ineffizient empfunden und mindern die Zufriedenheit der Weiterbildungsassistent*innen drastisch [13]. Wenn zusätzliche Aufgaben wie die Blutentnahme oder das Legen eines intravenösen Zugangs von Weiterbildungsassistent*innen durchgeführt werden, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Patientenversorgung und die Qualität der Weiterbildung. Einfache Hilfsmittel wie digitalisierte Diktiergeräte mit Spracherkennung, aber auch größere strukturelle Veränderungen, wie die Übernahme von Aufgaben der klinischen Routine durch Pflegepersonal oder Arzthelfer*innen könnten die Arbeitsbelastung erheblich verringern und die Zeit vorgesehen für PGME erhöhen.

Angesichts zunehmender Arbeitsbelastung und Bürokratie ist es nicht verwunderlich,dass die geforderte Pflichtanzahl an Interventionen in der Regelausbildungszeit kaumzu erfüllen ist. Anstatt jedoch die Anzahl oder die Struktur anzupassen, legen die Ergebnisse nahe, dass fehlende Interventionen einfach nachträglich bescheinigt und dokumentiert wurden. Es stellt sich die Frage, ob die geforderten Fallzahlen für die realen Behandlungen in den Kliniken zu hoch angesetzt sind und ob bestimmte geforderte Eingriffe und diagnostische Maßnahmen nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Desweiteren muss kritisch hinterfragt werden, ob die heutige klinische Routinebelastung und der bürokratische Aufwand noch vergleichbar mit denen früherer Generationen von Weiterbildungsassistent*innen sind.

Vergleicht man die Logbücher der drei teilnehmenden Länder hinsichtlich dergeforderten Anzahl von Eingriffen und diagnostischen Maßnahmen, so sind gravierende Unterschiede festzustellen. Während in Österreich und der Schweiz insgesamt 85 bzw. 80 geburtshilfliche Eingriffe ausgeführt durch den Weiterbildungsassistent*innen erforderlich sind, benötigen deutsche Weiterbildungsassistent*innen nur 25 Kaiserschnitte und „Mitwirkung“bei weiteren geburtshilflichen Eingriffen. In Deutschland und der Schweiz werden 50 Kolposkopien verlangt, in Österreich hingegen nur 20. Insgesamt werden in Österreich 275 gynäkologische Operationen verlangt, in der Schweiz 255 und in Deutschland nur 200.

Wir müssen neue Wege beschreiten, um sicherzustellen, dass nicht Zahlen, sondern praktische Nachweise Fertigkeiten und Kompetenzen das Niveau der Weiterbildung in der OBGYN belegen. Sogenannte „Entrustable ProfessionalActivities“ (EPAs) können die Beziehung zwischen Ausbildner*in und Weiterbildungsassistent*innen im Rahmen einer kompetenzbasierten medizinischen Ausbildung unterstützen. Eine EPA ist eine detaillierte Beschreibungeiner medizinischen Tätigkeit, z. B. eines Kaiserschnitts, in der die für dieses Verfahrenerforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen zusammengefasst sind. In Ländern wie den Niederlanden und Kanada haben EPAs bereits Eingang in die ärztliche Weiterbildung in verschiedenen Fachgebieten gefunden ([14] Einleitung, [15]). Sie unterstützen den Wandel in der PGME, weg von einer „knowledge-based“ Prüfung am Ende der Weiterbildung, hin zu einem modernen, praxisangepassten und kompetenzorientierten Weiterbildungskonzept. Die Weiterbildungsassistent*innen erhalten ein zeitnahes Feedback zu ihren Tätigkeiten und es können Jahresziele definiert und evaluiert werden. Die EPAs bilden somit auch eine wertvolle Grundlage für jährliche Evaluationsgespräche. Für die Erfassung solcher Weiterbildungskompetenzen und zielgerichteter Evaluationsgespräche ist auch ein elektronisch geführtes Logbuch unverzichtbar. Die digitale Form ermöglicht neben der schriftlichen Dokumentation auch eine zeitnahe Bewertung des Ausbildungsstandes und sollte ein wesentlicher Bestandteil eines modernen Weiterbildungsprogramms sein.

Das Simulationstraining umfasst ein breites Spektrum von Trainingsmöglichkeiten, das von Hightech-Teamsimulationstraining und Skill-drills bis hin zu Low-Fidelity-Trainingseinheiten reicht. Jede dieser Methoden hat ihre Berechtigung, da sie völlig unterschiedliche Fähigkeiten trainieren. Während es beim Team-Simulationstraining, das sich in der Geburtshilfe zunehmend etabliert, vor allem um die Festigung und das Training der Behandlungskoordination geht, helfen Low-Fidelity-Modelle, Konzepte anhand einfacher technischer Wiederholungen zu verstehen. Obwohl Simulationseinheiten oft mit hohen Kosten verbunden sind, verdeutlicht die vorliegende Umfrage die positiven Auswirkungen dieser Zusatzausbildung. In unserer Umfrage fühlten sich die Weiterbildungsassistent*innen, die die Teilnahme an einem Simulationstraining bestätigten, sicherer, insbesondere in Situationen und Eingriffen, die zur Grundausbildung in OBGYN gehören, wie z. B. einfache Laparoskopie oder postpartale Blutungen. Das Simulationstraining bietet einen großen Nutzen für die moderne Weiterbildung in OBGYN, da es zeitsparend und kontrolliert zu einem erhöhten Erfahrungsschatz führt und somit die Sicherheit der Patienten verbessert.

Wie die SIWF-Erhebung kann auch diese Studie nicht alle Aspekte der aktuellen Weiterbildungssituation in den drei teilnehmenden Ländern abdecken. Die Studiengruppe hat sich auf bestimmte Themen konzentriert, die den Arbeitsalltag der Weiterbildungsassistent*innen prägen. Die Auswahl der Themen und Daten erfolgte nach bestem Wissen und Gewissen, stellt jedoch eine Einschränkung der Studie dar. Sicherlich sind weitere Studien erforderlich, die mehr Aspekte der Grundausbildung in OBGYN abdecken, um ein breiteres Bild der aktuellen Situation der Weiterbildung in OBGYN in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu erhalten.


Schlussfolgerung

Die derzeitige Facharztweiterbiludng für OBGYN ist in Deutschland, Österreich und der

Schweiz bereits auf einem sehr hohen Niveau. Ziel ist es, diese Weiterbildung gemeinsam zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Mit Hilfe der vorliegenden Umfrage können aktuelle Schwachstellen identifiziert werden. Projekte und Ideen wie EBCOG PACT, EPAs, Bürokratieabbau durch Digitalisierung und Kompetenzvertiefung durch Simulationstraining leisten einen wertvollen Beitrag, um diese Defizite auszugleichen und sich auf zukünftige Anforderungen einzustellen. Auf diese Weise kann das hohe Niveau der europäischen Facharztweiterbildung in OBGYN auch für zukünftige Generationen gesichert werden.


Danksagung

Wir danken Larissa Luchsinger und Jeanine Ammann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ETH Zürich, für die hilfreichen Auswertungen, Diskussionen und Ergänzungen zu dieser Umfrage.

Wir danken allen, die an der Studie teilgenommen haben. Die Studie wurde mit Unterstützung der DGGG, der OEGGG und der SGGG finanziert, wobei die Gesellschaften außer der finanziellen Unterstützung keine weitere Beteiligung hatten.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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