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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Zwei-Umschläge-Methode für aktives Lernen

Artikel Lernmethoden

  • corresponding author Moshe Y. Flugelman - Lady Davis Carmel Medical Center, Department of Cardiovascular Medicine, Haifa, Israel; Technion Israel Institute of Technology, Rappaport Faculty of Medicine, Haifa, Israel
  • Robert M. Glueck - Technion Israel Institute of Technology, Rappaport Faculty of Medicine, Haifa, Israel
  • Doron Aronson - Technion Israel Institute of Technology, Rappaport Faculty of Medicine, Haifa, Israel; Rambam Medical Center, Department of Cardiology, Haifa, Israel
  • Avinoam Shiran - Lady Davis Carmel Medical Center, Department of Cardiovascular Medicine, Haifa, Israel; Technion Israel Institute of Technology, Rappaport Faculty of Medicine, Haifa, Israel

GMS J Med Educ 2022;39(3):Doc30

doi: 10.3205/zma001551, urn:nbn:de:0183-zma0015519

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001551.shtml

Eingereicht: 31. Januar 2021
Überarbeitet: 26. August 2021
Angenommen: 3. März 2022
Veröffentlicht: 15. Juli 2022

© 2022 Flugelman et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zweck der Studie: Aktives Lernen verbessert die Aneignung von Wissen und vermittelt Medizinstudierenden Lerngewohnheiten, die zu einem integralen Bestandteil ihrer Verhaltensweise werden. Das aktuelle Projekt wurde mit Studierenden im vierten Studienjahr durchgeführt und diente als wichtiges Element bei der Umstellung unserer Einrichtung von der bisherigen vorlesungsbasierten Lehrkultur zu einer aktiven Lernkultur und dazu, die Auswirkungen der Zwei-Umschläge-Methode auf die Kenntnisse der Studierenden zu untersuchen.

Methode: Der Kurs mit 120 Studierenden wurde in 12 Gruppen mit je 10 Studierenden aufgeteilt. Sechs erfahrene Kardiologen wurden den 12 Gruppen als Lehrkräfte zugeteilt.

Im Lehrsaal erhielten die Studierenden zwei Umschläge. Ihnen wurde aufgetragen, den ersten Umschlag zu öffnen und einen Test mit 10 Fragen innerhalb von 15 Minuten zu beantworten. Nach Abschluss des Tests steckten sie die Testbögen wieder in den Umschlag, verschlossen diesen und öffneten dann den zweiten Umschlag, in dem sich der gleiche Test mit relevanten Patienteninformationen befand. Sie verbrachten die nächsten 30 Minuten damit, den Test in der Gruppe zu besprechen und sich mit den Fallbeschreibungen und den klinischen Daten der Patienten zu befassen. Nach Abschluss der Gruppendiskussion betrat eine Lehrkraft den Raum für eine zweistündige Besprechung der Krankheitsbilder der Patienten, einschließlich der Anatomie, Physiologie, Pathologie sowie der klinischen Erscheinungsbilder, diagnostischen Maßnahmen und potenziellen Therapien.

Ergebnis: Wir verglichen die Ergebnisse und Standardabweichungen durch die Noten der beiden Kurse. Der eine Kurs wurde in Form von Vorlesungen unterrichtet (2018), der andere Kurs erlernte die Anwendung der Zwei-Umschläge-Methode (2019). Im Kurs mit der Zwei-Umschläge-Methode waren die Noten ohne statistische Signifikanz tendenziell besser und die Notenstreuung tendenziell kleiner.

Fazit: Wir beschreiben eine neuartige Methode für aktives Lernen, die eigenständiges Lernen und kollegiales Lernen in der Gruppe (peer learning) fördert, und beobachteten einen besseren Erwerb von Wissen und geringere Abweichungen im Wissensstand, ohne statistische Signifikanz.

Schlüsselwörter: aktives Lernen, Lernen in Kleingruppen, kollegiales Lernen, klinische Argumentation


Hintergründe

Die medizinische Lehre ist nach der Sentinel-Erhebung von Flexner [1], [2], [3] eine sich stetig verändernde Aufgabe. Über die Jahre wurden verschiedene Methoden angewandt, um den Wissensstand und die Handlungsweisen zukünftiger Ärzt*innen zu verbessern. Ein besseres Verständnis des Lernprozesses und die Erkenntnis, dass die Lehrmethoden der modernen Technik angepasst werden muss, haben ebenso wie psychologische und soziale Veränderungen der Medizin, der Studierenden und der Gesellschaft dazu geführt, dass aktives Lernen in medizinischen Fakultäten zu einem führenden Thema geworden ist [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12].

Die Übertragung der Lernverantwortung auf die Studierenden erfordert eine Änderung der Haltung sowohl der Studierenden als auch der Lehrenden. Methoden wie die Flipped-Classroom-Methode (umgedrehter Unterricht) und Just-in-Time Learning (Studierende als aktive Lernende) haben in vielen Fakultäten im Rahmen aktiver Lernkonzepte an Popularität gewonnen [13], [14]. Die Einführung aktiver Lernmethoden bei Lehrkräften (Vorschule – 12. Klasse Schule) durch Chi et al. basierte auf dem sogenannten ICAP-Modell [15], welches schülerseitige Lernaktivitäten nach ihren Verhaltensweisen differenziert. Der Wechsel von traditionellen zu aktiven Lernmethoden erfordert Änderungen in der Ressourcenzuteilung und eine Kooperation aller Interessensvertreter, zu denen Studierende, Lehrkräfte und Bildungsbeauftragte gehören [5], [15].

Wir initiierten die Einführung aktiver Lernmethoden im Lehrplan unseres Fachbereichs, welcher bislang auf der Wissensvermittlung über Vorlesungen basiert, mit einem geringen Anteil an aktiven Lernaktivitäten, die überwiegend in Labors stattfinden. In diesem Manuskript beschreiben wir eine neuartige Methode, die aktives und kollegiales Lernen in der Gruppe (peer learning) vereint und deren Effekt auf den Wissenserwerb der Studierenden, wie z.B. in einem Kardiologiekurs auf Grundlage der Abschlussprüfung zum Thema Herzklappenerkrankungen prüft. Bei der neuartigen Zwei-Umschläge-Methode wird die Lernverantwortung den Studierenden übertragen. Diese erhalten zunächst eine vorgeschriebene Leseaufgabe und besprechen die darin enthaltenen Themen und anschließend autonom in Kleingruppen mit ihren Kommilitonen. Die vorliegende Studie wurde auf Grundlage der Hypothese durchgeführt, dass sich das Wissen der Studierenden mit der Zwei-Umschläge-Methode gegenüber der traditionellen vorlesungsbasierten Lehrform verbessern kann.


Methoden

Die 2-Umschläge-Methode

Die Studierenden im vierten Jahr unserer sechsjährigen medizinischen Fachausbildung lernen die Hauptfächer der inneren Medizin gemeinsam mit der Systempathologie und der klinischen Pharmakologie. Für die Einführung des aktiven Lernens wurden aus dem Themenbereich Kardiologie Herzklappenerkrankungen und die rheumatische Herzkrankheit ausgewählt. Die anderen kardiologischen Themen werden als Vorlesungen gelehrt, die koronare Herzkrankheit hingegen im Krankenhaus mit einer problemorientierten Lernmethode.

Im Rahmen des aktiven Lehrplans wurde den Studierenden aufgetragen, sich im Lehrbuch „Harrison's Principles of Internal Medicine“ über fünf die Krankheitsbilder zu belesen: Mitralstenose, Mitralinsuffizienz, Aortenstenose, Aorteninsuffizienz und rheumatische Herzkrankheit. Der Kurs mit 120 Studierenden wurde in 12 Gruppen mit je 10 Studierenden aufgeteilt. Sechs erfahrene Kardiologen wurden den Gruppen als Lehrkräfte zugeteilt. Bevor sie in die Gruppen gingen, trafen sich die Lehrenden und einigten sich über die zentralen Lerninhalte jedes Krankheitsbildes. Als Grundlage für das Gruppenlernen wurden den Lehrenden fünf ausführliche Patientenanamnesen zu jeder der Herzklappenerkrankungen sowie der rheumatischen Herzkrankheit zur Verfügung gestellt.

Die Einführung der neuartigen Lernmethode wurde zuvor mit der Fachschaft der Studierenden besprochen. Diese erhielten ein Schreiben, in welchem der Lernauftrag und die Art der Gruppenarbeit beschrieben wurden, einschließlich der Zwei-Umschläge-Methode. Drei Themen wurden in der ersten Runde besprochen, die verbleibenden zwei Krankheitsbilder in der zweiten Runde.

Beim Eintreffen der Studierenden in der Fakultät wurde jeder Gruppe erneut die Zwei-Umschläge-Methode erläutert. Dann erhielten sie die beiden Umschläge mit einem kurzen Test über die Krankheitsbilder. Die Studierenden hatten 15 Minuten Zeit, um den Test im ersten Umschlag auszufüllen. Anschließend steckten sie ihren Test wieder in den ersten Umschlag und verschlossen diesen. Dann öffneten die Studierenden den zweiten Umschlag, in welchem sich der gleiche Test befand und darüber hinaus Fallbeispiele einschließlich der Krankengeschichte, Ergebnisse der körperlichen Untersuchung, Laborwerte, Bildgebungsdaten, der Therapie und ihrer Ergebnisse, welche in der Gruppe besprochen werden sollten. Die Studierenden verbrachten die nächsten 30 Minuten damit, den Test in der Gruppe zu besprechen und sich mit den Patientendaten zu befassen. Nach Abschluss der Gruppendiskussion betrat eine Lehrkraft den Raum für eine zweistündige Besprechung der einzelnen Krankheitsbilder (einschließlich der Anatomie, Physiologie, Pathologie, der klinischen Erscheinungsbilder, diagnostischen Maßnahmen und Therapien).

Dieselbe Methode wurde bei den beiden anderen Krankheitsbildern angewandt. Nach Abschluss des dreiwöchigen Kardiologiekurses führten die Studierenden einen Test mit Multiple-Choice-Fragen (MCQ) und einer zu vervollständigenden klinischen Frage-Antwort-Vorlage, dem sogenannten Comprehensive Integrative Puzzle (CIP), zu allen kardiologischen Themen durch, einschließlich der fünf Krankheitsbilder, die in der Zwei-Umschläge-Methode gelehrt wurden. Der CIP-Teil enthielt fünf verschiedene klinische Diagnosen, wie den akuten Myokardinfarkt und die Mitralstenose. Die Studierenden wurden angewiesen, für jede klinische Diagnose die folgenden Abschnitte auszufüllen: Beschwerden, Ergebnisse der körperlichen Untersuchung, Laborergebnisse, pathologische Ergebnisse, Verlauf und Therapie. Sie wurden aufgefordert, die besten fünf möglichen Antworten für jeden Abschnitt auszuwählen. Nach vollständiger Lösung des CIP-Teils sollte eine umfassende Beschreibung der Diagnose entstanden sein.

Wir identifizierten die Testfragen, die sich auf die fünf Krankheitsbilder bezogen und in der Zwei-Umschläge-Methode vermittelt worden waren, ermittelten die Anzahl der korrekten Antworten und verglichen diese mit der Anzahl korrekter Antworten aus dem Vorjahr, in welchem die fünf Krankheitsbilder im Frontalunterricht vermittelt worden waren.

Statistische Analysen

Wir analysierten die Durchschnittsnoten der Studierenden im Jahre 2018, in welchem das Thema Herzklappenerkrankungen im Hörsaal gelehrt wurde. Wir dokumentierten die Durchschnittsnoten in den Fragen zu Herzklappenerkrankungen sowie die Standardabweichungen im Multiple-Choice-Teil und im Comprehensive Integrative Puzzle. Anschließend dokumentierten wir die Durchschnittsnoten der Studierenden im Jahre 2019, in welchem das Thema Herzklappenerkrankungen in der Zwei-Umschläge-Methode gelehrt wurde. Wir verglichen die Noten in den Fragen zu Herzklappenerkrankungen und den Fragen zu anderen kardiologischen Erkrankungen der MCQ- und CIP-Prüfungsteile der beiden Jahre.

Die Notenergebnisse wurden im Shapiro-Wilk-Test auf ihre Normalverteilung und im Levene-Test auf ihre Gleichheit in der Varianz geprüft. Da der Shapiro-Wilk-Test darauf hindeutete, dass die Noten nicht normal verteilt waren, werden die Noten als Medianwerte (Interquartilsabstand (IQR)) angegeben und mit dem Mann–Whitney-U-Test verglichen. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren im zweiseitigen P-Test mit einem Wert von <0,5 signifikant. Die statistischen Analysen wurden mit der Stata Version 16.1 (College Station, TX) durchgeführt.


Ergebnisse

2018 wurden 120 Studierende geprüft, 2019 122 Studierende. Die Anzahl der Fragen zu Herzklappenerkrankungen und die Durchschnittsnoten in den Jahren 2018 und 2019 sind in Tabelle 1 [Tab. 1] zusammengefasst. 2019 erhöhten wir die Anzahl der Fragen zu Herzklappenerkrankungen.

Beim Vergleich der Noten und Standardabweichungen in den Fragen zu Herzklappenerkrankungen und in den sonstigen Fragen der Jahre 2018 und 2019 konnten wir keine statistisch signifikanten Unterschiede feststellen. Die Noten in den Multiple-Choice-Fragen zu Herzklappenerkrankungen waren 2019 tendenziell besser und die Varianzen tendenziell geringer (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Dies trifft auch auf den CIP-Teil zu (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Die Unterschiede waren jedoch statistisch nicht signifikant.


Diskussion

Im vorliegenden Manuskript beschreiben wir eine neuartige Methode aktiven Lernens, die bei Medizinstudierenden im 4. Studienjahr eingeführt wurde. Diese Methode förderte das eigenständige aktive Lernen und das kollegiale Lernen in der Gruppe am Beispiel der Krankheitsbilder von 4 Herzklappenerkrankungen und der rheumatischen Herzkrankheit. Bei den Abschlusstests beobachteten wir bei der Zwei-Umschläge-Methode sowohl im MCQ- als auch im CIP-Teil eine tendenziell bessere Wissensaneignung ohne statistische Signifikanz. Ferner beobachteten wir bei der Zwei-Umschläge-Methode eine geringere Notenstreuung, was auf eine bessere Wissensverteilung hindeutet.

Die sich verändernde Lehrmethodik und -kultur der vergangenen Jahrzehnte spiegelt folgende Paradigmen wider:

1.
Angesichts der heutigen Wissensexplosion müssen Studierenden die intellektuellen Werkzeuge an die Hand gegeben werden, die sie benötigen, um wertvolle Erkenntnisse zu finden und zu identifizieren, statt sie in Vortragsform präsentiert zu bekommen.
2.
Technologische Entwicklungen haben die Verbindung zwischen Individuen und der traditionellen Lehrhierarchie verändert.
3.
Gesellschaftliche Veränderungen haben bei Studierenden, ebenso wie bei Lehrenden und Experten, verschiedene individuelle Erwartungen hervorgerufen und zu unkonventionellen Handlungsweisen geführt.
4.
Bessere Erkenntnisse über Lernmechanismen haben neuartige Lehrmethoden hervorgebracht [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12].

Derzeit werden den Studierenden an unserer Fakultät viele Themen als Vorlesung im Hörsaal vermittelt und die Studierenden werden am Ende des Semesters zu diesen Themen geprüft. Im Rahmen unseres Bestrebens, die Lehrmethodik vom Frontalunterricht auf aktives Lernen umzustellen, entwickelten wir die Zwei-Umschläge-Methode. Diese von uns beschriebene Zwei-Umschläge-Methode beinhaltet verschiedene Aspekte der modernen Pädagogik und stellt eine Aktualisierung bestehender Methoden dar, bei welcher die Lernverantwortung den Studierenden übertragen wird. Die Bereitstellung einer spezifischen vorgeschriebenen Leseaufgabe und ein kurzer Test sorgen dafür, dass alle Studierenden den relevanten Stoff vor dem Gruppenunterricht eigenständig lernen. In jüngster Vergangenheit zeigte sich, dass sich das Lernen durch Tests über die einfache Prüfung der vermittelten Informationen hinaus verbessert [16]. Nach der Durchführung des Tests erhalten die Studierenden den zweiten Umschlag und werden aufgefordert, die Testfragen erneut in der Gruppe zu überdenken. Die Aktivität in der Peer-Gruppe verbessert das Lernen, fördert die Lernmotivation leistungsschwächerer Studierender und erhöht das Selbstvertrauen der leistungsstärkeren Studierenden. Durch autonome Diskussionen (ausschließlich unter Studierenden) wird den Studierenden im Rahmen einer eigenverantwortlichen Peer-Umgebung die Lernverantwortung übertragen und die offene Diskussion aller teilnehmenden Studierenden gefördert. Der Austausch von Wissen stellt in der Ausbildung der Studierenden zudem einen Aspekt dar, der wichtig ist für ihr zukünftiges professionelles Verhalten [17], [18].

Nach der Durchführung des Tests werden die Studierenden aufgefordert, die Fälle zu besprechen, die sie mit dem zweiten Umschlag erhalten haben. In diesem Teil des Prozesses wird von ihnen verlangt, die gelernten Informationen mit den Patientenanamnesen zu verknüpfen. Auch hier erhöht die Gruppendynamik die Motivation und das Selbstvertrauen der Studierenden [9]. Nach Abschluss des Lernens in der Gruppe ist das zusätzliche Lernen mit Lehrkräften zeiteffizient, da sich die Studierendenden bereits auf drei verschiedenen Ebenen mit der Thematik befasst haben: durch eigenständiges Lernen, durch Lernen in der Gruppe und durch Anwendung der Informationen auf die Fallbeispiele.

Durch das Lernen in einer Kleingruppe und die Besprechung von Fallbeispielen wird eine unschätzbare Plattform geschaffen, um Wissen zu entwickeln und zu lernen, klinisch zu argumentieren und klinische Muster zu erkennen [19], [20]. Sowohl die klinische Argumentation als auch die Erkennung klinischer Muster sind wichtige Faktoren für die spätere ärztliche Kompetenz.

Ein indirekter pädagogischer Nutzen des Programms besteht darin, dass die Studierenden im ersten Teil ohne Anleitung einer Lehrkraft zusammentreffen. Dadurch vermitteln wir sehr deutlich, dass wir unseren Studierenden vertrauen und ethisches Verhalten von ihnen erwarten.

Ein erfolgreiches Programm, wie das von uns beschriebene, bedarf engagierter und fähiger Lehrkräfte. Wir wählten dafür erfahrene Kardiolog*innen aus und versammelten alle Lehrkräfte, um das Projekt detailliert zu erläutern und mit ihnen zu besprechen. Wir betonten die Wichtigkeit, bei der Besprechung in der Gruppe alle Studierenden einzubinden und die Gruppenarbeit als kreative Diskussion und nicht als Vortrag durchzuführen. Wir forderten die Lehrkräfte auf, die besonders wichtigen Aspekte zu den einzelnen Krankheitsbildern herauszustellen und baten alle, speziell diese Aspekte zu vermitteln und hervorzuheben. Durch das Erreichen eines Einvernehmens darüber, worauf es ankommt, wird sichergestellt, dass der Lehrstoff in allen Gruppen standardisiert vermittelt wird. Während sich Chi et al. [15] in ihrem Projekt auf die Lehrkräfte konzentrierten, war unsere Aufgabe einfacher aufgebaut und basierte auf einem relativ kleinen Anwendungsbereich und auf den von uns gewählten Lehrkräften. Seit Jahrhunderten vermitteln Ärzte Studierenden ihr Wissen am Patientenbett mit aktiven Lernmethoden [21], [22] und wenden dabei instinktiv pädagogische Methoden an, die in den letzten Jahren große Popularität gewonnen haben. Dass unsere Ergebnisse keine statistische Signifikanz aufwiesen lässt sich dadurch erklären, dass sich die Noten in Kardiologie in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich verbessert haben. Kardiologie ist der beliebteste Kurs im vierten Jahr gewesen, mit einer großen Teilnahme an den Vorlesungen und großem Engagement der Studierenden. Einen bereits hervorragenden Kurs noch zu verbessern ist schwierig. Unser wichtigstes Ziel lag jedoch in der Einführung einer aktiven Lernmethodik. Im Bildungswesen neue Vorgehensweisen erfolgreich einzuführen ist immer schwer – insbesondere im Fachbereich Medizin, wo die Studierenden und Lehrenden häufig konservativ eingestellt sind. Veränderungen in den Lernmethoden, wie sie während der COVID-19-Pandemie erforderlich waren, sollten auch unter weniger herausfordernden Bedingungen sorgfältig geprüft werden [23]. Neue Lernmethoden sollten durch Studierende und Lehrende evaluiert und die erworbenen Kenntnisse sorgfältig anhand standardisierter qualitativer und quantitativer Kennzahlen geprüft werden [24], [25], [26].

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zwei-Umschläge Methode ist, dass die Studierenden realisieren, dass sie komplexe Themen eigenständig lernen können und dass die Kenntnisse, die sie erlangen, ein direktes Ergebnis ihrer Bemühungen und der Interaktion mit ihren Partnern ist. In ihren Rezensionen am Ende des Kurses gaben viele Studierende an, dass sie ein Erfolgsgefühl empfanden. Dieser Aspekt wurde jedoch nicht systematisch untersucht. Ein solcher Erfolg fördert, wie diese Studie durch die tendenziell besseren Abschlussnoten zeigt, die Selbstwirksamkeit und bestätigt, dass unsere Studierenden in der Lage sind, von aktivem Lernen zu profitieren [27].

Die Theorie des aktiven Lernens basiert auf einem besseren Verständnis für die Art und Weise, wie wir lernen und kognitive Fähigkeiten entwickeln. Sie umfasst viele Methoden. Die Zwei-Umschläge-Methode sorgt dafür, dass die Studierenden aktiv lernen und über das Erlernte reflektieren, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, die erworbenen Kenntnisse mit Kommilitonen und der Lehrkraft zu erörtern. Mithilfe der Fallbeispiele im zweiten Umschlag, die zunächst eigenständig, dann in der Gruppe und schließlich mit der Lehrkraft behandelt werden, werden zudem auch die Problemlösungskompetenz und das kritische Denken gefördert.

Wie bereits in anderen Manuskripten über aktives Lernen zu lesen war, äußerten sowohl die Studierenden als auch die Lehrkräfte eine hohe Zufriedenheit, was jedoch nicht systematisch untersucht wurde.

Einschränkungen der Studie sind der Vergleich der Testergebnisse verschiedener Kurse, bei welchen die fünf Krankheitsbilder in herkömmlicher Vortragsform gelehrt wurden, und die relativ geringe Anzahl der Fragen, die sich auf die 5 Krankheitsbilder bezogen.

Es sollten weitere Studien mit der Zwei-Umschläge-Methode durchgeführt werden. In zukünftigen Studien sollten auch die Reaktionen der Studierenden auf das Lernen mit dieser Methode eingeschlossen werden [24], [25]. Zudem sollte die Methode auch in anderen medizinischen Fakultäten evaluiert werden.


Fazit

Wir setzen eine neuartige Methode des aktiven Lernens ein, die mehrere innovative pädagogische Methoden beinhaltet. Die Zwei-Umschläge-Methode führte in der in dieser Studie durchgeführten Form zu einem tendenziell besseren Wissenserwerb der Studierenden, ohne statistische Signifikanz.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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