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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Nach 10 Jahren Kommunikationskurs in Präsenz plötzlich online – Evaluationsergebnisse eines Kurses ärztlicher Gesprächsführung im Vergleich

Artikel Ärztliche Kommunikation

  • author Miriam Schwär - Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt am Main, Deutschland
  • corresponding author Judith Ullmann-Moskovits - Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt am Main, Deutschland
  • author Maria Farquharson - Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt am Main, Deutschland
  • author Monika Sennekamp - Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt am Main, Deutschland

GMS J Med Educ 2022;39(2):Doc22

doi: 10.3205/zma001543, urn:nbn:de:0183-zma0015435

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001543.shtml

Eingereicht: 13. Juli 2021
Überarbeitet: 10. Dezember 2021
Angenommen: 24. Januar 2022
Veröffentlicht: 14. April 2022

© 2022 Schwär et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ziel der Studie ist die Frage, ob es möglich ist, einen Kommunikationskurs für ca. 400 Studierende erfolgreich in ein Blended Learning-Format (asynchrone Theorievermittlung/digitaler synchroner Praxisteil) umzustellen. Hauptfokus war dabei die Beurteilung des subjektiven Lernzuwachses und die Frage, inwiefern die Bedeutung des Themas Kommunikation und Gesprächsführung online abgebildet werden kann. Die Betrachtung erfolgt auf Basis von Evaluationsergebnissen der Studierenden und Dozierenden dieses Kurses.

Methodik: Die Studierenden des vierten vorklinischen Semesters aus dem Jahr 2020 wurden durch einen Selbsteinschätzungsbogen zu Beginn sowie durch eine Evaluation nach Abschluss des Kurses befragt. Zusätzlich wurden die Rückmeldungen der Dozierenden zum Kurs ausgewertet. Um die Ergebnisse vergleichen und mögliche Unterschiede feststellen zu können, wurden die entsprechenden Selbsteinschätzungs- und Evaluationsergebnisse der vorangegangenen zehn Jahre (in Form von Präsenzkursen) herangezogen.

Ergebnisse: Im Onlineformat wurde ein deutlicher subjektiver Lernzuwachs angegeben, der höher ausfiel als in den Vorjahren in Präsenz. Die Eignung des Onlineformats wurde von Studierenden sowie Dozierenden eher kritisch bewertet, während die Kursatmosphäre positiv gesehen wurde. Die Relevanz ärztlicher Gesprächsführung wurde im Onlineformat insgesamt besonders gut bewertet.

Schlussfolgerung: Aufgrund der Evaluationsergebnisse werden die Erfahrungen mit dem Blended Learning-Format auch in Zukunft in das Kommunikations-Curriculum des Medizinstudiums der Goethe-Universität Frankfurt einfließen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass das Erlernen ärztlicher Gesprächsführung online gut möglich ist. Daher kann dieses Format für zukünftige neue Konzepte empfohlen werden.

Schlüsselwörter: blended learning, Anamneseerhebung, Kommunikation, Gesprächsführung, Lernzuwachs


1. Einleitung

Die Möglichkeiten der Digitalisierung des Unterrichts im Medizinstudium sind in Deutschland seit Jahren in der Diskussion [1], [2], [3]. Blended Learning Einheiten – ebenso wie Flipped Classroom Veranstaltungen – scheinen sinnvolle Lösungsansätze für Online- oder Teil-Online Kurseinheiten zu sein, welche in der Erwachsenenpädagogik bereits seit längerem ihren Stellenwert haben [4], [5]. Dennoch gab es bis zum Sommersemester 2020 lediglich einzelne publizierte Projekte zu ärztlicher Gesprächsführung und Kommunikation, die sich mit digitalen Unterrichtsformen bzw. Inhalten beschäftigten [6], [7], [8] nicht zuletzt, weil ein großer Anteil der Medizin von menschlicher Interaktion geprägt ist und auch die Vermittlung meist zwischenmenschlich erfolgt. In einem systematischen Review von 2019 kommen Kyaw et al. in Bezug auf die Möglichkeiten des Blended Learning für Kommunikationskurse mit Medizinstudierenden zu folgendem Ergebnis: „Blended digital education seems to be at least as effective as and potentially more effective than traditional learning for communication skills and knowledge“ [9]. Dennoch sind derartige Lehrveranstaltungen, insbesondere bei Kursen zur Vermittlung von Kommunikationskompetenzen, im Curriculum des Medizinstudiums noch nicht verankert.

Mit der COVID-19-Pandemie musste jedoch das Sommersemester 2020 an nahezu allen Universitäten in Deutschland ad hoc in digitale Formate umgestellt werden. Dies betraf auch den bis dato in Präsenz durchgeführten Anamnese- und Gesprächsführungskurs des vierten vorklinischen Semesters in Frankfurt „Einführung in die klinische Medizin“ (EKM).


2. Projektbeschreibung

Dieser, für die nahezu 400 Medizinstudierenden im Curriculum erste Kurs zu ärztlicher Gesprächsführung, fand bisher im Rahmen von sieben zweistündigen Präsenzmodulen mit theoretischen und praktischen Lehreinheiten statt. Gerahmt wurden diese Inhalte durch ein umfassendes Feedbackkonzept [10]. Auf dieser Grundlage wurde der Kurs 2020 in ein Blended Learning-Format umgestellt, das den Kurs in einen asynchronen Theorieteil (auf der Lernplattform OLAT zur Verfügung gestellt) sowie in synchrone Online-Praxismodule (geleitet von klinischen Dozenten*innen) zum Üben der Anamnesegespräche unterteilt. Diese Gespräche wurden in vier Videoterminen mit (Simulations-)Patienten*innen in Rollenspielen sowie mit einem anschließenden strukturierten Feedback eingeübt. Neben den theoretischen Grundlagen zu Kommunikation und Anamnese stellen die eigenständige Durchführung eines Anamnesegesprächs, die systematische Analyse bzw. Reflexion sowie das konstruktive Feedback hierzu – sowohl in den Vorjahren als auch 2020 – zentrale Lernziele und damit die Voraussetzung für das Bestehen des Kurses dar. Das neue didaktische Blended Learning-Format wurde in einem interdisziplinär zusammengesetzten Team konzipiert. Die theoretischen Inhalte wurden im asynchronen Selbststudium mit Wissensabfragen und Freitextaufgaben sowie Videosequenzen (u.a. zu Beispielanamnesegesprächen) und Reflexionsaufgaben möglichst lebendig und für die Studierenden zeitlich individuell einteilbar vermittelt. Durch die mediale Trennung von Theorie und Praxis konnte somit in den synchronen Einheiten der Fokus auf dem Einüben bzw. der Simulation der Anamnesegespräche liegen. Auch hierbei wurden aktivierende Methoden angewendet, um eine angenehme Lernatmosphäre in der Seminargruppe zu erzeugen. Zudem wurde für das Onlinesetting ein neuer, strukturierter Ablauf für die Gesprächs- und Feedbackelemente entwickelt, um die gemeinsame Zeit möglichst effizient nutzen zu können [11].

In der Literatur wird seit Beginn der COVID-19-Pandemie häufig das „Emergency Remote Teaching“ (ERT) vom „Online Teaching“ abgegrenzt. Das ERT wird dabei als temporär und eine Art Akutumstellung angesehen, das Online Teaching gilt im Kontrast dazu als eigenständiges für die Fernlehre entwickeltes Lehrmodell mit höherem Aufwand und deutlich längerer Vorlaufzeit von ca. einem Jahr. Das ERT hat das Sommersemester 2020 geprägt, während die tatsächlich reine Online-Lehre noch wenig vertreten ist [12]. Unser Blended Learning-Format verknüpft die Stärken des Präsenzkurses mit den Möglichkeiten der Online-Lehre. Die synchronen Anamnesegespräche als Kern des Kurses sollten daher auch pandemiekonform erhalten bleiben. Anstatt im Sinne eines ERT das bestehende Kursmaterial lediglich online zur Verfügung zu stellen, entschieden wir uns, ein eigenständiges Online-Lehrkonzept auszuarbeiten.

Um die Eignung des neu entwickelten Blended Learning-Formates für die Vermittlung der Lerninhalte zu prüfen, wurde der Kurs, wie auch in den Vorjahren, evaluiert. Befragt wurden sowohl die Studierenden (vor und nach dem Kurs) als auch die Dozierenden (nach dem Kurs). Da der Kurs nicht mit einer objektiven Prüfung abschließt, besteht keine Möglichkeit den Zuwachs an Kompetenzen bzw. das Erreichen der Lernziele auf diese Weise zu erfassen. Seit der erstmaligen Implementierung des Kurses wird der subjektive Lernzuwachs der Studierenden im Rahmen der Evaluation als Item erhoben. Ebenso werden damit zusammenhängende Faktoren erfasst, wie die subjektive Einschätzung der eigenen Kompetenzen, ein Anamnesegespräch selbstständig durchführen zu können, die subjektive Bewertung der Relevanz von Inhalten zu Gesprächsführung und Kommunikation im Rahmen des Medizinstudiums, die Bedeutung der theoretischen Hintergründe zu diesem Thema sowie die Eignung des Onlineformats zum Erlernen dieser Kompetenzen und die Atmosphäre im Kurs als zentrale Grundlage für ein adäquates Lernsetting [13]. Die Zielsetzung in dieser Studie ist somit die Beantwortung der folgenden Frage: Ist unser Blended Learning-Format des Kurses in ärztlicher Gesprächsführung geeignet, um bei den Studierenden zu einem subjektiven Lernzuwachs zu führen bzw. diesen zu ermöglichen? Berücksichtigt haben wir außerdem die weiteren Faktoren, welche die Umstellung des Kurses auf ein Onlineformat beschreiben um zu prüfen, ob und inwiefern die Bedeutung des Themas Kommunikation und Gesprächsführung online abgebildet werden kann.

Wir stellen hier die Ergebnisse aus dem Jahr 2020 dar und setzen diese in Bezug zu den Evaluationsergebnissen des Kurses aus den vergangenen zehn Präsenzjahren (2010-2019).


3. Methoden

3.1. Methoden des Kurses

Der Kurs wurde von ärztlichen Dozierenden aus verschiedenen klinischen und theoretischen Abteilungen für ca. 400 Studierende in Gruppen zu jeweils ca. 14 Teilnehmenden durchgeführt. Die Themen beinhalten u.a. Kommunikationstheorien, Fragetechniken und Aktives Zuhören. Alle Studierenden führten selbständig mindestens ein Anamnesegespräch mit (Simulations-)Patienten*innen.

Der synchrone Teil des Kurses wurde über die Videokonferenzsysteme Zoom oder Webex abgehalten. Die für die Gespräche zugeschalteten Patienten*innen wurden vorab informiert und bei Bedarf zur Technik geschult. Mit den Simulationspatienten*innen wurden vorab ihre Rollen trainiert, auf Besonderheiten des Videoformates eingegangen sowie Hilfen zur Technik gegeben.

Die Selbstlerneinheit des Blended Learning-Moduls wurde auf der Lernplattform OLAT in Form von Skripten, Filmen, Aufgaben und Reflexionsfragen bereitgestellt. Die Teilnahme wurde anhand von Aufgaben mit Überprüfung durch eine studentische Hilfskraft und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin überprüft. Die Studierenden benötigten für die Erarbeitung dieser Inhalte im Schnitt ca. sieben Stunden.

3.2. Methoden der Auswertung

Die im Folgenden dargestellten Daten beruhen auf drei selbst konstruierten Fragebögen, welche von 2010-2020 jährlich im Kurs eingesetzt wurden:

Jeweils zu Beginn des Kurses wurde ein Selbsteinschätzungsbogen an alle Studierenden ausgegeben. Vor dem Online-Semester erfolgte dies in Papierform im Seminarkontext, 2020 war der Bogen digital in der Online-Lernplattform OLAT als Umfrage eingebettet.

Als zweites Messinstrument diente ein Fragebogen zur Evaluation im Anschluss an die Veranstaltungen zum Ende des Semesters. Dieser wurde 2010-2019 in Papierform mehrere Wochen nach Kursabschluss im Rahmen der Scheinvergabe ausgegeben. 2020 wurde über einen LimeSurvey-Link per Mail evaluiert.

Im Rahmen des jeweils letzten Moduls bzw. nach Kursabschluss wurden die Dozierenden gebeten, den Kurs und die Relevanz der Ausbildung im Bereich der Gesprächsführung aus ihrer Sicht zu beurteilen. In den Präsenzjahren fand dies in Papierform statt, 2020 lief die Evaluation ebenfalls über einen LimeSurvey-Link per Mail.

Die Evaluationsdaten wurden im Zuge einer Gesamtevaluation des Moduls erhoben. Der Evaluationsbogen für die Studierenden bestand aus 22 Fragen (17 geschlossen, 5 offen), der Bogen für die Dozierenden aus 14 Fragen (8 geschlossen, 6 offen). Die Bögen wurden für das Onlineformat um sieben Fragen bei den Studierenden und sechs Fragen an die Dozierenden erweitert.

Die dargestellten Daten wurden mittels SPSS (IBM SPSS 25.0) deskriptiv ausgewertet. Alle Items wurden anhand einer sechsstufigen Likert-Skala von 1 („sehr gut“) bis 6 („sehr schlecht“) bewertet.


4. Ergebnisse

4.1. Selbsteinschätzungsbogen

Die Rücklaufquote der Jahre 2010-2019 variiert stark zwischen 35,8% bis 93,9% und liegt im Jahr 2020 bei 84,2%. Die fehlenden Werte schwanken bei den einzelnen Items zwischen 0-8. Aufgrund einer besseren Übersichtlichkeit sind diese in der Tabelle 1 [Tab. 1] nicht im Detail aufgeführt.

4. 2. Studierendenevaluation

Die Rücklaufquote der Jahre 2010-2019 schwankt ebenfalls zwischen 25,1% bis 91,6% der Studierenden (S); die fehlenden Werte variieren von 0-20. Im Jahr 2020 liegt die Rücklaufquote bei 45,1%, die fehlenden Werte liegen mit bis zu 43 deutlich höher als in den Vorjahren.

4. 3. Dozierendenevaluation

Zwischen 2010-2019 variiert die Rücklaufquote stark zwischen 15,8% bis 66,7%, im Jahr 2020 liegt sie bei 67,6% der Dozierenden (D). Die fehlenden Werte liegen bei 0-1 (vgl. Tabelle 2 [Tab. 2]).

4.4. Ergebnisdarstellung

Die Frage nach dem subjektiv eingeschätzten Lernzuwachs in der Abschlussevaluation der Studierenden (vgl. Tabelle 1 [Tab. 1] und Abbildung 1 [Abb. 1]) zeigt, dass dieser Wert im Jahr 2020 mit einem Mittelwert von 1,96 einen Lernzuwachs beschreibt, der so hoch ist wie in keinem der Vorjahre.

Auf die Frage, wie die Studierenden vor und nach dem Kurs ihre Fähigkeiten einschätzen, „morgen ein Anamnesegespräch zu führen“, ist der Wert von 2020 jeweils vergleichbar zu den Jahren 2010-2019.

Die allgemeine Bewertung der Relevanz von Kommunikation und Gesprächsführung durch die Studierenden ist vor dem Kurs 2020 etwas besser im Vergleich zu den Vorjahren (MW=1,23 in 2020 und MW=1,32 in 2010-2019). Auch der Wert nach dem Kurs ist etwas besser im Vergleich zu den Präsenzjahren und auch hier ist dieses Item 2020 positiver bewertet als in allen Jahren zuvor (MW=1,25 in 2020 und MW=1,47 in 2010-2019). Bei den Dozierenden wird insgesamt die Bedeutung für die Berufsausbildung ebenfalls als sehr hoch angesehen (MW=1,05 in 2020/MW=1,35 in 2010-2019).

Die Bewertung der Atmosphäre im Kurs, als ein wichtiges Kriterium für ein erfolgreiches Lernsetting und Grundlage für die Durchführung von Rollenspielen, wird erst seit 2019 evaluiert. Sowohl in dem Präsenzjahr, als auch online schien eine sehr gute Atmosphäre in den Kursgruppen geherrscht zu haben (MW=1,40 in 2019/MW=1,48 in 2020).

Für den subjektiven Lernzuwachs und die Frage nach der Bedeutung von Kommunikation insgesamt spielt zudem die Theorievermittlung als Fundament der Praxis bzw. die Einschätzung hinsichtlich ihrer Bedeutung durch die Studierenden als ebensolche Grundlage eine Rolle. In der Vorabbefragung war der Wert 2020 in der Tendenz etwas schlechter bewertet als in den Vorjahren (MW=2,21 in 2020/MW=2,15 in 2010-2019). In Bezug auf das Blended Learning-Format 2020 zeigt sich jedoch in der Abschlussevaluation eine leicht positivere abschließende Bewertung der Relevanz der Theorie bei den Studierenden (MW=1,93 in 2020) sowie bei den Dozierenden (MW=1,59 in 2020) im Vergleich zu 2010-2019 (MW S=2,18/MW D=1,94). Auch hier sind in beiden Abschlussevaluationen die Werte des Jahres 2020 besser als in jedem erfassten Vorjahr.

Im Rahmen der Abschlussevaluation bewerteten sowohl die Studierenden als auch die Dozierenden, inwieweit das Onlineformat für das Erlernen von Anamnesegesprächen geeignet ist (MW S=3,06/MW D=2,87). Die Kursstruktur beurteilten die Dozierenden zwar insgesamt als gut (MW=2,35 in 2020), im Vergleich zu den zehn Vorjahren zeigt sich jedoch ein deutlicher Unterschied (MW=1,54 in 2010-2019).


5. Diskussion

In unserer vergleichenden Studie einer Befragung zu 10 Jahren Kommunikationskurs in Präsenz bzw. im Blended Learning-Format ergeben die Evaluationsergebnisse der Studierenden und Dozierenden ein differenziertes Bild zu der Fragestellung, inwieweit ein Onlinesetting im Vergleich zu einem Präsenzkurs geeignet ist, um einen subjektiven Lernzuwachs zu ermöglichen bzw. die Bedeutung des Themas Kommunikation und Gesprächsführung online abzubilden. Dabei widmen wir uns anders als Fischbeck et al., nicht der Frage, ob der Online-Kurs den Präsenzkurs ersetzen könnte [8].

5.1. Diskussion der Ergebnisse

So zeigt sich, dass die Angabe des subjektiven Lernzuwachses im Mittelwert so gut bewertet wurde wie nie zuvor in den vorausgehenden zehn Jahren. Weitere Werte, wie die Bewertung der subjektiven Relevanz von Gesprächsführung und Kommunikation für den zukünftigen Beruf, sind in den Abschlussevaluationen sowohl von Studierenden als auch von Dozierenden so positiv bewertet, wie in keinem der Vorjahre. Anders als es vielleicht zu erwarten gewesen wäre, zeigen die Ergebnisse, dass die Bedeutung von Kommunikation für die medizinische Ausbildung im digitalen Setting nicht verloren ging, sondern von allen Beteiligten sogar als relevanter angesehen wird.

Besonders interessant erscheint zudem das Ergebnis, dass auch das Erlernen der zugrundeliegenden Kommunikationstheorien von den Studierenden in der Abschlussbefragung des Kurses 2020 besser bewertet wurden als in den Vorjahren. Zu berücksichtigen ist hier, dass durch das Blended Learning-Format ein vereinheitlichtes Lernkonzept geschaffen wurde, welches nicht abhängig von einzelnen Dozierenden ist und welches durch das Selbststudium im Vergleich zu den Präsenzjahren eine andere persönliche und intensive Auseinandersetzung mit den theoretischen Lerninhalten erforderte. Die insgesamt positive Bewertung eines Online-Kurses in Kommunikation deckt sich mit den Erkenntnissen der zwischenzeitlich erschienenen Veröffentlichungen von Kunisch et al. [14] und Mohos et al. [15], letztere berichten auch, dass der Online-Kurs ergänzend zum Präsenzformat denkbar wäre.

Dass das Zutrauen, ein eigenes Anamnesegespräch zu führen, gleichbleibend gut bewertet wurde, bestärkt die gewählte Umsetzung mit synchronen Videogesprächen und zeigt, dass nach der subjektiven Einschätzung der Studierenden auch ein Onlinesetting ermöglichen kann, die wesentlichen Grundlagen zu erlernen, obwohl die Gesamtbeurteilung für das Onlinesetting von den Beteiligten eher kritisch betrachtet wurde. Richtungsweisend ist sicherlich, dass auch die Kursatmosphäre vergleichbar gut bewertet wurde. Gleichzeitig ist hier limitierend zu benennen, dass aufgrund der unterschiedlichen Formate kein direkter Vergleich erfolgen kann, sondern die Daten lediglich eine Darstellung der subjektiven Einschätzung der Studierenden ermöglichen. Dennoch ist es bemerkenswert, dass sowohl die synchrone Online-Kurseinheit als auch der Präsenzkurs mit ähnlich guten Ergebnissen für die Atmosphäre bewertet wurde.

5.2. Limitationen

Kritisch zu betrachten ist allerdings insgesamt die Tatsache, dass die Vergleichbarkeit von zehn Jahren Präsenzkurs mit einem Jahr Blended Learning-Format limitiert ist. Es bleiben die unterschiedlichen Stichprobengrößen von 3.694 Studierenden und 472 Dozierenden gegenüber 368 Studierenden und 34 Dozierenden.

Da bisher nur die Ergebnisse zur Evaluation unseres Blended Learning-Formates aus einem Jahr existieren, können wir daher hier nur von ersten Tendenzen berichten. Eine Übertragbarkeit auf andere ähnliche Formate bzw. generalisierende Aussagen lassen sich nicht treffen. Hier fehlen weitere vergleichende Evaluationsdaten mit kommenden Studierendenkohorten.

Auch gibt es diverse weitere Faktoren, welche die Ergebnisse beeinflussen, die wir aber nicht direkt messen können. Beispielsweise können wir bisher nur das erste pandemiebedingte Onlinesemester überhaupt betrachten, welches von verschiedensten Rahmenbedingungen beeinflusst war, die sicherlich einen Einfluss auf die Evaluationen hatten. In den Freitextangaben der Evaluation äußerten viele Studierende beispielsweise eine große Dankbarkeit für die Umsetzung des Kurses im Vergleich zu anderen Formaten zu der Zeit. Hier könnte eine positive Verzerrung vorliegen.

In diesem Zusammenhang ist es außerdem wichtig, die Besonderheiten von „Media Comparison Study“ (MCS) und die damit verbundenen möglichen Fallstricke zu berücksichtigen. In MCS werden häufig die spezifischen Eigenarten der jeweiligen Medien außer Acht gelassen, wenn z.B. Online- und Präsenzformate direkt miteinander verglichen werden [12]. Die verschiedenen Variablen lassen sich nicht differenzieren, was auch die Einschränkungen der Media Comparison Studies beschreiben. Einen exakten Vergleich der beiden Formate können wir daher nicht durchführen.

Offergeld et al. [16] beschreiben, dass die Coronapandemie eher eine „notfallbedingte Fernlehre“ als ein tatsächliches Online-Lehrangebot entstehen ließ. Dem können wir entgegenhalten, dass unsere Herangehensweise mit einem interdisziplinären Team die Möglichkeit bot, ein Blended Learning-Format zu gestalten, das als Online-Lehrangebot sowohl in der didaktischen als auch der technischen Umsetzung einem qualitativ hochwertigen Kommunikationskurs im Präsenzformat entspricht. Diesen halten wir basierend auf der Ermittlung des subjektiven Lernzuwachses der Studierenden und der bewerteten Relevanz von Kommunikation in der medizinischen Ausbildung für sehr geeignet, seine Lernziele zu erreichen.

Wünschenswert bezüglich unserer Fragestellung wäre zukünftig eine objektive Prüfung der Kommunikationsfähigkeiten bzw. des Lernzuwachses der Studierenden, sowohl nach Online- als auch nach Präsenz-Lerneinheiten.


6. Schlussfolgerungen

Trotz aller Limitationen lässt sich festhalten, dass aufgrund des umfassenden Forschungsdesigns mit durchgängig hoher Stichprobenzahl und einem langen Erhebungszeitraum sowie der Einbeziehung der verschiedenen Perspektiven (Studierende und Dozierende) hier erstmals eine sehr umfassende Datenlage zum Thema Online-Kommunikationskurs im Medizinstudium vorgelegt werden kann.

Entgegen unserer noch im Jahr 2020 herrschenden Annahme, das Blended Learning-Format sei temporär und müsste lediglich für die Zeit der Pandemie bestehen, bleibt nach Betrachtung der Daten nun vielmehr die Frage, welche Anteile der neuen Umsetzung auch zukünftig beibehalten werden. 2021 haben wir auf Basis der dargestellten Evaluationsergebnisse den Kurs bereits nahezu unverändert weitergeführt. Wenn Lehre in Präsenz wieder möglich ist, wäre ein zukünftiges Blended Learning-Format denkbar, bestehend aus asynchroner digitaler Theorievermittlung und praktischen Anamnesegesprächen in Präsenzform. Die Ergebnisse dieser Erhebung sowie auch die kommenden Evaluationen werden in die zukünftige Gestaltung des Kommunikationskurses an der Goethe-Universität Frankfurt einfließen, insbesondere im Rahmen der Neugestaltung des Medizinstudiums im Rahmen der neuen Approbationsordnung mit steigender Bedeutung von Kommunikationskompetenzen. Hier bietet sich nach unseren Studienergebnissen durchaus Raum für innovative Formate.


Anmerkung

Die Autoren Miriam Schär und Judith Ullmann-Moskovits teilen sich die Erstautorenschaft.


Interessenkonflikt

Die Autorinnen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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