gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Erhöhung der Selbstsicherheit von Medizinstudierenden bei der Ohruntersuchung durch die Nutzung eines Endoskops im Vergleich zum Hand-Otoskop

Artikel Untersuchungstechniken

  • corresponding author Mohamed Bassiouni - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland
  • Duha G. Ahmed - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland
  • Samira Ira Zabaneh - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland
  • Steffen Dommerich - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland
  • Heidi Olze - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland
  • Philipp Arens - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland
  • Katharina Stölzel - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Berlin, Deutschland

GMS J Med Educ 2022;39(1):Doc3

doi: 10.3205/zma001524, urn:nbn:de:0183-zma0015248

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2022-39/zma001524.shtml

Eingereicht: 21. Februar 2021
Überarbeitet: 9. August 2021
Angenommen: 29. November 2021
Veröffentlicht: 15. Februar 2022

© 2022 Bassiouni et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Otoskopie mit einem Hand-Otoskop ist das Standardverfahren in der Lehre von Ohruntersuchungen in der medizinischen Aus- und Weiterbildung. Frühere Studien haben gezeigt, dass der Unterricht mit Hand-Otoskopen in den ersten Semestern unzureichend ist, was dazu führt, dass die Studierenden nur wenig Selbstvertrauen in ihre diagnostischen Fähigkeiten entwickeln. Mit zunehmender Popularität der endoskopischen Ohrchirurgie verwenden immer mehr HNO-Ärzte Endoskope für Ohruntersuchungen in der Praxis, da diese Methode eine bessere Visualisierung und ausgezeichnete Bildqualität bietet. Allerdings werden Medizinstudenten während ihres Studiums in der Regel nicht mit der endoskopischen Untersuchung des Ohrs vertraut gemacht. Ziel dieser Studie ist es, unsere ersten Erfahrungen in der Lehre mit endoskopischen Ohruntersuchungen für Medizinstudenten zu bewerten.

Methoden: Wir haben einen zweistündigen praktischen Pilotkurs zur Basis-Ohruntersuchung für Medizinstudenten im Grundstudium durchgeführt, die bislang wenig oder gar keine Erfahrung mit Ohruntersuchungen hatten. Hierbei wurden die Dauer der Anwesenheit auf dem Campus und der Patientenkontakt während der COVID-19-Pandemie möglichst gering gehalten. Der Kurs umfasste theoretische Didaktik, digitale endoskopische Beispielbilder sowie gegenseitige praktische Untersuchungen des Ohrs (peer to peer) mit einem handgeführten Otoskop und einem 0-Grad-Endoskop. Am Ende des Kurses füllten die Studierenden einen Fragebogen mit acht Fragen aus, die sich hauptsächlich auf ihr subjektives Vertrauen in die Ohruntersuchung mit Hand-Otoskopen bzw. Endoskopen sowie auf ihre allgemeine Präferenz für eines der beiden Untersuchungsinstrumente bezogen.

Ergebnisse: Die meisten Studierenden zogen die Ohruntersuchung mit dem Endoskop gegenüber der Untersuchung mit dem Hand-Otoskop vor und gaben an, dass sie mit der endoskopischen Technik mehr Vertrauen in ihre diagnostischen Fähigkeiten hätten. Die überwiegende Mehrheit der Studierenden befürwortete die Vermittlung der endoskopischen Ohruntersuchung an künftige Medizinstudenten.

Fazit: Die Ergebnisse dieser Pilotprojektarbeit und der Umfrage untermauern die frühe Heranführung von Medizinstudenten an die endoskopische Ohruntersuchung. Dieses Verfahren kann dazu beitragen, das Selbstvertrauen und die diagnostischen Fähigkeiten der Medizinstudenten in Bezug auf die Ohruntersuchung zu verbessern. Die Ergebnisse könnten Auswirkungen auf die Lehre von Ohruntersuchungen im Grundstudium in der Zeit nach der COVID-19-Pandemie haben.

Schlüsselwörter: Otoskopie, Otolaryngologie, digitales Lernen, praktische Untersuchung, Ohrpathologie


1. Einleitung

Die COVID-19-Pandemie hat die medizinische Ausbildung vor große Herausforderungen gestellt. Sie hat aber auch enorme Möglichkeiten für Anpassungen und Innovationen geschaffen, insbesondere in der digitalen medizinischen Grundausbildung, um den Patientenkontakt insgesamt zu reduzieren, ohne die Lernerfahrung zu beeinträchtigen. Im universitären Curriculum der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in unserem Universitätsklinikum werden pro Semester mehr als 300 Medizinstudenten in praktischen Kursen am Krankenbett und in Modulen zur Patientenuntersuchung in der Ohruntersuchung geschult. Die Durchführung dieses Lehrformats hat sich während der COVID-19-Pandemie als besonders schwierig erwiesen [1], da unser Universitätsklinikum als regionales COVID-19-Behandlungszentrum viele COVID-19-Patienten versorgen musste. Die daraus resultierenden Einschränkungen für die Anwesenheit auf dem Campus und den Kontakt mit Patienten führten zu einer Anpassung unseres Kurses für Ohruntersuchung für Medizinstudenten. In dieser Arbeit berichten wir über unsere Erfahrungen und die Erkenntnisse für die Lehre der Ohruntersuchung im Medizinstudium in der Zeit nach der COVID-19-Pandemie, insbesondere im Hinblick auf die Instrumente und Techniken, die für die Ohruntersuchung verwendet werden.

Die Instrumente zur Ohruntersuchung haben im Laufe der Geschichte viele Veränderungen erfahren: von Zangen, Ohrspekula und Kopfspiegeln bis hin zu tragbaren Otoskopen sowie binokularen Mikroskopen und Endoskopen, die in den letzten Jahrzehnten verwendet werden [2]. Vor allem das Hand-Otoskop ist seit dem späten 19. Jahrhundert das Standardinstrument für die Ohruntersuchung. Abgesehen von HNO-Ärzten und Otologen, die zusätzlich binokulare Mikroskope und Endoskope für die Ohruntersuchung verwenden können, verwenden andere Mediziner, wie Kinderärzte, Hausärzte und Notfallmediziner, ausschließlich Hand-Otoskope für die Ohruntersuchung [3], [4], [5], [6]. Mit dem Aufkommen der endoskopischen Ohrchirurgie [7], [8], [9] haben immer mehr HNO-Ärzte begonnen, Endoskope für Untersuchungen in der Praxis zu verwenden [10], [11], da diese Methode eine bessere Ausleuchtung, eine ausgezeichnete Bildqualität und die Möglichkeit der Foto-/Videodokumentation bietet [12], [13]. Vor allem aber ist das Endoskop das einzige Untersuchungsinstrument, mit dem der Untersucher sowohl einen weiten Panoramablick erhalten als auch das Trommelfell genauer untersuchen kann [12], [13].

Medizinstudenten werden im Rahmen ihrer universitären Ausbildung in der Regel nicht mit der endoskopischen Ohruntersuchung vertraut gemacht. Frühere Studien haben gezeigt, dass Medizinstudenten nicht genügend Vertrauen in ihre Fähigkeiten zur diagnostischen Untersuchung der Ohren haben, was auf eine unzureichende Lehre von Ohruntersuchungen im Medizinstudium hinweist [5], [14], [15]. Auch Ärzte in Weiterbildung haben berichtet, dass sie sich bei der Otoskopie nicht sicher genug fühlen [16], [17]. Doch trotz der damit verbundenen suboptimalen Leistungen der Studierenden ist das Hand-Otoskop nach wie vor das Standardinstrument für Ohruntersuchungen im Medizinstudium.

Ziel dieser Studie ist es, unsere vorläufigen Erfahrungen in der Lehre mit endoskopischen Ohruntersuchungen für Medizinstudenten zu bewerten und die Studierenden zu ihrem Vertrauen in diese Untersuchungstechnik sowie zu ihrer allgemeinen Präferenz der Methode im Vergleich zur Hand-Otoskopie zu befragen. Dieses Pilotprogramm wurde während der COVID-19-Pandemie entwickelt, um die diagnostischen Fähigkeiten der Medizinstudenten zu verbessern und gleichzeitig den Zeitaufwand für die Anwesenheit auf dem Campus und den Kontakt mit Patienten zu minimieren. In der vorliegenden Studie wird die Forschungshypothese untersucht, ob die Einführung der Ohrendoskopie bei Medizinstudenten deren subjektive Selbstsicherheit bei Ohruntersuchungen verbessert und ob die Studierenden diese zusätzliche Technik bevorzugen und künftigen Medizinstudenten empfehlen würden. Der theoretische Rahmen der Studie basiert auf dem wachsenden Angebot an wissenschaftlicher Literatur über die Vorteile der Endoskopie bei der Untersuchung und Operation des Ohres in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, die den Studierenden im Medizinstudium und bei Ärzten in anderen Weiterbildungsfachrichtungen als der otolaryngologischen Weiterbildung noch völlig unbekannt ist [10], [11], [12], [13].


2. Projektbeschreibung

Die Studie umfasste die Befragung von Medizinstudenten, die bislang wenig bis gar keine Erfahrungen mit Ohruntersuchungen gesammelt haben. Die Studierenden nahmen an einem zweistündigen Kurs über die Grundlagen der Ohruntersuchung teil, der aus theoretischer Didaktik, digitalen endoskopischen Beispielbildern und körperlichen Untersuchungen unter Gleichaltrigen (peer to peer) bestand. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt eine schematische Darstellung des Kursablaufs. Die Übungen wurden sowohl mit einem Hand-Otoskop (Beta100; Heine Optotechnik, Gilching, Deutschland) als auch mit einem starren 0-Grad-Endoskop (125 304 120; XION GmbH, Berlin, Deutschland) durchgeführt, das an eine LED-Lichtquelle (11301 D4; Karl Storz Endoskope, Tuttlingen, Deutschland) angeschlossen war (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Nach der endoskopischen Untersuchung der einzelnen Probanden wurde das Endoskop mit dem Tristel® Trio Wipes System (Tristel GmbH, Berlin, Deutschland) desinfiziert. Allen Studierenden wurden beide Techniken der Ohruntersuchung beigebracht und geübt, wobei ein Studierender die Rolle des Patienten und die anderen Studierenden die Rolle des Untersuchers simulierten. Alle Studierenden wurden unmittelbar vor der Kursteilnahme negativ auf SARS-CoV-2 getestet. Die Studierenden trugen während des gesamten Kurses einen Mund-Nasen-Schutz, und es wurde so viel Abstand wie möglich gehalten (soziale Distanzierung), so dass die Teilnehmer die praktischen Untersuchungen jedoch noch durchführen konnten.

Anschließend wurden die Studierenden gebeten, einen Fragebogen mit acht Fragen auszufüllen. Die ersten beiden Fragen bezogen sich auf das Geschlecht der Studierenden und ihre bisherigen Erfahrungen mit Ohruntersuchungen. Die folgenden sechs Fragen wurden auf einer 5-stufigen Likert-Skala gemessen und bewerteten das Reaktionsniveau der Lernerfahrung nach dem Kirkpatrick-Modell [18]. Die Fragen sind in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt. Zur Bewertung ihrer diagnostischen Leistung (Ergebnisebene des Kirkpatrick-Modells [18]), wurden die Studierenden gebeten, endoskopische digitale Farbbilder auf einem Computerbildschirm zu betrachten und darauf geläufige Mittelohrpathologien zu identifizieren, die im theoretischen Teil des Kurses vorgestellt wurden (10 digitale Beispielbilder, die für jede Pathologie auf einem Computerbildschirm begutachtet wurden). Die folgenden vier Mittelohrpathologien wurden in diese kurze Bewertung einbezogen: akute Otitis media, Trommelfellperforation, Paukenerguss und Trommelfellretraktion. Die Studierenden wurden aufgefordert, die zugrunde liegende Pathologie auf einem Papierfragebogen mit Multiple-Choice-Fragen auszuwählen. Die zweite und dritte Ebene des Kirkpatrick-Modells (Lernebene bzw. Verhaltensebene) wurden in dieser Studie nicht bewertet. Die statistische Analyse wurde mit der JMP-Software Version 15 (SAS Institute, Cary, NC, USA) durchgeführt.


3. Ergebnisse

Der Fragebogen und die Bewertung wurden von 52 Medizinstudenten (32 Frauen und 20 Männer) ausgefüllt, die sich im zweiten bzw. vierten Jahr ihres Medizinstudiums befanden. Die Umfrage begann mit einer demografischen Frage (Geschlecht) und einer Frage über die bisherigen Erfahrungen mit Ohruntersuchungen. Alle Studierenden (n=52) gaben an, wenig bis gar keine Erfahrung mit Ohruntersuchungen zu haben (<5 Mal). Die Medizinstudenten im zweiten Studienjahr waren völlige Neulinge in Bezug auf die Ohruntersuchung (n=40), während die Medizinstudenten im vierten Studienjahr (n=12) im Laufe ihres Studiums bislang wenig Berührungspunkte mit Ohruntersuchungen hatten (mindestens einmal, aber weniger als fünfmal). Insgesamt war das Selbstvertrauen in Ohruntersuchungen vor dem Lehrprogramm mit einem Durchschnittswert von 2 auf einer 5-stufigen Likert-Skala gering (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Das subjektive Selbstvertrauen vor dem Kurs hing mit der früheren Erfahrung der Studierenden mit der Ohruntersuchung zusammen (p<0,05, Chi-Quadrat-Test von Pearson). Nach dem zweistündigen Workshop stieg das subjektive Selbstvertrauen in die Ohruntersuchung bei den Studierenden auf einen Durchschnittswert von 4 (auf einer Skala von 1 bis 5), was darauf hindeutet, dass die Studierenden nach einem zweistündigen Workshop mit einer theoretischen Einführung mit anschließenden praktischen Übungen im Kollegenkreis (peer to peer) ausreichend Vertrauen in ihre diagnostischen Fähigkeiten erreichen konnten (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Es gab keinen Unterschied zwischen den Studierenden des zweiten und des vierten Studienjahres in Bezug auf das subjektive Selbstvertrauen nach dem Kurs (p>0,05, Student's t-test).

In den nächsten vier Fragen wurde die Meinung der Studierenden über die Hand-Otoskopie und die Endoskopie als Instrument für Ohruntersuchungen verglichen (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]), was die reaktionäre Ebene der Lernerfahrung nach dem Kirkpatrick-Modell darstellt [18]. Die meisten Studierenden äußerten eine Präferenz (n=22, 42,3%) bzw. eine starke Präferenz (n=16, 30,7%) für die Ohruntersuchung mit einem Endoskop gegenüber der Untersuchung mit einem Hand-Otoskop (durchschnittlich 4 von 5 Punkten). Die meisten Studierenden stimmten entweder zu (n=17, 32,6%) bzw. stimmten stark zu (n=26, 50%), dass ihr Vertrauen in ihre diagnostischen Fähigkeiten mit einem Endoskop größer war als mit einem handgeführten Otoskop (durchschnittlich 4,2 von 5).

Mit den letzten beiden Fragen wurden die Empfehlungen der Studierenden für die künftige Lehre von Ohruntersuchungen für Medizinstudenten erhoben. Die meisten Studierenden waren Befürworteter (n=15, 28,8%) bzw. starke Befürworter (n=31, 59,6%) der Lehre von Ohruntersuchungen mit einem Endoskop als Ergänzung zur Otoskopie mit dem Handgerät (durchschnittlich 4,5 von 5). Nur ein Studierender (3,2%) sprach sich dagegen aus, die endoskopische Ohruntersuchung in künftige Lehrprogramme zu integrieren. Im Gegensatz dazu waren die Medizinstudenten deutlich weniger begeistert davon, Ohruntersuchungen ausschließlich mit einem Endoskop als Ersatz für die Hand-Otoskopie zu unterrichten (Student's t-test, p<0,001), wobei die meisten Studierenden diesem Vorschlag entweder nicht (n=31, 59,6%) oder überhaupt nicht (n=10, 19,2%) zustimmten und 7 Studierenden (13,4%) neutral blieben (durchschnittliche Zustimmung von 2,1 von 5). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass unerfahrene Medizinstudenten den Unterricht von endoskopischen Ohruntersuchungen in Verbindung mit der handgeführten Otoskopie in zukünftigen Studiengängen unterstützen.

Im Hinblick auf die „Ergebnis“-Ebene des Lernens (nach dem Kirkpatrick-Modell [18]), wurde die Diagnosefähigkeit der Studierenden anhand digitaler endoskopischer Bilder bewertet. Die Studierenden wurden gebeten, auf einer Reihe von Beispielbildern vier häufige Mittelohrpathologien zu diagnostizieren (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]). Von allen 52 Studierenden konnten 50 (96,1%) eine akute Otitis media auf digitalen endoskopischen Bildern korrekt erkennen. 50 von 52 Studierenden (96,1%) konnten außerdem eine Trommelfellperforation richtig erkennen. Im Gegensatz dazu erkannten die Studierenden mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einen Paukenerguss und eine Trommelfellretraktion: 45 (86,5%) bzw. 43 (82,6%) Studierende konnten diese Pathologien korrekt identifizieren. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Diagnose eines Paukenergusses und einer Trommelfellretraktion für unerfahrene Medizinstudenten schwieriger zu stellen ist, wenn sie sich nur auf digitale Beispielbilder stützen, und bei diesen Pathologien daher mehr Übung und die Untersuchung echter Patienten erforderlich ist. Es gab keine signifikanten prozentualen Unterschiede bei den richtigen Antworten zwischen jüngeren und älteren Studierenden oder zwischen den von den Studierenden angegebenen subjektiven Vertrauenswerten und ihrer Genauigkeit bei der Bestimmung der richtigen Diagnose auf den digitalen Beispielbildern. Bemerkenswert ist, dass diese digitale Bilddemonstration und -auswertung für alle Studierenden am Ende des Kurses durchgeführt wurde und in Bezug auf die Untersuchungsmethode oder das subjektive Selbstvertrauen der Studierenden nicht differenziert bewertet wurde, sondern vielmehr als allgemeiner Indikator für die Anwendbarkeit dieser Lehrplattform zur Vermittlung eines angemessenen Verständnisses normaler und pathologischer Ohrbefunde verwendet wurde. Ein weiteres Ziel des digitalen Bildteils war es, einen Einblick in den unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad der Diagnose verschiedener häufiger Ohrpathologien für Medizinstudenten zu erhalten, um die künftige Bewertung der Ergebnisse nach dem Kirkpatrick-Modell [18] zu unterstützen. Es sollten weitere Studien durchgeführt werden, die sich auf den Vergleich der diagnostischen Genauigkeit zwischen Studentengruppen konzentrieren, die in beiden Untersuchungsmethoden getrennt ausgebildet wurden.


4. Diskussion

In dieser Studie zeigten die Studierenden gute Leistungen bei der diagnostischen Beurteilung, nachdem sie eine Einführung in die Ohrendoskopie und die digitalen endoskopischen Aufnahmen verschiedener Ohrpathologien erhalten hatten. Die Studierenden äußerten eine deutliche Präferenz bei der Ohruntersuchung für die Nutzung des Endoskops gegenüber dem Hand- Otoskop, was darauf hindeuten könnte, dass die Hand-Otoskopie für unerfahrene Lernende, die noch keine Erfahrung mit der Ohruntersuchung haben, schwieriger ist. Dieses Ergebnis spiegelt unsere Erfahrungen in der Weiterbildung unserer Assistenzärzte für HNO-Heilkunde wider, die die Ohrendoskopie in den letzten Jahren gegenüber der traditionellen otoskopischen Untersuchung verstärkt bevorzugen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Lernziele in den offiziellen Lehrplänen für das universitäre Medizinstudium in allen deutschsprachigen Ländern derzeit keine endoskopische Untersuchung des Ohrs vorsehen. Diese Tatsache war die Hauptmotivation für diese Studie.

Ein Hauptziel der medizinischen Ausbildung ist es, die Ausbildungsbedürfnisse der Studierenden zu erfüllen. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Studierenden – insbesondere im Zeitalter des selbstgesteuerten Lernens und der studierendenorientierten medizinischen Ausbildung – in den von ihnen bevorzugten Untersuchungsmethoden geschult werden sollten, um ein Höchstmaß an Sicherheit und Kompetenz zu erreichen [19]. Wir schlagen daher vor, die eigene Unterstützung der Studierenden für die Lehre der endoskopischen Ohruntersuchung künftig zu berücksichtigen. Wie frühere Studien gezeigt haben, wäre eine weitere Strategie zur Erzielung besserer Unterrichtsergebnisse die Standardisierung des Prüfungsprozesses, die zu einer verbesserten objektiven Qualität der Lehr- und Prüfungsprozesse führt [20], [21].

Interessanterweise sprachen sich die meisten Studierenden gegen eine ausschließliche Lehre von Ohruntersuchungen mittels Endoskopie aus, was darauf hindeutet, dass die Endoskopie eine Ergänzung und kein Ersatz für die Hand-Otoskopie in der Ausbildung sein sollte. Die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie in Bezug auf Patientenkontakt und -untersuchung ließen einen direkten Vergleich der diagnostischen Leistung der Studierenden, die beide Methoden an Patienten mit echten Ohrpathologien anwendeten, nicht zu. Stattdessen konzentrierten wir uns auf die Befragung der Studierenden zu ihrer allgemeinen Präferenz und ihrem subjektiven Vertrauen in ihre Untersuchungsfähigkeiten mit beiden Methoden in der Gruppenuntersuchung (peer practice). In zukünftigen Studien sollten die diagnostische Leistung von Medizinstudenten, die beide Untersuchungsmethoden anwenden, direkt bewertet werden.

In dieser Umfrage sprachen sich die meisten Medizinstudenten dafür aus, Ohruntersuchungen mit einem Endoskop als zusätzliches Hilfsmittel zu lehren, nicht aber als Alternative zum Hand-Otoskop, das nach wie vor das Standard-Untersuchungsinstrument für Ärzte außerhalb des Fachbereichs der HNO-Heilkunde ist. Diese Empfehlung entspricht unserer Auffassung, dass das Endoskop ein zusätzliches Hilfsmittel und kein Ersatz für das Hand-Otoskop ist. Darüber hinaus stellen Zeit- und Kostenaufwand für die Desinfektion des Endoskops zwischen den Untersuchungen ein Nachteil gegenüber der handgeführten Otoskopie dar, bei der Einwegtrichter verwendet werden, und die daher besser für Untersuchungen in Praxen mit einem hohen Patientenaufkommen geeignet ist. Postgraduierte Ärzte außerhalb des Fachbereichs der HNO-Heilkunde werden in ihren Weiterbildungsprogrammen und Praxen wahrscheinlich nur Zugang zu Hand-Otoskopen als einzigem Instrument zur Ohruntersuchungen haben. Daher erscheint es angemessen, dass Medizinstudenten im Grundstudium auch in der Untersuchungstechnik geschult werden, die sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in ihrer weiteren beruflichen Laufbahn verwenden werden. Wir schlagen daher vor, dass der Unterricht der Ohruntersuchung im Medizinstudium sowohl mit einem handgeführten Otoskop als auch mit einem Endoskop durchgeführt werden sollte. Der Einsatz des Endoskops als zusätzliches Lehrmittel verbessert die subjektive Diagnosesicherheit der Medizinstudenten, ohne dass sie auf die Hand-Otoskopie, die sie mit größerer Wahrscheinlichkeit während ihrer postgradualen Weiterbildung praktizieren werden, verzichten müssen.

Wir sind der Meinung, dass ein höheres Selbstvertrauen eines der Hauptziele jedes Skill-Moduls sein sollte, obwohl solche Ergebnisse nicht immer mit einer besseren diagnostischen Leistung korrelieren [22]. Daher schlagen wir vor, bei den studentischen Lehrprogrammen in Endoskope und digitale Kamerasysteme für den Unterricht der Ohruntersuchung zu investieren. Durch die Möglichkeit, Digitalkameras an Endoskopen anzubringen, kann der Dozent (und auch die anderen Studierenden), gleichzeitig zu beobachten, was der Untersuchende sieht, und umgekehrt, was zu einer kontrollierteren und einheitlicheren Lernerfahrung für alle Studierenden unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten führt. Darüber hinaus sind Kameraaufnahmen sowohl dem virtuellen Lernen als auch dem Erfahrungsaustausch zwischen Studierenden und Dozenten förderlich.

Man sollte jedoch beachten, dass dieses Lehrmodul keine Alternative zur Untersuchung von Patienten mit echten Krankheiten darstellt [23], was während der COVID-19-Pandemie nicht möglich war. Aber auch ohne Patientenkontakt haben wir gezeigt, dass sich bestimmte häufige Ohrpathologien, wie z. B. die akute Mittelohrentzündung, besser für das digitale Lernen eignen. Diese Erkenntnis ist von Interesse, da die akute Otitis media häufig von Allgemeinmedizinern, Kinderärzten und Notfallmedizinern behandelt wird. Im Gegensatz dazu sind andere Ohrerkrankungen, wie z. B. die Trommelfellretraktion, subtiler und erfordern gegebenenfalls mehr Übung an echten Patienten. Wie bereits berichtet, wäre eine Methode, die ein Üben ohne Patientenkontakt ermöglicht, die Verwendung von Otoskopie-Simulatoren [22]. Es wäre daher interessant, in künftigen Studien die diagnostische Leistung von Medizinanfängern bei Patienten mit subtilen Ohrpathologien sowohl mit der Hand-Otoskopie als auch mit der Endoskopie zu vergleichen, um festzustellen, ob die Verwendung von Endoskopen tatsächlich zu besseren diagnostischen Fähigkeiten führt.

Unseres Wissens ist dies die erste Arbeit, in der Medizinstudenten die starre Endoskopie des Ohres gelehrt und ihre Reaktion auf diese Untersuchungsmethode im Vergleich zur herkömmlichen Hand-Otoskopie untersucht wird. Auch wenn diese Studie keinen direkten Vergleich zwischen den Vorzügen der beiden Untersuchungsmethoden bietet, könnte sie dennoch wichtige Auswirkungen auf die Lehre der Ohruntersuchung während des universitären Medizinstudiums und in der postgradualen Weiterbildung haben. Die vorliegende Umfrage zeigt deutlich, dass eine Kohorte von Medizinstudenten die Endoskopie des Ohres gegenüber der Otoskopie mit dem Hand-Otoskop bevorzugt. Die handgeführte Otoskopie scheint also schwieriger und daher eher für Fortgeschrittene geeignet zu sein. Dieser höhere Schwierigkeitsgrad der Hand-Otoskopie könnte zu den in der Literatur berichteten schlechten Otoskopiekenntnissen unter Medizinstudenten beitragen. Das frühzeitige Heranführen von Anfängern an endoskopische Ohruntersuchungen in der medizinischen Ausbildung könnte daher zu einer Verringerung dieses Problems beitragen. Die Ergebnisse der vorliegenden Pilotstudie werden die künftige Lehre von Ohruntersuchungen in unserem universitären Curriculum der HNO-Heilkunde in der Post-COVID-19-Ära beeinflussen. In künftigen Interventionsstudien sollten die diagnostische Leistung der Medizinstudenten mit beiden Untersuchungsmethoden verglichen werden, um klare Empfehlungen zu geben, welche Rolle die Endoskopie im Lehrplan für die Ohruntersuchung im Medizinstudium spielen sollte.


Danksagung

Die Autor*innen danken den Medizinstudent*innen, die an der Umfrage teilgenommen haben.


Autorenschaft

Die Autor*innen Philipp Arens und Katharina Stölzel teilen sich die Letztautorenschaft.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Stöver T, Dazert S, Plontke SK, Kramer S, Ambrosch P, Arens C, Betz C, Beutner D, Bohr C, Bruchhage KL, Canis M, Dietz A, Guntinas-Lichius O, Hagen R, Hosemann W, Iro H, Klussmann JP, Knopf A, Lang S, Leinung M, Lenarz T, Löwenheim H, Matthias C, Mlynski R, Olze H, Park J, Plinkert P, Radeloff A, Rotter N, Rudack C, Bozzato A, Schipper J, Schrader M, Schuler PJ, Strieth S, Stuck BA, Volkenstein S, Westhofen M, Wolf G, Wollenberg B, Zahnert T, Zenk J, Hoffmann TK. Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf die universitäre Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im Bereich der Forschung, Lehre und Weiterbildung [Effects of the SARS-CoV-2 pandemic on the otolaryngology university hospitals in the field of research, student teaching and specialist training]. HNO. 2021;69(8):633-641. DOI: 10.1007/s00106-021-01001-8 Externer Link
2.
Feldmann H. Die Geschichte der Ohr-Specula. Bilder aus der Geschichte der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, dargestellt an Instrumenten aus der Sammlung im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt [History of the ear speculum. Images from the history of otorhinolaryngology, highlighted by instruments from the collection of the German Medical History Museum in Ingolstadt]. Laryngorhinootologie. 1996;75(5):311-318. DOI: 10.1055/s-2007-997586 Externer Link
3.
Wu V, Beyea JA. Evaluation of a Web-Based Module and an Otoscopy Simulator in Teaching Ear Disease. Otolaryngol Head Neck Surg. 2017;156(2):272-277. DOI: 10.1177/0194599816677697 Externer Link
4.
You P, Chahine S, Husein M. Improving learning and confidence through small group, structured otoscopy teaching: a prospective interventional study. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2017;46(1):68. DOI: 10.1186/s40463-017-0249-4 Externer Link
5.
Niermeyer WL, Philips RHW, Essig GF, Moberly AC. Diagnostic accuracy and confidence for otoscopy: are medical students receiving sufficient training? Laryngoscope. 2019;129(8):1891-1897. DOI: 10.1002/lary.27550 Externer Link
6.
Paul CR, Keeley MG, Rebella G, Frohna JG. Standardized Checklist for Otoscopy Performance Evaluation: A Validation Study of a Tool to Assess Pediatric Otoscopy Skills. MedEdPORTAL. 2016;12:10432. DOI: 10.15766/mep_2374-8265.10432 Externer Link
7.
Tarabichi M. Endoscopic management of acquired cholesteatoma. Am J Otol. 1997;18(5):544-549.
8.
Tarabichi M. Endoscopic middle ear surgery. Ann Otol Rhinol Laryngol. 1999;108(1):39-46. DOI: 10.1177/000348949910800106 Externer Link
9.
Presutti L, Marchioni D, Mattioli F, Villari D, Alicandri-Ciufelli M. Endoscopic management of acquired cholesteatoma: our experience. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2008;37(4):481-487.
10.
Yong M, Mijovic T, Lea J. Endoscopic ear surgery in Canada: a cross-sectional study. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2016;45:4. DOI: 10.1186/s40463-016-0117-7 Externer Link
11.
Freire GS, Sampaio AL, Lopes RA, Nakanishi M, de Oliveira C. Does ear endoscopy provide advantages in the outpatient management of open mastoidectomy cavities? PLoS One. 2018;13(1):e0191712. DOI: 10.1371/journal.pone.0191712 Externer Link
12.
Kozin ED, Kiringoda R, Lee DJ. Incorporating Endoscopic Ear Surgery into Your Clinical Practice. Otolaryngol Clin North Am. 2016;49(5):1237-1251. DOI: 10.1016/j.otc.2016.05.005 Externer Link
13.
Pollak N. Endoscopic and minimally-invasive ear surgery: A path to better outcomes. World J Otorhinolaryngol Head Neck Surg. 2017;3(3):129-135. DOI: 10.1016/j.wjorl.2017.08.001 Externer Link
14.
Fisher EW, Pfleiderer AG. Is undergraduate otoscopy teaching adequate?--An audit of clinical teaching. J R Soc Med. 1992;85(1):23-25.
15.
Fisher EW, Pfleiderer AG. Assessment of the otoscopic skills of general practitioners and medical students: is there room for improvement? Br J Gen Pract. 1992;42(355):65-67.
16.
Donnelly MJ, Walsh MA, Hone S, O'Sullivan P. Examining the ear: clinical teaching. Med Educ. 1996;30(4):299-302. DOI: 10.1111/j.1365-2923.1996.tb00833.x Externer Link
17.
Steinbach WJ, Sectish TC, Benjamin DK, Chang KW, Messner AH. Pediatric residents' clinical diagnostic accuracy of otitis media. Pediatrics. 2002;109(6):993-998. DOI: 10.1542/peds.109.6.993 Externer Link
18.
Kirkpatrick D, Kirkpatrick J. Evaluating training programs: The four levels. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers; 2006.
19.
Xu J, Campisi P, Forte V, Carrillo B, Vescan A, Brydges R. Effectiveness of discovery learning using a mobile otoscopy simulator on knowledge acquisition and retention in medical students: a randomized controlled trial. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2018;47(1):70. DOI: 10.1186/s40463-018-0317-4 Externer Link
20.
Kemper M, Zahnert T, Graupner A, Neudert M. Die Operationalisierung der HNO-Spiegeluntersuchung [Operationalization of the clinical head and neck examination]. Laryngorhinootologie. 2011;90(9):537-542. DOI: 10.1055/s-0031-1280849 Externer Link
21.
Kemper M, Linke J, Zahnert T, Neudert M. Peer Teaching und Peer Assessment sind effektive Lehrinstrumente in der HNO-Heilkunde [Peer teaching and peer assessment are appropriate tools in medical education in otorhinolaryngology]. Laryngorhinootologie. 2014;93(6):392-397. DOI: 10.1055/s-0034-1370944 Externer Link
22.
Oyewumi M, Brandt MG, Carrillo B, Atkinson A, Iglar K, Forte V, Campisi P. Objective Evaluation of Otoscopy Skills Among Family and Community Medicine, Pediatric, and Otolaryngology Residents. J Surg Educ. 2016;73(1):129-135. DOI: 10.1016/j.jsurg.2015.07.011 Externer Link
23.
Paul CR, Gjerde CL, McIntosh G, Weber LS. Teaching the pediatric ear exam and diagnosis of Acute Otitis Media: a teaching and assessment model in three groups. BMC Med Educ. 2017;17(1):146. DOI: 10.1186/s12909-017-0988-y Externer Link