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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Verbessert Peer-Feedback für Lehrärzte die studentische Bewertung von Hausarztpraktika? Ein Prä-Post-Vergleich

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  • corresponding author Michael Pentzek - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Centre for Health and Society (chs), Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf, Deutschland
  • author Stefan Wilm - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Centre for Health and Society (chs), Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf, Deutschland
  • author Elisabeth Gummersbach - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Centre for Health and Society (chs), Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(7):Doc122

doi: 10.3205/zma001518, urn:nbn:de:0183-zma0015182

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001518.shtml

Eingereicht: 3. März 2021
Überarbeitet: 12. August 2021
Angenommen: 17. August 2021
Veröffentlicht: 15. November 2021

© 2021 Pentzek et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die allgemeinmedizinische Lehre an den Universitäten nimmt zu und wird u.a. mit Praktika bei niedergelassenen Hausärzten realisiert. Auswahl und Qualitätsmanagement dieser Lehrpraxen stellen die allgemeinmedizinischen Institute vor Herausforderungen; entsprechende Instrumente sind gefragt. Die Fragestellung der vorliegenden Studie lautet, ob sich die studentische Bewertung eines Praktikums in bislang schlecht evaluierten Hausarztpraxen verbessert, nachdem die hausärztlichen Lehrärzte eine Rückmeldung durch eine Kollegin erhalten haben.

Methodik: Studierende der Studienjahre 1, 2, 3 und 5 bewerteten ihre Erfahrungen in hausärztlichen Praktika mit zwei 4-stufigen Items (fachliche Betreuung und Empfehlung für andere Kommilitonen). Besonders schlecht evaluierte Lehrpraxen wurden identifiziert. Eine praktisch tätige und lehr-erfahrene Hausärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin führte mit diesen eine persönliche Rückmeldung der Evaluationsergebnisse durch (Peer-Feedback), überwiegend in Form von Einzelgesprächen in der Praxis (peer visit). Nach dieser Intervention wurden in diesen Praxen weiter Praktika durchgeführt. Der Einfluss der Intervention (prä/post) auf die studentischen Evaluationen wurde in verallgemeinerten Schätzungsgleichungen (Clustervariable Praxis) berechnet.

Ergebnisse: Von insgesamt 264 Lehrpraxen hatten 83 eine suboptimale Bewertung. Davon wurden 27 besonders negativ bewertete Praxen für die Intervention ausgewählt, von denen in bislang 24 die Intervention umgesetzt werden konnte. Für 5 dieser Praxen gab es keine post-Evaluationen, so dass in die vorliegende Auswertung die Daten von 19 Praxen (n=9 männliche Lehrärzte, n=10 weibliche Lehrärztinnen) eingingen. Die Evaluationen dieser Praxen waren nach der Intervention (durch n=78 Studierende) signifikant positiver als vorher (durch n=82 Studierende): Odds Ratio 1.20 (95% Konfidenzintervall 1.10-1.31; p<.001).

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass allgemeinmedizinische Universitätsinstitute die studentische Bewertung ihrer Lehrpraxen über individuelle kollegiale Rückmeldungen verbessern können.

Schlüsselwörter: Allgemeinmedizin, Ausbildung von Lehrkräften, Feedback, Medizinstudenten, medizinische Ausbildung im Grundstudium, Evaluation


Einleitung

Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ sieht eine Stärkung der Rolle der Allgemeinmedizin im Curriculum vor [1]. Eine von Studierenden und Lehrenden gewünschte Form der Umsetzung besteht in Praktika in Hausarztpraxen bereits früh und kontinuierlich im Studienverlauf [2]. Die Erfahrungen, die Studierende in diesen Praktika machen, können –über reine Lerneffekte hinaus– eine berufliche Orientierung mitformen; gute Erfahrungen in Praktika können das Interesse an Allgemeinmedizin und am Hausarztberuf steigern [3], [4].

Im Einklang mit der ärztlichen Approbationsordnung [https://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html] absolvieren die Studierenden im Düsseldorfer Modellstudiengang in den Studienjahren 1, 2, 3 und 5 jeweils ein Praktikum in Hausarztpraxen mit insgesamt sechs Wochen Dauer [https://www.medizinstudium.hhu.de]. Die Anforderungen der Praktika bauen inhaltlich aufeinander auf; zunächst liegt der Schwerpunkt auf Anamnese und körperlicher Untersuchung, später kommen komplexere medizinische Zusammenhänge und Überlegungen zu weiterführender Diagnostik und Therapie hinzu. Unter Supervision der niedergelassenen Lehrärzte können die Studierenden hier Erfahrungen in der Arzt-Patienten-Interaktion sammeln. Ein wichtiger und deshalb immer wieder betonter Faktor für eine positive studentische Wahrnehmung der Praktika ist die Tatsache, dass den Studierenden im Praktikum die Möglichkeit gegeben wird, selbstständig mit Patienten zu arbeiten, um sich unmittelbar selbst in der ärztlichen Rolle erleben zu können [2], [5]. Für den didaktischen Erfolg der Praktika spielen weiterhin die Haltung und Qualifikation der Lehrärzte eine wichtige Rolle [3]. Ungefähr 2/3 der Lehrpraxen werden von den Studierenden sehr gut bewertet, ca. 1/3 jedoch nicht. Aufgrund des seit Installation des Modellstudiengangs steigenden Bedarfs an Praktikumsplätzen in Hausarztpraxen wurden viele Lehrpraxen neu gewonnen; eine Feedback-Kultur wird nun aufgebaut. Ein erster Schritt bestand in der Möglichkeit für Lehrpraxen, aktiv ihre schriftlichen Evaluationsergebnisse einzufordern, was aber fast nie in Anspruch genommen wurde. Über den nächsten Schritt der Etablierung einer Feedback-Strategie wird hier berichtet: Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Lehrperformanz ist die Rückmeldung durch einen erfahrenen Kollegen „auf Augenhöhe“ (Peer-Feedback) [6]. Dies kann Einsichten generieren, die studentische Evaluationen allein nicht erreichen und wird zunehmend als Ergänzung zur Studierendenrückmeldung anerkannt. Insbesondere in persönlichen Peer-Feedbacks können Ideen ausgetauscht, Probleme diskutiert, Strategien aufgezeigt und konkrete Verbesserungsansätze gefunden werden [7]. Zu den möglichen Effekten gehören ein größeres Bewusstsein und eine stärkere Fokussierung des Lehrarztes auf die Lehrsituation in der Praxis, mehr Information über das, was gutes Lehren ausmacht, die Motivation zu verstärkter Interaktivität und Studierendenzentriertheit sowie eine Inspiration zur Anwendung neuer Lehrmethoden [8]. Pedram et al. fanden nach einem Peer-Feedback positive Effekte auf das Verhalten der Lehrenden, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Lernatmosphäre und des Interesses am Studierendenverständnis [9]. Die Anwendung von Peer-Feedback auf das hier beschriebene Setting wurde bislang nicht untersucht. Die Fragestellung der vorliegenden Studie lautet, ob sich die studentische Praktikumsevaluation bislang schlecht bewerteter Hausarztpraxen nach Durchführung eines Peer-Feedback verbessert.


Methoden

Lehrpraxen

Die Daten wurden im Rahmen der 4 Praktika in Hausarztpraxen [https://www.uniklinik-duesseldorf.de/patienten-besucher/klinikeninstitutezentren/institut-fuer-allgemeinmedizin/lehre] erhoben, die alle in vom Institut für Allgemeinmedizin koordinierten hausärztlichen Lehrpraxen stattfinden. Vor Aufnahme der Lehrarzttätigkeit werden alle Lehrärzte mündlich und schriftlich über die Erhebung studentischer Evaluationen und ein persönliches Gespräch mit einem oder einer Institutsmitarbeiter/in im Falle schlechter Evaluationsergebnisse informiert.

Interessierte Ärzte nehmen vor Aufnahme einer Lehrarzttätigkeit an einer 2-3-stündigen Informationsveranstaltung unter Leitung des Institutsdirektors (SW) teil, in der sie zunächst über die Voraussetzungen für die Lehrarzttätigkeit informiert werden; dazu gehören u.a. die Planung zeitlicher Ressourcen für die Betreuung der Studierenden in den Praktika, Begeisterung für die Arbeit als Hausarzt, die Akzeptanz des universitären allgemeinmedizinischen Lehrzielkataloges (insbesondere dass Praktikanten selbstständig mit Patienten arbeiten dürfen) und die Teilnahme an mindestens zwei der acht jährlich angebotenen allgemeinmedizinisch-didaktischen Fortbildungen des Instituts. (Mit Aufnahme der Lehrtätigkeit geht das Institut von der Akzeptanz dieser Voraussetzungen seitens des Lehrarztes aus, überprüft das Vorliegen jedoch nicht formal.) Es folgen ausführliche Informationen über den Aufbau des Curriculums, die Verortung der Praktika, die Inhalte und Anforderungen der einzelnen Praktika und grundlegende didaktische Aspekte des 1:1-Unterrichts. Über die Studierendenevaluation des Praktikums wird mündlich und schriftlich aufgeklärt, verbunden mit dem Angebot, sowohl eine Gesamtauswertung als auch die individuelle Evaluation per E-Mail aktiv anfordern zu können. Eine unaufgeforderte Rückmeldung der Evaluationsergebnisse an die Praxen gibt es nicht. Nach der Informationsveranstaltung wird eine Mappe mit entsprechenden schriftlichen Informationen ausgehändigt.

Vor jedem Praktikum wird den Lehrärzten ausführliches Material zugeschickt, damit sie sich noch einmal orientieren können. Dieses enthält Hinweise zum genauen Ablauf des Praktikums, zum aktuellen Lernstand der Studierenden inkl. Beilage der bzw. Verweis auf die zugrundeliegenden didaktischen Materialien, zu den im Praktikum zu bearbeitenden Aufgaben und den damit verbundenen Lernzielen, zur Relevanz des Übens am Patienten sowie einen Hinweis zur Haltung, den Studierenden ein positives Bild des Hausarztberufs vermitteln zu wollen.

Außerdem erhält jeder Studierende ein Anschreiben an den Lehrarzt, in dem die wichtigsten o.g. Punkte noch einmal zusammengefasst sind.

Evaluation

Die studentische Praktikumsevaluation als reguläres Element der Lehrevaluation [https://www.medizin.hhu.de/studium-und-lehre/lehre.html] wurde in den untersuchten Praxen vor und nach der Intervention durch unabhängige Studierendengruppen durchgeführt und bestand u.a. aus der Möglichkeit für Freitext-Kommentare, einer Angabe der Anzahl persönlich betreuter Patienten und den Items „Wie zufrieden waren Sie mit der fachlichen Betreuung durch Ihre Lehrärztin/Ihren Lehrarzt?“ und „Würden Sie anderen KommilitonInnen diese Lehrpraxis empfehlen?“, beide aufsteigend positiv 4-stufig skaliert.

Auswahl der Praxen für die Intervention

Da die meisten Praxen eine sehr gute Bewertung erhielten (schiefe Verteilung), wurden wie folgt drei Gruppen identifiziert: Aus allen an den Praktika beteiligten Lehrpraxen des Instituts wurden zunächst diejenigen ausgewählt, die eine geringere als sehr gute Evaluation aufwiesen (=„suboptimal“): mindestens einmal mit <2 auf mind. einem der beiden o.g. Items bewertet oder wiederholt negative Freitextkommentare. Aus dieser Gruppe der suboptimal (=geringer als sehr gut) bewerteten Praxen wurden nun die mit mehr als zwei vorliegenden Studierendenbewertungen, weiterhin bestehender Lehrarzttätigkeit und besonders negativen Bewertungen ausgewählt: mindestens zweimal mit <2 auf mind. einem der beiden Items bewertet oder wiederholt negative Freitextkommentare. Von den 27 Praxen erhielten bislang 24 Praxen (88.9%) eine Intervention zur Verbesserung ihrer Lehre von Seiten einer hausärztlich tätigen Allgemeinmedizinerin (n=3 pandemiebedingt noch nicht), und 19 Praxen (70.4%) lieferten Evaluationsergebnisse aus Praktika nach der Intervention (n=5 hatten nach der Intervention keine Praktikanten mehr). Zur Charakterisierung der drei Gruppen der sehr gut, suboptimal und schlecht evaluierten (=ausgewählten) Praxen wurde eine Varianzanalyse inkl. post-hoc Scheffé-Tests mit dem Faktor Gruppe und der abhängigen Variable Evaluationsergebnis gerechnet.

Intervention

Das Peer-Feedback wurde als Teil des didaktischen Konzepts bei besonders negativ evaluierten Lehrpraxen realisiert [https://www.uniklinik-duesseldorf.de/patienten-besucher/klinikeninstitutezentren/institut-fuer-allgemeinmedizin/didaktik-fortbildungen]: Eine den Lehrärzten bekannte und in Praxis und Lehre erfahrene hausärztliche Mitarbeiterin des Instituts für Allgemeinmedizin (EG) meldete den Lehrärzten deren studentischen Evaluationen zurück. Der vorrangige Modus war ein persönlicher Besuch in der Praxis (peer visit) [10]. Aus organisatorischen Gründen mussten gelegentlich Gruppendiskussionen mit mehreren Lehrärzten sowie ein schriftliches Feedback als Ausweichlösungen angeboten werden. Peer visit und Gruppendiskussion hatten beide eine Reflexion der eigenen Lehrarztmotivation, der Probleme sowie eine Diskussion der persönlichen Evaluation zum Ziel, um darüber in einen konstruktiven Austausch zwischen Lehrarzt und Universität in Bezug auf die Lehre und den Umgang mit Studierenden in der Praxis zu gelangen. Peer visits und Gruppendiskussionen wurden protokolliert. Die Eingangsfrage lautete „Warum sind Sie Lehrarzt/Lehrärztin?“, gefolgt von Fragen zu persönlichen Erfahrungen: „Können Sie mir über Ihre Erfahrungen berichten? Was motiviert Sie zu der Lehrarzttätigkeit? Gibt es aus Ihrer Sicht Probleme?“. Dann wurde das (schlechte) Feedback thematisiert und besprochen, gefolgt von der Frage „Was können wir tun, um Sie zu unterstützen?“. Das schriftliche Feedback bestand aus einer unkommentierten Rückmeldung der studentischen Evaluationsergebnisse (Scores und Freitexte).

Analysen

Aufgrund einer starken Korrelation der beiden Evaluationsitems (Spearman’s rho=0.79) wurden diese für die vorliegenden Analysen zu einer Gesamtbewertung gemittelt. Um multivariable Einflüsse auf diese studentische Bewertung zu ermitteln, wurde eine verallgemeinerte Schätzungsgleichung (GEE) mit der Clustervariable „Praxis“ gerechnet, aufgrund fehlender Normalverteilung (Kolmogorow-Smirnow-Test p<.001) mit Gamma-Verteilung und Log-Verknüpfung. Als potenzielle Einflussvariablen flossen ein: Interventionseffekt (prä/post), Interventionsmodus (peer visit vs. Gruppe/schriftlich), Praktikumszeitpunkt (Studienjahr), Anzahl der persönlich betreuten Patienten pro Woche. Parallel zu dieser Analyse wurde in einer zweiten GEE der Interventionseffekt auf die Anzahl der persönlich betreuten Patienten untersucht.

Die Freitexte in den Studierendenevaluationen sowie die Lehrarztkommentare in den peer visits und Gruppendiskussionen wurden qualitativ inhaltsanalytisch aufgearbeitet, um neben den reinen Zahlen auch die dahinterliegenden Probleme und die Lehrarztreaktionen auf das Feedback zu skizzieren. Dazu wurde eine induktive Kategorienbildung am Material vorgenommen [11]. Die Anzahlen negativer Studierendenkommentare vor und nach der Intervention wurden zudem quantitativ gegenübergestellt.


Ergebnisse

Lehrpraxen und Präevaluationen

264 Lehrpraxen mit insgesamt 1648 Praktika waren beteiligt. Davon wurden 181 Praxen (68.6%) mit 1036 Praktika sehr gut bewertet (Mittelwert der Studierendenevaluation 3.8 ± Standardabweichung 0.2), 56 Praxen (21.2%) mit 453 Praktika suboptimal (3.3±0.4) und 27 Praxen (10.2%) mit 159 Praktika sehr schlecht (2.8±0.4). Der übergeordnete Vergleich der drei Gruppen ergibt signifikante Unterschiede (F(df=2)=205.1; p<.001), mit jeweils signifikanten Unterschieden in allen post-hoc-Vergleichen (alle p<.001): sehr gut vs. suboptimal (mittlere Differenz 0.51; Standardfehler 0.04); sehr gut vs. schlecht (1,09; 0.06); suboptimal vs. schlecht (0.58; 0.07).

In Tabelle 1 [Tab. 1] ist die Analysestichprobe der n=19 aus den 27 schlecht bewerteten Praxen näher beschrieben.

Gründe für eine schlechte Bewertung laut Freitexten der Studierendenevaluation lassen sich in fünf Kategorien darstellen. So wurde die mangelnde Gelegenheit zum Einüben praktischer Fertigkeiten am Patienten kritisiert.

„Leider hatte ich während meines letzten Patientenpraktikums nicht die Möglichkeit, viele Patienten eigenständig zu untersuchen, obwohl ich dies zu mehreren Gelegenheiten eingefordert habe.“ (über Praxis ID 1)

Weiterhin gab es Kommentare über mangelnde Wertschätzung und schwierige Kommunikation:

„Die Lehrärztin hat wenig Geduld insbesondere mit ausländischen Patienten, die anatomische oder medizinische Begriffe nicht verstehen können. Sie macht beleidigende und ironische Aussagen. Mit einigen Patienten wurde ich 30 Minuten lang alleine gelassen, während mit anderen nur 2 und danach hat sie sich darüber geärgert, wenn ich mit der Untersuchung/Anamnese noch nicht fertig war.“ (über Praxis ID 14)

Einige Lehrärzte wurden hinsichtlich ihrer didaktischen Kompetenz kommentiert:

„[…] als Lehrarzt hab ich ihn als wenig bis gar nicht kompetent erlebt und auch sehr desinteressiert. Er hatte keine Ahnung von dem, das PP1 [Patientenpraktikum 1] uns lehren soll und hat auch nach mehrmaligem Herantreten an ihn meinerseits wenig verstanden, worum es mir ging bzw. was ich dort lernen sollte.“ (über Praxis ID 22)

Genannt wurden Praxisabläufe und –strukturen, die laut Studierenden eine effiziente Praktikumsdurchführung erschwerten:

„Von 8-11 Uhr kommen nur Patienten zur Blutentnahme, feste Termine sind in der Zeit nicht geplant. Da ich weder Blut abnehmen noch impfen durfte, war in der Zeit nichts für mich zu tun.“ (über Praxis ID 10)

In einigen Praxen mit primär nicht-deutschsprachigem Patientenklientel und auch Personal (inkl. Lehrarzt) stellte sich in den Evaluationen die Sprachbarriere als Problem heraus.

„Da die Lehrärztin [Nationalität XY] ist, verliefen ca. 70% der Konsultationen auf [Sprache XY].“ (über Praxis ID 2)
Intervention

In den Protokollen der peer visits und Gruppendiskussionen mit den Lehrärzten zeigen sich vier Kategorien von Problemen, die teilweise die genannten Studierendenkommentare spiegeln: So berichteten die Lehrärzte von Bedenken, Studierende allein mit Patienten arbeiten zu lassen. (Im folgenden Zitate aus den Protokollen der intervenierenden Peer-Ärztin.)

„Es fällt ihm schwer, Studierende allein zu lassen. […] Er meint, die Patienten mögen das nicht so, obwohl seine Erfahrungen eigentlich anders sind. Hat auch viele Patienten aus dem Management. „Die Studierenden sind auch zu kurz in der Praxis.““ (zu ID 17)

Auch eine skeptische Haltung vor allem Studierenden niedriger Semester gegenüber wurde geäußert.

„Kann mit den 2. Semestern nichts anfangen, „die können nichts, es hat keinen Sinn, sie das Herz abhören zu lassen, wenn sie die Krankheitsbilder nicht kennen.“ […] „Das Problem ist auch, dass es jetzt immer ganz junge Mädchen sind.““ (zu ID 24)

Einige Lehrärzte waren nicht vertraut mit den didaktischen Konzepten und Materialien der Praktika.

„Er hat keine Kenntnis von der Lehre, liest sich nichts durch. Weiß auch nicht, dass er evaluiert wird.“ (zu ID 6)

Teils führt ein Selbstverständnis als allgemeinmedizinischer Lehrarzt zur Definition eigener Praktikumsinhalte unter Vernachlässigung oder Abwertung der universitär vorgegebenen Lernziele.

„„Ich habe mich zur Allgemeinmedizin bekannt und will das weiterreichen.“ Erklärt den Studierenden viel, lässt aber nicht viel machen. „Ich zeige jungen Menschen den rechten Weg. Sonst macht es ja keiner (die Uni schon gar nicht), also mach ich es.““ (zu ID 4)
„Möchte allerdings eindeutig den Studierenden alles zeigen, erwähnt wiederholt Ultraschall, Blutabnahmen, kennt Lehrinhalte nicht, macht sich eigene Lehrinhalte: „Ich zeig denen alles Interessante““. (zu ID 22)

An mehreren Stellen äußerten die Lehrärzte Intentionen zur Verhaltensänderung, laut Protokollen z.B. „will Studierende mehr zum Selbst-Untersuchen anleiten“ oder „sagt, er wolle sich zukünftig die Handouts durchlesen“. Die Mehrzahl der besuchten Lehrärzte zeigte sich im Gespräch grundsätzlich interessiert und engagiert in der Betreuung der Studierenden. Die meisten waren in der Lage, die Kritikpunkte zu reflektieren.

Prä-post-Analyse: Der Interventionseffekt auf die studentische Bewertung ist deutlich und unabhängig vom (ebenfalls signifikanten) Einfluss der Patientenanzahl (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Auch der Interventionseffekt auf die Anzahl persönlich durch die Studierenden betreuter Patienten bleibt in einer GEE bestehen (Odds Ratio 1.41; 95% Konfidenzintervall 1.21-1.64; p<.001), unabhängig von der Art der Intervention und dem Studienjahr (Analyse nicht gezeigt).

Der Anteil kritischer Anmerkungen in den studentischen Freitextkommentaren nimmt insgesamt und in vier der fünf genannten Kategorien deutlich ab (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).


Diskussion

Ein Peer-Feedback durch eine hausärztlich tätige Allgemeinmedizinerin wirkte sich in einer Stichprobe schlecht evaluierter Lehrärzte, die im Rahmen der hausärztlichen Praktika Studierende betreuten, im prä-post-Vergleich positiv auf die studentische Evaluation und auf die Anzahl der im Praktikum von Studierenden persönlich betreuten Patienten aus. Dies zeigt sich in den Evaluationsscores und auch darin, dass entsprechend negative Freitextkommentare der Studierenden nach der Intervention seltener waren.

Im Einklang mit der Literatur war es entscheidend für die studentische Bewertung, dass den Studierenden die Möglichkeit gegeben wurde, selbstständig mit Patienten zu arbeiten, um sich unmittelbar selbst in der ärztlichen Rolle erleben zu können [2], [5]. Aber auch unabhängig von der Patientenanzahl verbesserte sich die studentische Evaluation nach der Intervention: Die qualitativen Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass sich die Lehrärzte nach der Intervention näher mit dem Sinn der Praktika, den Lernzielen und didaktischen Materialien beschäftigt haben könnten. Dies wiederum schien auch positive Effekte auf den Austausch und die Beziehung zwischen Lehrarzt und Studierendem (u.U. im Sinne eines Abgleichs gegenseitiger Erwartungen) gehabt zu haben – ebenfalls wichtige Elemente einer positiven Praktikumserfahrung [3], [12]. Die qualitativen Ergebnisse zur didaktischen Kompetenz und Haltung weisen darauf hin, dass es zumindest für die hier untersuchte kleine Gruppe zuvor schlecht evaluierter Lehrärzte einer intensiveren Auseinandersetzung mit ihrem Lehrauftrag und einer wiederholten Interaktion zwischen der universitären Einrichtung für Allgemeinmedizin und der Lehrpraxis bedarf, um Inhalte und Konzepte zu verinnerlichen und diese in den Praktika für Studierende wiedererkennbar und konsistent umzusetzen. Dass gerade die schlecht evaluierten Lehrärzte eher selten an den (in Düsseldorf achtmal pro Jahr angebotenen) Treffen in der Universität teilnehmen, ist eine auch von vielen anderen Standorten berichtete Erfahrung. Die formale Überprüfung der Voraussetzungen und Kriterien für eine angemessene Lehrarzttätigkeit wäre bei der – insbesondere in einem longitudinal-allgemeinmedizinisch und praxisnah konstruierten Curriculum erforderlichen – hohen Anzahl an Lehrpraxen mit enormem Aufwand verbunden. Es ist jedoch abzuwägen, ob mehr Ressourcen in die Auswahl und Qualifikation lehr-interessierter Praxen oder aber in die Qualitätskontrolle und das Training bereits lehrender Praxen zu investieren ist.

Eine Stärke dieser Studie sind die Bewertungen durch unabhängige Studierendengruppen prä-post, so dass Verzerrungen durch wiederholte Exposition der Studierenden mit einer Praxis (z.B. response shift bias, Gewöhnung, observer drift) ausgeschlossen sind. Die mit dem prä-post-Design ohne Kontrollgruppe und dem Fokus auf schlecht evaluierte Praxen einhergehende Schwäche besteht u.a. im Phänomen der Regression zur Mitte, welches vermutlich einen Teil des positiven Interventionseffekts begründet. Die primäre Fragestellung dieser Studie ist quantitativ formuliert und beantwortet; wir berichten nur begrenzt qualitative Ergebnisse. Diese erlauben hier nur in Teilen hypothesengenerierende Einsichten in die genauen Wirkmechanismen eines Peer-Feedback [13]. In der vorliegenden Studie wurden mehrere Modi der Vermittlung eines Peer-Feedback realisiert. Da die Analysen nicht auf unterschiedliche Effekte des personell und zeitlich aufwändigen peer visit einerseits und der effizienteren Methoden Gruppendiskussion und schriftliche Rückmeldung andererseits hindeuten, sind vor einer breiteren Umsetzung weitere Studien zur Differenzierung notwendig. So fanden Rüsseler et al. [14], dass ein schriftliches Peer-Feedback – dort allerdings bezogen auf Vorlesungsdozenten – positive Effekte auf die Gestaltung der Lehrveranstaltung hatte.


Schlussfolgerungen

Es macht Sinn, die Effekte eines Lehrarzt-Feedbacks sowohl in der Forschung als auch in der Lehre weiter zu berücksichtigen. Die umfangreichen GMA-Empfehlungen bieten einen robusten Rahmen für die Lehre [15] und die didaktische Qualifizierung von Lehrärzten [16]. Darin eingebettet stellt ein kollegiales Peer-Feedback für schlecht bewertete Lehrärzte ein mögliches Werkzeug für das Qualitätsmanagement der allgemeinmedizinischen Lehre dar.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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