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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Das Verfahren zur Anerkennung ausländischer medizinischer Abschlüsse in Costa Rica: eine statistische Erhebung der letzten 15 Jahre

Artikel Internationale medizinische Absolvent*innen

  • corresponding author Lizbeth Salazar Sánchez - Universität von Costa Rica, Medizinische Fakultät, San José, Costa Rica; Universität von Costa Rica, Medizinische Fakultät, Anerkennungsausschuss, San José, Costa Rica
  • author Juan José Cordero Solis - Universität von Costa Rica, Medizinische Fakultät, San José, Costa Rica; Universität von Costa Rica, Medizinische Fakultät, Anerkennungsausschuss, San José, Costa Rica
  • author Alfredo J. López Dávila - Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen, Mainz, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(7):Doc121

doi: 10.3205/zma001517, urn:nbn:de:0183-zma0015172

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001517.shtml

Eingereicht: 12. Oktober 2020
Überarbeitet: 9. Juni 2021
Angenommen: 26. Juli 2021
Veröffentlicht: 15. November 2021

© 2021 Salazar Sánchez et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag präsentiert die wichtigsten Entwicklungen des Anerkennungsprozesses der im Ausland erworbenen medizinischen Abschlüsse der letzten fünfzehn Jahre in Costa Rica. Die meisten Bewerber haben ihren Medizin-Abschluss in Kuba, Venezuela, Nicaragua und Mexiko erworben. Die mit Abstand zahlreichste Gruppe hat ihr Studium in Kuba absolviert gefolgt von Absolventen von venezolanischen und nikaraguanischen Universitäten, deren Anzahl in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. Die Bestehensquote der im Rahmen des Anerkennungsprozesses angewandten schriftlichen Prüfung beträgt 23,9% mit relativ großen Schwankungen zwischen Absolventen der einzelnen Länder, besonders denjenigen mit den geringsten Anzahlen Absolventen. Das Hauptziel des Anerkennungsprozesses ist es zu gewährleisten, dass Absolventen aus verschiedenen Studienbedingungen und Curricula sowie aus divergierenden Schwerpunkten der Fakultäten im Ausland vergleichbare Kompetenzen und Kenntnisse aufweisen, die mit jenen der in Costa Rica graduierten Medizinern vergleichbar sind. Im Vordergrund steht dabei die Sicherheit der Patienten, wie es auch bei Staatsexamina in vielen Ländern der Fall ist.

Schlüsselwörter: Medizin, Abschlussanerkennung, Mittelamerika, Karibik, Costa Rica, Staatsexamen


Einleitung

Die internationale Migration von Medizinern sowie von anderen Graduierten des Gesundheitswesens ist lange vor dem Aufkommen des digitalen Zeitalters und der damit assoziierten Erleichterungen für Kommunikation und Mobilität ein weltweites Phänomen gewesen. Bereits vor mehr als vierzig Jahren wurde festgestellt, dass Länder, die mehr Ärzte graduieren, als sie finanziell unterstützen können, zu Emittenten dieser hochqualifizierten Arbeitskräfte werden. Diejenigen dagegen, die weniger Ärzte produzieren, als sie angemessen bezahlen können, neigen dazu, Empfänger zu werden. Selbst dann, wenn andere Migrationsursachen identifiziert wurden (z.B. Arbeitsbedingungen), können diese als vom Hauptfaktor abgeleitet oder sekundär angesehen werden: dem wirtschaftlichen [1]. Für detaillierte Beschreibungen siehe [2], [3]. Im Hinblick auf den genannten wirtschaftlichen Faktor lassen sich die Länder der OECD-Organisation als Modell untersuchen, um die weltweite Migration von Medizinern möglichst unkompliziert aber gleichzeitig möglichst repräsentativ zu charakterisieren. Als wirtschaftlich besonders starke Länder sind einige dieser Organisation ein sehr häufiges Ziel für Einwanderer und stellen gleichzeitig belastbare Daten zur Verfügung. So haben sich beispielweise in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und im Vereinigten Königreich (UK) insgesamt 55% aller im Ausland geborenen bzw. im Ausland ausgebildeten Ärzte etabliert, die in den OECD-Ländern Medizin praktizieren (42% und 13% in den USA bzw. im UK). Durch diese erhebliche Zuwanderung stellen die beiden genannten Nationen einen großen Datenpool dar. Isoliert man aus diesem Datenpool diejenigen, die bereits vor ihrer Auswanderung studiert haben, so lassen sich zwei Migrationsebenen von Absolventen eindeutig identifizieren: eine erste Ebene kann als „global“ eingestuft werden, mit Menschen die eine sehr weite Strecke rum um den Globus zurücklegen, um sich zu etablieren. Indien und Pakistan stellen die Hauptquelle dieser bereits ausgebildeten Mediziner dar. Zusammen bringen diese beiden Länder 43% und 27% aller im Ausland graduierten, im UK bzw. in den USA praktizierenden Ärzte ein. Eine weitere, „regionale“ Ebene lässt sich ebenfalls eindeutig erkennen, mit Menschen die deutlich näher am Herkunftsland bleiben. So stammen etwa 15% aller im Ausland ausgebildeten, im UK praktizierenden Ärzte aus Europa, während ca. 10% aller in Ausland ausgebildeten, in den USA praktizieren Ärzte aus Kanada, Mexiko oder der Dominikanischen Republik stammen [4]. Diese regionale Migration ist ebenfalls stark auf eine wirtschaftliche Motivation zurückzuführen. So wurde beispielweise berichtet, dass der Hauptgrund für die Migration von Ärzten innerhalb der Europäischen Union ein besseres Gehalt und eine bessere Weiterbildung im Zielland sowie schlechte Berufsaussichten im Herkunftsland sind [5], [6], [7]. Mittelamerika und die Karibik weisen ebenfalls Migration von Ärzten auf, und Costa Rica ist dort ein häufiges Ziel für Medizinabsolventen aus dem Ausland [8]. Die Untersuchung der Daten aus diesem in letzter Zeit ebenfalls in die OECD-Organisation aufgenommenen Land ermöglichen daher eine weitere Analyse der Migration von Ärzten aus einer weiteren, komplementären Perspektive.

Anerkennungsprozess

Die Anerkennung von medizinischen Abschlüssen durch die Universität von Costa Rica (UCR, die wichtigste staatliche Universität des Landes) ist eine im Gesetz des „Colegio de Médicos y Cirujanos de Costa Rica (G-CMC) [http://www.pgrweb.go.cr/scij/Busqueda/Normativa/Normas/nrm_texto_completo.aspx?param1=NRTC&nValor1=1&nValor2=90625] festgelegte Bedingung, damit Ärzte mit einem ausländischen Studienabschluss in Costa Rica praktizieren dürfen. Das „Colegio de Médicos y Cirujanos de Costa Rica“ entspricht der Bundesärztekammer in Deutschland und wird daher ab hier als Ärztekammer bezeichnet. Nur wem die UCR eine Anerkennung ihres Titels gewährt, darf der Ärztekammer beitreten und den Beruf ausüben. Dieser Prozess ist in der „Verordnung zur Anerkennung und Gleichstellung von Abschlüssen anderer Hochschuleinrichtungen“ (VAA-UCR) [https://www.cu.ucr.ac.cr/normativ/reconocimiento.pdf] geregelt, deren Definitionen für jeden Begriff an das „Abkommen über die Nomenklatur der Abschlüsse und Titel der staatlichen Hochschulbildung“ (AN-UCR) [https://www.cu.ucr.ac.cr/normativ/nomenclatura_grados_titulos.pdf] sowie an die „Verordnung des Artikels 30 des Abkommens zur Koordinierung der staatlichen Hochschulbildung“ (AK-UCR) [https://www.cu.ucr.ac.cr/uploads/tx_ucruniversitycouncildatabases/normative/articulo_30_conare.pdf] angepasst sind. Vereinfachend: das G-CMC ist ein Gesetz der Republik Costa Rica, das der UCR den Prozess der Anerkennung von im Ausland erworbenen Medizinabschlüssen zuweist. Die VAA-UCR, AN-UCR und AK-UCR sind die für diesen Zweck verwendeten institutionellen Vorschriften. Dies bedeutet, dass der Anerkennungsprozess zwar von der UCR verwaltet wird, dieser jedoch Staatscharakter hat. Der Prozess beginnt mit einem formellen Antrag des Bewerbers an das Amt für Hochschulplanung des Nationalen Rektorenrats, einem Bündnis, dem sämtliche staatliche Universitäten des Landes und damit auch die UCR angehören. Der Antrag enthält neben den Personalien:

1.
den Studienplan und das Medizin-Diplom der ausländischen Einrichtung,
2.
ein vom Herkunfts- oder Wohnsitzland ausgestelltes Führungszeugnis oder dessen Äquivalent,
3.
amtliche Unterlagen zur Ausübung der Medizin im Herkunfts- oder Wohnsitzland der letzten zwei Jahre,
4.
amtliche Unterlagen zum Studienplan und Approbation des klinischen Trainings im letzten Jahr des Studiums (praktisches Jahr oder Äquivalent), das Rotationen von mindestens zehn Wochen in den folgenden medizinischen Fachgebieten umfassen muss: Gynäkologie und Geburtshilfe, Innere Medizin, Pädiatrie, Chirurgie und Gemeindegesundheit (community health).

Das klinische Training muss einen praktischen Bestandteil von mindestens 80% der Zeit sowie Nachtdienste umfassen. Sämtliche Unterlagen müssen von den Behörden des Herkunftslandes der Dokumentation ordnungsgemäß beglaubigt vorgelegt werden, gegebenenfalls mit einer offiziellen Übersetzung ins Spanische. Nach der entsprechenden Überprüfung werden die Unterlagen an die „Escuela de Medicina“ (Medizinische Fakultät der Universität von Costa Rica. EM-UCR) gesendet, wo ein akademischer Ausschuss (sog. Anerkennungsausschuss) einberufen wird, um eine Stellungnahme abzugeben. Aus dieser geht hervor, ob der Bewerber zur Teilnahme an einer Anerkennungsprüfung berechtigt ist. Zu diesem Zweck werden alle zugelassenen Bewerber einmal im Jahr zur Prüfung einberufen. Die Prüfung erfolgt schriftlich und bewertet klinische sowie vorklinische Kenntnisse. Bewerber, die die Prüfung bestehen, bekommen ein Diplom zur Anerkennung ihres Abschlusses, das von der Ärztekammer akzeptiert wird.

Fragestellung

Die Ziele dieses Beitrags sind:

1.
die Ergebnisse des Anerkennungsprozesses der im Ausland erworbenen medizinischen Abschlüsse der letzten fünfzehn Jahre in Costa Rica zu präsentieren,
2.
mögliche Faktoren, die diese Ergebnisse erklären könnten, kurz zu erörtern und
3.
die Migration von Ärzten nach Costa Rica im globalen und regionalen Kontext zu charakterisieren.

Unsere Analyse ermöglicht zusätzlich allgemeine Vergleiche zwischen den Bewerbern mit ausländischen Abschlüssen und den nationalen Medizinstudenten bei standarisierten schriftlichen Prüfungen medizinischer Kenntnisse anzustellen.


Methoden

Die Studie besteht aus einer deskriptiv-retrospektiven Analyse des von der UCR verwalteten Anerkennungsprozesses der im Ausland erworbenen medizinischen Abschlüsse zwischen den Jahren 2005 und 2019. Die Informationen umfassen das Land, in dem die Bewerber studiert haben (welches nicht unbedingt ihrer Staatsangehörigkeit entspricht) sowie das Ergebnis des Prozesses. Die wichtigsten Daten werden anhand deskriptiver Statistik dargestellt. Die Informationen stammen aus den Akten des Anerkennungsausschusses der EM-UCR und werden anonym behandelt und dargestellt. Alle Originaldaten werden tabellarisch als ergänzendes Material zur Verfügung gestellt (siehe Anhang 1 [Anh. 1]).


Ergebnisse

Zwischen den Jahren 2005 und 2019 wurden von Anerkennungsausschusses der EM-UCR insgesamt 1881 Bewerber zur Anerkennungsprüfung der Medizin zugelassen. Von den zugelassenen Personen stellten sich 1288 (68,5 %) der Prüfung und nur 308 von ihnen (23,9%) bestanden diese. Abbildung 1 [Abb. 1] beschreibt die Anzahl der Prüfungsteilnehmer pro Jahr, sowie deren entsprechende Bestehensquote in Prozent. 2012 war das Jahr in dem die höchste Bestehensquote erzielt wurde (61%), gefolgt von 2015 (40%). Im Gegensatz dazu hat 2005 niemand bestanden. Abbildung 2 [Abb. 2] zeigt die Aufschlüsselung der Prüfungsteilnehmer nach Herkunftsland ihres Abschlusses, aus dem eindeutig hervorgeht, dass die meisten von ihnen ihren Abschluss in Kuba erworben haben.

Die während der letzten sechs Jahre sinkende Anzahl Prüfungsteilnehmer ist sehr stark durch die Abnahme der Gruppe Kuba geprägt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Punkt A und Abbildung 2 [Abb. 2], Punkt A). Dies ist wiederum teilweise dadurch zu erklären, dass in der Vergangenheit viele Costa-Ricaner in Kuba Medizin studiert haben. Diese Subgruppe (Costa-Ricaner mit kubanischem Abschuss) nahm jedoch in den letzten fünf bis sechs Jahren deutlich ab. Da die größte Gruppe Kuba eben auch diese rückkehrenden Costa-Ricaner einschließt, und diese sehr viel seltener in anderen Gruppen vorzufinden sind, bietet es sich an, die Gruppe Kuba von dem Gesamtvolumen zu subtrahieren, um einen besseren Überblick der tatsächlichen Zuwanderung von Ärzten der Region zu gewinnen. Durch diese Bereinigung wird klar ersichtlich, dass in den letzten fünfzehn Jahren eine zunehmende Anzahl ausländischer Mediziner versucht hat, ihre Titel in Costa Rica anerkennen zu lassen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2], Punkt B). Absolventen aus Venezuela und Nicaragua, derer Anzahl in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat, machten den Großteil dieser Erhöhung aus und stellten die zweit- bzw. drittgrößte Gruppe Prüfungsteilnehmer dar. Die zunehmende Anzahl Prüflinge aus Venezuela und Nicaragua geht mit einer entsprechenden Erhöhung der Anzahl Bewerbungen von Absolventen aus diesen beiden Ländern einher.

Schließlich zeigt die Abbildung 3 [Abb. 3] den nach Land aufgeschlüsselten Prozentsatz der Prüfungsteilnehmer, die im oben genannten Zeitraum die Prüfung bestanden haben. Aus der Abbildung ist zu entnehmen, dass die Gruppen mit den meisten Prüflingen (Kuba, Venezuela, Nicaragua und Mexiko) eine Bestehensquote zwischen ~15% und ~25% erreichten. Die Gruppen mit den geringsten Anzahlen an Prüflingen wiesen dagegen eine deutlich stärkere Streuung auf, mit extremen Bestehensquoten von ~5% für Prüfungsteilnehmer aus El Salvador und ~50% für Prüfungsteilnehmer aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) bzw. Europa (EU). Diese letzte Gruppe ist mit Abstand die kleinste und besteht aus nur 10 Personen. Die Gruppe „Andere“ besteht ihrerseits aus Personen verschiedener Länder, die aller meisten von Ihnen stammen jedoch aus Lateinamerika. Am häufigsten sind hier Nationen wie Kolumbien, Paraguay, Honduras, Brasilien und die Dominikanische Republik repräsentiert (siehe das ergänzende Material mit der Anzahl Prüflinge pro Jahr nach Herkunftsland, siehe Anhang 1 [Anh. 1]).


Diskussion

Die vorliegende Studie liefert die Ergebnisse des Anerkennungsprozesses der im Ausland erworbenen medizinischen Abschlüsse der letzten fünfzehn Jahre in Costa Rica. Das Hauptergebnis ist zweifellos die hohe Beteiligung von Bewerbern, die in Kuba, Venezuela, Nicaragua und Mexiko studiert haben, sowie die insgesamt geringe Bestehensquote der Anerkennungsprüfung von im Durchschnitt 23,9%. Diese könnte noch niedriger ausfallen, wenn die Bewerber ohne vorherige Überprüfung ihres akademischen Hintergrunds zur Anerkennungsprüfung zugelassen würden.

Werden die Prüflinge nach Anzahl pro Herkunftsland betrachtet, so wird sofort eindeutig, dass die meisten von Ihnen aus dem unmittelbaren geographischen Nähe Costa Ricas stammen, nämlich aus Lateinamerika mit Mittelamerika und der Karibik als Spitzenreiter. Die großen globalen Akteure Indien und Pakistan sind nicht vertreten. Bewerber aus Spanien sind ebenfalls nicht zu finden, obwohl sie dieselbe Sprache sprechen. Aus dieser Beobachtungen lässt sich feststellen, dass Costa Rica eher einen Fall regionaler Zuwanderung Mediziner darstellt. Die zunehmende Anzahl von Bewerbungen zur Anerkennung von im Ausland erworbenen medizinischen Abschlüssen in Costa Rica ist eine Tendenz, die nicht erst seit dem Jahr 2005, sondern bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts dokumentiert ist. Im Jahr 1990 wurden beispielsweise 44 Bewerbungen eingereicht, während diese schon 1998 auf 188 anstiegen, was eine vervierfachte Anzahl der Bewerber darstellt [8]. Bereits in diesem Zeitraum hatten die meisten Bewerber ihr Medizinstudium in Kuba absolviert (damals gefolgt von Mexiko), wie es in den letzten fünfzehn Jahren auch der Fall ist. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gab es keine Bewerbung zur Anerkennung medizinischer Abschlüsse aus Venezuela [8]. Die Anzahl Bewerber, die in diesem Land studiert haben, hat jedoch seit dem Jahr 2005 erheblich zugenommen, sodass sie derzeit die zweitgrößte Gruppe Teilnehmer der Anerkennungsprüfung darstellt (siehe Abbildung 2, Punkt B). Die Anzahl Bewerber aus Nicaragua steigt seit 2018 ebenfalls deutlich an. Auffällig ist hierbei, dass in beiden Ländern der Anstieg der Bewerberzahlen zeitlich mit Phasen der politischen und wirtschaftlichen Instabilität zusammenfällt. Obwohl aus unseren Daten kein Kausalzusammenhang hervorgeht, ist dennoch bekannt, dass die wirtschaftliche und politische Lage eines Landes wichtige Faktoren bei der Abwanderung von Ärzten und von Menschen insgesamt darstellen [9], [10], [11]. Costa Rica würde somit von der regionalen Situation, in diesem konkreten Fall der Zuwanderung von Medizinern, die sich in das Gesundheitssystem integrieren, profitieren.

Obwohl die verfügbaren Daten nicht ausreichen, um die Ursachen der eher niedrigen Bestehensquote der Anerkennungsprüfung kategorisch aufzuklären, bieten sich zur Diskussion mögliche beeinflussende Faktoren an. Im Rahmen des Anerkennungsprozesses wird zum Beispiel kein Bewerber aufgrund seiner Sprache favorisiert oder benachteiligt, um zur spanischsprachigen Anerkennungsprüfung zugelassen zu werden. Nahezu alle Bewerber sprechen jedoch fließend oder sogar als Muttersprache Spanisch, da sie überwiegend aus Lateinamerika stammen oder zumindest in der Region ihr Medizinstudium abgeschlossen haben. Eine Sprachbarriere kann man daher als Erklärung der niedrigen Bestehensquote ausschließen, zumal diese nur eine sehr geringfügige Anzahl von Bewerbern, etwa einige wenige aus den Gruppen USA/EU und Andere, betreffen würde.

Absolventen aus Kuba, Venezuela, Nicaragua und Mexiko machen zusammen 87,6% aller Prüflinge aus. Diese Hauptgruppe weist Bestehensquoten zwischen ~15% und ~25% und damit eine relativ geringe Streuung auf. Absolventen aus El Salvador und USA/EU machen dagegen zusammen nur 3,9% aller Prüflinge aus, was die sehr starke Streuung dieser Gruppen erklären könnte. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Gruppe Andere, mit 109 Prüflingen (vergleichbar mit Nicaragua) deutlich näher am Mittelwert liegt als die Gruppe USA/EU, die lediglich aus 10 Prüflingen besteht. Ursache für die starke Streuung ist also nicht unbedingt eine generalisierbare stärkere Leistung der Absolventen aus USA/EU, oder eine schlechtere der aus El Salvador. Eine alternative, ebenfalls plausible Erklärung der Streuung ist jedoch auch die Tatsache, dass die Absolventen der Gruppe USA/EU ihr Studium in Universitäten absolviert haben, die sich in der Regel deutlich über der Position der mittelamerikanischen und karibischen Universitäten in den internationalen universitären Rankings befinden. Dadurch wäre die höhere Bestehensquote dieser Gruppe tatsächlich durch eine bessere Vorbereitung durch ihr Studium zu erklären.

Die insgesamt niedrige Bestehensquote war in der Vergangenheit Anlass dafür, das Ergebnis der Prüfung mit der Begründung anzufechten, die Prüfung sei von begrenzter Qualität und bewerte die Leistung der Bewerber nicht im angemessener Weise. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Prüfung in der UCR als „Test mit hohen Konsequenzen“ eingestuft ist. Dies bedeutet, dass der Institution die besondere Bedeutung des Prozesses aus Sicht der Bewerber bewusst ist, und daher besonders auf ihre korrekte Vorbereitung und Durchführung durch mehrere Kontrollmechanismen geachtet wird. In diesem Sinne wird die Prüfung nicht nur einer philologischen Untersuchung unterzogen, sondern auch von Experten für die Konzeption von kognitiven Tests überprüft und vor ihrer Anwendung Pilotstudien und Validierungsprozessen unterzogen. Eine ausführliche Erläuterung dieser Maßnahmen liegt außerhalb der Zielsetzung dieses Beitrags, könnte jedoch Gegenstand einer künftigen Publikation sein.

Das Ziel des Anerkennungsprozesses sowie der Durchführung der schriftlichen Prüfung ist keineswegs, die Ausübung der Medizin in Costa Rica für Absolventen aus dem Ausland zu verhindern, sondern die Gesundheit der Patienten und die Qualität ihrer Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Es muss sichergestellt werden, dass diejenigen, die im Land Medizin praktizieren, über eine Reihe von Kompetenzen und Kenntnissen verfügen, die dafür unverzichtbar sind. Dieses Ziel wird auch durch Staatsexamina in verschiedenen Länder angestrebt: „Gerade wenn Studienbedingungen und Curricula unterschiedlich sind und ggf. auch divergierende Schwerpunkte der Fakultäten, wie z. B. in Modellstudiengängen widerspiegeln, ist es wichtig, dass Berufsanfänger eine vergleichbare Kompetenz unabhängig von ihrem Studienort und idealerweise unabhängig von dem Land der Ausbildung aufweisen. Diese Sicherheit für Patienten kann nur durch einheitliche Prüfungen erreicht werden“ [12]. In Einklang mit dieser Bemühung ist ein weiteres Ziel des Anerkennungsprozesses, dass Absolventen aus dem Ausland eine ähnliche Leistung erbringen wie Medizinabsolventen im Inland. Diese Richtlinie erläutert auch weitgehend die in der Einleitung genannten Voraussetzungen um zur Prüfung zugelassen zu werden. So sind zum Beispiel die Dauer des praktischen Jahres sowie dessen fünf notwendige Fachgebiete Anforderungen, die auch diejenigen erfüllen müssen, die in Costa Rica Medizin studieren.

Mit mehr als 40.000 aktiven Studenten, einem beträchtlichen Volumen an Forschungsproduktion und mehr als 280 internationalen akademischen Abkommen ist die UCR im Bereich 531-540 des globalen Rankings „QS-World University Rankings“ für das Jahr 2022 positioniert [https://www.topuniversities.com/university-rankings/world-university-rankings/2022] und steht auf Position 20 unter allen lateinamerikanischen Universitäten sowie auf der ersten Position in Mittelamerika [https://www.topuniversities.com/university-rankings/latin-american-university-rankings/2021]. Entsprechend dieser stärken regionalen Positionierung sind die EM-UCR-Studenten sehr wettbewerbsfähig. So wurde in den letzten vier Jahren die Prüfung International Foundations of Medicine des National Board of Medical Examiners (IFOM, Clinical Science Exam. NBME) im Land durchgeführt, um Zugang zum Praktischen Jahr zu gewinnen. Die EM-UCR-Studenten haben in diesem Test durchweg hohe Bestehensquoten erhalten (zwischen 94% und 98%) und damit nicht nur den nationalen Durschnitt (einschließlich privater Universitäten, die ebenfalls den Abschluss Medizin anbieten), sondern auch den internationalen Durschnitt übertroffen. Die Leistung vieler diesen Studenten wird sogar jedes Jahr vom NBME durch individualisierte Diplome gelobt. Daraus könnte man ableiten, dass eine durch die EM-UCR formulierte Prüfung (wie es für den Anerkennungsprozess der Fall ist), einen für die Region relativ hohen Anspruch voraussetzt. Medizinabsolventen der EM-UCR spielen beispielweise eine Schlüsselrolle in der Vorbereitung der Anerkennungsprüfung, da sie im Rahmen der Pilotstudien und Validierungsprozesse dieser unterzogen werden.

Aufgrund der oben diskutierten Ausführungen kann zumindest davon ausgegangen werden, dass ein Unterschied zwischen dem Vorbereitungsprofil der Bewerber und dem Anspruchsprofil der Prüfung ein Schlüsselaspekt sein könnte, der die niedrige Bestehensquote der Anerkennungsprüfung erklärt. Das Vorbereitungsprofil der Bewerber ist nicht auf das individuelle Lernen vor der Prüfung zu reduzieren, sondern hängt auch von anderen Hintergrundfaktoren wie etwa Land und Universität des Abschlusses, Lehrplan und Schwerpunkte des Studiums sowie praktischer Erfahrung ab. Durch den Auswahlprozess zur Prüfungszulassung werden diese Faktoren weitestgehend bereinigt. Das Anspruchsprofil der Prüfung ergibt sich aus den Pilotstudien und Validierungsprozessen derselben, sowie aus dem übergeordneten Ziel, eine möglichst hohe Patientensicherheit zu gewährleisten, wie es auch der Fall bei den EM-UCR-Studenten ist. Um die Chancen der Prüflinge auf das Bestehen zu verbessern, werden derzeit Möglichkeiten untersucht, um deren Vorbereitungsprofil besser an das Anspruchsprofil der Prüfung anzupassen. Denkbar sind hier beispielsweise Schulungsstrategien sowie Zugang zu bibliografischen Ressourcen. Die Weiterentwicklung des Anerkennungsprozesses inklusive der Prüfung, des Profils der Bewerber (Abschlussland, Anzahl, u.a.) sowie der Ergebnisse (Bestehensquote) könnte durchaus Gegenstand eines künftigen Beitrags sein.


Ausblick und Kommentar zur COVID-19-Pandemie

Für das Jahr 2020 gab es ungefähr 50 Personen, die daran interessiert waren, sich ihren medizinischen Abschluss in Costa Rica anerkennen zu lassen. Die COVID-19-Pandemie sowie die von den Gesundheitsbehörden zum Schutz der Bevölkerung ergriffenen Hygienemaßnahmen haben den Prozess im letzten Jahr jedoch erheblich eingeschränkt (Tagung des akademischen Ausschusses, Vorbereitung der Prüfung, u.a.), sodass 2020 nicht zur Prüfung aufgerufen worden ist. Einer im März 2021 bereits durchgeführten Ersatzprüfung stellte sich aufgrund sukzessiver Infektionswellen und Grenzschließungen in mehreren Ländern der Region nur ein Bruchteil der Zugelassenen. Zur nächsten Prüfung im November 2021 ist bereits aufgerufen worden, mit einem sehr heterogenen und insgesamt langsamen Impftempo in Lateinamerika und den daraus resultierenden vielseitigen Konsequenzen als Hauptherausforderung für die kommende Entwicklung. Die COVID-19-Pandemie hat verheerende wirtschaftliche und soziale Folgen in Lateinamerika hinterlassen, die sich mit Sicherheit in den kommenden Jahren auf der regionalen und globalen Migration von Ärzten widerspiegeln werden.


Fazit

Costa Rica ist ein attraktives Land für Medizinabsolventen aus der Region. Die meisten Bewerber zum Titelanerkennung haben in Kuba, Venezuela, Nicaragua und Mexiko studiert. Die Bestehensquote der schriftlichen Prüfung zur Titelanerkennung liegt in den letzten 15 Jahren bei ~24%.


Danksagung

Die Autoren danken Frau S. Bermúdez, Mitarbeiterin der EM-UCR, für administrative Unterstützung, Sammeln und Bearbeitung von Informationen. Die Autoren bedanken sich ebenfalls bei Frau S. López für Ihre wertvollen Anmerkungen zum Manuskript.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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