gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Wissen in der Allgemeinbevölkerung um die anatomische Lage von Organen und medizinische Begriffe heute und vor 50 Jahren: Eine Replikationsstudie

Artikel Gesundheitskompetenz

  • corresponding author Sigrid Harendza - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg, Deutschland
  • Anne Münter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg, Deutschland
  • Lisa Bußenius - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Hamburg, Deutschland
  • Anja Bittner - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, Dekanat, Bielefeld, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(5):Doc94

doi: 10.3205/zma001490, urn:nbn:de:0183-zma0014904

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001490.shtml

Eingereicht: 10. Oktober 2020
Überarbeitet: 3. März 2021
Angenommen: 31. März 2021
Veröffentlicht: 15. Juni 2021

© 2021 Harendza et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Ärzt*innen ist häufig nicht bewusst, dass Patient*innen möglicherweise nicht mit der Bedeutung medizinischer Begriffe vertraut sind oder nur begrenzte Kenntnisse über die Lage von Organen haben. Diese Aspekte der funktionalen Gesundheitskompetenz erfordern besondere Aufmerksamkeit bei der Gestaltung von Kommunikationscurricula für Medizinstudierende. Ziel unserer Studie war es, das Wissen von medizinischen Laien über die anatomische Lage von Organen und die Definitionen gebräuchlicher medizinischer Begriffe als relevante Aspekte der Gesundheitskompetenz zu evaluieren. Außerdem wollten wir es mit dem Wissen einer historischen Patient*innenkohorte vergleichen, die vor 50 Jahren an dieser Studie teilgenommen hat.

Methoden: In dieser Replikationsstudie wurden Multiple-Choice-Fragebögen mit einfacher Anatomie und gebräuchlichen medizinischen Begriffen, die 1970 veröffentlicht wurden, an eine Zufallsstichprobe von freiwilligen medizinischen Laien (n=537) auf den Straßen Hamburgs, Deutschland, verteilt. Soziodemographische Daten wie Geschlecht, Alter, höchster Schulabschluss, berufliche Tätigkeit in einem mit der Medizin assoziierten Bereich und Deutsch als Erstsprache wurden ebenfalls erhoben. Der Prozentsatz der richtigen Antworten der medizinischen Laien wurde mit dem Prozentsatz der richtigen Antworten einer historischen Patient*innenkohorte (n=234) aus dem Jahr 1970 verglichen, um die Entwicklung der Gesundheitskompetenz als Grundlage für die Curriculumsplanung zu ermitteln.

Ergebnisse: Medizinische Laien zeigten bei vier von acht einfachen anatomischen Lagen von Organen signifikant mehr richtige Antworten (p<0,001). Bei sieben häufig verwendeten medizinischen Begriffen gaben medizinische Laien nur bei den Definitionen von „Gelbsucht“ (p<0,001) und „Durchfall“ (p=0,001) signifikant mehr richtige Antworten im Vergleich zur historischen Patient*innenkohorte von 1970. Teilnehmende mit einem höheren Schulabschluss schnitten in Bezug auf die Gesamtpunktzahl der korrekten Organlokalisationen (p<0,001, d=0,35) und der korrekten Definitionen von medizinischen Begriffen (p=0,001, d=0,30) signifikant besser ab als Teilnehmende mit einem mittleren Schulabschluss.

Schlussfolgerung: Die Definitionen gängiger medizinischer Begriffe und die korrekte Bestimmung der anatomischen Lage von Organen durch medizinische Laien haben in den letzten 50 Jahren zugenommen, könnten aber immer noch durch Schulbildung und qualitativ bessere Medieninformationen verbessert werden. Medizinische Ausbilder*innen sollten über die geringe Gesundheitskompetenz von medizinischen Laien in Bezug auf diese Aspekte Bescheid wissen, um Medizinstudierende für dieses Problem zu sensibilisieren und ein Kommunikationstraining für Medizinstudierende anzubieten, damit diese bei der Anamneseerhebung und gemeinsamen Entscheidungsfindung eine verständliche Sprache verwenden.

Schlüsselwörter: Anatomie, Gesundheitskompetenz, Kommunikation, Querschnittsstudie, medizinisches Wissen, medizinische Begriffe


1. Einleitung

Gesundheitskompetenz, also die Fähigkeit, grundlegende Gesundheitsinformationen zu lesen, zu verstehen und zu verarbeiten, ist notwendig, um mit Gesundheitsdienstleister*innen zu interagieren und angemessene Gesundheitsentscheidungen zu treffen [1]. Eine geringere Gesundheitskompetenz wird mit schlechteren Gesundheitsergebnissen und einer geringeren Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Verbindung gebracht [2]. Eine britische Studie fand 2015 heraus, dass 61% der Teilnehmenden unterhalb der Text- und Rechenschwelle lagen, um gängige englische Gesundheitsinformationsmaterialien zu verstehen und zu nutzen [3]. Im Jahr 2017 wurde in einer Querschnittsstudie in Deutschland bei 54,3% der Teilnehmemden eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz festgestellt [4].

Ärzt*innen sind sich häufig nicht bewusst, dass Patient*innen möglicherweise nicht mit der Bedeutung medizinischer Fachbegriffe vertraut sind. Ärzt*innen in Weiterbildung verwendeten medizinische Fachbegriffe in 66,2% der Interaktionen mit Patient*innen während der Anamneseerhebung [5]. In 88% der Fälle gaben Ärzt*innen in Weiterbildung an, Klartext zu sprechen, verwendeten aber bei einer standardisierten Begegnung mit Patient*innen mit geringer Gesundheitskompetenz zwei medizinische Fachbegriffe pro Minute [6]. Ein Kommunikationstrainingsprogramm für Ärzt*innen in Weiterbildung zur Förderung der Gesundheitskompetenz steigerte die Verwendung von einfacher Sprache von 33% auf 86% [7]. Medizinstudierende, die mit Personen mit geringer Gesundheitskompetenz arbeiteten, zeigten mehr Wissen und Fähigkeiten in Bezug auf Gesundheitskompetenz [8].

Im Jahr 1970 publizierte Boyle im British Medical Journal unter der Überschrift „zeitgenössische Themen“ eine Studie über das Verständnis von 234 Laien für gängige medizinische Begriffe und das Wissen über die anatomische Lage von Organen, die sich als gering herausstellten [9]. In der Zwischenzeit hat sich die Schulbildung verbessert und beinhaltet mehr Gesundheitsaspekte [10] und viele Gesundheitsinformationen sind über neue Medien verfügbar [11], [12], [13]. Eine Querschnittsstudie mit stationären Patient*innen eines deutschen Krankenhauses, die im Jahr 2019 aufgefordert wurden, medizinische Begriffe zu definieren, ergab jedoch, dass mehr Patient*innen angaben, die Bedeutung medizinischer Begriffe zu kennen, als es im eigentlichen Test der Fall war [14]. Außerdem korrelierte die Anzahl der richtigen Antworten im Test nicht mit dem Lesen der Zeitung oder dem Fernsehen.

Wir haben uns gefragt, wie medizinische Laien bei der Beantwortung von Boyles Fragebögen [9] fast 50 Jahre später abschneiden würden. Das Ziel dieser Studie war es, das medizinische Wissen von medizinischen Laien in Bezug auf ihren soziodemografischen Hintergrund zu beschreiben, um das Bewusstsein des Gesundheitspersonals und der Medizinstudierenden bei der Kommunikation mit Patient*innen zu schärfen. Wir wollten auch untersuchen, ob Unterschiede in den korrekten Antworten bezüglich der anatomischen Lage verschiedener Organe und der Definitionen gängiger medizinischer Begriffe zwischen den heutigen medizinischen Laien und der historischen Patient*innenkohorte bestehen.


2. Methoden

2.1. Gestaltung der Fragebögen

Boyle entwarf zwei Multiple-Choice-Fragebögen, den einen mit Bildern von anatomischen Organlagen und den anderen mit Definitionen einiger gängiger medizinischer Begriffe [9]. Wir verwendeten die originalen anatomischen Zeichnungen mit vier Antwortmöglichkeiten für die Organlage von „Herz“, „Blase“, „Nieren“, „Magen“, „Lunge“, „Darm“, „Leber“ und „Schilddrüse“ (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Bei acht richtigen Antworten konnte eine maximale Gesamtpunktzahl von acht erreicht werden. Von den 12 medizinischen Begriffen mit fünf möglichen Definitionen nahmen wir die sieben Begriffe „Arthritis“, „Sodbrennen“, „Gelbsucht“, „Durchfall“, „Verstopfung“, „Bronchitis“ und „Hämorrhoiden“ auf. Die Begriffe „wenig stärkehaltige Nahrung“, „eine Medizin“, „Herzklopfen“, „ein guter Appetit“ und „Blähungen“ wurden weggelassen, da sie nicht mehr regelmäßig verwendet werden. Bei sieben richtigen Antworten konnte eine maximale Gesamtpunktzahl von sieben erreicht werden. Die Fragebögen wurden ins Deutsche übersetzt. Alle Fragen hatten nur eine richtige Antwort. Die Teilnehmenden wurden zudem nach folgenden soziodemographischen Daten gefragt: Geschlecht, Alter, höchster Schulabschluss, ob sie in einem medizinischen Bereich arbeiten und ob Deutsch ihre Erstsprache ist.

2.2. Studiendesign und Teilnehmende

Im Sommer und Herbst 2017 wurden im Sinne einer Zufallsstichprobe 537 Laien, die mindestens 18 Jahre alt waren, auf den Straßen verschiedener Hamburger Stadtteile zufällig angesprochen und um die Teilnahme an dieser Studie gebeten. Nach der mündlichen Einverständniserklärung zur freiwilligen Teilnahme erhielten die Teilnehmenden, wie die historische Patient*innenkohorte [9], die papierbasierten Fragebögen und einen Stift und wurden gebeten, alle Fragen zu beantworten, wobei sie keinen Zugang zu Informationen hatten, um die richtigen Antworten zu finden. Die historische Patient*innenkohorte aus dem Jahr 1970 umfasste eine Zufallsstichprobe von 234 Patient*innen im Alter von 17 Jahren und älter, die zum ersten Mal eine Ambulanz im Southern General Hospital in Glasgow aufsuchten [9]. Die soziodemographischen Daten aller Teilnehmenden sind in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt. Diese Studie wurde nach den Standards der Deklarationen von Helsinki und Genf durchgeführt. Sie war von einer ethischen Genehmigung durch die Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg befreit, da keine Experimente mit den Teilnehmenden durchgeführt wurden. Alle Teilnehmenden gaben ihr Einverständnis mündlich und ihre Daten wurden anonymisiert.

2.3. Datenanalyse

Statistische Analysen wurden mit IBM SPSS Statistics 26.0 (Armonk, NY: IBM Corp.) durchgeführt. Es wurden Chi-Quadrat-Tests berechnet, um die Antworten von medizinischen Laien und der historischen Patient*innenkohorte zu vergleichen. Das Signifikanzniveau für alle Befunde wurde auf p<0,05 gesetzt. Um signifikante Unterschiede zwischen unserer Kohorte und der historischen Kohorte mit einem mittleren Effekt von w=.3 und einer Power von 95% zu identifizieren, wurde eine Stichprobengröße von n=145 Teilnehmenden benötigt und durch unsere Stichprobe erreicht. Um einen möglichen Einfluss soziodemographischer Faktoren auf das medizinische Wissen zu identifizieren, verglichen wir die jeweiligen Gesamtscores der korrekten anatomischen Lage von Organen und Definitionen von medizinischen Begriffen mit unabhängigen t-Tests und schätzten die Effektgröße mit Cohen's d in unserer medizinischen Laienkohorte.


3. Ergebnisse

Insgesamt wurden 537 Fragebögen von medizinischen Laien gesammelt und 234 Patient*innen nahmen in der historischen Kohorte teil [9]. Die soziodemographischen Daten sind in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt. Im Durchschnitt waren die medizinischen Laien in unserer Kohorte 42,0±19,3 Jahre alt und die Personen aus der historischen Patient*innenkohorte [9] waren 43,2 Jahre alt. Von den medizinischen Laien waren 63,0% weiblich, 36,3% männlich und 0,7% divers. Die Geschlechtsverteilung der historischen Patient*innenkohorte [9] war 66,7% weiblich und 33,3% männlich.

In Bezug auf die anatomischen Lokalisationen von Organen gaben medizinische Laien signifikant (p<0,001) mehr richtige Antworten für die anatomische Lokalisation der „Blase“, des „Magens“, des „Darms“ und der „Leber“ im Vergleich zu den Personen der historischen Patient*innenkohorte (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Ergebnisse der Antworten der medizinischen Laien und der historischen Patient*innenkohorte zur Definition gängiger medizinischer Begriffe sind in Anhang 1 [Anh. 1] dargestellt. Von den sieben Definitionen gaben die medizinischen Laien nur für die Definitionen von „Gelbsucht“ (p<0,001) und „Durchfall“ (p=0,001) signifikant mehr richtige Antworten (siehe Anhang 1 [Anh. 1], richtige Antworten fett markiert). Für beide Gesamtscores fanden wir signifikante kleine bis mittlere Unterschiede hinsichtlich soziodemographischer Faktoren (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Bei kleinen Effektstärken (d=0,29 für Organlokalisation und d=0,25 für medizinische Begriffe) schnitten weibliche Teilnehmende signifikant besser ab als männliche Teilnehmende und Teilnehmende mit einem Schulabschluss der Oberschule (d.h. Gymnasium) schnitten bei mittleren Effektstärken (d=0,35 für Organlokalisation und d=0,35 für medizinische Begriffe) signifikant besser ab als Teilnehmende, die die Mittelschule (d.h. Haupt- oder Realschule) abgeschlossen hatten. Teilnehmende, die in einem der Medizin nahestehenden Bereich arbeiteten, hatten in beiden Gesamtscores signifikant höhere Werte mit mittleren Effektstärken (d=0,78) als Teilnehmende aus anderen beruflichen Bereichen. Teilnehmende, die Deutsch als Erstsprache sprachen, schnitten bei den Definitionen medizinischer Begriffe mit einem kleinen Effekt (d=0,46) signifikant besser ab, zeigten aber keine signifikanten Unterschiede bezüglich der anatomischen Lokalisationen von Organen.


4. Diskussion

Im Jahr 1970 war die Gesundheitskompetenz in Bezug auf die anatomische Lage von Organen und gebräuchliche medizinische Begriffe ziemlich gering [9]. In unserer Studie, 50 Jahre später, stellten wir fest, dass sich der Prozentsatz der korrekten Definitionen bei medizinischen Laien nur bei 28,6% und bei der korrekten Definition der Lage von Organen bei 50% signifikant verbessert hatte. Außerdem schnitten medizinische Laien mit einem höheren Schulabschluss signifikant besser ab als Laien mit einem niedrigeren Schulabschluss. Diese Ergebnisse könnten unterstreichen, dass die Gesundheitserziehung in der Schule verbessert werden könnte, um medizinische Laien zu befähigen, ihren Körper besser zu verstehen und ein gesundes Leben zu führen [15]. Wir wissen jedoch nicht, ob die Teilnehmenden unserer Studie ihr medizinisches Wissen in der Schule oder auf anderem Wege erworben hatten. Während die allgemeine Gesundheitserziehung in der Schule wenig Effekt hatte, führte ein spezielles Unterrichtsprogramm zu einer besseren Gesundheitskompetenz bei Kindern [16]. Darüber hinaus könnte auch die Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen in den Medien zu einer gewissen Verbesserung des Fragebogens durch unsere Kohorte medizinischer Laien im Vergleich zur historischen Kohorte geführt haben. Allerdings kann die Darstellung von Gesundheitsthemen in den Medien diese zu stark vereinfachen und dadurch Gesundheitsinformationen verzerren [17]. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es für medizinische Laien schwierig ist, zuverlässige Quellen für Gesundheitsinformationen in den Medien zu identifizieren. Insbesondere im Internet wurden viele Quellen für Gesundheitsinformationen als qualitativ suboptimal befunden [18]. Während das anatomische Wissen in einer Studie generell schlecht war, schnitten Teilnehmende aus gesundheitsbezogenen Berufen signifikant besser ab [19]. Diesen Befund konnten wir in unserer Kohorte bestätigen. Medizinstudierende und Ärzt*innen sollten sich, wenn sie mit Patient*innen kommunizieren, der Schwierigkeiten bewusst sein, die medizinische Laien ohne professionellen gesundheitsbezogenen Hintergrund auch heute noch bei der korrekte Lagebestimmung von Organen und bei der Definition gängiger medizinischer Begriffe haben, und Techniken lernen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Auch wenn wir signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Teilnehmenden in Bezug auf Organlokalisationen und medizinische Begriffe fanden, waren die Effektstärken gering und es bleibt unklar, ob diese Unterschiede für kompetente Gesundheitsentscheidungen relevant sind. Allerdings werden medizinische Begriffe oft umgangssprachlich verwendet, aber von medizinischen Laien nicht vollständig verstanden. Sie wurden für Ärzt*innen entwickelt, um miteinander zu kommunizieren [20] und werden üblicherweise während des Medizinstudiums erworben [21], [22]. Andererseits verwenden Medizinstudierende, die freiwillig medizinische Dokumente in laienverständliche Sprache übersetzten, auch in simulierten Arzt*innen-Patient*innen-Begegnungen häufiger laienverständliche Sprache [23]. Dies ist eine Möglichkeit, angehende Ärzt*innen für die inhärenten Gefahren von Missverständnissen in der Ärzt*innen-Patient*innen-Kommunikation bei der Verwendung vermeintlich „gängiger“ medizinischer Begriffe zu sensibilisieren. Wenn eine Haltung, sich im Gespräch mit Patient*innen durch Verwendung von medizinischem Fachjargon überlegen zu fühlen [24], fortbesteht, kann dies zu potenziell gefährlicher Fehlkommunikation zwischen Ärzt*innen und Patient*innen führen. Dieses Problem kann überwunden werden, indem das Bewusstsein für die verschiedenen Möglichkeiten der ärztlichen Kommunikation geschärft wird [25], was Eingang in einen europäischen Konsens zur Kommunikation in Gesundheitsberufen gefunden hat [26].

Unsere Studie hat einige Einschränkungen. Da sie nicht im gleichen Land wie die ursprüngliche Studie durchgeführt wurde, könnte der Unterschied im Schul- und Gesundheitssystem einen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben. Die teilnehmenden medizinischen Laien wurden nicht vollständig zufällig ausgewählt, sondern nach dem Zufallsprinzip angesprochen und zur freiwilligen Teilnahme aufgefordert, was zu einer Auswahl von sehr motivierten oder gesundheitskundigen Teilnehmenden geführt haben könnte. Auch wenn die Teilnehmenden in verschiedenen Stadtteilen der Stadt Hamburg angesprochen wurden, kann unsere Zufallsstichprobe nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung sein. Außerdem bestehen die Hamburger Kohorte und die historische Kohorte aus >60% weiblichen Teilnehmenden, was nicht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung ist. Ein zusätzlicher Stichprobenbias der Hamburger Kohorte ist der hohe Anteil an Teilnehmenden, die die höhere Schule besucht haben. Der ursprüngliche Fragebogen konnte nur für die Lage der Organe verwendet werden, nicht aber für alle medizinischen Begriffe, da einige dieser Begriffe nicht mehr umgangssprachlich verwendet werden. Insgesamt enthält der Fragebogen aufgrund der historischen Vorlage und der notwendigen Reduktion der Items eine sehr begrenzte Anzahl von Fragen.

Trotz dieser Einschränkungen zeigt unsere Studie, dass medizinische Laien auch nach 50 Jahren Arbeit an einer besseren Gesundheitskommunikation immer noch Schwierigkeiten haben, die Lage von Organen richtig zu benennen oder medizinische Begriffe zu definieren, auch wenn es bis zu einem gewissen Grad eine Verbesserung gegeben hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein besserer Zugang zu neuen Medien automatisch die Gesundheitskompetenz erhöht. Medizinstudierende müssen während ihres Studiums lernen, dass Gesundheitskompetenz bei medizinischen Laien nicht selbstverständlich ist. Sie brauchen die Unterstützung von medizinischen Ausbilder*innen in ihren jeweiligen medizinischen Curricula zur Entwicklung von Strategien, um mit Patient*innen verständlich zu kommunizieren als Grundlage für eine gemeinsame Entscheidungsfindung.


5. Schlussfolgerung

Trotz der wachsenden Menge an Gesundheitsinformationen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, müssen sich Medizinstudierende, Ärzt*innen und Gesundheitspersonal bewusst sein, dass bei medizinischen Laien immer noch Defizite im Wissen über die Lage von Organen und medizinische Begriffe bestehen. Sich dieser Defizite bewusst zu werden, kann ein erster Schritt sein, um Missverständnisse in der Kommunikation mit Patient*innen zu vermeiden. Die Bildung in der Schule scheint ein guter Weg zu sein, um einen gewissen Hebel anzusetzen, ebenso wie qualitativ gute Gesundheitsinformationen in den Medien. Medizinstudierende müssen sich bewusst werden, dass die Verwendung von einfacher Sprache zur Erklärung komplexer medizinischer Zusammenhänge in der Ärzt*innen-Patient*innen-Kommunikation für eine patient:innenzentrierte Gesundheitsversorgung notwendig ist und dass Gesundheitskompetenz nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Kommunikationscurricula sollten Medizinstudierenden die Möglichkeit geben, diese besondere Kommunikationsfähigkeit zu üben.


Danksagung

Wir möchten uns bei allen Teilnehmenden bedanken, die ihre Zeit und Mühe für diese Studie aufgewendet haben.


Interessenkonflikt

Die Autorinnen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Ratzan SC. Health literacy: communication for the public good. Health Promot Int. 2001;16(2:2017-2014. DOI: 10.1093/heapro/16.2.207 Externer Link
2.
Berkman ND, Sheridan SL, Donahue KE, Halpern DJ, Crotty K. Low health literacy and health outcomes: an updated systematic review. Ann Intern Med. 2011;155(2):97-107. DOI: 10.7326/0003-4819-155-2-201107190-00005 Externer Link
3.
Rowlands G, Protheroe J, Winkley J, Richardson M, Seed PT, Rudd R. A mismatch between population health literacy and the complexity of health information: an observational study. Br J Gen Pract. 2015;65(635):e379-386. DOI: 10.3399/bjgp15X685285 Externer Link
4.
Schaeffer D, Berens E-M, Vogt D. Health literacy in the German population. Dtsch Arztebl Int. 2017;114:53-60. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0053 Externer Link
5.
Karsenty C, Landau M, Ferguson R. Assessment of medical resident's attention to the health literacy level of newly admitted patients. J Community Hosp Intern Med Perspect. 2013;3(3-4). DOI:10.3402/jchimp.v3i3-4.23071 Externer Link
6.
Howard T, Jacobson KL, Kripalani S. Doctor talk: physicians' use of clear verbal communication. J Health Commun. 2013;18(8):991-1001. DOI: 10.1080/10810730.2012.757398 Externer Link
7.
Green JA, Gonzaga AM, Cohen ED, Spagnoletti CL. Addressing health literacy through clear health communication: a training program for internal medicine residents. Patient Educ Couns. 2014;95(1):76-82. DOI: 10.1016/j.pec.2014.01.004 Externer Link
8.
Milford E, Morrison K, Teutsch C, Nelson BB, Herman A, King M, Beucke N. Out of the classroom and into the community: medical students consolidate learning about health literacy through collaboration with Head Start. BMC Med Educ. 2016;116:121. DOI: 10.1016/j.pec.2014.01.004 Externer Link
9.
Boyle CM. Difference between patients' and doctors' interpretation of some common medical terms. BMJ. 1970;2(5704):286-289. DOI: 10.1136/bmj.2.5704.286 Externer Link
10.
Hausman AJ, Ruzek SB. Implementation of comprehensive school health education in elementary schools: focus on teacher concerns. J Sch Health. 1995;65(3):81-86. DOI: 10.1111/j.1746-1561.1995.tb03352.x Externer Link
11.
Armstrong AW, Idriss NZ, Kim RH. Effects of video-based, online education on behavioural and knowledge outcomes in sunscreen use: a randomized controlled trial. Patient Educ Couns. 2011;83(2):273-277. DOI: 10.1016/j.pec.2010.04.033 Externer Link
12.
Roberts M, Callahan L, O'Leary C. Social media: a path to health literacy. Stud Health Technol Inform. 2017;240:464-475. DOI: 10.3233/ISU-170836 Externer Link
13.
Bopp T, Stellefson M. Practical and ethical considerations for schools using social media to promote physical literacy in youth. Int J Environ Res Public Health. 2020;17(4):E1225. DOI: 10.3390/ijerph17041225 Externer Link
14.
Gundling F, Parasiris P, Bunz AL, Sohn M, Haller B, Schepp W, Mühling T. [Deficits in health-literacy of inpatients - a cross-sectional study]. Dtsch Med Wochenschr. 2019;144:e21-e29. DOI: 10.1055/a-0758-0647 Externer Link
15.
Shelus V, VanEnk L, Giuffrida M, Jansen S, Connolly S, Mukabatsinda M, Jah F, Ndahindwa V, Shattuck D. Understanding your body matters. effects of an enterainment-education serial radio drama on fertility awareness in Rwanda. J Health Commun. 2018;23(8):761-772. DOI: 10.1080/10810730.2018.1527873 Externer Link
16.
Williams CL, Arnold CB. Teaching children self-care for chronic disease prevention: obesity reduction and smoking prevention. Patient Couns Health Educ. 1980;2(2):92-98. DOI: 10.1016/s0738-3991(80)80010-3 Externer Link
17.
O'Hara SK, Smith KC. Presentation of eating disorders in the news media: What are the implications for patient diagnosis and treatment? Patient Educ Couns. 2007;68(1):43-51. DOI: 10.1016/j.pec.2007.04.006 Externer Link
18.
Daraz L, Morrow AS, Pnce OJ, Beuschel B, Farah MH, Katabi A, Alsawas M, Maizoub AM, Bankhadra R, Seisa MO, Ding JF, Prokop L, Murad MH. Can patients trust online health information? A meta-narrative systematic review addressing the quality of health information on the internet. J Gen Intern Med. 2019;34(9):1884-1891. DOI: 10.1007/s11606-019-05109-0 Externer Link
19.
Taylor AM, Diggle P, Wessels Q. What do the public know about anatomy? Anatomy education to the public and the implications. Anat Sci Educ. 2018;11(2):117-123. DOI: 10.1002/ase.1746 Externer Link
20.
Wulff HR. The language of medicine. J R Soc Med. 2004;97(4):187-188
21.
Brahler CJ, Walker D. Learning scientific and medical terminology with a mnemonic strategy using an illogical association technique. Adv Physiol Educ. 2008;32(3):219-224. DOI: 10.1152/advan.00083.2007 Externer Link
22.
Smith S, Fisher J, Goff I. MediLex: the medical jargon-busting game. Clin Teach. 2017;14(4):273-278. DOI: 10.1111/tct.12547 Externer Link
23.
Bittner A, Bittner J, Jonietz A, Dybowski C, Harendza S. Translating medical documents improves students' communication skills in simulated physician-patient encounters. BMC Med Educ. 2016;16:27. DOI: 10.1186/s12909-016-0594-4 Externer Link
24.
Dornan T, Pearson E, Carson P, Helmich E, Bundy C. Emotions and identity in the figured world of becoming a doctor. Med Educ. 2015;49(2):174-185. DOI: 10.1111/medu.12587 Externer Link
25.
Ha JF, Longnecker N. Doctor-patient communication: a review. Ochsner J. 2010;10:38-43.
26.
Bachmann C, Kiessling C, Härtl A, Haak R. Communication in health professions: a European consensus on inter- and multi-professional learning objectives in German. GMS J Med Educ. 2016;33(2):Doc23. DOI: 10.3205/zma001022 Externer Link