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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Interprofessionelles Wahlpflichtmodul zur wissenschaftlichen Präsentation von Projektarbeiten: Umsetzung im Online-Format

Artikel Interprofessionelle Ausbildung

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  • Franziska Krakau - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin & Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Lea Doll - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin & Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • corresponding author Anika Mitzkat - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin & Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(5):Doc90

doi: 10.3205/zma001486, urn:nbn:de:0183-zma0014868

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001486.shtml

Eingereicht: 30. Juli 2020
Überarbeitet: 4. Februar 2021
Angenommen: 19. Februar 2021
Veröffentlicht: 15. Juni 2021

© 2021 Krakau et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Im ausbildungsintegrierenden Bachelorstudiengang „Interprofessionelle Gesundheitsversorgung“ arbeiten Student_innen nach Ausbildungsende in Teilzeit in ihrem erlernten Gesundheitsberuf. Die durch COVID-19 bedingte Aufstockung der Arbeitszeit der Student_innen und die Lehrformatsumstellung auf digitale Formate warf die Fragen auf, wie ein gelingendes und flexibles Lehr-Lernkonzept in diesem Kontext online gestaltet werden kann.

Für die Umsetzung wurden als theoretische Bezugspunkte ein Blended Learning Konzept in Kombination mit einem Kompetenzmodell interprofessionellen Lernens gewählt. Anhand eines Moduls zur wissenschaftlichen Posterpräsentation vor einem interprofessionellen Plenum wird der Ablauf der Lernprozessorganisation in den Phasen „Kick-off“, „Selbstgesteuertes Lernen“ und „Online-Seminar“ exemplarisch dargestellt und hinsichtlich der Eignung für die digitale interprofessionelle Lehre diskutiert.

Umsetzung: Bei der Umsetzung war die Klärung des Ablaufs und eines verbindlichen Rahmens zu Beginn des Moduls wichtig. Mittels Screencasts konnte danach eine individuelle Festlegung des Lerntempos in der selbstgesteuerten vorbereitenden Lernphase stattfinden. Die Einbettung von Arbeitsaufträgen in die aufgezeichneten Screencasts unterstütze die Student_innen beim Lernen. Der synchrone Austausch in interprofessionellen Kleingruppen wurde als gewinnbringend für die eigene Postererstellung erlebt. Einige Student_innen empfanden die eigene Posterpräsentation in digitalem Format als Kompetenzzuwachs und Basis für spätere wissenschaftliche Präsentationen.

Fazit: Zusammenfassend zeigte sich, dass das gesamte interprofessionelle Modul digital in den Phasen „Kick-off“, „Selbstgesteuertes Lernen“ und „Online-Seminar“ erfolgreich umsetzbar war. Für das synchrone in Lernen erscheinen insbesondere virtuelle Kleingruppenarbeitsräume zur Lerneraktivierung geeignet. Die praktische Umsetzung der erworbenen Kompetenzen in Form der Posterpräsentation ist entscheidend für die Absicherung des Lernerfolges.

Schlüsselwörter: Interprofessionelle Ausbildung, Blended Learning, Asynchrone Lehrformate, Synchrone Lehrformate, wissenschaftliche Kompetenzen


Hintergrund

Im Bachelorstudiengang „Interprofessionelle Gesundheitsversorgung“ (IPG) [1] lernen Angehörige von neun unterschiedlichen Gesundheitsberufen von, mit und übereinander [2]. Nach Abschluss der parallel stattfindenden Ausbildung sind die Student_innen in ihrem jeweiligen Gesundheitsberuf als Berufsanfänger_innen in Teilzeit in der klinischen Versorgung tätig. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie mussten aufgrund des bestehenden Personalmangels viele Student_innen ihre Arbeitszeit auf bis zu 100% aufstocken, was die Doppelbelastung von Arbeit und Studium erhöhte. Der Lehrbetrieb des Studiengangs wurde komplett auf Online-Formate umgestellt.

Das Modul „Wahlpflichtprojekt“ besteht aus 135 Stunden Mitarbeit in einem Forschungsprojekt, einem Projekt der Qualitätsförderung oder einem Projekt des internationalen Austausches. Zielsetzung des Moduls ist, dass die Student_innen professionsspezifische Erfahrungen in der Projektarbeit sammeln und zugleich sowohl wissenschaftliche als auch interprofessionelle Kompetenzen erwerben. Hierfür findet projektbegleitend ein Seminar (insgesamt 15 Stunden) statt, in dem den Student_innen wissenschaftliche Kompetenzen zur Einreichung, Präsentation und Diskussion von Tagungsbeiträgen vermittelt werden und der interprofessionelle Austausch über die Projektarbeit angeregt wird. Die Prüfungsleistung besteht aus der Erstellung und Präsentation eines wissenschaftlichen Posters vor einem interprofessionellen Plenum.

Aus dieser Ausgangssituation ergaben sich folgenden Fragen:

1.
Wie kann das Modul “Wahlpflichtprojekt“ möglichst flexibel für die Student_innen gestaltet werden, um die Doppelbelastung Studium und Arbeit möglichst gering zu halten?
2.
Mit welchen Online-Formaten kann ein komplettes Online-Lehr-Lernkonzept zur Vermittlung von Wissenschaftskompetenzen in Bezug auf die Ergebnispräsentation einer Projektarbeit exemplarisch umgesetzt werden?

Für die Umsetzung der Online-Lehre wurden zwei theoretische Bezugspunkte zugrunde gelegt: Das Konzept eines Blended Learnings, welches aus einem Wechsel von synchronen und asynchronen Online-Formaten besteht [3] und ein Kompetenzmodell interprofessionellen Lernens [4], [5]. Dieses Kompetenzmodell geht davon aus, dass interprofessionelles Lernen abhängig von dem Ausbildungsstand der Student_innen in drei aufeinander aufbauenden Phasen verläuft (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Die erste Phase besteht aus der asynchronen Vermittlung wissensbasierter Inhalte (Exposure Level). In der zweiten, synchronen Phase liegt der Fokus auf der Aktivierung der Student_innen, erworbenes Wissen anzuwenden und zu diskutieren (Immersion Level). Beide Phasen lassen sich im Blended-Learning-Konzept dem selbstgesteuerten Lernen zuordnen. Die dritte, ebenfalls synchrone Phase zielt auf die interprofessionelle Interaktion der Student_innen ab und wurde im Prozess des Blended Learnings als Online Seminar umgesetzt (Mastery Level). Beispielsweise stellt eine Studentin mit dem fachlichen Hintergrund einer Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenz (MTLA) Ergebnisse der Mitarbeit an einem Forschungsprojekt im Labor vor, ein Student mit physiotherapeutischer Expertise ein Projekt der Qualitätssicherung in der ambulanten Versorgung.

Gleichwohl das Modul im Studiengang IPG interprofessionell umgesetzt wurde, ist das Lehrkonzept zur Vermittlung von Wissenschaftskompetenzen auch auf monoprofessionelle Gruppen übertragbar.

Die Umsetzung des Lehrkonzeptes soll im Folgenden illustriert werden.


Didaktisch-methodische Umsetzung des interprofessionellen Wahlpflichtmoduls online

Für die Online-Lehre im Sommersemester 2020 wurde die Lernprozessorganisation des Blended-Learnings in Anlehnung an Erpenbeck, Sauter und Sauter [3] und unter besonderer Berücksichtigung von Möglichkeiten der interprofessionellen Lehre [5] umgesetzt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Für das gesamte Modul wurden die E-Learning-Plattform moodle und heiCONF für synchrone Videokonferenzen genutzt. Für die asynchrone Wissensvermittlung wurden Vortragsfolien vertont (Screencast) und mit Nachbereitungsaufträgen für die anschließende synchrone Lehre versehen.

Im Sommersemester 2020 haben 21 Student_innen das Modul belegt.

Virtueller Kick-off

Zu Semesterbeginn erhielten die Student_innen alle relevanten Informationen zum Modulablauf via Screencast. Besonders wurde dabei auf die Nachbereitungsaufträge eingegangen sowie auf organisatorisch-technische Details der Online-Lehre. Für Rückfragen zu einzelnen Projektarbeiten der Student_innen wurden Einzeltermine telefonisch oder per Videokonferenz vereinbart und durchgeführt.

Selbstgesteuertes Lernen

Zum Einstieg in das selbstgesteuerte Lernen wurden Screencasts für das Erreichen wissensbasierter Lernziele zur Verfügung gestellt. Hierzu zählten die formalen und inhaltlichen Posteranforderungen, Informationen zur Posterpräsentation auf wissenschaftlichen Tagungen und dem Procedere der Einreichung sowie Hinweise zu den „do’s and don’ts“ einer Posterpräsentation. Am Ende der asynchronen Lehreinheit wurde ein Nachbereitungsauftrag ausgegeben. Ziel des aktivitätsbasierten Nachbereitungsauftrags (NBA) war es, drei wissenschaftliche Poster anhand vorgegebener Kriterien zu bewerten und die Bewertung zu begründen. Die Bewertungskriterien entsprachen den Kriterien der Prüfungsleistung und wurden den Student_innen zur Verfügung gestellt. Die Poster konnten über die Lernplattform moodle abgerufen werden.

Die Ergebnisse wurden in einer Videokonferenz zusammengeführt. Der Nachbereitungsautrag wurde aufgegriffen und die Student_innen in interprofessionelle Kleingruppen von 3-4 Student_innen in virtuellen Gruppenräumen (sog. Breakout-Räume) zusammengebracht. Die Interaktion der Student_innen wurde durch klare Instruktionen für den Austausch über die begutachteten Poster angeregt. Es wurde jeweils eine/ein Protokollant_in und eine/ein Sprecher_in bestimmt, die die Ergebnisse später im Plenum vorstellte. Neben dem Austausch professionsübergreifender wissenschaftlicher Aspekte stand die Verknüpfung unterschiedlicher professioneller Sichtweisen und die Identifikation von Schnittmengen zur Bearbeitung einer gemeinsamen Problemstellung im Fokus. Die Dozent_innen standen per Chat für Rückfragen zur Verfügung und konnten sich bei Bedarf (Rückfragen der Student_innen, stocken des Austausches) einzelnen Räumen zuschalten.

Die Sprecher_innen der Kleingruppen stellten die Ergebnisse der virtuellen Posterbegehung und der Diskussion im Plenum vor. Dabei wurden gemeinsam Verbesserungsvorschläge für den Transfer für ein eigenes Poster erarbeitet. Die Ergebnissicherung erfolgte auf virtuellem Whiteboard.

Die Phase des selbstgesteuerten Lernens kann auf zwei Kompetenzleveln beschrieben werden: Auf dem Basis-Level (Exposure) lag der Fokus auf der eigenen Rolle und Verantwortlichkeit [5]. Die Student_innen mussten sich mit dem eigenen Wissenstand auseinandersetzen und die Bewertung wissenschaftlicher Poster anhand von Kriterien begründen. Die Verbindlichkeit des Arbeitsauftrags wurde durch konkrete Instruktionen und als Voraussetzung für nachfolgende Lernschritte herausgestellt. Die Bearbeitung der Screencasts und des NBA erfolgte dann flexibel und individuell von den Student_innen.

Im Aufbau-Level (Immersion) liegt der Fokus auf der Aktivierung der Student_innen [5]. Sie mussten sich mit den Ergebnissen ihrer Kommiliton_innen auseinandersetzen und gemeinsam zu einer abschließenden Bewertung gelangen. Dazu wurde über die Nutzung der virtuellen Kleingruppenräume kooperative Lernaktivitäten angeregt. Ein klarer Arbeitsauftrag sowie Instruktionen zur Ergebnispräsentation stellten sicher, dass ergebnisorientierte Interaktionen mithilfe von Sprecher_innen stattfinden.

Online-Seminar

Im weiteren Semesterverlauf fanden drei Online-Seminare statt, in denen die Student_innen eigene Projektarbeiten im Rahmen einer Prüfungsleistung als E-Poster präsentierten. Das Eingehen auf Fragen in der anschließenden interprofessionellen Diskussion war Teil der Prüfung.

Im Kontext des interprofessionellen Lernens wurde mit Fokus auf der Interaktion der Student_innen in dieser Phase zuvor Gelerntes praktisch in den eigenen virtuellen Posterpräsentationen angewandt und damit ein Praxis-Level erreicht (Mastery) [5].


Lessons Learned/Fazit

Die Rückmeldungen der Student_innen erfolgten im Chat der Online-Seminare, als Blitzlichtfeedback via Umfrage und individuell per E-Mail oder telefonisch im Rahmen einer allgemeinen Beratung.

Dir Student_innen begrüßten insbesondere die Möglichkeit der Festlegung eines eigenen Lerntempos für die Screencast-Bearbeitung. Auch von den Dozentinnen wurde beobachtet, dass die Screencasts und Nachbereitungsaufträge von den Student_innen sehr zuverlässig bearbeitet wurden und alle gut vorbereitet zu den synchronen Online-Lehreinheiten erschienen. Der Austausch und die Präsentation in interprofessionellen Kleingruppen wurde als gewinnbringendes Lehrformat und die Ergebnissicherung mittels Whiteboardprotokoll als hilfreiche Visualisierung des Gelernten erlebt.

Mehrheitlich wurde allerdings kritisch angemerkt, dass die Student_innen sich die eigene Posterpräsentation als Präsenzpräsentation wünschen. Auch die Dozentinnen beobachteten, dass die Diskussion zu den Präsentationen der Prüflinge stockender verlief als in Präsenz.

Daraus ergibt sich folgendes Fazit:

  • Das Konzept des Blended Learning lässt sich in der ausschließlichen Online-Lehre auch in interprofessionellen Gruppen umsetzen.
  • Durch asynchrone Lehreinheiten, die selbstgesteuert bearbeitet werden, wird die Flexibilität in Arbeit und Studium unterstützt.
  • Die Setzung eines verbindlichen Rahmens zu Beginn des Moduls und eine Lernerfolgskontrolle mittels Arbeitsaufträgen und Feedback ist für die Phase des selbstgesteuerten Lernens wichtig.
  • Für das Lernen ist entscheidend, die Aktivität und Interaktion der Student_innen zu fördern. Arbeitsaufträge, die in virtuellen Kleingruppenarbeitsräumen gemeinsam bearbeitet werden, sind hierfür besonders geeignet.
  • Die praktische Umsetzung theoretisch gelernter Inhalte bildet die höchste Stufe des Lernprozesses und ist für den praxisbezogenen Kompetenzerwerb unerlässlich.

Nach der beschriebenen Pilotimplementierung ist eine strukturierte prospektive Evaluation des Moduls geplant. Hierfür wird im WiSe 2020/21 ein Online-Fragebogen eingesetzt, der sich sowohl auf den fachlichen Kompetenzerwerb als auch auf das interprofessionelle Lernen bezieht. Sofern die Pandemielage es ermöglicht, sollen die Posterpräsentationen zum Abschluss allerdings in Präsenz erfolgen.


Interessenkonflikt

Die Autorinnen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Mahler C, Berger SJ, Karstens S, Campbell S, Roos M, Szecsenyi J. Re-profiling today's health care curricula for tomorrow's workforce: Establishing an interprofessional degree in Germany. J Interprof Care. 2015;29(4):386-388. DOI: 10.3109/13561820.2014.979980 Externer Link
2.
CAIPE. Collaborative practice through learning together to work together: Statement of Purpose. Fareham: Centre for the Advancement of Interprofessional Education; 2016. Zugänglich unter/available from: https://www.caipe.org/resource/CAIPE-Statement-of-Purpose-2016.pdf Externer Link
3.
Erpenbeck J, Sauter S, Sauter W. E-Learning und Blended Learning : Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung. Wiesbaden: Springer Gabler; 2015. DOI: 10.1007/978-3-658-10175-6 Externer Link
4.
McMaster University. Competencies and Levels: Description of IPE Activities and Competencie. Hamilton: McMaster University; 2020. Zugänglich unter/available from: http://piper.mcmaster.ca/about_competencies.html Externer Link
5.
Charles G, Bainbridge L, Gilbert J. The University of British Columbia model of interprofessional education. J Interprof Care. 2010;24(1):9-18. DOI: 10.3109/13561820903294549 Externer Link