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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Task Force Veterinäranatomie: Zusammenarbeit der fünf deutschen Standorte zur Sicherung der Lehre während der COVID-19-Pandemie

Kurzbeitrag Tiermedizin

  • corresponding author Dora Bernigau - Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät, Veterinär-Anatomisches Institut, Leipzig, Deutschland
  • Mahtab Bahramsoltani - Freie Universität Berlin, Fachbereich Veterinärmedizin, Institut für Veterinär-Anatomie, Berlin, Deutschland
  • Giuliano Mario Corte - Freie Universität Berlin, Fachbereich Veterinärmedizin, Institut für Veterinär-Anatomie, Berlin, Deutschland
  • Sven Reese - LMU München, Tierärztliche Fakultät, Veterinärwissenschaftliches Department, Lehrstuhl für Anatomie, Histologie und Embryologie, München, Deutschland
  • Christiane Pfarrer - Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Anatomisches Institut, Institute for Anatomy, Hannover, Deutschland
  • Daniela Fietz - Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Veterinär-Anatomie, -Histologie und -Embryologie, Gießen, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(5):Doc87

doi: 10.3205/zma001483, urn:nbn:de:0183-zma0014834

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001483.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 29. Januar 2021
Angenommen: 3. März 2021
Veröffentlicht: 15. Juni 2021

© 2021 Bernigau et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Veterinäranatomischen Institute der fünf deutschen Bildungsstätten standen zu Beginn der Coronapandemie im März 2020 vor der Herausforderung, die gesamte Lehre für die Studierenden des zweiten und vierten Fachsemesters in digitaler Form durchzuführen. Nach einem Kickoff-Onlinemeeting und einer ersten Bestandsaufnahme wurden vorhandene digitale Lehrmedien zum Streamen auf den Lernplattformen ausgetauscht. Vorlesungen wurden synchron gehalten oder asynchron als vertonte bzw. annotierte Dateien auf den Lernplattformen hochgeladen. Die mikroskopischen Präparate konnten den Studierenden dank schon bestehender Anwendungen zur virtuellen Mikroskopie komplikationslos zur Verfügung gestellt werden. Die Präparierübungen wurden überwiegend zum Selbststudium anhand von Lehrvideos und interaktiven Übungsaufgaben angeboten. In der zweiten Semesterhälfte wurden in der makroskopischen Anatomie an vier Standorten einige wenige Präsenztermine für die Studierenden unter verschärften Hygienebedingungen angeboten. Erfolgskontrollen wurden ausschließlich online über die Lernplattformen in verschiedenen Formaten und zum Teil fakultativ durchgeführt. Auch wenn die vergangenen beiden Semester in Zusammenarbeit aller Standorte den Umständen geschuldet fast ausschließlich digital stattfinden musste, besteht der allgemeine Konsens, dass die praktische Ausbildung in den Fächern Anatomie, Histologie und Embryologie essentiell für die Studierenden der Veterinärmedizin ist. Nur so können sie die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten für ihr weiteres erfolgreiches Studium erlangen.

Schlüsselwörter: Anatomie, digitale Lehrmedien, Studium, Veterinärmedizin


Einleitung

Im März 2020 sollte eine Tagung der Veterinäranatomen der Bildungsstätten (Berlin, Gießen, Hannover, Leipzig, München) stattfinden. Schwerpunkt war die Reduktion von Formaldehyd in der Lehre. Pandemie-bedingt musste die Tagung abgesagt werden. Schnell war man sich einig, das Treffen online und mit geändertem Thema durchzuführen. Denn alle Standorte mussten ihre Semesterplanung ohne Präsenz der Studierenden, und damit ohne den praktischen Unterricht für das anstehende Sommersemester anpassen. Diesem Kickoff-Meeting folgten bisher sechs weitere Online-Termine und ein intensiver Austausch, den es so bisher noch nicht gegeben hat.


Durchführung der Lehre in Anatomie und Histologie/Embryologie im Sommersemester 2020

Präparierkurse

Die Durchführung des Präparatestudiums ohne Präsenz stellte die größte Herausforderung dar. Analog zur Human- und Zahnmedizin, stellt die praktische Ausbildung in der Anatomie einen wichtigen Schwerpunkt dar. Nicht zuletzt wird dies durch die Tatsache untermauert, dass sowohl laut Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO §22 (2)), als auch gemäß Tierärztlicher Approbationsverordnung (TAppV §24) die Prüfung im Fach Anatomie einen praktischen Teil beinhaltet [https://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html], [https://www.gesetze-im-internet.de/tappv/BJNR182700006.html]. Das vierte Fachsemester (4. FS) war von dieser Problematik besonders betroffen, da im Anschluss das Physikum abzulegen war und seit Februar keinerlei praktische Übung stattgefunden hatte. Eine Bestandsaufnahme digitaler Lehrmaterialien ergab, dass alle Standorte bereits digitale Lehrmaterialien (Demonstrationsvideos, E-Lectures etc.) besaßen. Es wurde zugesichert, das Teilen dieser Materialien nach Rücksprache mit den Verantwortlichen zu ermöglichen. So konnten den Studierenden etliche Medien im Streamingformat auf den Lernplattformen zur Verfügung gestellt werden. Nachdem erste Lockerungen der Pandemiemaßnahmen in Kraft traten, und damit Studierenden der Zutritt zu den Universitäten wieder möglich war, wurden an vier Standorten unter Einhaltung der AHA-Regel der Bundesregierung sowie der Erstellung von Hygienekonzepten (Definition von Ein- und Ausgängen, Reduktion der Kursgröße, etc.) Präparierkurse für das 2. FS (N=1) und das 4. FS (N=3) angeboten. Diese stellten für die Institute einen enormen Mehraufwand dar, ermöglichten den Studierenden jedoch einen praktischen Unterricht an fertiggestellten Präparaten. Das durchweg positive Feedback der Studierenden bestätigt, dass diese Veranstaltungen einen enormen Mehrwert für den Lernerfolg darstellten.

Vorlesungen

An allen Standorten wurden sämtliche Vorlesungen digital zur Verfügung gestellt, da sehr schnell von den Universitätsleitungen kommuniziert wurde, dass eine Vorlesung in Präsenz für ein ganzes Studienjahr pandemiebedingt untersagt wäre. Dies geschah v.a. durch den Upload von vertonten Vorlesungs-Folien auf die Lernplattformen (Blackboard, Moodle u.a.). An drei Standorten wurden darüber hinaus einige Vorlesungen synchron online über Zoom, WebEx, MS Teams etc. angeboten.

Mikroskopierkurse

Die rein digitale Durchführung dieser Kurse stellte die geringste Herausforderung dar, da alle Standorte bereits vor der Pandemie über eine Anwendung zur virtuellen Mikroskopie für die Studierenden verfügten. Dadurch konnte ein asynchrones Studium der histologischen Präparate nach digitaler Anleitung gewährleistet werden. Zwei Fakultäten führten den Kurs synchron online durch.

Testate

Die Praktikumsordnungen aller Veterinäranatomischen Standorte beinhalten regulär eine erfolgreiche Teilnahme an semesterbegleitenden Testaten in unterschiedlichen Formaten (v.a. mündlich-praktisch). Durch den Wegfall der Präsenzlehre fanden im Sommersemester 2020 Wissensüberprüfungen ausschließlich online statt. An vier Standorten wurden diese über die Lernplattformen abgehalten. Dabei unterschied sich der Bewertungsmechanismus von einer verpflichtenden Teilnahme, über ein kumulatives Sammeln von Punkten, bis hin zum Modus „Bestanden/Nicht bestanden“. Die Auswertung der Resultate ergab bei allen Standorten eine Ergebnisverteilung, die der des vergangenen Sommersemesters ähnelte. Die verfügbare Zeit für die Prüfungen wurde relativ knapp bemessen, um den Studierenden das Nutzen von Hilfsmitteln zu erschweren.

Für alle Themengebiete standen den Studierenden Foren auf den Lernplattformen oder Online-Meetings zur Klärung offener Fragen zur Verfügung.

Im Sommer mussten die Studierenden des 4. FS das Physikum ablegen. Laut TappV muss die Anatomie theoretisch, sowie praktisch am Tierkörper beherrscht werden. Durch die nicht spontan anpassbare Gesetzgebung sind auch die Lernziele aller Standorte dementsprechend auf praktische Demonstration der Anatomie ausgelegt. Aufgrund des fast gänzlich fehlenden praktischen Anteils im 4. FS wurden diese Themengebiete an fast allen Standorten in der Prüfung weniger detailliert praktisch abgefragt. Die Physikumsleistungen der Studierenden waren annähernd mit denen der vergangenen Jahre vergleichbar. Allerdings weist die Notenverteilung an vier Standorten darauf hin, dass die mittleren Notenstufen (zwischen 3 und 4) im Vergleich zu den Durchschnitten der Vorjahre weniger oft vertreten waren, die Noten „gut“ und „ausreichend“ jedoch öfter vergeben wurden.

Erstellung von 3D-Scans Selbststudium: Um den Studierenden für Zuhause das dreidimensionale Verständnis für anatomische Präparate zu vermitteln, sind 3D-Scans von großer Hilfe. Zusätzlich zu an zwei Standorten verfügbaren 3D-Scannern mit bereits eingescannten Präparaten konnte ein Institut in den letzten Monaten insgesamt über 700 weitere Präparate einscannen. Von diesen sind mittlerweile ca. 350 Präparate über die URL [https://sketchfab.com/vetanatMunich] weltweit frei verfügbar (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) [1].


Das Wintersemester 2020/21 und ein Ausblick auf eine Zeit nach COVID-19

Alle Standorte führten am Ende des Sommersemesters eine studentische Evaluation der Lehre durch. Die Ergebnisse daraus verdeutlichten, dass die Studierenden sich überwiegend gut mit Lehr- und Lernmaterialien versorgt fühlten (siehe Abbildung 2 [Abb. 2] und Abbildung 3 [Abb. 3]). Es wurde jedoch mehrfach in Form von Freitextkommentaren betont, dass der praktische Unterricht unersetzlich für das komplexe anatomische Verständnis und die Orientierung im Tierkörper sei. Dabei fehlte nicht nur der praktische Unterricht an sich, sondern auch die soziale Interaktion mit den Lehrenden. Daraus folgernd wurden ab dem Wintersemester regelmäßige Online-“Sprechstunden“ angeboten, um diesem Wunsch digital gerecht zu werden. Denn auch das Wintersemester 2020/21 wurde an allen Standorten als ein Hybrid aus digitalen Veranstaltungen (synchron/asynchron) und praktischem Unterricht in Kleingruppen geplant. Damit verbunden war ein deutlich höherer personeller/materieller Aufwand im Vergleich zum normalen Lehrbetrieb. Die fünf Standorte haben kein identisches anatomisches Curriculum. Dadurch werden die Lehrinhalte im vorklinischen Studienabschnitt zeitlich z.T. unterschiedlich realisiert. Dies ist ein möglicher Grund, warum es bis dato nur wenig Abstimmung bzw. Austausch zwischen den Standorten gegeben hat. Trotz anfänglicher Bedenken war die gemeinsame Nutzung von Lehrmaterialen über die digitale Infrastruktur der Urheberstandorte möglich und erleichterte die Durchführung der Lehre erheblich. Die im Sommersemester hergestellten und bereits davor vorhandenen digitalen Medien werden den Standorten auch nach der Pandemiezeit als hilfreiches Zusatzmaterial erhalten bleiben und als gemeinsamer, ständig wachsender Pool dienen. Dennoch gibt es unter den Lehrenden den Konsens, dass der in den Studienordnungen festgelegte Anteil Präsenzunterricht in Anatomie, Histologie und Embryologie für den Wissenserwerb der Studierenden essentiell ist, um die Veterinärmediziner von Morgen mit ausreichend praktischen Kenntnissen und Fertigkeiten in den klinischen Abschnitt ihres Studiums zu entlassen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Vieser S. The future of vet school. Sciencenode. 2020. Zugänglich unter/available from: https://sciencenode.org/feature/3D%20animal%20models.php Externer Link