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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Erste Übersicht der Lehrveranstaltungen mit dem Inhalt „Digitale Kompetenzen“ an den medizinischen Universitäten in Deutschland 2020

Artikel Digitale Kompetenzen

  • corresponding author Jana Aulenkamp - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Essen, Deutschland
  • author Marie Mikuteit - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Tobais Löffler - Eberhard-Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland; Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland, Berlin, Deutschland
  • author Jeremy Schmidt - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland; Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland, Berlin, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(4):Doc80

doi: 10.3205/zma001476, urn:nbn:de:0183-zma0014762

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001476.shtml

Eingereicht: 30. November 2019
Überarbeitet: 20. November 2020
Angenommen: 9. Januar 2021
Veröffentlicht: 15. April 2021

© 2021 Aulenkamp et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens stellt Ärztinnen und Ärzte vor neue Herausforderungen. Somit wächst die Relevanz des Erlernens von Digitalen Kompetenzen (DiKo), wie z.B. Kenntnisse im Umgang mit Datenmengen, Telemedizin oder Apps, bereits im Medizinstudium. DiKo sind hierbei klar zu trennen von digitalisierten Lehrformaten, die seit der COVID 19-Pandemie vermehrt eingesetzt wurden. Dieser Artikel beschreibt, an welchen Fakultäten in Deutschland digitale Kompetenzen bereits in die Medizinische Ausbildung integriert sind.

Methodik: Über eine Literaturrecherche auf Pubmed und Google sowie durch den Kontakt zu allen Dekanaten und weiteren Lehrverantwortlichen deutscher medizinischer Fakultäten wurden Lehrveranstaltungen, die DiKo als Lehrinhalt aufweisen, gesammelt und in einer Tabelle zusammengefasst.

Ergebnisse: In einer ersten stichprobenartigen Übersicht wurden 16 Universitäten identifiziert, die Lehrveranstaltungen zu DiKo anbieten. Im Wahlpflichtbereich konnten 17 Universitäten und im Pflichtbereich acht Universitäten identifiziert werden. Der Umfang und die inhaltliche Ausgestaltung der Lehrveranstaltungen divergiert zwischen Pflichtcurricula, integrierten Lehrveranstaltungen verschiedener Größe und Wahlpflichtveranstaltungen, die einmalig oder longitudinal integriert sind. Die gelehrten Themen sind heterogen und umfassen einerseits Grundlagen der medizinischen Informatik, wie z.B. Datenmanagement und andererseits eine Sammlung aus z.B. Ethik, Recht, Apps, Künstlicher Intelligenz, Telemedizin und Robotik.

Schlussfolgerung: Aktuell werden nur an einem Teil der deutschen medizinischen Fakultäten Lehrveranstaltungen zu DiKo angeboten. Diese Veranstaltungen divergieren in Umfang und Ausgestaltung. Sie sind häufig im Wahlpflichtbereich angesiedelt und erreichen nur einen Teil der Studierenden. Eine Verankerung von DiKo im bereits vorhandenen Querschnittsbereich erscheint begrenzt. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens ist es notwendig, zukünftige Lehrveranstaltungen zu DiKo allen Medizinstudierenden zugänglich zu machen. Um diesen Ausbau zügig voranzutreiben wird die Umsetzung des neuen Lernzielkatalog, in den DiKo integriert sind, eine Netzwerkbildung, eine Lehrendenqualifikation sowie die Einbindung Studierender empfohlen.

Schlüsselwörter: Ausbildung, digital health, digitale Kompetenzen, digitale Medizin, digitale Lehre, elearning, Medizininformatik


Einleitung

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist eine seit mehreren Jahren fortschreitende Entwicklung, die an Bedeutung zunimmt. Der einfachere Zugang zu medizinischem Wissen, Daten aufzeichnende Wearables, und Telemedizin werden das Gesundheitswesen in den nächsten Jahren nachhaltig verändern [1]. Erste politische Grundsteine wurden mit Gesetzen für die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen, Telemedizin und der elektronischen Patientenakte gelegt [2], [3].

Die Mehrheit der Medizinstudierenden sieht der Digitalisierung der Versorgung positiv entgegen, gleichzeitig fühlen sie sich nicht gut auf diese Veränderung des Gesundheitssystems vorbereitet [4], [5]. Auch im Bereich der Weiterbildung ist Gesundheitsinformatik/eHealth noch nicht flächendeckend integriert [6]. Dabei fällt Ärzt*innen beispielsweise im Umgang mit Gesundheits-Apps eine besondere Verantwortung zu, auf die sie nicht ausreichend vorbereitet werden [7].

Der Umgang mit diesen digitalen Anwendungen im klinischen Alltag erfordert das Erlernen Digitaler Kompetenzen (DiKo) [8], denn Schulungen zu der Thematik fördern die Akzeptanz [9] und diese Vermittlung sollte bereits früh in der Ausbildung beginnen [10]. Auch wenn Studierende in Ihrem Alltag oft digitale Technologien verwenden, impliziert dies nicht, dass Sie dies auch auf das Gesundheitswesen anwenden können [11]. Der Wissenschaftsrat empfahl im Hinblick auf den Masterplan Medizinstudium 2020, Digitalisierung als zentrales Thema in das Medizinstudium zu integrieren [12]. Der deutsche Begriff DiKo wird nicht einheitlich verwendet. Der im internationalen Kontext etablierte Begriff „eHealth literacy“ beschreibt einen informierten und selbstbewussten Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen [13].

In der Medizinischen Ausbildung muss zwischen der Digitalisierung der Lehrmethoden (wie Lern-Apps, PowerPoint, eLearning Kurse etc.), und DiKo als Lehrinhalt unterschieden werden. Für DiKo hat die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) einen Lernzielkatalog der zentralen Themenfelder als Orientierungshilfe veröffentlicht [14]. Im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) gibt es aktuell kaum Lernziele, die den DiKo zuzuordnen sind [8].

Aktuell gibt es noch keinen Überblick über die bereits angebotenen Lehrveranstaltungen zu DiKos und daher ist es ungewiss wie weit angehende Ärztinnen und Ärzte auf die Entwicklungen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens vorbereitet werden. Dieser Artikel hat das Ziel eine deskriptive Bestandsaufnahme der Lehre zu DiKo an den medizinischen Fakultäten in Deutschland darzulegen.


Methodik

Die Recherche der Projekte erfolgte über drei Wege: über eine Onlinerecherche, zwei Abfragen der Studiendekanate aller medizinischen Fakultäten in Deutschland, und eine Befragung der sogenannten Arbeitsgruppe „Digitale Kompetenzen“ des NKLM/GK-Prozesses.

Zunächst wurden eine einfache Suche über PubMed und Google mit den Stichworten „digital health“, „digital competencies“, „digital literacy“, „medical school“ und „medical education“ sowie den entsprechenden deutschen Wörtern einfache Suchen nach Arbeiten über Projekte an deutschen Universitäten, Hochschulen und medizinischen Fakultäten durchgeführt.

Parallel wurden per Mail die Studiendekanate aller deutschen medizinischen Fakultäten sowie alle Arbeitsgruppenmitglieder der NKLM/GK-AG „Digitale Kompetenzen“ kontaktiert und gebeten, entsprechende Konzepte, Projekte und Lehrveranstaltungen zu benennen. Bei den Studiendekanaten wurden diese immer unter der allgemeinen Mailadresse kontaktiert und die jeweils, sofern durch Internetauftritt möglich, am ehesten zuständigen Personen, beispielsweise Curriculumsbeauftragte, Digitalisierungsbeauftragte und Beauftragte für den Stundenplan angesprochen. Teilweise wurden Telefoninterviews durchgeführt. Die Abfrage der Studiendekanate erfolgte dabei im November 2019 sowie erneut im Rahmen des Review-Prozesses im Juni/Juli 2020. Die Arbeitsgruppenmitglieder der NKLM/GK-AG wurden kontaktiert, da hier Expertise zu angebotenen Lehrveranstaltungen vermutet wurde.

In die Übersicht dieses Artikels wurden nur solche Lehrveranstaltungen aufgenommen, die sich, aus Sicht der Autoren, mit der Digitalisierung in der Medizin und der Vermittlung von digitalen Kompetenzen als Lehrinhalt befassen. Orientiert wurde sich bei dieser Auswahl an dem Lernzielkatalog der GMDS zu Kompetenzen der Medizininformatik für Ärztinnen und Ärzte [14]. Veranstaltungen, die zwar Digitalisierung als Lehrmethode verwenden, dort jedoch Kompetenzen vermitteln, die primär von der Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung unabhängig sind, wurden aus dieser Übersicht ausgeschlossen. Ebenso wurden auch solche Veranstaltungen, die sich in derzeit in der Planungsphase befinden, aber derzeit noch nicht umgesetzt werden, ausgeschlossen. Die Vermittlung von DiKo, die nicht offiziell Teil einer Lehrveranstaltung sind und weniger als eine Unterrichtseinheit (UE, entspricht 45 min) umfassen wurden ebenfalls ausgeschlossen.

Die Veranstaltungen wurden in einer Tabelle aufgestellt und nach Umfang, Inhalt, Wahl oder Pflicht und Prüfung aufgeschlüsselt.


Ergebnisse

Es haben sich 24 Fakultäten und 9 Arbeitsgruppenmitglieder der AG „Digitale Kompetenzen“ des NKLM/GK-Prozesses zurückgemeldet. Eine Lehrveranstaltung wurde über Pubmed und eine über die Google-Suche gefunden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Insgesamt konnten von den Rückmeldungen 25 Projekte mit in die Übersicht aufgenommen werden. Der Hauptausschlussgrund für Lehrveranstaltungen war, dass diese eine Digitalisierung der Lehrmittel sowie der Lehrmethoden aufwiesen und nicht das Thema „Digitalisierung als Lehrinhalt“ behandelten.

Es gibt unserer Erhebung nach aktuell 16 Universitäten, die DiKo in die Curricula der Humanmedizin integriert haben (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Es konnten 17 Lehrveranstaltungen im Wahlbereich und acht Lehrveranstaltungen im Pflichtbereich aufgeführt werden. Von allen Veranstaltungen erstrecken sich lediglich drei longitudinal über mehrere Semester. Der Umfang der Integration an den Universitäten divergiert. So sind die Lernziele zu DiKo teilweise in andere Wahlpflichtfächer für wenige Studierende integriert (vgl. Bochum) [15], in geringem Ausmaß Teil des Pflichtcurriculums über den Querschnittsbereich „Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizinische Informatik“ (EBI) (vgl. Münster) [16] oder fokussiert in umfangreichen Wahlpflichtmodulen über mehrere Semester etabliert (vgl. UKE Hamburg) [17]. Die meisten Wahlpflichtfächer sind für 10-25 Studierende ausgelegt, sodass aktuell oft nur ein kleiner Teil der Medizinstudierenden erreicht wird. Manche Fächer sind nur für wenige Stunden angesetzt, andere beinhalten 60 Unterrichtseinheiten (UE) (vgl. Berlin) [9] oder werden mit einer Famulatur verknüpft (vgl. Gießen) [18].

Die Lehrveranstaltungen bilden in den meisten Fällen eine große Bandbreite der digitalen Medizin ab. Beispielhaft beinhalten Sie vor allem folgende Lernziele:

  • Behandlung der Thematik: Arztrolle im digitalen Zeitalter reflektieren,
  • Möglichkeiten des Einsatzes mobiler Apps sowie Indikationen zur Verwendung von Telemedizin bewerten,
  • maschinelles Lernen kennen und Grundprinzipien von neuronalen Netzen erläutern,
  • rechtliche und ethische Aspekte der Digitalisierung des Gesundheitswesens differenzieren.

Jedoch ist die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Wahlfächer unterschiedlich, sodass eine weitere Clusterung und Unterteilung anhalt der Inhalte oder Lernziele nicht möglich war. Beispielsweise wird es in Halle den Studierenden ermöglicht, interprofessionelle Visiten in Telepräsenz-Modulen, mit einem Tablet mit Videoübertragung, zu üben [19]. In Mainz probieren sich Studierende im Umgang mit verschiedenen Apps wie z.B. bei der Anamneseunterstützung und reflektieren dies [20].

Im Pflichtbereich ist an einigen Universitäten vor allen über den Querschnittsbereich EBI die Medizinische Informatik mit Grundlagen des Datenmanagement, Arbeitsplatzsysteme und Telemedizin etabliert. Der Fokus auf den Bereich der Medizininformatik war nur an wenigen Standorten zu evaluieren. Diese Themen sind größtenteils am GMDS-Lernzielkatalog orientiert. So werden z.B. an den Standorten Hannover und Münster die Studierenden in Praktika auf klinisch relevante Tätigkeiten, wie Arbeitsplatzsysteme, Online-Recherchen oder auf mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf das Gesundheitswesen vorbereitet [16], [21]. Inwiefern die Lehrveranstaltungen Medizinstudierende dazu befähigen sollen, selbst Ideen zu entwickeln und sich nicht nur mit aktuellen, sondern auch zukünftigen Gegebenheiten auseinandersetzen, war in Einzelfällen (vgl. Berlin und Marburg) [9] ersichtlich.


Diskussion

Diese erste Übersicht der Lehrveranstaltungen zu digitalen Kompetenzen an deutschen medizinischen Fakultäten zeigt, dass bereits mehrere Fakultäten die Thematik aufgegriffen haben, jedoch bislang zumeist im Wahlpflichtbereich.

Die Veranstaltungen divergieren stark in Umfang und Ausgestaltung, sodass eine auf abgrenzbaren inhaltlichen Kriterien basierende Einteilung nicht möglich war. Die aktuellen Wahlfachveranstaltungen decken bereits eine Vielzahl an Themenfeldern ab und geben zumeist einen allgemeinen Überblick über aktuelle digitale Trends im Gesundheitswesen wie beispielsweise Digitale Gesundheitsanwendungen, Robotik oder neue Versorgungsmodelle. Teilweise wird Raum zur Reflektion über ethische, rechtliche oder ethische Fragestellungen ermöglicht. Aufgrund der sehr heterogenen Lehrinhalte und der sehr unterschiedlichen Darstellung der Inhalte wurde keine inhaltliche Clusterung durchgeführt.

In welchem Umfang DiKo im Rahmen des bereits existierenden Querschnittsbereich EBI etabliert sind, war leider nur teilweise herauszufinden. Diesbezüglich gab es nur wenig Rückmeldung. In Münster werden beispielsweise Grundlagen der medizinischen Informatik nicht nur in einer Vorlesung erwähnt, sondern auch in einem Seminar anwendungsbezogen vertieft. Ansonsten lässt sich zum einen aufgrund des schlechten Informationsstandes von Medizinstudierenden zur Digitalisierung [4], [5] und zum anderen aufgrund der sich häufenden Forderungen nach mehr Kompetenzen zur digitalen Medizin [8], [14], [21] vermuten, dass DiKos aktuell nicht ausreichend in die Querschnittsbereiche integriert sind. Bereits seit dem Jahr 2012 gibt es Bestrebungen der GMDS die Inhalte des Querschnittsbereich anzupassen [22], jedoch scheinen diese nicht ausreichend, sodass von der GMDS und der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung eine nationale Initiative gefordert wird [8]. Hier besteht Potential diesen bereits vorhandenen Bereich auszubauen. Zukünftig könnte auch eine longitudinale Implementierung den Lernerfolg verbessern und eine Verknüpfung mit klinischen Fächern wird angeraten [9], [23].

Der geringe Stellenwert der Lehrveranstaltungen zu DiKo steht im Kontrast zur Veränderung der Versorgungsrealität durch die Digitalisierung, auf die Studierende über Grundlagenwissen bis zur Entwicklung eigener Haltung vorbereitet werden sollten. Ausbildung ist gleichzeitig eine Gelegenheit, neue Technologien sinnvoll im Gesundheitswesen zu implementieren [22].


Herausforderungen und Limitationen

Der Begriff der „Digitalisierung“ wird in seiner Bedeutung für die Hochschullehre vermischt. E-Learning-Plattformen, PC-Klausuren oder Simulationsprogramme, also digitalisierte Lehre, werden mit der Lehre digitaler Kompetenzen gleichgesetzt. Der Grund hierfür liegt möglicherweise sowohl in einer noch nicht in der Alltagssprache verwandten Übersetzung von „digital health“ oder „eHealth literacy“, als auch in auch international noch nicht einheitlichen Begriffsdefinitionen der zugehörigen Inhalte für die medizinische Ausbildung. „Digital competencies“ wird in englischsprachiger Literatur kaum verwendet. Der gängigere Begriff „digital literacy“ ist äußerst heterogen und wird teils als übergreifender Sammelbegriff, teils als eine von vielen Komponenten von digital health für den Teilbereich des Zugangs und Umgangs zu Wissen und Quellen verwandt, oft überlappend mit „digital health literacy“ und „e-Health-literacy“ [24], [25]. Ebenso gestaltete sich die Onlinesuche aufgrund der angesprochenen uneinheitlichen wissenschaftlichen Terminologie schwierig. Auch in den USA ist, trotz bereits vielfach existierender Lehrstühle und erster Zertifikate, die Integration in die medizinische Ausbildung noch zumeist auf Wahlfächer begrenzt und basiert auf einer uneinheitlichen inhaltlichen Grundlage [26].

In Deutschland hat sich als Terminus „Digitale Kompetenzen“ gefestigt [8], [21], [26], [27], [28]. Wir halten diesen für geeignet, um eine Abgrenzung zu digitalisierter Lehre zu bieten.

Dieser uneinheitliche Begriff erschwert die Frage nach einer einheitlichen Definition von Lernzielinhalten: Was beinhalten digitale Kompetenzen und wie decke ich sie möglichst vollständig in einem Curriculum ab? Hier hat die GMDS einen Lernzielkatalog als Basis für eine grundlegende Struktur der DiKo [14] und auch im internationalen Kontext gibt es Kompetenzrahmen, beispielsweise den „ehealth capabilities framework“ einer australischen Forschergruppe [23] oder den „Competence Framework“ der EU [29]. In der Arbeitsgruppe „Digitale Kompetenzen“ als Teil der Weiterentwicklung des NKLM und des GKs wird das Themenfeld in Lernzielen zusammengestellt und soll in naher Zukunft veröffentlicht werden. Aufgrund der im Masterplan Medizinstudium festgeschriebenen Verpflichtung des NKLM für die fakultäre Lehre und des GKs für die Examina werden viele Fakultäten anhand der dort formulierten Kompetenzen und Lernziele ihre Lehre entwickeln oder vertiefen.

Ca. 1/2 der Dekanate sowie Arbeitsgruppenmitglieder haben die Anfragen nicht beantwortet, möglicherweise sind somit nicht alle existierenden Projekte aufgelistet. Zusätzlich wurden einige Veranstaltungen von unserer Analyse ausgeschlossen (Dauer < 1 UE). Daher soll diese Analyse als ein erster Überblick verstanden werden und den zukünftigen Austausch sowie Netzwerkbildung zu den Lehrveranstaltungen von DiKo anregen.

Des Weiteren fiel den Dekanaten in den Rückmeldungen die Trennung zwischen Digitalisierung der Lehre und DiKo als Lehrinhalt trotz mehrfacher Betonung schwierig, was hinsichtlich des Problembewusstseins für die Thematik durchaus kritisch zu beurteilen ist. Zusätzlich ist zu erwähnen, dass die Homepages der Fakultäten sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, sodass die Lehrinhalte der Module teilweise schwer ersichtlich waren. Für eine bessere qualitative Übersicht der Inhalte ist eine Erhebung mittels direkter Interviews mit den Lehrenden über den konkreten Ablauf der Veranstaltungen ratsam.


Empfehlungen an die Fakultäten

Bereits jetzt schilderten uns viele Universitäten, aktuell neue Module zu digitalen Kompetenzen zu entwickeln oder bestehende auszubauen. In der Entwicklung eines Curriculums zu DiKo zeichnen sich aus Autor*innensicht folgende Empfehlungen ab:

Eine Bestandsaufnahme an der eigenen Fakultät zur Bündelung der einzelnen Veranstaltungen, wie beispielsweise in Hannover, wird angeraten [21]. Fächer und deren Module sollten sich untereinander im Curriculums-Aufbau bestmöglich vernetzen, um die Facettenvielfalt vollständig, aber auch nicht doppelt abzubilden. Die Nutzung des neuen NKLMs als Basis der DiKo Lehrveranstaltungen ist unabdingbar. Die Integration in bereits bestehende Lehrformate oder klinische Disziplinen ist möglich, es sollten flexible Formate, die adaptierbar sind, gewählt werden [23]. Des Weiteren müssen technische Ressourcen zur Verfügung gestellt werden [30].

Um weitere wissenschaftliche Expertise in diesem Bereich zu erlangen, besteht die Option der Gründung eigener Lehrstühle, oder neue Masterstudiengänge zu Medizininformatik, Medizinmanagement oder sogar Digitaler Medizin (Technische Hochschule Mittelhessen) aufzunehmen. Eine Vernetzung über die eigene Fakultät hinaus zur Kompetenzweitergabe und zum gegenseitigen Profitieren durch bereits bestehende Pilotprojekte kann den Schlüssel zu einer schnelleren und übergreifenden Verankerung darstellen [9], [31]. Aktuell arbeiten elf Universitäten, darunter mehrere medizinische Fakultäten, an einem großen Zusammenschluss (HighMed Teaching Programm [32]) zur Erstellung einer Lernplattform zum Thema DiKo. Einzelne Module sollen mit berufsgruppenübergreifenden Präsenzveranstaltungen angeboten werden. Solche mono- oder interprofessionelle Kooperationen zwischen Institutionen und Fachrichtungen bieten große Chancen für zügigen und gemeinsamen Fortschritt [8] und sind wichtig damit verschiedenen Berufsgruppen im gesamten Gesundheitsteam die Anforderungen der Systeme an das jeweils andere verstehen [30]. Denkbar ist auch die Einbindung von e-Health-Startups, Krankenkassen oder auch interdisziplinärer Lehre mit Informatiker*innen, Versorgungsforscher*innen oder Pharmazeut*innen.

In diesem Kontext ist zu bedenken, dass zusätzlich zu der Ausbildung der Studierenden die Ausbildung der Lehrenden mitgedacht werden muss. Hier sind neben dem Ausbau der Lehrstühle, wie beispielsweise an der neuen medizinischen Fakultät Bielefeld ein eigener Lehrstuhl für Didaktik, Digitalisierung und Interprofessionalität entsteht, Weiterbildungsangebote zu initiieren. Auch die Integration von engagierten Studierenden, die oftmals eigenständig eine inhaltliche Expertise aufweisen, in die Lehre ist unserer Ansicht nach empfehlenswert [33]. Beispielsweise ist in Dresden das von der Ärztekammer Sachsen zertifizierte Curriculum, bei dem Studierende zusammen mit Ärztinnen und Ärzten sowie Teilnehmenden aus der Informatik DiKo erwerben, von Studierenden initiiert.

Insgesamt befindet sich die Lehre digitaler Kompetenzen an den medizinischen Fakultäten noch im Aufbau. An einigen Standorten werden bereits, meist als Wahlpflichtfächer, an einen Teil der Studierenden Digitale Kompetenzen vermittelt. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens erscheint ein Ausbau der Lehrveranstaltungen zu Digitalen Kompetenzen zukunftsorientiert. Daher wird für die medizinischen Fakultäten empfohlen, eine Bestandsaufnahme bereits bestehender Lehrelemente durchzuführen, DiKo Lernziele anlehnend an den neuen NKLM zu implementieren, sich zu professionalisieren (Lehrstühle, Weiterbildung) und Netzwerkbildung zu betreiben. Studierende sollten auf den digitalen Wandel der Versorgungsrealität bereits in Ihrer Ausbildung vorbereitet werden.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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