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Einbindung und Potenziale der Kommunikationslehre im Studium der Veterinärmedizin in Deutschland
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Eingereicht: | 14. Februar 2020 |
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Überarbeitet: | 14. November 2020 |
Angenommen: | 9. Januar 2021 |
Veröffentlicht: | 15. März 2021 |
Gliederung
Zusammenfassung
Zielsetzung: Darstellung des aktuellen Lehrangebots im Bereich Kommunikation an den fünf deutschen veterinärmedizinischen Bildungsstätten. Neben Lernzielen und individuellen Lösungswegen wird auch das mögliche Entwicklungspotential gezeigt.
Methodik: Befragung der Kommunikationslehrenden an den fünf deutschen Bildungsstätten und anschließende Zusammenfassung.
Ergebnisse: Bisher gibt es keine rechtlich bindenden Ausbildungsvorgaben für Kommunikation in der Veterinärmedizin. Trotzdem erfolgt Kommunikationslehre mittlerweile an allen fünf Bildungsstätten, wobei sich Umfang und Formate deutlich voneinander unterscheiden. Die Lernziele sind überwiegend deckungsgleich und orientieren sich an den Empfehlungen für Day-One-Skills der European Association of Establishments for Veterinary Education. Kommunikation ist an keiner der Bildungsstätten als vollwertiges Fach im Curriculum integriert. Der empfohlene Umfang von 150 Stunden wird an allen Bildungsstätten deutlich unterschritten.
Schlussfolgerung: Zur Sicherung der Kommunikationskompetenz veterinärmedizinischer Absolvent*innen sollten bindende Vorgaben für die Ausbildung beschlossen werden. Die Kommunikationslehre sollte als vollwertiges Fach in alle Curricula integriert werden und außerdem longitudinal steigernd konzipiert sein.
Einleitung
Eine frühe Vermittlung kommunikativer Kompetenzen für alle Felder der Veterinärmedizin ist eine Schlüsselqualifikation für den späteren beruflichen Erfolg [6]. Vorgaben zur Kommunikationslehre sucht man in der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV) allerdings vergebens [https://www.gesetze-im-internet.de/tappv/index.html#BJNR182700006BJNE000100000]. Auf europäischer Ebene hingegen ist das Thema längst angekommen. Die European Association of Establishments for Veterinary Education (EAEVE) listet in ihren „Day-One-Skills“ sämtliche Kompetenzen auf, die Absolvent*innen der Tiermedizin beherrschen sollten [13]. Darunter finden sich längst konkrete Vorgaben zu den Kommunikationskompetenzen. Idealerweise sollten Tierärzt*innen demnach in der Lage sein, effektiv mit verschiedenen Adressaten zu kommunizieren. Dazu gehören neben Kund*innen, insbesondere Mitarbeiter*innen, Kolleg*innen, Geschäftspartner*innen sowie die Öffentlichkeit. Außerdem sollten sie aktiv zuhören und relevante Informationen angepasst an das Zielpublikum verständlich vermitteln können.
Im Rahmen des „SOFTVETS“-Projektes wurden außerdem zehn konkrete Felder definiert, in denen Studierende kommunikative Kompetenzen erwerben sollen [27]. Zusätzlich zu den oben genannten Kompetenzen sind hier noch explizit die verbale, nonverbale und paraverbale Kommunikation sowie das Strukturieren von Gesprächen genannt. Außerdem sollten Tierärzt*innen Empathie zeigen können, eigene Schwächen und Grenzen aufzeigen sowie die eigene Kommunikation reflektieren und aktiv gestalten können. Ferner sollten Tierärzt*innen in der Lage sein, sensible Themen zu erkennen und angemessen darauf einzugehen. Die erforderlichen Kompetenzen bilden wiederum die Grundlage für die Erarbeitung von Lernzielen [7], [13], [26], [28]. An den deutschen Standorten sind allerdings bisher keine einheitlichen Lernziele zum Thema Kommunikation öffentlich zugänglich [32].
Aus diesen Anforderungen resultiert eine Pflicht zur Implementierung der Kommunikationslehre im Studium, auch als Voraussetzung für eine erfolgreiche Akkreditierung der veterinärmedizinischen Bildungsstätten. Da jedoch hierfür nicht dezidiert eine explizite Kommunikationslehre gefordert wird [13], werden veterinärmedizinische Bildungsstätten bislang auch mit Angaben zur impliziten Wissensvermittlung von Kommunikation erfolgreich akkreditiert. Dennoch haben einige europäische Länder bereits einen (longitudinalen) Unterricht im Fach Kommunikation etabliert [20], [23], [34], [39]. In Nordamerika sowie Großbritannien wird in fast allen veterinärmedizinischen Bildungseinrichtungen bereits Kommunikation gelehrt, was ebenfalls mit den dortigen Akkreditierungsrichtlinien im Einklang steht [2], [20], [34]. Kommunikation wurde in das Roadmap North American Veterinary Medical Education Consortium (NAVMEC) sogar als „Professional Competence“ aufgenommen [1].
Inzwischen gibt es außerdem zahlreiche Studien, die sich dem Thema gewidmet haben und den Stellenwert der Kommunikation deutlich machen [24], [25], [30], [31], [37]. Der spätere berufliche Erfolg als Tierärzt*in hängt in hohem Maße mit den eigenen kommunikativen Fähigkeiten zusammen [4]. Kommunikative Kompetenzen haben entscheidenden Einfluss auf Kundenzufriedenheit, Therapietreue, dem damit verbundenen Therapieerfolg und nicht zuletzt auf die eigene Arbeitszufriedenheit [24], [37], [38]. Dennoch ist das Fach Kommunikation in Deutschland bislang rein rechtlich kein verpflichtender Bestandteil der tierärztlichen Ausbildung. Es liegt also in den Händen der Bildungsstätten, ihre Studierenden in diesem Fach professionell auszubilden und der Kommunikationslehre einen angemessenen Stellenwert einzuräumen [28].
Um sich der Verantwortung der Kommunikationslehre in der Veterinärmedizin in Deutschland anzunehmen, wurde eine hochschulübergreifende Arbeitsgruppe (AG) aus der Fachgruppe „Didaktik und Kommunikation“ der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG), dem Ausschuss Tiermedizin der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und dem Kompetenzzentrum für E-Learning, Didaktik und Ausbildungsforschung der Tiermedizin (KELDAT) gegründet. Die AG veranstaltete auf dem DVG-Kongress 2015 einen offenen Workshop, in dem erste Ansätze eines Mustercurriculums zur longitudinalen Implementierung der Kommunikationslehre entwickelt wurden. Die Gruppe kam zum Schluss, dass dafür drei Grundvoraussetzungen notwendig seien:
- eine explizite Berücksichtigung des Fachs Kommunikation in der TAppV,
- die Reduktion bzw. Integration von Lehrstunden anderer Fächer zugunsten der Kommunikationslehre und
- ein sich mit dem Studienverlauf steigernder Schwierigkeitsgrad der Lehrinhalte, um im Laufe des Studiums die Kommunikationskompetenz zu erhöhen.
Außerdem wurde eine Liste von Lernzielen erstellt. Tiermediziner*innen sollten demnach lernen, mit verschiedenen Gesprächspartner*innen eine Beziehung aufzubauen, ein Gespräch zu strukturieren sowie Informationen einzuholen und verständlich zu vermitteln. Außerdem sollten sie in der Lage sein, Feedback geben und nehmen zu können. Auch Strategien zur Kommunikation in schwierigen Situationen sollten bekannt sein und angewandt werden können. Die Vermittlung von Grundlagen der Kommunikationslehre wurde ebenfalls in der Form von Lernzielen berücksichtigt. Demnach sollen Definitionen und verschiedene Ausdrucksebenen bekannt sein und auch verschiedene Kommunikationsmodelle angewandt werden können.
Des Weiteren wurden notwendige Kompetenzen der Dozierenden definiert. Auch über die konkrete Durchführung der Kommunikationslehre, den zeitlichen Umfang, mögliche Zeitpunkte innerhalb des Curriculums sowie geeignete Prüfungsformate wurde im Rahmen des Workshops diskutiert [26].
Da es seit diesem Planungsworkshop 2015 keine Änderung der TAppV hinsichtlich einer Berücksichtigung der Kommunikationslehre gegeben hat, liegt es in der Hand der Bildungsstätten und vor allem in der Verantwortung einzelner motivierter dozierender Tiermediziner*innen, dieses Fach zu unterrichten.
Dieser Beitrag bildet den aktuellen Stand der Kommunikationslehre an den deutschen Bildungsstätten ab, an denen das Veterinärmedizinstudium angeboten wird (Freie Universität Berlin, Justus-Liebig-Universität Gießen, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Universität Leipzig, Ludwig-Maximilians-Universität München). Neben Lernzielen und individuellen Lösungswegen geht es auch darum, das mögliche Entwicklungspotential darzustellen.
Methodik
Um für diesen Artikel eine Übersicht über die derzeit bestehende Kommunikationslehre an den verschiedenen Standorten zu generieren, wurde ein dreistufiges Verfahren gewählt. Zunächst wurde die Bereitschaft der Kommunikationslehrenden der einzelnen Standorte, als Autor*innen an diesem Artikel mitzuwirken, abgefragt. Dies erfolgte telefonisch bei den persönlich bekannten Lehrenden. Es gab dabei die Möglichkeit weitere, an der Kommunikationslehre beteiligte Dozierende als Autor*innen zu nennen. Anschließend füllten alle Autor*innen einen qualitativen Fragebogen aus. Die folgenden Fragen sollten dabei für die jeweiligen Standorte beantwortet werden:
- Welche Lehrformate gibt es?
- Welche Inhalte werden in diesen Lehrformaten behandelt?
- Welche Lernziele gibt es?
- Wer nimmt an den Lehrformaten teil?
- Wie viele Stunden werden unterrichtet?
- Gibt es eine Prüfung? Wenn ja, in welcher Form (summativ, formativ)
Anschließend wurden die Ergebnisse dieser Befragung tabellarisch zusammengefasst. Im letzten Schritt wurde im schriftlichen Austausch gemeinsam der Ausblick in die Zukunft diskutiert und der daraus hervorgehende Konsensus zusammengefasst.
Ergebnisse
Die in Anhang 1 [Anh. 1] zusammengefasste Übersicht zu Lehrformaten, Kursinhalten und Lernzielen an den fünf deutschen veterinärmedizinischen Bildungsstätten zeigt, dass Kommunikationslehre zwar in sehr unterschiedlichen Formaten und Umfang stattfindet, bezüglich der Lernziele jedoch große Einigkeit zwischen den Standorten herrscht (siehe Tabelle 1 [Tab. 1], Tabelle 2 [Tab. 2], Tabelle 3 [Tab. 3], Tabelle 4 [Tab. 4], Tabelle 5 [Tab. 5]). Allen Bildungsstätten gemein ist, dass die Kommunikationslehre so gut wie möglich und den strukturellen Gegebenheiten entsprechend in das bestehende System integriert wurde. Hierbei erfolgte vor allem die Initiation und Etablierung der Lehrformate jenseits von Wahlpflichtkursen an den meisten Bildungsstätten im unterschiedlichen Ausmaß im Rahmen von drittmittelbasierten Projekten. Aber auch vor der bewussten Entscheidung zur Integration expliziter Kommunikationslehre wurden und werden kommunikative Kompetenzen, beispielsweise durch Beobachtungslernen, implizit vermittelt [41] und werden auch heute noch teilweise im Rahmen anderer Prüfungen mitabgefragt [10]. Die TAppV ermöglicht den tiermedizinischen Bildungsstätten eigene Modellcurricula (§4 Modellstudiengang) bzw. eine eigene Interpretation zur Verbesserung der tiermedizinischen Ausbildung zu erproben (§3 Erprobungsklausel). So wurden teilweise Lehrstunden bereits aus bestehenden Veranstaltungen zugunsten der Kommunikationslehre umverteilt.
In Berlin, Gießen und Hannover erfolgt die Vermittlung von theoretischen Grundlagen im ersten bzw. zweiten Semester verpflichtend für alle Studierenden (siehe Anhang 1 [Anh. 1] und Tabelle 1 [Tab. 1], Tabelle 2 [Tab. 2], Tabelle 3 [Tab. 3]). In Gießen und Hannover wurden hierfür vier Stunden der Berufskundevorlesung zur Verfügung gestellt. Diese Berufskundevorlesung wird in Leipzig dagegen vermehrt zur Förderung der betriebswirtschaftlichen Kompetenzen genutzt. In Berlin ist im zweiten Semester ein Blended-Learning-Kurs im Einsatz, in dem die theoretischen Grundlagen fokussiert werden. Der Kurs wurde im Zuge der Umstrukturierung der Querschnittslehre, welche im Rahmen des Projekts QuerVet erfolgte, entwickelt [12]. Die Stunden für diese obligatorische Veranstaltung entstammen somit der Querschnittslehre. Gemäß TAppV ist die Querschnittslehre im Umfang von 196 Stunden verteilt auf verschiedene Fachsemester anzubieten. Im Fokus sollen hierbei fächerübergreifende Veranstaltungen sowie praxisrelevante Inhalte und Aufgaben stehen. Damit entstand hier die Möglichkeit der Implementierung von einer Semesterwochenstunde (1 SWS=14 Stunden) Kommunikationslehre in das bestehende Curriculum, ohne dabei die Pflichtstunden der Studierenden zu erhöhen.
Im Rahmen des Praktischen Jahres (9.-10. Fachsemester), und in Gießen zusätzlich im Prüfungsfach Klinische Propädeutik, nehmen Studierende in Berlin, Gießen, Hannover und München außerdem obligatorisch an Übungen zur Gesprächsführung in Kleingruppen teil (siehe Tabelle 1 [Tab. 1], Tabelle 2 [Tab. 2], Tabelle 3 [Tab. 3] und Tabelle 5 [Tab. 5]). Dabei erfolgt zunächst eine theoretische Einführung, anschließend werden unterschiedliche Gesprächsszenarien geübt sowie Gruppenfeedback gegeben. An allen Bildungsstätten erfolgt außerdem ein Großteil der Kommunikationslehre im Rahmen von Wahlpflichtkursen mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Bereich der Vermittlung von theoretischen Grundlagen sowie des praktischen Übens von Gesprächssituationen mit anschließendem Peer-Feedback.
Zusätzlich dazu bieten Hannover, Leipzig und München Kommunikationslehre als Skills Lab-Station fakultativ an (siehe Tabelle 3 [Tab. 3], Tabelle 4 [Tab. 4], Tabelle 5 [Tab. 5]). In Berlin gibt es im Rahmen einer Projektwoche im fünften Semester den Communication Day als weiteres fakultatives Angebot (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Dieser Tag beinhaltet neben einem kurzen theoretischen Input die Möglichkeit, in Kleingruppen in verschiedenen Szenarien die Gesprächsführung zu üben und Peer-Feedback zu bekommen.
Zur Vermittlung der theoretischen Grundlagen der Kommunikation wird an allen veterinärmedizinischen Bildungsstätten das 4-Seiten-Modell von F. Schulz von Thun eingesetzt [36]. Darüber hinaus werden in Berlin, Hannover, Leipzig und München das Modell der Transaktionsanalyse nach Berne [5], in Hannover und München das Eisberg-Modell [16], in Gießen und München das Sender-Empfänger-Modell nach Shannon & Weaver [33] sowie in Gießen das Kommunikationsmodell nach Geißner [21] verwendet. Als Instrument für die strukturierte tierärztlichen Gesprächsführung kommt in Berlin, Gießen, Hannover und Leipzig der Calgary-Cambridge Observation Guide zum Einsatz [19]. In Gießen und München wird dies zusätzlich durch das Modell der Gesprächsführung nach Rogers [40] und die Fünfsatztechnik [21] unterstützt. Der Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen wird in Gießen und Hannover anhand des SPIKES-Modells adressiert [8]. Hierfür werden zusätzlich in Gießen das CALM-Modell [35] und in Hannover die WWSZ-Technik [29] vermittelt. Unabhängig von den verschiedenen Modellen der Kommunikation und Gesprächsführung werden an allen Standorten im Rahmen der praktischen Übungen Methoden für das Geben und Nehmen von Feedback vermittelt und trainiert [14], [28].
Derzeit werden an den Standorten Gießen, Hannover und München geschulte Laien und professionelle Schauspieler*innen für die Simulation von Gesprächssituationen eingesetzt (siehe Tabelle 2 [Tab. 2], Tabelle 3 [Tab. 3] und Tabelle 5 [Tab. 5]). Diese Schauspieler*innen werden nicht nur für die Durchführung der Simulation, sondern auch für ein 360°-Feedback im Anschluss an die Gesprächssituation mit einbezogen.
Als weiteres Prüfungsformat wird in Hannover im Rahmen einer elektronischen objektiv strukturierten klinischen Prüfung (eOSCE) für Studierende im Praktischen Jahr in der Klinik für Kleintiere eine Station zur Kommunikation entlang einer Checkliste bewertet [11] (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). Eine Übersicht der derzeitigen Kommunikationslehre an deutschen veterinärmedizinischen Bildungsstätten in Deutschland ist in Anhang 1 [Anh. 1] dargestellt.
Diskussion
Kommunikation spielt für alle Tätigkeitsbereiche der Tierärzteschaft eine wichtige Rolle und eine Kommunikationsidentitätsbildung ist ein wichtiger Prozess, der bereits im Studium gefördert werden sollte [15]. Idealerweise sollte die Lehre der Kommunikation etwa in 150 verpflichtenden Stunden angeboten werden. Ausgehend von diesem „Ansatz für die Entwicklung eines Mustercurriculums“ würde die Lehre im vorklinischen Abschnitt 30 Stunden Unterricht in Kommunikation enthalten. Hiervon sollten 10 Stunden der Vermittlung von theoretischen Grundlagen der Kommunikation dienen, während die weiteren 20 Stunden aus Übungen zum Feedback-Geben in Kleingruppen bestehen sollten und damit die aktive Mitarbeit der Studierenden erfordern. Im klinischen Teil der Ausbildung würde dann die Kommunikation in Form veterinärmedizinisch spezifischer Gesprächsführung in 36 Stunden des Querschnittsunterrichts vertiefend gelehrt und in weiteren 84 Stunden im Rahmen der Klinischen Propädeutik und im Praktischen Jahr in den verschiedenen klinischen Settings von den Studierenden aktiv angewandt und geübt werden [26].
Offensichtlich ist, dass dies bisher von keiner Hochschule in dieser Form umgesetzt wird bzw. umgesetzt werden kann. Im klinischen Abschnitt erfolgt schon vielerorts die verpflichtende Lehre in Kleingruppen innerhalb des Praktischen Jahres. Der zeitliche Umfang ist jedoch stark begrenzt. Zusätzlich werden Wahlpflichtveranstaltungen an allen Bildungsstätten angeboten. Dies lässt auf eine hohe Motivation einzelner Dozierender schließen, die die Lehre der Kommunikation im Studium als elementaren Bestandteil der tierärztlichen Ausbildung betrachten und sich dafür einsetzen, ein entsprechendes Angebot zu schaffen. Jenseits des Lehrangebots innerhalb von Wahlpflichtveranstaltungen sollte langfristig allen Studierenden Chancengleichheit eingeräumt werden und daher ein Angebot zur Verfügung stehen, welches genügend Plätze für alle Interessierten bietet [26]. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass Studierende Wahlpflichtfächer bevorzugen, die eine geringe Arbeitsbelastung beinhalten oder auf etwaige (Prüfungs-)leistungen vorbereiten [9] und somit ein rein freiwilliges Angebot als fraglich dastehen lassen.
Eine Herausforderung, die Kommunikationslehre in vollem Umfang ins Curriculum zu integrieren, besteht darin, dass es nach wie vor nicht als ein vollwertiges Fach innerhalb der TAppV aufgenommen ist und damit die Lehrinhalte auch keinem Lehrstuhl offiziell zugeordnet sind. Dies zieht nach sich, dass die Lehre der Kommunikation auf den Schultern Einzelner und in einem nicht unerheblichen Umfang durch die Finanzierung mit Drittmitteln getragen wird. Gerade die Kleingruppenarbeit benötigt enorme zeitliche und personelle Kapazitäten. Durch die fehlende Anerkennung als Fachgebiet können häufig die nur wenigen Dozierenden, die die Kompetenz besitzen, um Kommunikation zu lehren, nicht langfristig an der Bildungsstätte gehalten werden. Dies jedoch stellt eine wichtige Voraussetzung für Maßnahmen und Prozesse der Qualitätsverbesserung und damit der Sicherung der Kontinuität in der Ausbildung der Studierenden dar.
Derzeit bemühen sich alle veterinärmedizinischen Standorte im Rahmen des Möglichen, die Vermittlung von außerfachlichen Kompetenzen in das stark fächerorientierte Curriculum zu integrieren. Die Lehre der Kommunikation fokussiert dabei auf die gleichen Lernziele, die an allen Standorten in den verschiedenen Lehrformaten mindestens bis zur Anforderungsstufe der theoretischen Anwendung abgedeckt werden (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Das 4-Seiten-Modell wird hierbei an allen Standorten eingesetzt [36], während an einigen Standorten weitere Kommunikationsmodelle hinzugezogen werden [5], [16], [21], [33]. Was die Modelle der Gesprächsführung und ihre Anwendung und Übertragung auf Gesprächssituationen anbetrifft, gibt es Gemeinsamkeiten in der Kommunikationslehre in Hinblick auf die allgemeine tierärztliche Gesprächsführung [19], jedoch werden hier an den verschiedenen Standorten teilweise unterschiedliche Schwerpunkte gelegt (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). So werden beispielsweise in Gießen und Hannover zusätzlich schwierige Gesprächssituationen adressiert [8], [29], [35]. Zur Vermittlung der kommunikativen Kompetenzen werden fakultativ an allen Standorten Wahlpflichtkurse angeboten sowie fakultative oder obligatorische Lehreinheiten in die praktische Ausbildung im Rahmen der Propädeutik, des praktischen Jahrs und/oder als Übungsstation ins Skills Lab integriert. Dabei dominieren als Lehrformate Seminare und Übungen in Kleingruppen, in denen theoretische Grundlagen vermittelt und in Gesprächssimulationen angewendet und geübt werden. Darüber hinaus erfolgt ein obligatorischer Unterricht zu den theoretischen Grundlagen der Kommunikation in Gießen und Hannover im Vorlesungsformat, in Berlin im Blended-Learning-Format. Auch in Hannover wird ein E-Learning-Kurs zur Kommunikation fakultativ angeboten. Bezüglich der Effektivität der Lehrformate führen die Vermittlung von theoretischen Grundlagen sowie deren praktische Anwendung mit konstruktivem Feedback von Peers und erfahrenen Dozierenden insbesondere in Kleingruppen zu sehr guten Ergebnissen [22]. Dies unterstreicht einerseits erneut die Wichtigkeit der Implementierung einer expliziten Kommunikationslehre ins Curriculum. Andererseits wird aber auch deutlich, dass sich hier ein interessantes, potenzielles Forschungsfeld auftut, wodurch zusätzlich zur lehrenden Tätigkeit auch die wissenschaftliche Arbeit ihren Platz finden kann. Interessante Ergebnisse liefert außerdem eine Studie, in der E-Learning einerseits, Rollenspiele andererseits sowie eine Kombination aus beiden Methoden zur Verbesserung der kommunikativen Kompetenzen von Medizin- und Lehramtsstudierenden eingesetzt wurden. Hier zeigte die Kombination der beiden Methoden den besten Effekt. Allerdings hatte der E-Learning-Kurs, der die Beurteilung von Positiv- und Negativbeispielen in Videosequenzen beinhaltete, einen stärkeren Lerneffekt als die Übungen mit Rollenspielen [17]. Dieses Ergebnis wird unterstützt durch das Konzept des Beobachtungslernens von Bandura [3]. Vor allem der Vergleich erfolgreichen und nicht erfolgreichen Verhaltens hat auf kognitiver Ebene einen ganz besonderen Lerneffekt [18]. Diese Erkenntnisse sind insofern von besonderer Relevanz, da im Gegensatz zu praktischen Übungen die Anzahl der Teilnehmenden beim E-Learning nicht limitiert ist, wodurch obligatorische Lehrveranstaltungen für große Studierendengruppen realisiert werden können.
Hier ergibt sich eine Schnittstelle zu den digitalen Kompetenzen, deren Förderung in der veterinärmedizinischen Ausbildung vermehrt einen größeren Stellenwert einnehmen sollte. Als weitere Herausforderungen sind aber auch die Vermittlung sozialer und betriebswirtschaftlicher Kompetenzen zu nennen.
Aktuelle berufliche Rolle der Autor*innen
- Dr. Alina Pohl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Tierklinik für Fortpflanzung. Sie unterrichtet fachspezifische Themen der Reproduktionsmedizin, übernimmt Klinik- und Notdienste und forscht zum Thema akute Metritis beim Rind sowie zu Schulungen auf Milchviehbetrieben. Außerdem ist sie aktiv an der Gestaltung und Umsetzung der Kommunikationslehre beteiligt.
- Luise Grace Klass studiert im 10. Semester Veterinärmedizin und ist studentische Hilfskraft am Institut für Veterinär-Anatomie der Freien Universität Berlin. Sie unterstützt die Projekte im Bereich der Kommunikationslehre und der Ausbildungsforschung. Darüber hinaus engagiert sie sich als Fachschaftsvorsitzende für eine studierendenzentrierte Ausbildung am Fachbereich.
- Dr. Christin Kleinsorgen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der E-Learning-Beratung. Sie entwickelt und berät zur Erstellung von digitalen sowie lerntheoretisch fundierten Lehr- und Lernmaterialen, unterrichtet Kommunikation und forscht zum Thema E-Learning sowie Schlüsselkompetenzentwicklung. Im Clinical Skills Lab ist sie aktiv an der Gestaltung und Umsetzung der Kommunikationslehre beteiligt.
- Dr. Dora Bernigau ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Veterinär-Anatomischen Institut der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Sie führt an der Fakultät den Wahlpflichtkurs Kommunikation durch und ist seit 2018 für die Etablierung der elektronischen Prüfungen sowie die Organisation der Lehrevaluierung zuständig.
- Dr. Birte Pfeiffer-Morhenn ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Lehrinnovation des Studiendekanats des Fachbereichs Veterinärmedizin der JLU Gießen.
- Prof. Dr. Stefan Arnhold ist seit 2007 Professor am Institut für Veterinär-Anatomie, -Histologie und -Embryologie und seit 2019 Studiendekan des Fachbereichs Veterinärmedizin – wie auch schon von 2010 bis 2016.
- Dr. Marc Dilly ist Fort- und Weiterbildungskoordinator eines weltweit agierenden Handelsunternehmens für veterinärmedizinische Diagnostik. Er unterrichtet seit 2013 kommunikative Fertigkeiten im Bereich Tiermedizin. Seit 2016 ist er Lehrbeauftragter am Fachbereich Veterinärmedizin der JLU Gießen.
- Dr. Christina Beitz-Radzio ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiendekanat der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie ist Tutorenausbilderin (TutorPlus) und Trainerin (sprachraum eG).
- Dr. Sandra Wissing ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin des Clinical Skills Labs der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Sie ist für die Konzeption, Umsetzung und Durchführung von Lehrveranstaltungen inklusive begleitenden Lehrmaterialien zum Thema Kommunikation sowie die Koordination der Schauspieleinsätze im Clinical Skills Lab verantwortlich.
- Lena Vogt ist Doktorandin im Projekt-QuerVet sowie Mitarbeiterin im Mentoring-Projekt, welches den Communication-Day organisiert. Im Rahmen des QuerVet-Projektes befasst sie sich mit der Verbesserung der klinischen Querschnittslehre durch Implementation von virtuellen Patienten sowie in Zusammenarbeit mit den Fachexperten des Fachbereichs mit der Integration von außerfachlichen Kompetenzen in die veterinärmedizinische Lehre.
- Prof. Dr. Mahtab Bahramsoltani ist Professorin am Institut für Veterinär-Anatomie. Ihre Projekte liegen im Bereich der Ausbildungsforschung, unter anderem zu Prüfungsangst und Selbstwirksamkeitserwartung bei Studierenden der Veterinärmedizin. Sie engagiert sich in der Fortbildung von Tierärzt*innen im Bereich der Kommunikation und wirkt aktiv mit bei der Gestaltung und Durchführung der Kommunikationslehre für Studierende.
Interessenkonflikt
Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
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