gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Nachruf Prof. Dr. med. Christof Jürg Daetwyler: *8.8.1964 – †11.12.2020

Nachruf Nachruf

Suche in Medline nach

  • corresponding author Sissel Guttormsen - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • author Kai P. Schnabel - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz
  • author Wolf Langewitz - Universitätsspital Basel, Psychosomatik – Kommunikation, Basel, Schweiz

GMS J Med Educ 2021;38(2):Doc35

doi: 10.3205/zma001431, urn:nbn:de:0183-zma0014311

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001431.shtml

Eingereicht: 12. Januar 2021
Überarbeitet: 25. Januar 2021
Angenommen: 25. Januar 2021
Veröffentlicht: 15. Februar 2021

© 2021 Guttormsen et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Nachruf

Mit grosser Trauer erfuhren wir von Christof Daetwylers plötzlichem und unerwarteten Tod. Er starb am Morgen des 11. Dezember in seinem Haus in Pirenopolis, Gois, Brasilien. Christof Daetwyler wurde in Zollikerberg in Zürich, Schweiz, geboren, er war der ältere von zwei Brüdern. Eine bedeutende Persönlichkeit, mit der wir seit vielen Jahren zusammengearbeitet und die wir sehr geschätzt haben, wurde plötzlich aus dem Leben gerissen. Sein Tod hinterlässt einen großen und unersetzlichen Verlust.

Christof war bekannt und hoch geschätzt für seine Beiträge zur medizinischen Ausbildung und seine innovativen technologischen Ansätze, von denen viele wegweisend waren. Unter vielen Mitgliedern der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) [https://www.gma-dach.org], als Mitgestalter der Slice of Life Community und in der AMEE war er ein Freund, ein Kollege und ein Experte und teilte regelmäßig seine neuen Ideen.

Sein Erfolg beruhte auf breiter multiprofessioneller Ausbildung, Talent und Beharrlichkeit:

Er absolvierte seine schulische Grundausbildung in Zürich. Sein Durst nach gründlichen Kenntnissen in den Bereichen, die ihn interessierten, führte ihn zunächst an die „Zürcher Hochschule der Künste“, wo er Kurse in Malerei und Zeichnung belegte (1985-1986). Nach Abschluss des Kunststudiums studierte er Medizin an der Universität Zürich (1986-1993). Mit seinem künstlerischen Hintergrund war ihm klar, dass er seine medizinischen Fähigkeiten außerhalb des klinischen Bereichs einsetzen wollte. Bereits während seiner medizinischen Ausbildung arbeitete er in Teilzeit als Datenbankexperte in zwei verschiedenen Firmen. Ab 1994 begann er dann, seine medizinischen und medientechnischen Fähigkeiten aktiv an der „Abteilung für Unterrichtsmedien“ (AUM) am „Institut für Aus-, Weiter und Fortbildung“ in Bern, Schweiz (IAWF, heute „Institut für Medizinische Lehre“, IML [https://www.iml.unibe.ch]) zu kombinieren. Gleichzeitig, während er in Teilzeit an der AUM beschäftigt war, studierte er Dokumentarfilm an der „Höheren Schule der bildenden Künste“ in Bern (1995-1996). Während er vollzeitig am AUM arbeitete, schloss er seine medizinische Dissertation (1999) zum Thema technologieunterstütze medizinische Lehre ab. In dieser Zeit trug er maßgeblich zur Entwicklung computergestützter Lernmodule für die medizinische Ausbildung bei (z.B.: Neurologie/Kopfschmerz interaktiv). Seine Arbeit in diesem Bereich war wegweisend und er entwickelte mehrere preisgekrönte interaktive Lernprogramme. In seinen eigenen Worten beschrieb er seine Zeit an der AUM wie folgt:

Als ich 1993 mein Studium an der Medizinischen Fakultät Zürich abschloss, absolvierte ich einen kurzen Aufenthalt beim Schweizerischen Nationalen Fernsehen in deren Abteilung für öffentliche Gesundheitserziehung. 1994 begann ich meine berufliche Laufbahn mit zwei Jobs an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern gleichzeitig: als Curriculum-Designer für das 3. Jahr und als Produzent und Entwickler von Video- und (damals sehr neuen) Computeranwendungen für die medizinische Ausbildung an der Abteilung für Unterrichtsmedien (AUM). Nach einem Jahr konzentrierte ich meine Energie auf meinen Job an der AUM. Wie so oft im Leben sind es die Menschen, die den wichtigsten Impuls für den Erfolg sind. In meinem Fall hatte ich großes Glück, Marco Mumenthaler, einen „Grand Senior“ der Neurologie – und einen großartigen Lehrer – zu treffen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Unsere Arbeit war sehr produktiv und erfolgreich, in Bezug auf Projekte (sie erhielten viele Auszeichnungen und wurden in verschiedene Sprachen übersetzt) sowie aus persönlichen Gründen, da wir Freunde wurden. Ich arbeitete fast 8 Jahre bei der AUM, bis 2001 [http://webcampus.drexelmed.edu/interactive/cda/cv/index.html].

2001 machte sich Christof auf den Weg in die Vereinigten Staaten, um ein neues Kapitel seiner bemerkenswerten Karriere zu beginnen. Als Assistenzprofessor am „Department of Community and Family Medicine“ an der „Dartmouth Medical School“ wurde er von Joe Henderson eingeladen, als leitender Designer und Multimedia-Entwickler am interaktiven Medienlabor zu arbeiten. Nach drei kreativen Jahren wechselte er 2004 an das „Drexel University College of Medicine“ als Assistenzprofessor am „Department of Family, Community and Preventive Medicine“ (Leitung Dennis Novack), wo er eine erfolgreiche und kreative Zusammenarbeit mit Dennis Novack begann. Christof beschrieb seine Tätigkeit bei der Drexel University wie folgt:

Im Oktober 2004 trat ich als Assistenzprofessor an die Fakultät des Drexel University College of Medicine in Philadelphia ein. Meine Aufgabe war es, meinen Weg fortzusetzen und Computertechnologie zur Verbesserung der medizinischen Ausbildung zu erforschen, zu entwickeln und zu integrieren. Mein erstes Großprojekt war „doc.com, eine Reihe von 41 medienreichen Online-Modulen für das Lehren, Lernen und die Bewertung der in der Gesundheitskommunikation benötigten Fertigkeiten. Ein weiteres Projekt, an dem ich arbeitete, ist „WebOSCE“, eine Online-Technologie, die es den Studierenden ermöglicht, neue Kenntnisse und Fertigkeiten online mit standardisierten Patienten zu üben [http://webcampus.drexelmed.edu/interactive/cda/cv/index.html].

Seine Entwicklungen nutzen technologische Möglichkeiten und das Internet visionär. Er ermöglichte die digitale Transformation in der medizinischen Lehre, lange bevor die aktuelle Pandemie zeigte, wie wichtig dies ist. Viele seiner Entwicklungen, die in den USA erfolgreich eingeführt wurden, wurden auch im deutschsprachigen Raum an verschiedenen medizinischen Fakultäten wertgeschätzt. Er unterstützte Projekte in der Schweiz (z.B. Bern, Basel) und in Deutschland (z.B. LMU und TU in München, Ulm, Mannheim). Seit 2018 war er auch an der Universität Basel im Dekanat für die Entwicklung einer interaktiven webbasierten Videoverarbeitungsanwendung beschäftigt, die Studierende dabei unterstützt, über ihre eigene Leistung nachzudenken. Tatsächlich stellten die „DocCom“ [https://webcampus.drexelmed.edu/doccom/user/] sowie die Web-OSCE-Projekte [http://www.iamse.org/websem/webosce-an-online-tool-for-remote-encounters-between-learners-and-standardized-patients-for-the-practice-assessment-and-remediation-of-clinical-skills/] typische Erfolge von Christofs Arbeit dar. Heute wird „DocCom“ erfolgreich als Lernressource für die Arzt-Patientenkommunikation an vielen renommierten Universitäten eingesetzt. Im deutschsprachigen Raum Europas wird eine Weiterentwicklung von Christofs Werk erhalten bleiben: Mit der Unterstützung Dennis Novacks initiierte Christof die Entwicklung einer europäischen, deutschsprachigen Version der Plattform „Doc.Com“, einfach „DocCom.Deutsch“ [https://doccom.iml.unibe.ch/startseite/] genannt. Die Erstveröffentlichung war eine Teamleistung mit Christof, Wolf Langewitz (Medizinische Fakultät Basel), Kai Schnabel und Sissel Guttormsen (beide IML), unterstützt von der Novartis Stiftung für Mensch und Umwelt und von vielen erfahrenen Experten aus der GMA-Gemeinschaft (u.a. Götz Fabry, Martin Fischer, Ueli Grüninger, André Karger, Claudia Kiessling, Dunja Nicca, Ulrich Schwantes, Michaela Wagner-Menghin). Wie auch für die US-Originale, so entstand die deutsche Produktion auf der Grundlage der Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Arzt-Patienten-Kommunikation trainiert werden kann und dass Online-Medien, wenn sie gut konzipiert sind, wichtige Ressourcen für die grundlegende Kommunikationsausbildung liefern. Diese Plattform wird heute vom IML verwaltet und weiterentwickelt, so dass sich eine Verbindung ergab zwischen Christofs frühen Arbeiten am IML mit seinen späteren Errungenschaften. Für Christof war es wichtig, den Kreis zu schließen, und wir sind dankbar für die Bereicherung, die diese Zusammenarbeit uns gebracht hat. Es war ihm stets auch ein wichtiges Anliegen, Fortschritte in der Ausbildung und insbesondere bei der Beschäftigung von simulierten Patienten (SPs) zu unterstützen. Er förderte ihre Ausbildung und ermöglichte ihnen, von zu Hause aus zu arbeiten, indem er ihre Begegnungen flexibel direkt mit den jeweiligen Studierenden organisierte (mittels Web-Encounter [1]). Mit diesem Tool werden SPs in den USA als Expert*Innen engagiert, die Medizinstudierende in verschiedenen Kommunikationsfertigkeiten auszubilden und strukturiertes Feedback über ihre Leistung zu geben.

Christofs Stärke bestand darin, die Bedeutung und Relevanz hochwertiger Medienproduktionen im Interesse einer effektiven medizinischen Ausbildung zum Ausdruck zu bringen und darüber zu informieren. Seine Publikationen umfassen Buchkapitel und Herausgeberschaften für vier Bücher, eine lange Liste von etwa 70 Veröffentlichungen (die online verfügbar sind [http://webcampus.drexelmed.edu/interactive/cda/publications/index.html), sowie Konferenzbeiträge und Workshops. Als engagierter Redner wurde er regelmäßig als Referent auf nationalen und internationalen Veranstaltungen eingeladen. Im Laufe seiner Karriere setzte er zudem kontinuierlich auch sein Talent und seine Expertise in der Kunst ein, z.B. als Fotograf und als Maler.

2019 beschloss Christof, vorzeitig von der Drexel-Universität in den Ruhestand zu gehen. Er zog mit seiner Frau Magalene Daetwyler-Pina nach Brasilien. Dort arbeitete er weiterhin als freischaffender Forscher und Entwickler, half seinem Stiefsohn eine Brauerei zu gründen und begann, Musikfestivals zu organisieren.

Wir werden seine Begeisterung, seine unendliche Energie für neue Unternehmungen, seine kreativen Ideen und vor allem seine herzliche und großzügige Art vermissen. Er war eine bemerkenswerte Person, selbstbewusst und verletzlich zugleich. Christoph hat den Grund für seinen Erfolg als medizinischer Ausbilder und Medienspezialist dem Umstand zugeschrieben, dass er in vielen Disziplinen zu Hause war und sein vielfältiges Wissen aus Kunst, Video-Dokumentation, medizinischem Fachwissen und der Fähigkeit, komplexe Programme zu schreiben, kombinieren konnte. Er war ein Idealist, der mit einem enorm grossen Arbeitspensum unermüdlich und hoch engagiert seine Anliegen vorangebracht hat. Es gelang ihm erfolgreich, seine Ideen zu propagieren; sein Enthusiasmus war dabei manchmal Fluch und Segen zugleich, z.B. wenn eine Umsetzung seiner Ideen nicht möglich war. Wir sind unendlich dankbar für das, was er geschaffen hat und bedauern sehr, dass viele seiner Ideen jetzt unvollendet bleiben werden.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Daetwyler JC, Cohen DG, Gracely E, Novack DH. eLearning to enhance physician patient communication: a pilot test of "doc.com" and "WebEncounter" in teaching bad news delivery. Med Teach. 2010;32(9):e381-e390. DOI: 10.3109/0142159X.2010.495759 Externer Link