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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Angèle van den Ven, Lodewijk Schmit Jongbloed: Arzt & Ärztin als Ganzes – sinnvoll arbeiten, sinnvoll leben

Buchbesprechung Buchbesprechung

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  • corresponding author Udo Obertacke - Universitätsmedizin Mannheim, Orthopädisch-Unfallchirurgisches Zentrum, Mannheim, Deutschland
  • corresponding author Johannes Obertacke - Universitätsmedizin Mannheim, Chirurgische Klinik, Mannheim, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(2):Doc33

doi: 10.3205/zma001429, urn:nbn:de:0183-zma0014295

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001429.shtml

Eingereicht: 2. Januar 2021
Überarbeitet: 2. Januar 2021
Angenommen: 2. Januar 2021
Veröffentlicht: 15. Februar 2021

© 2021 Obertacke et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Bibliographische Angaben

Angèle van de Ven, Lodewijk Schmit Jongbloed

Arzt & Ärztin als Ganzes – sinnvoll arbeiten, sinnvoll leben

Verlag: Schmit Jongloed Advies Verlag, Oegstgeest (NL)

Erscheinungsjahr: 2020, Seiten: 108


Rezension

Buchbesprechung von Udo Obertacke (Vater, alter Arzt) und Johannes Obertacke (Sohn, junger Arzt)

„Arzt & Ärztin als Ganzes“ ist ein kleines, überschaubares Buch (104 Seiten, Kleinformat, ins Deutsche übersetzt) von niederländischen Autoren, welche Ärztinnen und Ärzten „neue Impulse in ihrer Arbeit und ihrem Leben“ geben, und „tiefgründige Fragen zu ihrer professionellen und persönlichen Entwicklung“ stellen wollen. „Beispielhafte Beschreibungen verschiedener Karriere- und Lebensphasen“ werden versprochen.

Vater

Der Arzt (und die Ärztin natürlich auch) war schon immer zerrissen zwischen 4 Polen: der Eigenwahrnehmung (als Vertreter einer akademischen Position mit Arbeits- und Gehaltsvorstellungen), der Wahrnehmung der Gesellschaft (welche eine 24/365 entgeltfreie Maximal-Dienstleistung erwartet), der Behandlung durch seine unmittelbare Umgebung (meist im Krankenhaus, die ihn/sie bis mindestens zur Anerkennung als Facharzt in einer (gefühlt) minderwertigen Position hält; danach startet der ökonomische Druck – mit dem gleichen Ziel) und – last, but not least – der Reaktion der Patienten (welche den Arzt/die Ärztin, von der sie sich verstanden bzw. versorgt „fühlen“, umklammern und dabei alle Formen der psychologischen Projektion anwenden; es sei den Patienten – aber nur ihnen! – gestattet).

Ein kleiner LEITFADEN für den jungen (orientierungssuchenden?) oder auch den älteren (vor einem Motivationsverlust stehenden?) Arzt ist also nicht ganz falsch. Das Buch hat einige Kapitel (aber kein Inhaltsverzeichnis, es will durchgehend gelesen werden; S. 32) und wartet mit vielen Zitaten, z.T. hintergründigen Bildern und Comics auf (alleine auf 23 der 104 Seiten…).

Ganz zu Anfang führt das Buch in die Reflexionsphase der jüngeren Studenten, die ihren Werdegang als objektiv „ganz gut“, ihre Perspektive aber als „unheimlich“ empfinden.

Dann geht es weiter in die Perspektiven des PJ-lers, zur Wahl des Facharzt-Bereiches (unfassbar: die empfohlene Web-Seite [https://www.themedicportal.com/] (S. 43) erkannte mit 6 unverfänglichen Fragen den Beruf des Vaters und das angestrebte Weiterbildungsziel des Sohnes), des Assistenzarztes, des „frischen“ Facharztes, des erfahrenen Arztes und des „weisen“ Arztes. Schrittweise werden, durchaus realistisch, jeweils die Linien der Entscheidungsmöglichkeiten aufgezeichnet.

Die Autoren ermuntern zu Umwegen (in der beruflichen und privaten Entwicklung), geben Hinweise zur Rollenfindung (die Analogie zum Schauspieler geht mir zu weit, wo bleibt die Authentizität des Arztes?), fordern „Raum zum Nachdenken“, „private Aufmerksamkeit“(en), und geben Hinweise auf Burn-out (ist das heutzutage wichtig, oder „Zeitgeist“?).

Manche Ausführungen und Empfehlungen kratzen an Wellness-Esoterik (Teambesprechungen, Beratung durch die Personalabteilung, Selbst-Überraschungen usw.), da wo reale Probleme deutlich gemacht wurden (Facharztwahl, Motivation) werden die Lösungsangebote z.T. zu abstrakt oder sogar flach. Auf der anderen Seite werden ganz reale Informationen/Zahlen gegeben (Anteil [un]zufriedener Assistenten in Weiterbildung, Zahl der Wechsler, Fortbildungspunkte, usw.).

Dann kommt der alte Arzt doch ins Sinnieren über die Autoren: eine Abbildung (S. 82) gibt eine Korrelation zwischen „professioneller Entwicklung“ (Ordinate) und „Lebensalter“ (Abszisse); der höchste Punkt der Kurve wird mit der Facharzt-„Phase“ erreicht. Dies ist für die meisten mir bekannten ärztlichen Berufe falsch und diese Vorstellung dürfte auch junge Kollegen irritieren.

Solche Bücher sind wichtig und in der Kürze liegt sicher auch die Würze (Akzeptanz). Ein „Werk“, welches die gesamte Soziologie und Psychologie des ärztlichen Berufes ausleuchtet, würde von keinem gelesen werden (und vielleicht auch nicht geglaubt werden). Für 14,95€ ein kleiner Ideengeber und Unruhestifter.

Sohn

Das Buch soll, so wie ich es verstanden habe, dem Leser erklären, dass es zu jeder Phase im Arztberuf unterschiedliche Prioritäten, Ziele, Wünsche und Probleme gibt. Hier möchte es – grob zusammengefasst – dazu anregen, sich eben dieser genannten Dinge bewusst zu werden und gegebenenfalls seinen Weg anzupassen. Das möchte ich sehr unterstützen, da gerade die Arbeitsbelastung, Gratifikationskrisen und der Zweifel, ob der gewählte Weg der „Richtige“ ist, für Ärzte ein wichtiges Thema ist. Insbesondere weil man als Arzt einen signifikanten Teil seiner Lebenszeit arbeitet und man dort im besten Fall auch glücklich seien möchte.

Es mir nicht bekannt ist, ob es Karriereberatungsstellen von der Arbeitgeber-Seite in Deutschland gibt.

Ich denke, dass der Grad des Erwerbs von Professionalität sehr (!) unterschiedlich im Leben eines Arztes verlaufen kann. Die abgebildete Kurve (S.82) halte ich für fragwürdig und diese würde alle Referenten, die über das Themenspektrum „lebenslanges Lernen“ sprechen und forschen mindestens provozieren.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.