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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Telefonbasierte Kommunikationsausbildung in Zeiten von COVID-19

Kurzbeitrag Kommunikation

  • corresponding author Clemens Ludwig - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Dorothea Erxleben Lernzentrum, SkillsLab, Halle (Saale), Deutschland
  • Dietrich Stoevesandt - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Dorothea Erxleben Lernzentrum, SkillsLab, Halle (Saale), Deutschland
  • Christiane Ludwig - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Dorothea Erxleben Lernzentrum, SkillsLab, Halle (Saale), Deutschland
  • Vivien Fritsche - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Dorothea Erxleben Lernzentrum, SkillsLab, Halle (Saale), Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc20

doi: 10.3205/zma001416, urn:nbn:de:0183-zma0014169

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001416.shtml

Eingereicht: 22. Juli 2020
Überarbeitet: 16. November 2020
Angenommen: 8. Dezember 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Ludwig et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Im Zuge der COVID-19 Pandemie mussten in der universitären Lehre in kürzester Zeit Alternativen zu etablierten und bewährten Formaten gefunden werden. Im Falle des SkillsLabs im Dorothea Erxleben Lernzentrum Halle (Saale) an der Martin-Luther-Universität Halle (Saale)-Wittenberg bedeutete dies bezogen auf die Kommunikationskurse, dass ein beachtlicher Teil der Simulationspersonen im höheren Alter oder mit Vorerkrankungen plötzlich nicht mehr für Gesprächssimulationen in der Lehre zur Verfügung stand.

Projektbeschreibung: Im Zuge des Seminares „Angehörigengespräch – Umgang mit Angehörigen“ im 8. Fachsemester wurde die Gesprächssimulation deshalb kurzfristig angepasst und in ein Telefonat umgewandelt. Somit wurde es den Simulationspersonen ermöglicht aus der Ferne mitzuarbeiten und die Studierenden hatten die Möglichkeit in sicherer Umgebung ihre Arzt-Patienten-Gesprächsführung in Bezug auf Telefonate zu erproben.

Ergebnisse: Der Fokus auf nonverbalen Techniken und das Verlassen des üblichen Face-to-Face Settings wurde gleichermaßen durch die Studierenden und die Simulationspersonen als ein positiver Impuls und besondere Herausforderung wahrgenommen. Das Fehlen der optischen Eindrücke habe eine empathische Gesprächsführung schwieriger gemacht.

Diskussion und Schlussfolgerungen: Die positiven Erfahrungen aus diesem Projekt sollen genutzt werden um das Kommunikationscurriculum zukünftig um telefongestützte Gespräche mit Simulationspersonen zu erweitern. Im Idealfall ist es dann möglich, dass die Simulationspersonen zukünftig nach dem Gespräch zur Feedbackvermittlung und zur Gruppendiskussion anwesend sein können.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung, Kommunikationstraining, Telefonkommunikation, Simulationsperson, Patientensimulation, COVID-19


Einleitung

Im Zuge der COVID-19 Pandemie mussten plötzlich digitale Alternativen zu zuvor etablierten Formaten der universitären Lehre gefunden werden. Das Hygienekonzept der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle (Saale)-Wittenberg erlaubte die Durchführung von Präsenzveranstaltungen ab Mai 2020, da es nicht möglich war die Unterrichtseinheiten zu praktischen- und kommunikativen Fertigkeiten digital abzuhalten und gleichzeitig eine adäquate Lehrerfahrung zu gewährleisten. Währenddessen sollte eine Exposition von älteren – bzw. Simulationspersonen (SP) [1] mit Vorerkrankungen im Rahmen der Kommunikationsseminare aber unbedingt vermieden werden. Somit war es notwendig kurzfristig eine Alternative zum zuvor üblichen Face-to-Face Setting zu etablieren. Mohos und Kollegen [2] empfehlen Videochat-Software wie Zoom um Kommunikationsseminare online fortzuführen. Wir entschieden uns aber bewusst dagegen, da wir so gewährleisten konnten weitgehend unabhängig von der privaten technischen Ausstattung (Computer mit Webcam, Internetanschluss, ggf. Software) der SP die Lehre, sowie die Beschäftigung aller Beteiligter aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus konnten wir den Inhalt des Seminares um die berufsrelevanten Aspekte (Telefon als akustische Visitenkarte [3]) und Herausforderungen (u.a. Eingeschränkte Eindrücke, Störanfälligkeit [4]) des Telefonierens zu erweitern.


Projektbeschreibung

Die kommunikativen- und sozialen Kompetenzen stellen eine Basisqualifikation für medizinisches Personal dar [5]. Im SkillsLab des Dorothea Erxleben Lernzentrums Halle (Saale) (DELH) durchlaufen die Studierenden der Humanmedizin während Ihres Studiums ein longitudinal integriertes Kommunikationscurriculum beginnend im ersten Semester. Die Lehrveranstaltungen werden für gewöhnlich in einem auf Kleingruppen (max. 4-5 Personen) basierenden Rotationsprinzip durchgeführt. Zur Gewährleistung einer möglichst glaubhaften Darstellung wurden bislang alle Kommunikationsseminare und -simulationen vor Ort mit Hilfe von SP durchgeführt um somit die Körpersprache und den mimischen Ausdruck standardisiert in die Darstellung einbeziehen zu können [1]. Der verfügbare SP-Pool umfasst neben studentischen SPs (ca. 20-30 Jahre) auch ältere SPs im Alter von bis zu 80 Jahren. Für einige SP war ein Einsatz plötzlich nicht mehr ohne weiteres möglich. Deshalb mussten im Prinzip über Nacht andere Wege gefunden werden um die Lehre und Prüfungen in einer vergleichbaren Qualität aufrechtzuerhalten. Die betroffenen SPs signalisierten die Bereitschaft auch aus der Ferne mitzuarbeiten. Im Rahmen des Seminars „Angehörigengespräch – Umgang mit Angehörigen“ hatten die Studierenden des 8. Fachsemesters die Möglichkeit ein Gespräch mit einem Großelternteil eines bei einem Verkehrsunfall verletzen Kleinkindes zu führen. Das Konzept, sowie die Struktur des Seminars konnten unverändert weitergeführt werden und wurde um die Besonderheiten und Merkmale von Telefonaten ergänzt: u.a. beginnend bei der Begrüßung mit deutlicher Nennung des eigenen Namens und der Funktion, bzw. der Absicht des Gespräches [3], [6], bis zum Umgang mit dem fehlenden mimischen Input. Missverständnisse lassen sich bspw. nicht einfach an einem fragenden Gesichtsausdruck ablesen. Im Anschluss wurden die Studierenden in den Fall eingeführt und mit den wichtigsten medizinischen Informationen über den Zustand des Enkels versorgt. Eine Person wurde zur Gesprächsführung bestimmt, die übrigen Studierenden wechselten in einen Beobachtungsraum. Nun erfolgte das Telefonat in dem sich die Studierenden dem Szenario entsprechend als Assistenzärzte der Notaufnahme vorstellten. Über die Lautsprecherfunktion war es auch für den Lehrenden und die beobachtenden Studierenden gut möglich dem Gespräch zu folgen. Die SPs erhielten vorab ein auf dieses Szenario abgestimmtes Rollenskript. Am Ende der Gesprächssimulation erfolgte die Nachbesprechung und Reflektion mit dem SP, dem Lehrenden und der Kleingruppe über den Lautsprecher des Telefons (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).


Ergebnisse

Um das Infektionsrisiko gering zu halten wurde auf die übliche pen & paper Evaluation während des Sommersemesters 2020 verzichtet, sodass sich die folgenden Punkte hauptsächlich aus der Nachbesprechung mit den Studierenden ergeben haben. Die Studierenden berichteten von einer größeren „Angst“ vor einem Telefonat. Ursächlich dafür wäre das Gefühl gewesen den Gesprächspartner nicht adäquat in seiner Verfassung zu begreifen um hinreichend gut reagieren zu können. Den Studierenden fiel auf, dass es häufiger notwendig war den SP nach größeren Abschnitten Raum für Nachfragen einzuräumen, oder Informationen zusammenzufassen, bzw. zusammenfassen zu lassen [4]. Die ansonsten gut nutzbaren nonverbalen Techniken (z.B.: zugewandte Körperhaltung, offene Gestik und Mimik) erbrachten keinen Mehrwert. Gegenüber einem direkten Gespräch kam der Nutzen der Techniken zum aktiven Zuhören (z.B.: Echoing, Paraphrasieren und Zusammenfassen) deutlicher zum Vorschein um den Gesprächspartner durch das Gespräch zu begleiten. Speziell der fehlende mimische Input, längere Pausen oder Stille wurden als irritierend erlebt. Die Simulationsvariation wurde insgesamt durch den Einschluss und die Aufarbeitung eines im Grunde bekannten Vorganges wie der Telefonie als bereichernd empfunden. Auch für die SPs stellte diese kurzfristige Umstellung aufgrund der beschriebenen Besonderheiten von Telefonaten eine neue Herausforderung dar. Die Qualität des Feedbacks durch die SPs wurde allerdings nicht gemindert. Zwar fielen auch hier Hinweise auf die Körpersprache weg, jedoch war es den SPs nun möglich unauffällig konkrete Notizen während des Gespräches anzufertigen umso auf bemerkenswerte Formulierung hinzuweisen und noch gezieltere Bedürfnisse zu formulieren. Aus der Sicht der Lehrenden ließ sich das veränderte Konzept gut integrieren. Durch die pragmatische Umsetzung wurde die Fehleranfälligkeit durch Technik oder Bedienfehler minimiert und erzeugte somit keine Zusatzbelastung.


Diskussion und Schlussfolgerung

Die Resonanz durch die Studierenden und die SPs auf diese kurzfristige Änderung fiel positiv aus (berufliche Relevanz, Kommunikative Herausforderung, Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes [3], [4], [6]). Es wurde der Wunsch geäußert dies auch in anderen Seminaren umzusetzen. Wir haben diese Wünsche und Erfahrungen in das Wintersemester 2020/2021 übertragen und bieten erneut eine telefongestützte Kommunikationsstation an. Mit der Änderung, dass gesunde SPs in unseren Räumlichkeiten anwesend sind und zur Nachbesprechung und Reflektion zur Gruppe hinzukommen können. Eine genauere Betrachtung mittels standardisierter Evaluationsbögen wird uns in Zukunft tiefere Einblicke in die Vor- und Nachteile dieses neuen Settings bringen.


Literatur

1.
Sommer M, Fritz A, Thrien C, Kursch A, Peters T. Simulated patients in medical education - a survey on the current status in Germany, Austria and Switzerland. GMS J Med Educ. 2019;36(3):Doc27. DOI: 10.3205/zma001235 Externer Link
2.
Mohos A, Mester L, Barabás K, Nagyvári P, Kelemen O. [Doctor-patient communication training with simulated patient during the coronavirus pandemic]. Orv Hetil. 2020;161(33):1355-1362. DOI: 10.1556/650.2020.31930 Externer Link
3.
Mazur HG. Praxisführung: Das Telefon ist die akustische Visitenkarte. Dtsch Ärztebl. 2009;106:A947-948.
4.
Holtel M, Enseleit I, Ewald W, Herbig N, Heun S, Neufang A, Pilz S, Pivernetz K, Rode S, Stapenhorst, K. Arbeitshilfe bessere Kommunikation 07. Kommunikation am Telefon. Köln: AG Kommunikation im Qualitätsmanagement und Risikomanagement; 2018.
5.
Kurtz S, Draper J, Silverman J. Teaching and Learning Communication Skills in Medicine. London: CRC Press; 2017. DOI: 10.1201/9781315378398 Externer Link
6.
Tischler M. COVID-19 - Durchbruch für Telemedizin, Homeoffice und digitale Anwendungen? Dtsch Dermatol. 2020;68(6):420-421. DOI:10.1007/s15011-020-3189-7 Externer Link