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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Medizindidaktik während der Pandemie: Das asynchrone Online-Seminar „Schriftliche Prüfungen“ der Frankfurter Arbeitsstelle für Medizindidaktik

Kurzbeitrag Prüfungen

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  • corresponding author Thomas Kollewe - Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich Medizin, Frankfurter Arbeitsstelle für Medizindidaktik, Frankfurt/Main, Deutschland
  • Falk Ochsendorf - Universitätsklinikum Frankfurt, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Frankfurt/Main, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc18

doi: 10.3205/zma001414, urn:nbn:de:0183-zma0014143

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001414.shtml

Eingereicht: 27. September 2020
Überarbeitet: 14. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Kollewe et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Aufgrund des Verbots von Präsenzveranstaltungen im Zuge der Corona-Pandemie wurde das Seminar „Schriftliche Prüfungen“ der Frankfurter Arbeitsstelle für Medizindidaktik (FAM) in ein asynchrones Online-Seminar überführt. Dieses Pilotprojekt untersuchte, wie ein solches Format von den Teilnehmenden angenommen und bewertet wird.

Methodik: Es wurde ein forumsbasiertes Online-Format mit Gruppen- und Einzelaufgaben gewählt, das didaktisch nach dem problemorientierten Design nach Reinmann und Mandl gestaltet wurde.

Ergebnisse: Am Seminar haben 14 Personen teilgenommen, von denen sich 13 an der Evaluation beteiligten. Die Gesamtbewertung lag, mit einer Ausnahme, bei einer Note von 2 (und besser). Auch die drei Items „Praxisrelevanz“, „subjektiver Lernerfolg“ sowie der Frage nach der Weiterempfehlung erhielten sehr hohe Zustimmungswerte. Der von den Teilnehmenden angegebene wöchentliche Arbeitsaufwand war sehr heterogen (MW=2,4 Stunden; SD=1,1). Für einige Teilnehmende war die Bedienung der Lernplattform nicht intuitiv und stellenweise lief die Zusammenarbeit in der Gruppe etwas stockend.

Schlussfolgerung: Die gemachten Erfahrungen zeigen, dass medizindidaktische Fortbildungen grundsätzlich auch gut online umsetzbar sind und von den Teilnehmenden auch gerne angenommen werden. Aufgrund der gemachten Erfahrungen werden Online-Seminare oder auch Blended-Learning-Formate mit Sicherheit in Zukunft weiterhin zum Kursprogramm der FAM gehören.

Schlüsselwörter: Lehrerausbildung, Online-Lernen


1. Einleitung

Aufgrund der Corona-Pandemie wurde an der Goethe-Universität Frankfurt ab Mitte März 2020 jegliche Form der Präsenzlehre untersagt, wodurch auch in der medizindidaktischen Fortbildung der Lehrenden in kurzer Zeit Online-Angebote als Ersatz konzipiert werden mussten. Vor diesem Hintergrund wird die Überführung eines bereits bestehenden Kurses der Frankfurter Arbeitsstelle für Medizindidaktik (FAM) in ein Online-Format beschrieben, wobei die didaktischen Aspekte im Fokus stehen.


2. Projektbeschreibung

Ausgangspunkt war der bereits bestehende 1,5-tägige Kurs „Schriftliche Prüfungen“, der auf der Lernplattform Moodle in ein asynchrones, forumsbasiertes Online-Seminar mit Gruppen- und Einzelaufgaben überführt wurde. Hierdurch sollten eine im Vergleich zu synchronen Formaten höhere zeitliche Flexibilität für die Lernenden erreicht werden. Das Seminar ging über sechs Wochen und in jeder Woche (außer der letzten) gab es eine neue Aufgabe. Die meisten Aufgaben mussten gemeinsam in festen Gruppen bearbeitet werden, andere waren allein zu bearbeiten (siehe Anhang 1 [Anh. 1]).

Die didaktische Gestaltung erfolgte nach dem Modell des problemorientierten Lernens von Reinmann und Mandl, dessen vier kennzeichnenden Elemente wie folgt umgesetzt wurden.

2.1. Authentizität und Anwendungsbezug

Das Modell fordert die aktive Beteiligung der Lernenden durch authentische Problemstellungen mit einer hohen (subjektiven) Relevanz sowie einem hohen Realitätsgehalt [5]. Um dies zu erreichen wurde eine Rahmengeschichte präsentiert, die sich durch die einzelnen Themenblöcke zieht (siehe Anhang 1 [Anh. 1]).

2.2. Multiple Kontexte und Perspektiven

Für das Lernen und den späteren Transfer des Gelernten von großer Bedeutung ist das Lernen in verschiedenen Kontexten [2] und unter multiplen Perspektiven [5]. Durch die Geschichte wurden die Teilnehmenden bspw. angeregt, unterschiedliche Sichtweisen auf die Notwendigkeit von Prüfungen zu berücksichtigen. Die Auseinandersetzung mit Prüfungsfragen aus anderen Disziplinen brachte ebenfalls neue Kontexte und andere Perspektiven mit sich.

2.3. Soziale Lernarrangements

Das gemeinsame Arbeiten und der damit verbundene gegenseitige Austausch ist ein weiterer Bestandteil des problemorientierten Lernens [5]. Die Arbeit in diesem Seminar fand fast ausschließlich in Gruppen mit drei bis vier Personen statt. Gefördert wurde die Gruppenarbeit und -identität durch Maßnahmen, wie selbst gewählte Gruppennamen und Teilnehmerprofile mit Fotos, die zudem den Mangel an sozialer Präsenz verringern [1]. Zudem wurden zu Beginn Seminarregeln bezüglich der Zusammenarbeit und erwarteter Aktivität festgelegt.

2.4. Instruktionale Unterstützung

Lernen ohne Instruktion oder Feedback ist nur selten erfolgreich und führt häufig zu Überforderung der Lernenden [2], [5]. Neben den klaren Instruktionen in den einzelnen Aufgaben wurden auch die für die Bearbeitung der Aufgaben benötigten Informationen entweder bereitgestellt oder mussten von den Teilnehmenden in Eigenarbeit erworben werden. Jede Gruppe erhielt zeitnah vom Dozenten ein schriftliches Feedback für jede eingereichte Lösung. Am Ende des Seminars gab es eine Videokonferenz zur Klärung noch offen gebliebener Fragen.


3. Ergebnisse

Zur Evaluation wurde der leicht modifizierte Evaluationsbogen der FAM genutzt. Insgesamt haben 13 der 14 Teilnehmenden den Evaluationsbogen ausgefüllt. Die Gesamtbewertung zeigte ein sehr positives Bild (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Hinsichtlich der drei Items „Praxisrelevanz“, „subjektiver Lernerfolg“ sowie der Frage nach der Weiterempfehlung ergibt sich ein ähnlich gutes Ergebnis (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Die Gruppenarbeit bzw. der Austausch mit den anderen Seminarteilnehmenden wurden von zwei Personen kritisiert. Dem gegenüber haben drei Personen die Gruppenarbeit in den Freitextantworten explizit als positiv herausgestellt.

Weitere als positiv benannte Aspekte waren die Betreuung und das Feedback durch den Dozenten (n=4) sowie die Möglichkeit, sich die Zeit frei einteilen zu können (n=2). Etwas schlechter wurde die Bedienung der Lernplattform bewertet. Immerhin vier Teilnehmende geben an, diesbezüglich Schwierigkeiten gehabt zu haben.

Bei der Planung des Seminars konnte der tatsächliche Arbeitsaufwand für die Teilnehmenden nur geschätzt werden, weshalb dieser ebenfalls abgefragt wurde (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).


4. Diskussion

Folgende Elemente sind wichtig für ein erfolgreiches, auf Gruppenarbeit basierendes Online-Seminar: Schaffung sowohl von sozialer Präsenz als auch eines Verantwortungsgefühls der einzelnen Teilnehmenden gegenüber der Gruppe sowie kontinuierliches Feedback. Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass dies gut erreicht wurde. Zum einen durch die Seminarregeln und zum anderen durch das individuelle Feedback nach jeder Aufgabe. Das Verfassen dieser schriftlichen Feedbacks nahm deutlich mehr Zeit in Anspruch als mündliche Rückmeldungen. Während also bei einem Präsenzseminar mit einem Umfang von 24 Unterrichtseinheiten (UE) die Arbeit des Dozenten auf eineinhalb Tage konzentriert ist (plus Feedback für die Nachbereitungsaufgaben), so erfordert die Betreuung eines Online-Seminars dieser Form zusätzlich zu den aufwendigeren Feedbacks eine fortwährende Präsenz der Seminarleitung, auch um schnell auf Fragen oder Probleme reagieren zu können. Wie hoch dieser zusätzliche Aufwand ausfällt, ist sehr stark abhängig von den einzelnen Teilnehmenden und der jeweiligen Gruppenzusammensetzung.

Das Seminar wurde mit einem Umfang von 24 UE geplant, was drei Stunden pro Woche entspricht. Mit den angegebenen durchschnittlichen fast zweieinhalb Stunden pro Woche wurde dieses Ziel nur knapp verfehlt. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass drei Personen das Seminar absolviert haben, die lediglich eine bis weniger als zwei Stunden pro Woche Zeit investiert haben. Ein Blick in Präsenzseminare zeigt jedoch, dass sich auch hier der Einsatz sowohl in den Präsenzphasen als auch bei der Nachbereitung stark unterscheidet und es ebenfalls Teilnehmende gibt, die eher nach dem Minimalprinzip verfahren. Dementsprechend fiel auch das Maß der Kommunikation in den Foren je nach Motivation der Teilnehmenden sehr unterschiedlich aus.

Da es auch Teilnehmende gab, die einen Mangel an sozialer Präsenz beklagt haben, wurde für den zweiten Durchgang des Kurses eine kurze Auftakt-Videokonferenz eingeplant, in der sich die Teilnehmenden gegenseitig vorstellen können und in der ebenfalls die wichtigsten Funktionen der Lernplattform demonstriert werden.


5. Schlussfolgerung

Das hier dargestellte Online-Seminar bietet in seiner Form eine gute Möglichkeit, in der aktuellen Krisensituation, in der viele der sonstigen Kurse nicht durchgeführt werden können, ein zumindest eingeschränktes Kursangebot zur Verfügung zu stellen. Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass dies von den Teilnehmenden auch gerne angenommen wird und so werden Online-Seminare wie dieses an der FAM mit Sicherheit auch weiterhin entweder in dieser Form oder als Blended-Learning- Seminar angeboten werden.

Der Etablierung von Online-Seminaren stehen aktuell noch die Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von medizindidaktischen Angeboten des MedizinDidaktikNetz Deutschland entgegen [4]. In diesen sind Präsenzzeiten von mind. 50% des Gesamtumfangs der Basisqualifikation (MQ 1) gefordert. Wenn Präsenzzeiten durch Online-Elemente ersetzt werden, kann dieses geforderte Minimum mitunter nicht mehr erreicht werden. Es muss diskutiert werden, wie dieses Kriterium im Hinblick auf asynchrone Online-Trainings weiterentwickelt werden könnte, beispielsweise dahingehend, dass >50% der Kurszeit mit anderen Teilnehmenden zusammengearbeitet werden muss, um eine ähnliche Interaktion wie bei einem üblichen Kurs zu gewährleisten.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Dresing T. Entwicklung und Evaluation eines hybriden Online-Seminars zur Textanalyse. Münster: Waxmann; 2007.
2.
Kollewe T, Sennekamp M, Ochsendorf F. Medizindidaktik: Erfolgreich lehren und Wissen vermitteln. Heidelberg: Springer; 2018. DOI: 10.1007/978-3-662-56305-2 Externer Link
3.
Krebs R. Anleitung zur Herstellung von MC-Fragen und MC-Prüfungen für die ärztliche Ausbildung. Bern: Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Abteilung für Assessment und Evaluation; 2004.
4.
MedizinDidaktikNetz Deutschland. Konsenspapier des bundesweite MedizinDidaktikNetzes zur gegenseitigen Anerkennung von Leistungen. Tübingen: MedizinDidaktikNetz; 2014. Zugänglich unter/availalble from: https://www.medidaktik.de/fileadmin/user_upload/www.medidaktik.de/Dokumente/Kompetenzzentrum/Netzwerke/MedizinDidaktikNetz/Hintergrund-und-Ziele/Konsenspapier_r1.pdf Externer Link
5.
Reinmann G, Mandl H. Unterrichten und Lernumgebungen. In: Krapp A, Weidenmann B, editor. Pädagogische Psychologie: Ein Lehrbuch. 4., vollst. überarb. Aufl. Weinheim: Beltz; 2006. p.613-658.