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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

IT-Unterstützung der Notfall-Fernlehre als Reaktion auf COVID-19

Kurzbeitrag IT-Support

  • corresponding author Christian Bruns - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Magdeburg, Deutschland; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Zentrum für Datenintegration, Magdeburg, Deutschland
  • Tim Herrmann - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Magdeburg, Deutschland; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Zentrum für Datenintegration, Magdeburg, Deutschland
  • Martin Böckmann-Barthel - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Abteilung für Experimentelle Audiologie, Magdeburg, Deutschland
  • Hermann-Josef Rothkötter - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Anatomie, Magdeburg, Deutschland
  • Johannes Bernarding - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Magdeburg, Deutschland; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Zentrum für Datenintegration, Magdeburg, Deutschland
  • Markus Plaumann - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Magdeburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc16

doi: 10.3205/zma001412, urn:nbn:de:0183-zma0014125

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001412.shtml

Eingereicht: 28. Juli 2020
Überarbeitet: 15. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Bruns et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Covid-19-Pandemie traf das deutsche Bildungssystem unerwartet und zwang dessen Universitäten, auf „Emergency Remote Teaching“ (ERT) umzustellen. Das Datenintegrationszentrum (DIZ) des Universitätsklinikums Magdeburg und das Institut für Biometrie und Medizinische Informatik (IBMI) haben auf Grundlage bestehender Strukturen ein Konzept entwickelt, das von der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität schnell umgesetzt und genutzt werden konnte. Im Mittelpunkt dieses Manuskripts steht die IT-Unterstützung der Dozierenden, die es diesen ermöglicht, sich auf die Lehre zu konzentrieren, wobei den Autoren bewusst ist, dass dies nur einen kleinen Teil des gesamten Problems abdeckt. Außerdem ist dieses Manuskript unter dem Bewusstsein verfasst, dass die ERT einen gut strukturierten Präsenzunterricht niemals ersetzen kann.

Konzept: Das Hauptmerkmal des Konzepts ist die weitere Nutzung des bereits gut funktionierenden Raumverwaltungssystems für alle existierenden Räume der Universität mithilfe der Einrichtung eines virtuellen Videokonferenzraums für jeden physischen Raum. Dies ermöglicht eine hohe Interaktivität für Vorlesungen und Seminare bei weiterer Verwendung bewährter und gewohnter Lehrmethoden. Zusätzlich wurden ein Kollaborationssoftwaresystem zur Dokumentation aller gewonnenen Erkenntnisse und typischer Fehler und ein technisches Support-Team für das Lehrpersonal zur Verfügung gestellt. Da Kurse mit einem praxisorientierten Ansatz mehr persönliche Interaktion als Vorlesungen benötigen, wurden die Anforderungen der Praktika nicht vollständig mit diesem Konzept gelöst, aber durch die Verwendung von Fragebögen und der Minimierung von Kontakten während der Testate angegangen.

Angewandte IT-Tools: Die Anforderungen des Konzepts wurden durch Zoom Meetings, Confluence, HIS/LSF und Moodle gelöst.

Diskussion und Schlussfolgerung: Das Konzept half den Dozierenden den Studierenden an der Hochschule eine hochqualitative Lehre anzubieten. Darüber hinaus ermöglicht es eine dynamische Reaktion auf neue Bedürfnisse und Probleme. Das Konzept wird im Rahmen eines „Universal Design for Learning“-Konzepts überprüft und kann die Dozierenden in den folgenden Semestern bei hybriden Veranstaltungen mit realen und virtuellen Teilnehmern unterstützen.

Schlüsselwörter: Emergency Remote Teaching, virtuelle Räume, IT-Unterstützung, medizinische Ausbildung, COVID-19


Einführung

Die COVID-19-Pandemie begann in Deutschland kurz vor Beginn des Sommersemesters 2020 und bewirkte einen dramatischen Wandel in der traditionellen Lehre an deutschen Universitäten [1], die zumeist auf Präsenzveranstaltungen aufgebaut war. Dieses Manuskript konzentriert sich auf ein Konzept, das es der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ermöglichte, möglichst viele Lehrveranstaltungen mit Hilfe von IT-Unterstützung anzubieten. Aufbauend auf einer bestehenden minimalen E-Learning-Struktur und Erfahrungen mit virtuellen Konferenzwerkzeugen war es das Hauptziel, den Dozierenden in Zusammenarbeit mit dem Studiendekanat eine IT-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die sie mit möglichst geringem Aufwand nutzen konnten, um die Lehre für die Studierenden mithilfe bereits vorhandener Lehrmaterialien durchführen zu können. Daher beschlossen die Autoren, mit den Dozierenden auf einer Metaebene über ihre grundlegenden Lehrbedürfnisse und IT-Fähigkeiten zu sprechen und anschließend eine schnelle, benutzerfreundliche und generische IT-Lösung für alle zu entwickeln.

Die Autoren möchten betonen, dass „Emergency Remote Teaching“ (ERT) [2], wie es in diesem Fall angewandt wird, niemals einen gut durchdachten schrittweisen Prozess zur Anpassung eines jeden Teils der Lehrkette [3] ersetzen kann. Nichtsdestotrotz ermöglichte die COVID-19-Krise einen neuen Einblick in verschiedene IT-Lösungen und die erforderlichen methodischen Anpassungen, um eine technische Grundlage für einen großen Teil der erforderlichen Lehre darzustellen, anstatt die universitäre Lehre komplett einzustellen. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Anforderungen und die entsprechenden IT-Lösungen beschrieben.


Verwaltung

Um das oben beschriebene Konzept zu realisieren, beschlossen die Autoren, das Raumbuchungssystem der Universität für alle bestehenden physischen Räume (LSF; [https://www.his.de/]) auch für die Verwaltung der virtuellen Räume zu nutzen: Jedem physischen Raum wurde ein Videokonferenzraum zugeordnet, der permanent geöffnet und durch ein einheitliches Passwort gesichert ist. Jeder physische Raum in der Datenbank ist nun direkt mit dem entsprechenden Videokonferenzraum verbunden. Dies hat nur zu einer minimalen Änderung des Arbeitsablaufs und der Arbeitsbelastung des Raumbuchungsteams der Universität geführt. Das Konzept wurde den Vorlesenden online demonstriert und diese Demonstration für die zukünftige Nutzung aufgezeichnet.

Zur zusätzlichen technischen Unterstützung der Medizinischen Fakultät stellten und schulten das Datenintegrationszentrum (DIZ) des Universitätsklinikums Magdeburg und das Institut für Biometrie und Medizinische Informatik (IBMI) ein kleines vierköpfiges Team, das alle gewonnenen Erfahrungen dokumentierte und Tutorial-Videos aufnahm, um mit Hilfe der Kollaborationssoftware nachhaltig Wissen innerhalb des Lehrkörpers zu verbreiten.


Vorlesungen/Seminare

Die meisten der modernen Vorlesungsstrategien erfordern zumindest eine minimale Interaktion zwischen Dozierenden und Studierenden. Daher erlaubt die beschriebene Videokonferenzlösung, die Präsentation der Dozierenden zu zeigen und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, Studierenden für Fragen oder Kommentare das Mikrofon freizugeben. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, dieselbe Lösung (für Vorlesungen) auch für Seminare mit hoher Interaktivität zu verwenden. Die hohe Anzahl an Studierenden in medizinischen Kursen erfordert jedoch Lizenzen für mindestens 250 Teilnehmer, die eine Vorlesung zur gleichen Zeit besuchen können. Einige Dozenten sind es gewohnt, intensiver mit ihren Studierenden zu interagieren. Sie halten diese aufmerksam, indem sie ihnen Fragen stellen und sie in mögliche medizinische Entscheidungen einbeziehen. Zu diesem Zweck wurde eine standardisierte Umfrage mit generischen Antworten (a, b, c, d, ...) zum Inhalt der von den Dozierenden gezeigten Folien entwickelt. Um den Studierenden die Arbeit in Kleingruppen zu ermöglichen, kann der virtuelle Raum von den Dozierenden aufgeteilt werden.

Praktika

Praktika und medizinische Demonstrationen lassen sich kaum vollständig virtualisieren. Ein Ansatz besteht darin, in kleinen Gruppen zu arbeiten, um soziale Distanzierungsregeln einzuhalten. Hinzu kommt, dass in einzelnen Fällen bereits Antestate per Video die Zahl der physischen Kontakte reduziert haben. Als Alternativlösung können Experimente mit verschiedenen typischen Parametern durchgeführt und von einem Ausbildungsverantwortlichen aufgezeichnet werden. Anschließend entscheiden die Studierenden durch Beantwortung eines Fragebogens, wie das Experiment durchgeführt werden soll und erhalten so die Ergebnisse. Danach setzen sie ihre Arbeit fort und protokollieren die Ergebnisse. Einige dieser Experimente wurden in einen Schritt-für-Schritt-Online-Kurs umgewandelt, der experimentelle Daten liefert, die sich auf die individuellen Entscheidungen stützen.

IT-Werkzeuge

Softwarelösungen, die den oben vorgestellten Anforderungen entsprachen, waren Zoom Meetings, ein Videokonferenzwerkzeug, Confluence, eine Kollaborationssoftware von Atlassian und Moodle, eine bereits etablierte Lernplattform für Fragebögen der Praktika.


Diskussion

Das Konzept war, nicht zuletzt aufgrund der hohen Motivation (zu sehen auch in Abbildung 1 [Abb. 1] anhand der Nutzungsstatistiken ausgewählter virtueller Räume) und Kreativität der Dozierenden selbst, die Konzepte für ihre eigenen Anwendungen optimiert und entwickelt haben, erfolgreicher als erwartet (wenn man bedenkt, dass es sich dabei um ERT handelte). Dennoch gab es anfangs verschiedene typische Missverständnisse, wie beispielsweise die Befürchtung der Dozierenden einer Überbuchung der virtuellen Räume – ähnlich einer Überbuchung der physischen Räume. Daher erstellte das Team einige zusätzliche Räume mit einem offenen Kalender, die spontan und einfach gebucht werden können.

Eine erste kurze Evaluation von 24 Dozierenden vor dem Hintergrund des ERT zog ein positives Ergebnis für unsere intuitive Lösung. Die Dozierenden stellten eine höhere Anwesenheitsquote fest, baten aber um individualisierbarere Räume für spezielleren Unterricht in den folgenden Semestern. Kritik wurde vor allem am teilweise unvollständigen Informationsfluss an die Dozierenden im Vorfeld geäußert. Um diesem zu begegnen, wurden mehr Informationen und Videoclips in der Kollaborationssoftware bereitgestellt. Ein weiterer Kritikpunkt war die unbefriedigende technische Ausstattung, die an unserem Universitätsklinikum, genauso wie an anderen deutschen Standorten, in den letzten Jahren vernachlässigt wurde [4]. Überraschend waren die überdurchschnittlichen Noten der Studierenden in den Prüfungen und das positive Feedback der Studierenden. Bemerkenswert ist, dass sie sich gegenseitig sehr unterstützt haben, was zu einem geringeren Aufwand an zentraler technischer Unterstützung durch die universitären Einrichtungen führte.

Das Support-Niveau nahm im Laufe der Zeit massiv ab, von etwa 8 Stunden pro Woche am Anfang bis zu einigen Anrufen am Ende des Semesters. Dabei konzentrierte sich der IT-Support hauptsächlich auf das Videokonferenz-Tool.

Der Schwerpunkt dieses kurzen Manuskripts liegt auf der IT-Unterstützung der Dozierenden. Bei notwendigen physischen Kontakten, z.B. bei Patientenkontakten oder Prüfungen, konnte das IT-Team daher weniger unterstützen. Auch weitere andere Aspekte werden in diesem Bericht nicht behandelt. Dazu gehören Datenschutzvorgaben, die Perspektive der Studierenden, der plötzliche Wechsel der didaktischen Methoden und eine höhere Arbeitsbelastung im klinischen Alltag aufgrund der COVID-19-Pandemie [4]. Um aber den offensichtlichen Aspekt der Sicherheit hinzuzufügen: Im Sommersemester wurden keine nicht-autorisierten Teilnehmenden dokumentiert. Einmal drang ein Passwort zu Dritten vor, aber das Problem konnte innerhalb weniger Stunden durch Änderung des Passworts gelöst werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das ERT den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, aber eine vollständige Schließung von Bildungseinrichtungen verhindern kann. Zusätzlich hat dieses „erzwungene Experiment“ angeregt, den traditionellen Unterricht in Zukunft durch Online-Lehre zu ergänzen.


Ausblick

In naher Zukunft wollen die Autoren weiteres Feedback sammeln, um ein „Universal Design for Learning“-Konzept [2] zu erstellen, das auch die IT-Infrastruktur zur Vorbereitung künftiger Notfall-Lehrveranstaltungen umfasst. Die Autoren sind überzeugt, dass hybride Lehrmethoden möglich sind, bei denen einige der Teilnehmer persönlich anwesend sind, während andere virtuell teilnehmen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Kerres M. Against All Odds: Education in Germany Coping with Covid-19. Postdigital Sci Educ. 2020;2:690-694. DOI: 10.1007/s42438-020-00130-7. Externer Link
2.
Hodges C, Moore S, Lockee B, Frust T, Bond A. The difference between emergency remote teaching and online learning. Educ Rev. 2020. Zugänglich unter/available from: https://er.educause.edu/articles/2020/3/the-difference-between-emergency-remote-teaching-and-online-learning Externer Link
3.
Dykman CA, Davis CK. Online Education Forum: Part Two-Teaching Online versus Teaching Conventionally. J Inform Syst Educ. 2008;19:157-164.
4.
Offergeld C, Ketterer M, Neudert M, et al. "Ab morgen bitte online": Vergleich digitaler Rahmenbedingungen der curricularen Lehre an nationalen Universitäts-HNO-Kliniken in Zeiten von COVID-19: Digitale Lehre an nationalen Universitäts-HNO-Kliniken. HNO. 2020. DOI: 10.1007/s00106-020-00939-5 Externer Link