gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vermittlung wissenschaftlich-experimenteller Methodik und Förderung wissenschaftlichen Denkens mittels Distanzlehre

Kurzbeitrag Wissenschaftliche Kompetenzen

Suche in Medline nach

  • author Alice Assinger - Medizinische Universität Wien, Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung, Wien, Österreich
  • author Matthäus Grasl - Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten, Wien, Österreich
  • corresponding author Ivo Volf - Medizinische Universität Wien, Institut für Physiologie, Wien, Österreich

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc15

doi: 10.3205/zma001411, urn:nbn:de:0183-zma0014112

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001411.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 23. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Assinger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Zielsetzung des dargestellten Projekts bestand darin, ein Seminar zur Vermittlung experimentell- wissenschaftlicher Methodik zeitnah auf Distanzlehre umstellen. Anlass dafür war der COVID-19-bedingte Entfall der Präsenzlehre.

Methodik: Der inhaltliche Schwerpunkt der Lehrveranstaltung lag in der Durchflusszytometrie. Die Grundlagen dazu wurden in einer virtuellen Präsenzphase erarbeitet. Für die weiteren spezifischen Unterrichtsinhalte wurde eine interaktive Präsentation verwendet, welche dem Bedienerlebnis eines Durchflusszytometers sehr nahe kam und den Einfluss unterschiedlicher experimenteller Bedingungen auf die erhaltenen Ergebnisse interaktiv veranschaulichte.

Dazu wurden unter anderem Videosequenzen authentischer Probenaquisitionen in Adobe Captivate eingebunden. Diese „virtuellen Aquisitionen“ waren in ihrer optischen Darstellung vom Originalvorgang nicht unterscheidbar. Für die Interpretation der damit erhaltenen Diagramme wurden Interaktionen eingefügt, welche ein vergleichendes Gegenüberstellen der erhaltenen Ergebnisse ermöglichten.

Umsetzung: Eine Präsentation mit interaktiven Elementen und Videosequenzen wurde erstellt und in den virtuellen Präsenzphasen verwendet. Nach Veröffentlichung im HTML 5-Format stand sie den Studierenden für eine Nachbearbeitung der Lerninhalte in selbstbestimmter Ablaufsteuerung und voller (interaktiver) Funktionalität über das Internet zur Verfügung.

Schlussfolgerung: Die durch die Studierenden erarbeiteten Inhalte lassen ein inhaltliches Verständnis erkennen, welches mit dem der letzten Jahre (in Präsenzmodus) vergleichbar ist. Das erhaltene narrative Feedback war durchwegs positiv, der für die Implementierung dieser Lösung notwendige Arbeitsaufwand war unverhältnismäßig hoch. Aufgrund der Kurzfristigkeit der Umsetzung konnte keine systematische Evaluation durchgeführt werden, was eine klare Limitation dieser Arbeit darstellt.

Schlüsselwörter: Fernunterricht, wissenschaftliches Denken und Argumentieren, Durchflusszytometrie, Biochemie


Einleitung

Die hier dargestellte Lehrveranstaltung stellt ein Wahlpflichtfach des 10. Studiensemesters (Seminar/Praktikum 809.086, Fluoreszenzbasierte Methoden in der zellbiologischen Forschung) im Umfang von 15 akademischen Stunden dar, welches für 3 Gruppen mit jeweils 5 TeilnehmerInnen zu unterschiedlichen Zeiten abgehalten wurde.

Das Lernziel lag in einer Förderung des wissenschaftlichen Denkens. Den Studierenden wurden dafür unterschiedliche biochemische Methoden vorgestellt und anhand konkreter Fragestellungen diskutiert, welche Forschungsfragen mit jeder dieser Methoden (nicht) beantwortbar sind. In einem (im Präsenzkonzept) praktischen Teil der LV erfolgte die angeleitete Bedienung eines Durchflusszytometers (Antikörper-Färbung eigener Blutproben) und eine basale Analyse und Interpretation der erhaltenen Ergebnisse.

Durch das COVID-19 bedingte Verbot von Präsenzlehre musste diese Lehrveranstaltung für eine Abhaltung im Distanzmodus adaptiert werden.


Projektbeschreibung

Die Umsetzung dieser Lehrveranstaltung zu Distanzlehre wurde realisiert, indem jeder der fünf Studierenden der jeweiligen Gruppe ein individuelles Thema zugewiesen bekam (siehe Legende in Abbildung 1 [Abb. 1]). Bei der Ausarbeitung dieser individuellen Themen erhielten die Studierenden nach Bedarf Feedback zu geplantem Aufbau und Detailgrad der Präsentation sowie allfälligen Fragen und hatten eine Präsentation im Umfang von maximal 4 Folien zu erstellen. Neben einer prägnanten Zusammenfassung der vorgegebenen Themen sollte durch eingeforderte Überlegungen zur Anwendbarkeit der betreffenden Methodik auf spezifische wissenschaftliche Fragestellungen auch das wissenschaftliche Denken gefördert werden („Formulieren Sie unterschiedliche wissenschaftliche Fragestellungen, welche mit … untersucht werden könnten“).

In einer anschließenden virtuellen Präsenzphase wurde nach dem Prinzip eines Gruppenpuzzles vorgegangen und die Themen im Rahmen eines (beaufsichtigten) peer-teaching der ganzen Gruppe vermittelt. Es folgte eine Diskussion zu Inhalt, Anwendbarkeit der Methodik und den zu den Themen vorgeschlagenen wissenschaftlichen Fragestellungen.

Da ein inhaltlicher Schwerpunkt in der experimentellen Durchführung der Durchflusszytometrie lag, wurden gerade dazu große Anstrengungen unternommen, um den Wegfall der Präsenzlehre – und die damit verbundene Möglichkeit zur eigenhändigen Bedienung des Gerätes - möglichst vollständig zu kompensieren.

Konkretes Ziel war, die virtuelle Probenaquisition im Rahmen der Distanzlehre möglichst realistisch erscheinen zu lassen und den Einfluss unterschiedlicher experimenteller Bedingungen auf die erhaltenen Ergebnisse zu veranschaulichen.

Die theoretischen Grundlagen der Durchflusszytometrie wurden gezielt in einer eigenständigen virtuellen Präsenzphase gelehrt. Für die darauf folgenden weiteren Zytometrie-spezifischen Unterrichtsinhalte wurde eine in Adobe Captivate erstellte Präsentation verwendet.

Dafür wurden Videosequenzen authentischer Probenaquisitionen in Captivate eingebunden; nach schriftlicher Darstellung und verbalen Erklärungen zu den jeweiligen experimentellen Bedingungen konnte diese „virtuelle Aquisition“ durch Drücken einer Schaltfläche gestartet werden – die optische Darstellung der Probenaquisition war dabei vom Originalvorgang nicht unterscheidbar. Zusätzlich wurden für die Interpretation der (virtuell) erhaltenen Punktdiagramme Interaktionen eingefügt, wodurch die im Rahmen der Probenerfassung erhaltenen Diagramme direkt gegenübergestellt werden konnten (basale Demonstration auf http://educativo.at/DemoFACS/)

Diese Präsentation wurde für die per WebEx zugeschaltete Gruppe vom Bildschirm des jeweiligen Lehrenden mit den Studierenden geteilt; für die individuelle Auseinandersetzung mit den interaktiven Elementen sowie eine Nachbearbeitung der Lerninhalte stand die Präsentation den Studierenden in selbstbestimmter Ablaufsteuerung und voller (interaktiver) Funktionalität im Internet zur Verfügung.


Methodik

Es wurde in Adobe Captivate eine Präsentation mit interaktiven Elementen und Videosequenzen erstellt. Diese wurde im HTML 5-Format auf einem Webserver publiziert und war damit in jedem Webbrowser (auch auf Tablets, unabhängig vom Betriebssystem) darstellbar.

Für eine möglichst originalgetreue Darstellung der Probenerfassung wurden authentische Probenaquisitionen als Videosequenzen mit einer Framerate von 30 Bildern pro Sekunde auf dem mit dem Durchflusszytometer verbundenen PC aufgezeichnet. Als Software dafür wurde easyscreencastrecorder (Freeware, [https://www.portablefreeware.com/index.php?id=2840]) eingesetzt, welches die Aufzeichnung von Videos auch in definierten Unterbereichen des Bildschirms erlaubt. Das resultiernde mpeg (Audio Codec Engine PCM) wurde mit OpenShot (Freeware, [https://www.portablefreeware.com/index.php?id=2840]) in mp4 (h.264) mit Video Profile HDV 720 24p (1280x720) in hoher Qualität konvertiert und so in Captivate eingebunden.


Diskussion

Adobe Captivate wurde genutzt, um eine interaktive Präsentation zu schaffen, welche den Studierenden auch über das Internet zugänglich gemacht wurde. Aufgrund der Kurzfristigkeit der erforderlichen Umsetzung konnte keine systematische Evaluation durchgeführt werden, was eine klare Limitation dieser Arbeit darstellt. Unaufgefordert erhaltenes narratives Feedback der Studierenden war durchgehend positiv, die durch die Studierenden erarbeiteten Inhalte lassen ein inhaltliches Verständnis erkennen, welches mit dem der letzten Jahre (in Präsenzmodus) vergleichbar ist.

Der für die Implementierung dieser Lösung notwendige Arbeitsaufwand war mit etwa 35 Stunden in Relation zu der damit bespielten Unterrichtszeit (4 Stunden) unverhältnismäßig hoch. Die beschriebene elektronische Lerneinheit soll auch bei einer Rückkehr zur Präsenzlehre eingesetzt werden.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.