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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

COVID-19 als Chance für hybride Lehrkonzepte

Kurzbeitrag Teamwork

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  • Yaël Weissmann - ETH Zürich, Zürich, Schweiz
  • Mirdita Useini - ETH Zürich, Zürich, Schweiz
  • corresponding author Jörg Goldhahn - ETH Zürich, Zürich, Schweiz

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc12

doi: 10.3205/zma001408, urn:nbn:de:0183-zma0014084

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001408.shtml

Eingereicht: 29. Juli 2020
Überarbeitet: 30. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Weissmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

COVID-19 hat das Frühlingssemester 2020 komplett auf den Kopf gestellt. Drei Tage vor Beginn der Blockwoche des Moduls „Teamwork“ gab das Bundesamt für Gesundheit (BAG) das Verbot von Live-Interaktion bekannt, was die Durchführung von fünf Übungstagen im Simulationszentrum des Universitätsspitals Zürich verunmöglichte. Doch wie kann die Vermittlung aller für die Medizinausbildung nötigen Lernziele während einer Ausnahmesituation mit stetig wechselnden Bedingungen garantiert werden? Im Falle des BSc Humanmedizin an der ETH Zürich (ETHZ) lautet die Antwort: hybrid.

Der Erfahrungsbericht „COVID-19 als Chance für hybride Lehrkonzepte“ skizziert, wie an der ETHZ in kürzester Zeit die Umstellung auf hybriden Unterricht erfolgte und Spitaleinsätze mit Videokonferenzen gepaart wurden. Die qualitativen Befragungen Ende des Semesters sowie die von März bis Juni wöchentlichen quantitativen Erhebungen der Studierenden deuten auf die Wichtigkeit von persönlichem Austausch trotz Kontaktverbot hin und dass Interaktivität auch ohne physische Nähe möglich ist. Anhand eines Beispiels aus dem Herbstsemester wird ausserdem aufgezeigt, welche Aspekte sich bewährt haben und beibehalten werden können.

Schlüsselwörter: hybride Lehrkonzepte, Teamarbeit, Medizinausbildung, COVID-19


1. Einleitung

Drei Tage vor Beginn der Blockwoche des Moduls „Teamwork“ gab das Bundesamt für Gesundheit das Verbot von Live-Interaktion bekannt, was die Durchführung von fünf Übungstagen im Simulationszentrum des Universitätsspitals Zürich verunmöglichte. In unterschiedlich komplexen Simulationen hätte die Rolle eines Collaborator im CanMed-Modell (Profiles GO 3) adressiert („As collaborators, physicians are team players who effectively work together in interdisciplinary and interprofessional partnerships in order to provide optimum patient care, education, and/or research.“ [1]) und spürbar aufgezeigt werden sollen, dass für eine erfolgreiche Behandlung interdisziplinäre Zusammenarbeit und gute Kommunikation grundlegend sind. Ein weiteres Ziel, basierend auf der Cognitive Apprenticeship Methode, war die eigenen Überlegungen hinter den Handlungen in den Kontext der täglichen Arbeit setzen zu können [2]. Eine zeitgleiche Anfrage der Kantonsärztinnen und -ärzten ermöglichte, dass die Studierenden während der Ausnahmesituation in den Spitälern vor Ort unterstützen und so im realen Alltag auf Teamfähigkeit und den Umgang mit heiklen Stresssituationen getestet werden konnten.


2. Begleitung der Einsätze

Von März bis Juni 2020 waren 69 Studierende des 6. Semesters des Bachelorstudiengangs in Humanmedizin an der ETHZ, in diversen Spitälern gegen das neuartige Coronavirus im Einsatz. Die Aufgabenbereiche erstreckten sich von Einlasskontrolle über Anamnese im Triage-Provisorium, Mitarbeit im Labor bis hin zur Unterstützung auf der Intensivstation.

Um die sich stark unterscheidenden persönlichen Erkenntnisse der Studierenden kategorisieren und so generelle Entwicklungen und Muster erkennen zu können, wurden wöchentlich Lessons Learned via Mail erhoben. In den ersten Wochen erzählten dabei viele, wie sie ihre in Theorie erlernten Kommunikationsfähigkeiten in den klinischen Alltag integrieren konnten und sie die Wichtigkeit von Einfühlungsvermögen und Anpassungsfähigkeit erkannt haben. Mit der Zeit verschob sich der Fokus immer mehr auf die eigenen klinischen Fähigkeiten und den Spitalalltag, speziell auf die zu leistenden Überstunden und die Kompromissbereitschaft.

Während der Einsätzen fanden sich einige Studierende in Situationen wieder, auf die sie nicht vorbereitet waren. Um solche Erlebnisse richtig einordnen zu können, hatten die Studierenden zu Beginn der täglichen 90-minütigen Zoom-Coachings die Möglichkeit von ihren Erfahrungen zu berichten und diese im geschützten Rahmen mit ihren Mitstudierenden und den Dozierenden zu reflektieren. In der verbleibenden Zeit wurden unterschiedliche Themen intensiv behandelt: Speak Up in kritischen Situationen, Briefings & Debriefings, Time-Outs und Boards & Kolloquien. Die Studierenden erhielten je Thema einen separaten Arbeitsauftrag zur Vorbereitung und mussten sich mittels Fachtexten und Videos vorab informieren, womit der rote Faden und die fachliche Einordnung gewährleistet werden konnte. Die Dozierenden standen auch nach Modulende für Besprechungen via Zoom zur Verfügung.

Qualitative Befragungen von 12 Studierender haben gezeigt, dass dies sehr geschätzt wurde. Durch das gemeinsame Auseinandersetzen konnten die Studierenden gegenseitig von ihren Erfahrungen profitieren und einschneidende oder frustrierende Momente besser einordnen und verarbeiten. Da das Curriculum ohnehin auf dem Prinzip des kontextuellen Lernens beruht, fügte sich diese Lerneinheit gut in das Gesamtkonzept des Studiengangs ein [3]. Mit etwas mehr Vorlaufzeit, einem strukturierteren Vorgehen sowie der Erteilung spezifischerer Aufgaben zur Lernzielerreichung könnte diese Form des praxisnahen Lernens noch effektiver genutzt werden. Der Abgleich von Erwartungshaltung mit dem Erlebten kann zu einer besseren Einordnung der Teamarbeit im Alltag führen und damit zu einem besseren Rollenverständnis des Collaborator im CanMed Modell. Die Reflektion sollte daher in der nächsten Durchführung noch weiter ausgebaut werden.

Da die ETHZ bereits vor COVID-19 den Videokonferenzdienst Zoom für Übertragungen verwendet hat und problemlos in kürzester Zeit die Lizenzen erhöhen konnte, lag die Nutzung für den Unterricht nahe. Besonders die Breakout Rooms, in welchen die Teilnehmenden während eines bestimmten Zeitraums in Kleingruppen für Diskussionen oder Besprechungen unterteilt werden können, ermöglichen den derzeitigen Rahmenbedingungen gerecht zu werden und trotzdem ein hohes Maß an Interaktion zu erhalten. Die Erfahrungen der ETHZ decken sich dabei mit jenen anderer Institutionen [4], [5].


3. Simulation vs. Praxis: Was bleibt?

Die Einsätze in der Klinik haben gezeigt, dass Medizinausbildung ganz ohne reale Situationen nicht funktioniert. Intensive zwischenmenschliche Interaktionen mit Patientinnen und Patienten, Angehörigen sowie dem eigenen Team können virtuell in ihrer ganzen Komplexität nicht nachgestellt werden, noch lernt man die eigene Belastungsgrenze vor dem Endgerät kennen. Die beiden Fragen, wann Praxis und wann Simulation am geeignetsten ist und wie sich die beiden Methoden am besten kombinieren lassen, werden uns bis auf Weiteres begleiten. Gut erkennbar ist dies am aktuellen Beispiel der Einführungswoche des Moduls „Grundbausteine Mensch“. Statt fünf Tagen in der Klinik, wurde dieses Jahr auf hybriden Unterricht umgestellt. Den Studierenden werden via Zoom die wichtigsten theoretischen Aspekte vermittelt, bevor sie sich dann in Kleingruppen für einen halben Tag im Spital bewegen. Am letzten Tag findet für alle ein gemeinsames virtuelles Debriefing statt. Bei der Planung dieser Woche konnte stark von den Erfahrungen im März profitiert werden.

Durch COVID-19 sind wir gezwungen, die Lehrmethoden neu zu denken, wie beispielsweise die Kombination von distance learning via Videotechnik mit on-site Kleingruppenunterricht – eine scheinbar effektive Lernkombination. Nun gilt es, auf den Erfahrungen aufzubauen und mittels engmaschiger Begleitung von Lehrforschung langfristig auf hybride Unterrichtskonzepte umzustellen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Michaud PA, Jucker-Kupper P. PROFILES: Principal Objectives and Framework for Integrated Learning and Education in Switzerland. Bern: Joint Commission of the Swiss Medical Schools; 2017.
2.
Collins A, Brown JS, Holum A. Cognitive Apprenticeship: Making Things Visible. Am Educ Prof J Am Fed Teach. 1991;15:6-11, 38-46.
3.
van Houten-Schat MA, Berkhout J, van Dijk N, Endedijk MD, Jaarsma AD, Diemers AD. Self-regulated learning in the clinical context: a systematic review. Med Educ. 2018;52(10):1008-1015. DOI: 10.1111/medu.13615 Externer Link
4.
Samueli B, Sror N, Jotkowitz A, Taragin B. Remote pathology education during the COVID-19 era: Crisis converted to opportunity. Ann Diagn Pathol. 2020;49:151612. DOI: 10.1016/j.anndiagpath.2020.151612 Externer Link
5.
Co M, Chu KM. Distant surgical teaching during COVID-19 - A pilot study on final year medical students. Surg Pract. 2020;24(3):105-109. DOI: 10.1111/1744-1633.12436 Externer Link