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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Neurologischer Untersuchungskurs im interaktiven Webinar in Zeiten der Pandemie. Erläuterung der Umsetzung und Optimierung sowie kritische Betrachtung

Kurzbeitrag Webinar

  • C. Oster - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, Essen, Deutschland
  • I. Farhood - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, Essen, Deutschland
  • S. Klebe - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, Essen, Deutschland
  • C. Kleinschnitz - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, Essen, Deutschland
  • corresponding author Lorenz Peters - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, Essen, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc9

doi: 10.3205/zma001405, urn:nbn:de:0183-zma0014051

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001405.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 26. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Oster et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Situation: Die COVID-19-Pandemie führte dazu, dass der praktische Teil der Lehre nicht in gewohnter Form stattfinden konnte.

Problemstellung: Innerhalb kürzester Zeit mussten etablierte Präsenzkonzepte auf Onlineformate umgestellt werden, um den gesundheitsbehördlichen Vorgaben gerecht zu werden.

Lösungsansätze: Die Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen führte unter Berücksichtigung der Datenschutzrichtlinien den praktischen Teil der Lehre im 5. klinischen Semester als live übertragenen Untersuchungskurs durch, was eine Partizipation der Studierenden bei der Anamnese und eine Interaktion mit den Dozierenden ermöglichte. Somit geht dieses Konzept über die videobasierten Formate des Untersuchungskurses hinaus. Hierbei wurden Patientinnen und Patienten nach deren Einverständnis mit Hilfe der online zugeschalteten Studierenden vor der Kamera anamnestiziert und untersucht.

Optimierungsmöglichkeiten: Im Verlauf wurde die technische Ausstattung deutlich verbessert, um bessere Bild- und Tonqualität zu gewährleisten. Für Lob und Kritik bestand ein enger Austausch mit den Studierenden. Ziel ist in Zukunft ein klinikeigener Onlinekanal um die Datensicherheit weiter zu erhöhen.

Schlüsselwörter: Webinar, Online-Untersuchungskurs, Neurologie, COVID-19-Pandemie


Situation

Nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie wurde durch Infektionsschutzbestimmungen, die vor allem auf Kontaktbeschränkungen fußten, die Lehre vor große Herausforderungen gestellt. So konnte unter anderem in der Neurologie am Universitätsklinikum Essen der neurologische Untersuchungskurs, der im Rahmen eines Bedsite-Teachings abgehalten wird, im Sommersemester 2020 zum Schutz von Studierenden, Personal sowie Patientinnen und Patienten nicht in Präsenz stattfinden.


Problemstellung

Die etablierten Präsenzkonzepte der Lehre mussten innerhalb weniger Wochen vollständig auf ein online basiertes Alternativkonzept umgestellt werden. Insbesondere die Umstellung des praktischen Teils stellte eine Herausforderung dar [1]. Die Nähe zu Patientinnen und Patienten respektive zum klinischen Fall ist jedoch ein integraler Bestandteil der Lehre [2]. Somit wurde ein Konzept mit technischen Lösungen erarbeitet, das zum einen die vorgeschriebene räumliche Distanz gewährleistet und zum anderen ein Höchstmaß an Partizipation zulässt.


Lösungsansätze

Die Hauptlehre der Neurologie findet am Universitätsklinikum Essen im 5. klinischen Semester statt. Neben der kostenlosen Bereitstellung eines E-Books zur neurologischen Untersuchung mit Videosammlung entschlossen wir uns, die Partizipation der Studierenden durch einen live übertragenen ca. 60-minütigen Untersuchungskurs mit anschließender Fallbesprechung sowie Wiederholung der neuroanatomischen Grundlagen anzubieten. Dieser Kurs orientierte sich an sechs thematisch aufbauenden Terminen, von der neurologischen Anamneseführung bis zur Untersuchung der verschiedenen neurologischen Systeme.


Ablauf

Die Gesamtorganisation des Kurses wurde von zwei für das Semester eingeteilten Lehrassistenten begleitet, die für die technische Bereitstellung, die Instruktion der Dozierenden und die Kommunikation mit den Studierenden verantwortlich waren. Von assistenzärztlicher Seite wurden in wechselnder Folge jeweils zwei Personen benannt, die im Vorfeld stationäre Patientinnen und Patienten mit thematisch passenden Symptomen ansprachen. Dabei war es wichtig Personen auszuwählen, die ein ausreichendes Verständnis von den Limitationen eines Webinars mit Hilfe von kommerziellen Softwarelösungen haben. Sie gaben ihr schriftliches Einverständnis vor der Kamera live anamnestiziert und untersucht zu werden. Eine gewisse Anonymisierung konnte auch durch das bis auf wenige Situationen kontinuierliche Tragen des Mund-Nasen-Schutzes erreicht werden. Die Studierenden wurden explizit auf Ihre Schweigepflicht hingewiesen und darauf, dass das Abfilmen (Screencast) der körperlichen Untersuchung untersagt war. Während des eineinhalbstündigen Online-Kurses wurde die Patientin oder der Patient zunächst von den Studierenden durch Tonzuschaltung anamnestiziert. Im Anschluss erfolgte eine durch die Studierenden geleitete systematische Untersuchung durch den Dozierenden, wobei ein weiterer Kollege die Kamera führte und ein eingewiesener Studierender am Computer die Teilnehmerlisten überprüfte, Wortmeldungen koordinierte sowie den Chat betreute (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Supervidiert wurde der Kurs oberärztlich, wobei sich diese/r wie die Studierenden online zuschaltete und im Anschluss an die Untersuchung die Fallbesprechung leitete und auf Fragen oder mögliche Fehler während der Untersuchung einging. Zudem wurden die Studierenden angehalten, im Nachgang wichtige Untersuchungsschritte soweit möglich an nahen Personen nachzuvollziehen. Als Leistungsnachweis erstellten die Studierenden im Anschluss eine kurze Fallzusammenfassung und reichten diese ein.


Technische Lösung

Im Vorfeld wurde ein Untersuchungsraum ausgewählt, der einen schnellen Internetzugang sowie ausreichend Platz für die Aufzeichnung des Gangbildes bot. Mangels fakultätsinterner geprüfter Softwarelösungen zur Videokonferenz entschieden wir uns auf Grund der Anwenderfreundlichkeit und Stabilität der Übertragung für die Software Zoom® (Firma: Zoom Video Communications; San José; USA), für die eine Lizenz erworben wurde. Um trotz der viel diskutierten Limitationen [3] ein ausreichendes Maß an Datensicherheit zu gewährleisten, erhielten die Studierenden über ihren personalisierten Lernplattform-Account erst unmittelbar vor dem Termin die Zugangsdaten mit wechselndem Passwort. Sie schalteten sich dann mit ihrem Namen zu dem Kurs hinzu, wobei die Anwesenheit kontrolliert wurde.


Optimierungsmöglichkeiten

Begleitend fanden nach jedem Block freiwillige Online-Evaluationen statt, bei denen 63 von 155 Studierenden partizipierten. Die Gesamtzufriedenheit des Kurses war mit 3,9 von 5 Punkten als gut zu bewerten, wobei die Zufriedenheit mit dem eigenen Lernzuwachs in Hinblick auf die neurologische Anamnese mit 3,8 von 5 und auf die Untersuchungstechnik mit 3,7 von 5 benotet wurde. Die Struktur des Kurses wurde mit 4,1 von 5 als positiv bewertet. Im Freitext wurden zu Beginn hauptsächlich technische Gegebenheiten wie Ton- oder Bildqualität kritisiert, welche rasch optimiert wurden (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Limitationen gab es bei wenigen Studierenden in Bezug auf deren technische Voraussetzungen. Leihgeräte oder ein geschützter Zugang z.B. in Bibliotheken konnten hier unterstützen.


Diskussion

Der live übertragene Untersuchungskurs ist ein Versuch in Zeiten der Pandemie zusätzlich zu den bestehenden Videoformaten die Partizipation der Studierenden zu ermöglichen, wobei hinsichtlich des nachprüfbaren Lernfortschritts Vergleichsstudien wünschenswert wären [4]. Zudem könnte das Lehrkonzept von „See one, do one“ auf das vierstufige Model nach Peyton gehoben werden, welches in Teilen auf das hier beschriebene Konzept übertragbar wäre [5]. Neben der von uns vorgenommenen Teilnahmekontrolle durch die Einsendung der Fallbeschreibung nach SOAP Schema, wäre auch die Abgabe kurzer selbstgefilmter Untersuchungsvideos durch die Studierenden möglich. Um zudem der andauernden Diskussion der Datensicherheit in Hinblick auf die kommerzielle Softwarenutzung entgegenzuwirken, wäre ein von der Fakultät gehosteter Videodienst wünschenswert.


Autorenschaft

Oster C. und Farhood I. teilen sich die Erstautorenschaft.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Sandhu P, de Wolf M. The impact of COVID-19 on the undergraduate medical curriculum. Med Educ Online. 2020;25(1):1764740. DOI: 10.1080/10872981.2020.1764740 Externer Link
2.
Elder AT, McManus IC, Patrick A, Nair K, Vaughan L, Dacre J. The value of the physical examination in clinical practice: an international survey. Clin Med (Lond). 2017;17(6):490-498. DOI: 10.7861/clinmedicine.17-6-490 Externer Link
3.
Chen B. The Lesson We Are Learning From Zoom. New York Times. 2020. Zugänglich unter/available from: https://www.nytimes.com/article/zoom-privacy-lessons.html Externer Link
4.
Herrmann-Werner A, Nikendei C, Keifenheim K, Bosse HM, Lund F, Wagner R, Celebi N, Zipfel S, Weyrich P. "Best practice" skills lab training vs. a "see one, do one" approach in undergraduate medical education: an RCT on students' long-term ability to perform procedural clinical skills. PLoS One. 201325;8(9):e76354. DOI: 10.1371/journal.pone.0076354 Externer Link
5.
Peyton, JW Rodney. Teaching and Learning in Medical Practice. Heronsgate, Rickmansworth: Manticore Europe Ltd; 1998.