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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Peer Teaching unter Pandemiebedingungen – Möglichkeiten und Grenzen studentischer Online-Tutorien zu praktischen Fertigkeiten

Kurzbeitrag Peer Teaching

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  • corresponding author Niklas Julian Dohle - Universitätsmedizin Berlin, Prodekanat für Studium und Lehre, Lernzentrum, Campus Charité Mitte, Berlin, Deutschland
  • author Mareen Machner - Universitätsmedizin Berlin, Prodekanat für Studium und Lehre, Lernzentrum, Campus Charité Mitte, Berlin, Deutschland; Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe, Bereich Weiterbildung, Berlin, Deutschland
  • author Maike Buchmann - Universitätsmedizin Berlin, Prodekanat für Studium und Lehre, Lernzentrum, Campus Charité Mitte, Berlin, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc7

doi: 10.3205/zma001403, urn:nbn:de:0183-zma0014036

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001403.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 18. Oktober 2020
Angenommen: 24. November 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Dohle et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Corona-Krise hat das Lernzentrum genauso wie alle anderen Aus- und Weiterbildungsorte an deutschen Universitäten und Berufsfachschulen innerhalb weniger Tage gezwungen, den Präsenzunterricht einzustellen. Die Tutor*innen standen vor der großen Herausforderung, innerhalb von kurzer Zeit neue digitale Lernformate (virtuelle Klassenzimmer) für das Peer-Teaching praktischer Fertigkeiten zu entwickeln und online zu unterrichten. Dieser Beitrag soll das Projekt der Entwicklung von eTutorien bezogen auf praktische Fertigkeiten darlegen.

Methodik: Nach einer Prüfung aller Tutorien des Präsenzangebots (N=30) wurde ein Teil der Tutorien in digitale Formate transformiert. Die sogenannten eTutorien wurden live über eine digitale Plattform abgehalten und kontinuierlich mit einem standardisierten Online-Fragebogen evaluiert. Die Evaluationsergebnisse wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: In einem Zeitraum vom 27.04.2020 - 17.07.2020 wurden 11 verschiedene eTutorien-Formate an 246 Terminen angeboten. Die Evaluationen zeigten eine hohe Zufriedenheit mit dem Angebot und der Durchführung durch die Tutor*innen.

Schlussfolgerung: Während der Pandemiekrise wurde die Substitution von Peer Teaching in Form von eTutorien als wertvoll erachtet, dennoch bergen diese Lernformate Herausforderungen v.a. bezogen auf die Interaktion und können Peer Teaching von praktischen Fertigkeiten nicht vollständig ersetzen.

Schlüsselwörter: klinische Kompetenz, medizinische Ausbildung, Methoden, Peer-Group, Studenten, Medizin, Psychologie, Lernen


1. Einleitung: Peer Teaching am Lernzentrum der Charité

Seit der Gründung des Lernzentrums, dem Skills-Lab der Charité, vor 20 Jahren werden Kurse im Peer Teaching-Format angeboten. Seit 2015 sind die Tutorien curricular implementiert. Alle Studierenden müssen im Studienverlauf insgesamt an 60 Unterrichtseinheiten (UE; 1 UE=45 min) Peer Teaching teilnehmen. Nach dem Leitsatz „Lern doch wie du willst!“ können Studierende aus einem vielseitigen Tutorienangebot verschiedener AGs auswählen. Der größte Anteil des Bedarfs wird durch Tutorien zu praktischen Fertigkeiten abgedeckt. Das Team der aktuell 29 Lernzentrums-Tutor*innen konzipiert die Tutorien selbst, die Skripte zur Durchführung werden ärztlich vidiert. Von den Teilnehmenden wird insbesondere die lernförderliche Atmosphäre in den Kleingruppen gelobt, die für Peer Teaching charakteristisch ist [1], [2], [3].

Angesichts der Coronakrise wurden die Tutorien ausgesetzt. Schnell stand fest, dass ein digitales Angebot entwickelt werden musste, sogenannte eTutorien. In dem vorgestellten Projekt werden die Erfahrungen der Tutor*innen und die Evaluation der Tutorien durch die Studierenden im Vergleich zum Vorsemester dargestellt. Es werden die ersten 14 Semesterwochen verglichen, im Wintersemester 2019/20 (Tutorien ausschließlich in Präsenz) der Zeitraum vom 14.10.2019-31.01.2020, im Sommersemester 2020 (eTutorien) vom 27.04.-17.07.2020.


2. Projektbeschreibung: Entwicklung von eTutorien zu praktischen Fertigkeiten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Unterricht aus dem „normalen“ in das virtuelle Klassenzimmer zu verlegen. Charité-intern wird Microsoft Teams [https://www.office.com/] verwendet, eine Software, in der Videokonferenzen mit Teilen des Bildschirms und unter Einbindung verschiedener weiterer Applikationen möglich sind.

In einem ersten Schritt wurde das Präsenzangebot geprüft mit der Fragestellung, welche Tutorien zu praktischen Fertigkeiten digital transformiert werden können. Kriterien hierfür waren unter anderem, ob sich die praktischen Fertigkeiten in Videos gut darstellen lassen und ob die Produktion dieser Videos in der Pandemiesituation möglich war. Beispielsweise wurden keine Videos mit gegenseitigen Untersuchungen aufgenommen. Tutorien mit seminaristischem Charakter, wie zum Beispiel „Röntgen Thorax Befundung“, wurden online umgesetzt. Nach einem Anpassen erster Tutorien wurde Anfang Mai 2020 mit der Durchführung von eTutorien begonnen. Die Buchung der Tutorien erfolgte wie üblich über eine Charité-eigene online Plattform.

Jedem Tutorium schloss sich eine freiwillige standardisierte online Evaluation mit EvaSys© [https://www.evasys.de/] an. Dabei wurden allen Teilnehmenden Aussagen zu Durchführungs-, Prozess- und Ergebnisqualität vorgelegt und sie anhand einer fünfstufigen Likert-Skala nach dem Grad ihrer Zustimmung (1= stimme voll zu/ 5=stimme gar nicht zu) befragt. Die Fragebögen enthielten weiterhin Freitextfelder, in denen Lob und Verbesserungsvorschläge geäußert werden konnten.


3. Ergebnisse: Angebot und Evaluation

In einem Zeitraum vom 27.04.2020 - 17.07.2020 wurden 11 verschiedene eTutorien-Formate (siehe Tabelle 1 [Tab. 1] und Abbildung 1 [Abb. 1]) an 246 Terminen angeboten. Die Evaluation zeigte eine hohe Zufriedenheit mit dem Angebot und der Durchführung durch die Tutor*innen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

In den Freitextfeldern wurden die Videos sowie interaktive Lernformate, wie z.B. ein Quiz über eine App, und das Üben an klinischen Fallbeispielen als praktische Anwendung positiv hervorgehoben.

Nachteile durch technische Probleme auf Studierendenseite waren eher selten und wurden in den Evaluationen nur in Zusammenhang mit der Einbettung von Audiospuren in eine über den Bildschirm geteilte Präsentation explizit erwähnt (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).


4. Diskussion

In dem vorliegenden Beitrag wird die Entwicklung von eTutorien zu praktischen Fertigkeiten am Lernzentrum beschrieben. Während in den Evaluationen die Zustimmung der Teilnehmenden zu einer Anregung zu Mitarbeit ähnlich hoch ausfiel wie in den Präsenztutorien, bestanden aus Tutor*innensicht deutlich größere Schwierigkeiten, die Teilnehmenden in eTutorien zu aktivieren.

Als hilfreich wurde aus Tutor*innenperspektive eine kleine Gruppengröße (max. 4-8 Personen) und das Einschalten der Videofunktion durch alle Teilnehmenden bewertet. Für eine Aktivierung hat sich der Einsatz von Methodenwechseln und insbesondere der Quizfunktion, als spielerischer Zugang bewährt [4], [5]. Die Tutor*innen konnten ihre didaktischen Kompetenzen in der Corona-Pandemie um die Gestaltung von virtuellen Unterricht erweitern, Fähigkeiten, die in Zukunft für Lehrende an Bedeutung gewinnen werden, auch unabhängig von den aktuellen Beschränkungen [6].

Insgesamt wird von Teilnehmenden wie Tutor*innen befürwortet, eTutorien auch über die Pandemiebeschränkungen hinaus anzubieten, da sie eine hohe Flexibilität gewährleisten.

Auch wenn z.B. Videos das Erlernen praktischer Skills unterstützen können [7], [8], ist unstrittig, dass praktische Fertigkeiten nicht vollständig in einem Online-Format erlernt werden können. Die eTutorien könnten im Sinne eines Blended Learning als Vorkurs angeboten werden, um die Zeit in Präsenz noch effizienter für angeleitetes Üben zu nutzen. Trotz der kurzfristigen Umstellung konnten verglichen mit dem gleichen Zeitraum im Vorsemester fast 60% der Unterrichtseinheiten als eTutorien angerechnet werden. Das Angebot umfasste jedoch deutlich weniger verschiedene Formate, so dass die Tutorienauswahl für die Studierenden im Sinne eines selbstbestimmten Lernens eingeschränkt war. Technische Probleme spielten eine untergeordnete Rolle [9]. Obwohl die erhobenen Daten eine Diskussionsgrundlage bieten, sollten die Erhebungen an weiteren und größeren Populationen sowie einem längeren Interventionszeitraum durchgeführt werden. Ein weiteres Bias ergibt sich vermutlich durch die Zusammenstellung der Tutor*innen und Studierenden, die ausschließlich einer Universität zuzuordnen sind. Deshalb ist zu erwarten, dass die Ergebnisse nur bedingt auf andere Universitäten übertragbar sind.


5. Schlussfolgerung

  • Peer Teaching kann auch auf Distanz eine lernförderliche Atmosphäre ermöglichen.
  • eTutorien können und werden Peer Teaching von praktischen Fertigkeiten nicht ersetzen.
  • Gleichzeitig sind eTutorien in und außerhalb von Pandemiezeiten auch in Zukunft eine sinnvolle Ergänzung.
  • eTutorien stellen Lehrende und Lernende vor neue pädagogische Herausforderungen.

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Herrmann-Werner A, Gramer R, Erschens R, Nikendei C, Wosnik A, Griewatz J, Zipfel S, Junne F. Peer-assisted learning (PAL) in undergraduate medical education: An overview. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2017;121:74-81. DOI: 10.1016/j.zefq.2017.01.001 Externer Link
2.
Ten Cate O, Durning S. Peer teaching in medical education: twelve reasons to move from theory to practice. Med Teach. 2007;29(6):591-599. DOI: 10.1080/01421590701606799 Externer Link
3.
Tamachi S, Giles JA, Dornan T, Hill EJ. "You understand that whole big situation they're in": interpretative phenomenological analysis of peer-assisted learning. BMC Med Educ. 2018;18(1):197. DOI: 10.1186/s12909-018-1291-2 Externer Link
4.
O'Connell A, Tomaselli PJ, Stobart-Gallagher M. Effective Use of Virtual Gamification During COVID-19 to Deliver the OB-GYN Core Curriculum in an Emergency Medicine Resident Conference. Cureus. 2020;12(6):e8397. DOI: 10.7759/cureus.8397 Externer Link
5.
McCoy L, Lewis JH, Dalton D. Gamification and Multimedia for Medical Education: A Landscape Review. J Am Osteopath Assoc. 2016;116(1):22. DOI: 10.7556/jaoa.2016.003 Externer Link
6.
Almarzooq ZI, Lopes M, Kochar A. Virtual Learning During the COVID-19 Pandemic. J Am Coll Cardiol. 2020;75(20):2635-2638. DOI: 10.1016/j.jacc.2020.04.015 Externer Link
7.
Barisone M, Bagnasco A, Aleo G, Catania G, Bona M, Gabriele Scaglia S, Zanini M, Timmins F, Sasso L. The effectiveness of web-based learning in supporting the development of nursing students' practical skills during clinical placements: A qualitative study. Nurse Educ Pract. 2019;37:56-61. DOI: 10.1016/j.nepr.2019.02.009 Externer Link
8.
Moreno-Ger P, Torrente J, Bustamante J, Fernández-Galaz C, Fernández-Manjón B, Comas-Rengifo MD. Application of a low-cost web-based simulation to improve students' practical skills in medical education. Int J Med Inf. 2010;79(6):459-467. DOI: 10.1016/j.ijmedinf.2010.01.017 Externer Link
9.
O'Doherty D, Dromey M, Lougheed J, Hannigan A, Last J, McGrath D. Barriers and solutions to online learning in medical education - an integrative review. BMC Med Educ. 2018;18(1):130. DOI: 10.1186/s12909-018-1240-0 Externer Link