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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Training körperlicher Untersuchungstechniken in Videokonferenzen

Kurzbeitrag Peer Learning

  • corresponding author Iris Schleicher - Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für primärärztliche Versorgung und hausärztliche Medizin, Gießen, Deutschland
  • author Leif Davids - Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für primärärztliche Versorgung und hausärztliche Medizin, Gießen, Deutschland
  • author Niels Latta - Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für primärärztliche Versorgung und hausärztliche Medizin, Gießen, Deutschland
  • author Anja Franziska Kreiß - Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für primärärztliche Versorgung und hausärztliche Medizin, Gießen, Deutschland
  • author Joachim Kreuder - Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für primärärztliche Versorgung und hausärztliche Medizin, Gießen, Deutschland

GMS J Med Educ 2021;38(1):Doc6

doi: 10.3205/zma001402, urn:nbn:de:0183-zma0014022

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2021-38/zma001402.shtml

Eingereicht: 28. Juli 2020
Überarbeitet: 12. November 2020
Angenommen: 8. Dezember 2020
Veröffentlicht: 28. Januar 2021

© 2021 Schleicher et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die COVID-19-Pandemie forderte auch für den Unterricht von praktischen Fertigkeiten die Entwicklung von Lehrformaten außerhalb der Präsenzlehre.

Methodik: Per Videokonferenz wurden ausgewählte körperliche Untersuchungstechniken (Bewegungsapparat, neurologisches System) mit einer modifizierten Peyton-Methode gelehrt. Kernelement war die wechselseitige, reale Demonstration der jeweiligen Fertigkeit durch studentische Tutor*in und Student*in mit unmittelbar möglicher Korrektur.

Ergebnisse: Die informationstechnischen Voraussetzungen erwiesen sich als ausreichend, das direkte Feedback der Tutor*innen und Studierenden*innen war positiv.

Schlussfolgerung: Ob diese Methode einen Ersatz für Präsenzkurse darstellen kann, muss in umfangreicheren Studien evaluiert werden.

Schlüsselwörter: praktische Fertigkeiten, medizinische Lehre, Online-Lehre


1. Einleitung

Am Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen werden seit 2009 erfolgreich praktische Basisfertigkeiten durch im Vorfeld von Dozent*innen geschulte studentische Tutor*innen vom 1. vorklinischen Semester an in Kleingruppen mit 4, vereinzelt 6 Studierenden nach der Peyton-Methode [1] gelehrt.

Durch die COVID-19-Pandemie waren wir im Sommersemester 2020 gezwungen, kurzfristig digitale Lehrformate einzusetzen, was insbesondere für praktische Kurse herausfordernd ist [2], [3]. Für ausgewählte Kurse wie „Untersuchung des Bewegungsapparates“ und „Neurologische Untersuchung“ entwickelten wir einen Online-Kurs, mit dem es möglich erschien, diese Fertigkeiten per Videokonferenz zu demonstrieren, aber auch zu korrigieren. Die Verfügbarkeit von studentischen Tutoren*innen war aufgrund der Pandemie eingeschränkt, da viele Studierende*innen sich nicht im Studienort aufhielten. Auch erforderte der Kurs einen Ausbau informationstechnischer Voraussetzungen.


2. Methodik

Für die Online Kurse „Untersuchung des Bewegungsapparates“ und „Neurologische Untersuchung“ wurden 2 Tutor*innen für 4 Kursteilnehmer vorgesehen, damit einerseits der Tutor die Untersuchungstechnik an einer Person demonstrieren konnte und andererseits jeder Tutor*innen sich bei der Korrektur der erlernten Technik auf nur 2 Kursteilnehmer*innen konzentrieren musste. Wie bei den vorherigen Präsenzkursen wurden die Tutor*innen im Vorfeld von einem Dozent*innen geschult. Die Anmeldung zu dem Kurs erfolgte über die Lernplattform „k-med“. Für die Videokurse wurde das Programm „Cisco Webex Meetings“ verwendet. Dabei wurde der Link zur Veranstaltung und die Anmeldedaten bei k-med in die jeweilige Veranstaltung hochgeladen. Die Studierende*innen konnten dann an dem Kurs von zu Hause aus per Laptop/Rechner mit Kamera teilnehmen. Die Kursteilnehmer sollten an einer Person aus ihrem häuslichen Bereich die verschiedenen Untersuchungen demonstrieren.

Für den Online-Kurs „Untersuchung des Bewegungsapparates“ gab es zwei aufeinanderfolgende Kurse von je einer Stunde Kurszeit mit Untersuchung von Schulter- und Kniegelenk (Teil 1) und Wirbelsäule, Hüftgelenk und Sprunggelenk (Teil 2). Der Kurs „Neurologische Untersuchung“ von einer Stunde Dauer umfasste die neurologische Basis-Untersuchung.

Voraussetzung für die Teilnahme war das vorherige Studium von ausgewählten Lehrbuch-Kapiteln und von Lehrvideos des Buches „Heidelberger Standarduntersuchungen“.

Zu Beginn wurden die Studierenden aufgefordert ihre Kamera einzuschalten, der Ton sollte auf Grund der Störgeräusche bis auf Fragen ausgeschaltet bleiben.

Anatomische Besonderheiten und die strukturierte Untersuchung wurden von den Tutoren zunächst mit Hilfe von Modellen oder Schautafeln erklärt.

Nachfolgend wurde von den Tutor*innen die Untersuchung am 2. Tutor*in real demonstriert. Dies konnten die Studierende*innen am Bildschirm beobachten und jederzeit Fragen stellen. Anschließend sollten die Studierende*innen diese Untersuchung an der von ihnen zuvor gewählten Untersuchungsperson demonstrieren und wurden dabei von den Tutor*innen synchron beobachtet und korrigiert. Dabei war je ein Tutor*in für 2 Studierende*in zuständig.

Zwischendurch und am Ende der Untersuchungen gab es genügend Zeit für Fragen oder erneute Demonstration von bestimmten Untersuchungen und Feedback.

Nach Beendigung des Kurses wurde den Studierende*innen ein Link zu einem Evaluationsbogen online zugeschickt.


3. Ergebnisse

Am Untersuchungskurs „Bewegungsapparat“ Teil 1 und 2 mit je 4 Teilnehmern und 2 studentischen Tutor*innen an 2 aufeinanderfolgenden Tagen nahmen 200 Studierende*innen teil, am Kurs „neurologische Untersuchung“ 212 Studierende*innen.

Trotz zu Beginn großer Befürchtungen hinsichtlich möglicher beiderseitiger technischer Probleme oder Schwierigkeiten, die gezeigte Untersuchungstechnik auf einem Bildschirm hinreichend genau beobachten zu können, konnten alle Kurse reibungslos durchgeführt werden. Die Tutor*innen konnten die jeweilige Untersuchung gut demonstrieren, beobachten und korrigieren.

Das direkt am Ende des Kurses durchgeführte Feedback der Studierende*innen und Tutor*innen war durchweg positiv. Leider wurden die später online zugeschickten Evaluationsbögen jedoch nur spärlich zurückgeschickt, so dass eine statistische Auswertung nicht möglich war. Wir konnten daher nur einzelne Anmerkungen als schriftliches Feedback verwenden.

Beim Untersuchungskurs zum Bewegungsapparat hatten manche Teilnehmer*in Probleme, eine Untersuchungsperson zu finden, bewerteten jedoch insgesamt den Kurs als gut, wenngleich auch nicht so lehrreich wie einen Präsenzkurs. Beim neurologischen Untersuchungskurs wiederum hatten einige Studierende*innen den Eindruck, nicht viel Neues hinsichtlich ihrer praktischen Fertigkeiten und deren klinischer Bedeutung gelernt zu haben. Auch wurde eher kritisiert, dass online die Fertigkeit nicht ausreichend gut demonstriert und korrigiert werden konnte.


4. Diskussion

Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind medizinische Ausbildungsstätten gezwungen worden, digitale Lehrmethoden einzusetzen [2]. Neben Online-Seminaren, Bereitstellung von Videos und Lerninhalten auf Lernplattformen suchten wir nach Möglichkeiten, auch praktische Fertigkeiten online demonstrieren und korrigieren zu können. Die vorgestellten Kurse waren mit einem nicht unerheblichen Ausmaß an Organisation, technischen Voraussetzungen und Verfügbarkeit von studentischen Tutor*innen verbunden. Auch wenn wir nach unserer Erfahrung nicht der Meinung sind, dass dieser Kurs einen Präsenzunterricht mit praktischen Übungen komplett ersetzen kann, so denken wir doch, dass wir so ausgewählte körperliche Untersuchungstechniken, die durch alleinige Beobachtung gut korrigierbar sind, vermitteln konnten [3]. Auch geht das hier vorgestellte Kurskonzept aufgrund des weit überwiegenden synchronen online-Formates weit über andere publizierte virtuelle Adaptationen der Peyton-Methode hinaus [4]. Als Konsequenz aus der schlechten Rücklaufquote bei der Evaluation werden wir im kommenden Semester direkt im Anschluss des Kurses einen online-Evaluationsbogen ausfüllen lassen. Überlegenswert ist sicherlich auch, ob eine abschließende Demonstration einer Fertigkeit mit Korrektur anhand einer Checkliste (wie bei einem OSCE) den Wert des Kurses sowie die Vor- und Mitarbeit der Studierenden steigern würde. Von entscheidender Wichtigkeit ist ferner, Erfahrungen mit den für uns alle in dieser Konsequenz neuen Formaten auszutauschen, und ggf. für ausgewählte Themen auch über die Pandemiezeit hinaus als gut übertragbares Kurskonzept beibehalten zu können [5], [6].


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Walker M PJ. Teaching in the theatre. In: Peyton, editor. Teaching and learning in medical practice. Rickmansworth: Manticore Publishers Europe Ltd.; 1998. p.171-810.
2.
Sandhu P, de Wolf M. The impact of COVID-19 on the undergraduate medical curriculum. Med Educ Online. 2020;25(1):1764740. DOI: 10.1080/10872981.2020.1764740 Externer Link
3.
Hammond D, Louca C, Leeves L, Rampes S. Undergraduate medical education and Covid-19: engaged but abstract. Med Educ Online. 2020;25(1):1781379. DOI: 10.1080/10872981.2020.1781379 Externer Link
4.
Khan H. An adaptation of Peyton's 4-stage approach to deliver clinical skills teaching remotely. MedEdPublish. 2020;9(73). DOI: 10.15694/mep.2020.000073.1 Externer Link
5.
Seymour-Walsh AE, Bell A, Weber A, Smith T. Adapting to a new reality: COVID-19 coronavirus and online education in the health professions. Rural Remote Health. 2020;20(2):6000. DOI: 10.22605/RRH6000 Externer Link
6.
Cleland J, McKimm J, Fuller R, Taylor D, Janczukowicz J, Gibbs T. Adapting to the impact of COVID-19: Sharing stories, sharing practice. Med Teach. 2020;42(7):772-775. DOI: 10.1080/0142159X.2020.1757635 Externer Link