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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Lehre in Zeiten von COVID-19. Herausforderungen und Chancen für die digitale Lehre

Leitartikel Covid-19-Pandemie

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  • corresponding author Daniel Tolks - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland; Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für angewandte Gesundheitswissenschaften, Lüneburg, Deutschland
  • author Sebastian Kuhn - Universität Bielefeld, Med. Fakultät OWL, AG 4 Digitale Medizin, Bielefeld, Deutschland
  • author Sylvia Kaap-Fröhlich - Careum Bildungsmanagement, Zürich, Schweiz

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc103

doi: 10.3205/zma001396, urn:nbn:de:0183-zma0013961

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001396.shtml

Eingereicht: 9. November 2020
Überarbeitet: 9. November 2020
Angenommen: 9. November 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Tolks et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Leitartikel

Das Jahr 2020. Niemand war wirklich auf den einschneidenden Veränderungen und Herausforderungen in diesem Jahr vorbereitet. Durch die COVID-19-Pandemie mussten die Spitäler und Krankenhäuser aber auch Schulen und Hochschulen plötzlich neue Wege gehen, um sowohl Versorgung als auch Unterricht und Lehre aufrecht zu erhalten. Dieser Prozess musste schnell gehen und führte in der Bildung oftmals zu dem viel zitierten Begriff des „Emergency Remote Teachings“ [1]. Aber uns wurde auch klar, dass nun die digitale Aus- und Weiterbildung zeigen konnte und musste, welches Potential in ihr steckt.

Vor der COVID-19 Pandemie gab es bereits sehr erfreuliche Entwicklungen des digitalen Lernens und Lehrens. In der Grundlagenforschung gab es bereits viele Evidenzen, die die Vorteile die den gezielten Einsatz der digitalen Lehre herausstellen konnte [2], [3], [4], [5], [6]. Neue Technologien und Lehrmethoden sowie fundierte Erklärungsmodelle, wie das ICAP-Modell oder die E-tivities wurden iterativ weiterentwickelt und stellten an einer Reihe von Institutionen eine punktuelle Anreicherung des Unterrichtsangebots dar [7], [8], [9]. Insbesondere Blended Learning Konzepte wie das Inverted Classroom Model, aber auch der Einsatz von Virtual Patients und Simulationen wurden vermehrt eingesetzt [10], [11], [12], [13]. Es gab aber auch relevante Hürden, die die digitale Lehre ausgebremst haben. Mangelnde Erfahrung der Lehrpersonen, rechtliche Rahmenbedingungen auf verschiedenen gesundheits- und bildungspolitischen Ebenen [14], [15], mangelnde Transparenz bei der Anrechenbarkeit von digitalem Unterricht und weitere Aspekte sorgten dafür, dass sich die digitale Lehre nur schrittweise weiterentwickeln konnte [16], [17]. Die oben genannten Studienergebnisse kamen nur langsam in der Praxis der Lehre an. Viele Projekte in der digitalen Lehre wurden zwar durchgeführt, aber nur selten evaluiert.

Dann kam die COVID-19 Pandemie und in kürzester Zeit musste der Unterricht fast komplett auf reine Online-Lehre umgestellt werden. In einer einmaligen Aktion, wurde überall an Hochschulen und Schulen digitale Konzepte auf den Weg gebracht. Aufgrund der Kurzfristigkeit sind viele unterschiedliche Formen der digitalen Lehre und Prüfungen entstanden. Die war im Gegensatz zu früheren Entwicklungen weniger von institutionellen Strategien getragen, sondern von der faktischen Notwendigkeit und Alternativlosigkeit. Die eigentliche Ausgestaltung der Lehre war dabei stark abhängig von den vorbestehenden Ressourcen, der digitalen Kompetenzen, dem Zeitrahmen und der zur Verfügung stehenden technischen Infrastruktur, die an den verschiedenen Bildungsinstitutionen heterogen ausgeprägt waren.

Die Idee, innovative Projekte unterschiedlicher Standorten sichtbar zu machen, entstand zum Beginn des „Corona-Semesters“. Es wäre verschenktes Potential gewesen, den Digitalisierungsschub nicht auch sichtbar zu machen und die vielen unterschiedlichen Ideen an den Bildungseinrichtungen sichtbar zu machen. Eine Herausforderung war aber auch hier, wie man möglichst schnell die einzelnen Projekte evident machen kann, unabhängig von den sehr lagen Review-Prozessen in der Wissenschaftswelt. Wir haben uns dann dazu entschieden, ein Schwerpunktheft mit kurzen Beiträgen zu Projektberichten herauszugeben.

Was uns ebenso kalt erwischt hat, war die sehr große Resonanz des Themenheftes in der wissenschaftlichen Community. Insgesamt wurden 128 Beiträge eingereicht, was uns Herausgeber, gemeinsam mit dem Ausschuss „Digitalisierung – Technologie-unterstütztes Lernen und Lehren“ und dem Ausschuss „Interprofessionelle Ausbildung“ sowie die Schriftleiter und Beate Hespelein natürlich sehr gefreut hat, allerdings auch vor große Herausforderungen gestellt hat. Wir mussten auch hier neue Wege beschreiten bei dem Review-Verfahren und der Auswahl der entsprechenden Beiträge. Wir haben dabei insbesondere die Idee verfolgt, dass es sich in diesem Themenheft nicht um komplett abgeschossenen Forschungsprojekte handeln soll, sondern eben die unterschiedlichen Aktivitäten und Good-Practice Konzepte der Akteure darstellen soll. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Beteiligen ist es uns nun gelungen, den ersten von zwei Teilen des Schwerpunktheftes zu veröffentlichen.

In diesem ersten Sonderheft sollen nun die vielen unterschiedlichen Projekte dargestellt werden mit der Hoffnung, dass die vielen Projekte und Lösungswege als Inspiration dienen für die eigene digitale Lehre. In allen Bereichen der Ausbildung in der Medizin und den Gesundheitsberufen hat die digitale Lehre Einzug gehalten, was sich an der großen Vielfalt der Beiträge ablesen lässt. Die Bereiche digitale Lehre, Simulationen und virtuelle Patienten gab es schon vor der COVID-19-Pandemie, nun sind aber auch Bereiche wie Ethik, Mentoring, Kommunikation dazu gestoßen und zeigen neue Perspektiven und Herausforderungen auf, die sicherlich für alle Bereiche der Hochschulausbildung interessant sind. Digitale Ideen sind besonders auch im Skills-Training und in praktischen Prüfungsformaten gefragt. Spezielle Themen wie Kommunikation, Prüfungen und Ethik haben dabei die Lehre auf besonders große Herausforderungen gestellt, wie eine Vielzahl von Artikel zu diesen Themen zeigt.

Wir möchte uns an dieser Stelle bei alle Reviewern bedanken, die uns kurzfristig so tatkräftig unterstützt haben. Ohne diese beispiellose gemeinsame Anstrengung wären die Schwerpunkthefte nicht möglich gewesen. Dieses Schwerpunktheft ist nun die umfangreichste Ausgabe in der Geschichte der JME.

Wir hoffen, dass diese Ausgabe eine Vielzahl von neuen Impulsen für die Ausgestaltung des digitalen Unterrichtens geben kann und hoffen ebenso, dass die vielen unterschiedlichen Projekte in der digitalen Lehre auch über die COVID-19-Pandemie Bestand haben werden. Nicht zuletzt hoffen wir auch, dass die digitale Aus- und Weiterbildung das Gesundheitspersonal von morgen befähigen, Krisen wie die COVID-19-Pandemie im Gesundheitssystem zu meistern.


Literatur

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2.
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