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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Online-Blockpraktikum Pädiatrie – digitale Live-Interaktion mit Kindern

Kurzbeitrag Synchrone digitale Lehre

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  • corresponding author Martina Peter-Kern - Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Kinderpoliklinik, Würzburg, Deutschland
  • Christoph Härtel - Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Kinderpoliklinik, Würzburg, Deutschland
  • Sarah König - Universität Würzburg, Institut für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung, Würzburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc101

doi: 10.3205/zma001394, urn:nbn:de:0183-zma0013940

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001394.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 20. Oktober 2020
Angenommen: 23. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Peter-Kern et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Das zweiwöchige Blockpraktikum Pädiatrie (10. Semester) fand für 62 Studierende im Sommersemester 2020 zur Zeit der Ausgangsbeschränkung als reiner Online-Unterricht statt. Als ein Unterrichtsbaustein fanden virtuelle Patientenvorstellungen inkl. Nachbesprechung als synchrone Lehre statt. Patientinnen und Patienten sowie ein Elternteil wurden von den Stationen und Ambulanzen per Videokonferenz übertragen. Die Studierenden konnten in Kleingruppen über eine ärztliche Person mit jeweils 15-22 Patienten bzw. deren Eltern interagieren und sowohl das Anamnesegespräch führen, also auch Untersuchungsschritte instruieren. Die Teilnehmenden bewerteten das Blockpraktikum trotz der Limitierung, nicht selbst die klinische Untersuchung durchführen zu können, mit guten Noten und wertschätzten insbesondere die Möglichkeit zur Online-Interaktion mit den Kindern als unverzichtbaren Kompromiss in Zeiten der ausgesetzten Präsenzlehre während der SARS-CoV-2-Pandemie.

Schlüsselwörter: Online-Blockpraktikum, Digitalisierung, Lehre während der SARS-CoV-2-Pandemie, Online-Lehre


Hintergrund

Die SARS-CoV-2-Pandemie stellte Lehrende in der klinischen Medizin vor besondere Herausforderungen [1]. Sehr plötzlich musste bewährter Präsenzunterricht in Online-Lehre überführt werden. Während dies für digital umgesetzte Vorlesungen und Seminare umsetzbar erschien und insb. für die Wissensvermittlung einen gewissen Zeitgeist bediente, mussten für die Ausbildung mit direktem Kontakt zu Patienten aufwändige, digitale Alternativen entwickelt werden. Entsprechend wurde das Blockpraktikum Pädiatrie mit üblicherweise 2 Wochen Präsenzzeit auf Station in ein reines Online-Format überführt und dabei virtuelle Patientenbesuche als wesentliches Merkmal erhalten. Ziel war es, durch den persönlichen Patientenkontakt den Anwendungsbezug für das Fach zu ermöglichen und damit die klinische Beobachtungsfähigkeit und Kommunikation mit Kindern zu trainieren.


Methode

Das zweiwöchige Blockpraktikum Pädiatrie (10. Semester) fand für 62 Studierende im Sommersemester 2020 zur Zeit der Ausgangsbeschränkung als reiner Online-Unterricht statt. In diesem Best Practice-Beispiel wurde die Videokonferenzplattform „Skype for Business“ (Microsoft, USA) verwendet. Ein Elternteil der Kinder willigte schriftlich in die Übertragung für die medizinische Ausbildung ein und mittels mobiler Endgeräte inkl. Kamera und Mikrophon wurden die Patientinnen und Patienten von den Stationen und Ambulanzen übertragen. Eine ärztliche Lehrperson und eine weitere technische Assistenz waren vor Ort in der Klinik anwesend, während sich Studierende in Gruppen von 12 -16 Teilnehmern zu terminierten Sitzungen dazu schalteten (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Stundenplan beispielhaft für eine Woche). Aktuelle Beschwerden und Befindlichkeiten sowie die Anamnese wurden von den Studierenden erfragt, außerdem konnten die Teilnehmenden einen Eindruck vom Allgemeinzustand erhalten, äußerlich sichtbare Befunde nachvollziehen und somit Blickdiagnosen üben. Für die körperliche Untersuchung war die Mitarbeit der Studierenden ebenfalls gefordert, indem sie der/dem Dozierenden die notwendigen Untersuchungsschritte in Analogie zum dritten Schritt der Peyton-Methode [2] beschrieben, bevor diese/r sie umsetzte. Außerhalb des Patientenzimmers schloss sich eine Diskussionsrunde über weitere Diagnostik, Therapie, Prognose und Epidemiologie an.

Die virtuellen Patientenvorstellungen inkl. Nachbesprechung dauerten jeweils 90 Minuten, sie fanden für jede/n Studierende/n vier Mal pro Woche statt, in jeder Sitzung wurden bis zu drei Kinder digital besucht. In der restlichen Zeit des Blockpraktikums gab es weitere digitale Ausbildungselemente. So erhielten die Studierenden per Mail Befunde aus Patientenakten, anhand derer sie Fallvorstellungen ausarbeiteten, die dann in Webmeetings präsentiert wurden. Ferner gab es Vorlesungsaufzeichnungen und E-Learning-Fälle (CaseTrain [3]). Zur Leistungsüberprüfung erhielten die Studierenden die Aufgabe, eine Epikrise zu einem Beispielfall (mit vorgegebener Anamnese, Laborbefunden und Untersuchungsergebnissen) zu verfassen.

In der abschließenden Online-Evaluation EvaSys (EvaSys®, Lüneburg, Deutschland) konnten die Studierenden ihre Zufriedenheit und den persönlichen Lernerfolg bewerten und die Online-Alternative des Blockpraktikums im Rahmen von Freitexten kommentieren.


Ergebnisse

Das digitale Blockpraktikum ermöglichte jeder/m Teilnehmenden den Kontakt zu 15-22 Kindern und deren Eltern. Während bei der für die Patientenvorstellung bevorzugt herangezogenen Gruppe von 3-16-Jährigen wenig Hemmungen zur Interaktion über einen Bildschirm vorlag, war diese bei kleineren Kindern kaum möglich und wurde deshalb durch Gespräche mit den Eltern ersetzt. Zudem wurden für die Vermittlung von Untersuchungsvorgängen im Säuglingsalter vorab erstellte Videoaufnahmen genutzt und im Online-Unterricht schrittweise besprochen. Die Studierenden konnten Gespräche im pädiatrischen Kontext führen und Untersuchungsschritte instruieren. Daneben waren sie aktiv gefordert, Patientenfälle zu erarbeiten und damit ihr theoretisches Wissen in den klinischen Kontext zu transferieren und sich mit klinischer Entscheidungsfindung auseinanderzusetzen.

Es nahmen 42 Studierende an der Evaluation teil (Rücklauf 68%). 89,5% der Teilnehmenden bejahten das Item „Ich war mit dem Modul der virtuellen Patientenvorstellung zufrieden“. Das Item „Ich habe viel gelernt“ wurde mit einem Mittelwert von 1,95 bewertet (Skala 1=sehr gut bis 5=mangelhaft). In den Freitextkommentaren wurde deutlich, dass die Studierenden die Live-Interaktion mit den jungen Patientinnen und Patienten und deren Eltern als besonders wertvoll empfanden und dieser Unterrichtserfahrung einen guten Kompromiss im Rahmen der Online-Lehre beimaßen. Die überwiegende Mehrheit der Studierenden brachten zum Ausdruck, dass Sie das Online-Modul weiterempfehlen. Der unabänderliche Umstand, dass Kinder von den Studierenden nicht selbst untersucht werden konnten, wurde dennoch bedauert.

Diese Limitierung war auch den Dozierenden bewusst. Bei Durchführung zeigte es sich zudem, dass der personelle Aufwand des Online-Blockpraktikums Pädiatrie das gewohnte Format mit „Studierenden vor Ort“ deutlich überstieg.


Schlussfolgerung

In Anbetracht der ausgesetzten Präsenzlehre konnte das Online-Blockpraktikum Pädiatrie mit den virtuellen Stations- und Ambulanzbesuchen eine Alternative zum reellen Patientenkontakt ermöglichen.

Die Interaktion über Video diente vorwiegend zur Kommunikation und der Sichtung von klinischen Befunden von erkrankten Kindern und war naturgemäß im Rahmen der Übertragung abhängig von deren grundsätzlichen Kommunikationsbereitschaft sowie altersabhängigen Kooperationsfähigkeit. Die eigene haptische Erfahrung der Studierenden, einen Untersuchungsvorgang selbst durchzuführen, konnte die Online-Übertragung nicht ersetzen. Dennoch kann dieses Konzept unter den gegebenen Bedingungen als Ersatz bei guter Fall- und Patientenauswahl lehrreich und effektiv im Sinne des Case Based Trainings sein [4], [5]. Inwieweit sich die Online-Patientenvorstellung, ergänzt um weitere digitale Lehrangebote, dauerhaft bewähren kann bzw. muss, werden die Lehrbedingungen zeigen, die sich aus der Entwicklung der infektionsepidemiologischen Lage von SARS-CoV-2 ergeben.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Ashokka B, Ong SY, Tay KH, Loh NH, Gee CF, Samarasekera DD. Coordinated responses of academic medical centres to pandemics: Sustaining medical education during COVID-19. Med Teach. 2020:42(7):762-771. DOI: 10.1080/0142159X.2020.1757634 Externer Link
2.
Krautter M, Dittrich R, Safi A, Krautter J, Maatouk I, Moeltner A, Herzog W, Nikendei C. Peyton's four-step approach: differential effects of single instructional steps on procedural and memory performance - a clarification study. Adv Med Educ Pract. 2015;6:399-406. DOI: 10.2147/AMEP.S81923 Externer Link
3.
Hörnlein A, Ifland M, Kluegl P, Puppe F. Konzeption und Evaluation eines fallbasierten Trainingssystems im universitätsweiten Einsatz (CaseTrain). GMS Med Inform Biom Epidemiol. 2009;5(1):Doc07. DOI: 10.3205/mibe000086 Externer Link
4.
Reed S, Shell R, Kassis K, Tartaglia K, Wallihan R, Smith K, Hurtubise L, Martin B, Ledford C, Bradbury S, Bernstein HH, Mahan JD. Applying adult learning practices in medical education. Curr Probl Pediatr Adolesc Health Care. 2014 Jul;44(6):170-181. DOI: 10.1016/j.cppeds.2014.01.008 Externer Link
5.
Ali M, Han SC, Bilal HS, Lee S, Kang MJ, Kang BH, Razzaq MA, Amin MB. iCBLS: An interactive case-based learning system for medical education. Int J Med Inform. 2018;109:55-69. DOI: 10.1016/j.ijmedinf.2017.11.004 Externer Link