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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Der digitale Einsatz von Simulationspatientinnen und Simulationspatienten in Zeiten der Corona-Pandemie – Überlegungen und Vorschläge

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  • corresponding author Tim Peters - Hsg Bochum, DPW - Department für Pflegewissenschaften, Bochum, Deutschland
  • Christian Thrien - Universität zu Köln, KISS Kölner Interprofessionelles Skills Lab und Simulationszentrum, Köln, Deutschland
  • Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss für Simulationspersonen

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc93

doi: 10.3205/zma001386, urn:nbn:de:0183-zma0013862

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001386.shtml

Eingereicht: 28. Juli 2020
Überarbeitet: 28. Oktober 2020
Angenommen: 23. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Peters et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Corona-Pandemie hat die Lehre mit Simulationspersonen (SPs), die üblicherweise die physische Präsenz der Beteiligten voraussetzt, vor große Herausforderungen gestellt. In kurzer Zeit wurde eine Vielzahl individueller Lösungen entwickelt. Der Ausschuss „Simulationspersonen“ der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung hat in fünf Bereichen Überlegungen und Vorschläge erarbeitet, um den qualitativen Herausforderungen an die Methode zu begegnen.

An erster Stelle geht es um die Sicherheit der SPs, sowohl in Bezug auf den Infektionsschutz als auch auf rollenbedingte Belastungen, denen die SPs nun allein zuhause statt im gewohnten Setting eines Lehrgebäudes mit der Anbindung an das Personal vor Ort ausgesetzt sind. Im Weiteren ist darauf zu achten, dass die geänderten Rahmenbedingungen auch eine Reflexion der Lernziele erfordert, da nicht alle Lehrveranstaltungen mit SPs vom realen Setting in eine digitale Umgebung übertragen werden können. Außerdem darf auch unter Corona-Bedingungen das constructive alignment nicht außer Acht gelassen werden, also sollte die Frage der Prüfbarkeit von Anfang an mitgedacht werden. Auch Aspekte der technischen Infrastruktur bei allen Beteiligten und die Einhaltung der Datenschutzerfordernisse müssen beachtet werden. Zu guter Letzt sind die erzwungenen Veränderungen auch eine Chance, das Thema Telemedizin in der Lehre offensiv anzugehen.

Schlüsselwörter: Simulationspatient, Simulationsperson, SARS-CoV-2, Covid 19, Sicherheit, Lernziele, Constructive Alignment


Einleitung

Simulationspatientinnen und Simulationspatienten (SPs) sind ein essentieller Bestandteil der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung [1], [2], [3], [4]. Durch die Corona-Pandemie wurde digitale Lehre in einem Maße forciert, wie es vorher kaum vorstellbar war. Dies betraf auch den Einsatz von SPs, wobei der digitale Charakter den typischen Aspekten der Simulation eines Kontaktes in physischer Präsenz zunächst konzeptionell entgegensteht. Dennoch wurden in kurzer Zeit viele individuelle Lösungen für diesen vermeintlichen Widerspruch gefunden. Der Ausschuss Simulationspersonen der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung hat angesichts dieser Sondersituation einige Überlegungen und Vorschläge erarbeitet, um den qualitativen Herausforderungen an die Methode zu begegnen.


Sicherheit

Auf direkte SP-Kontakte sollte in Zeiten einer Pandemie wo irgend möglich verzichtet werden. Ebenso sind SP-Trainings bzw. SP-Schulungen abzusagen oder auf digitalem Wege durchzuführen. In diesem Kontext wird auch auf Punkt 1 des Positionspapiers des Ausschusses verwiesen [5], der eine sichere Arbeitsumgebung fordert. Gleichwohl sehen wir, dass es in begründeten Fällen sinnvoll sein kann und z.T. von verantwortlichen Stellen gefordert wird, SPs einzusetzen. Denkbar sind dabei sowohl Einsätze in den Lehrgebäuden als auch Einsätze in digital vermittelter Form. Um den Anspruch auf eine sichere Arbeitsumgebung auch dann nicht aufzugeben, ist in diesen Fällen mindestens zu beachten:

1.
Einhaltung des Infektionsschutzes: z.B. das Tragen von Schutzkleidung, Mund-Nasen-Schutz etc. je nach Umsetzung der vorgegebenen Regeln vor Ort.
2.
Schutz vor Belastungen durch die Art der Rolle: Professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler sind durch ihre Berufsausbildung hier in der Regel geübter als Laien, aber bestimmte Simulationen wie das Überbringen schlechter Nachrichten sind naturgemäß mit einem höheren Belastungsrisiko behaftet. Bei Einsätzen vor Ort wird üblicherweise besonders darauf geachtet, dass den SPs der Ausstieg aus der Rolle gelingt. Dies ist möglicherweise schwieriger, wenn eine solche Rolle in den eigenen vier Wänden dargestellt wird. Zudem sind SPs nach einer virtuellen Simulation erst einmal allein. Hier sollte besonders darauf geachtet werden, wer in solchen Simulationen eingesetzt wird und wie gut SP-Trainerinnen und -Trainer nach der Simulation erreichbar sind.

Lernzielorientierung

Beim Transfer von SP-Kontakten ins Digitale sollte beachtet werden, dass die zu erreichenden Lernziele und Kompetenzen maßgeblich sind. Lernziele, die sich auf die Strukturierung von Gesprächen beziehen oder das Formulieren von bestimmten Fragen, können natürlich mit SPs auch digital gelehrt und gelernt werden. Aspekte wie nonverbales Verhalten oder der Umgang mit Trauer werden durch die Digitalisierung stark verändert. Das bedeutet nicht, dass auf diesem Weg nichts gelernt werden kann. Was gelernt wird, gilt aber eben in diesem (digitalen) Kontext und kann nicht ohne Weiteres auf Face-to-face-Interaktionen übertragen werden. Insgesamt sollte es nicht darum gehen, SP-basierte Lehre in so großem Umfang wie möglich digital zu ersetzen, sondern mit Blick auf die zu erreichenden Lernziele mit Bedacht und Augenmaß.


Constructive Alignment

Bei digitalen SP-Formaten sollte beachtet werden, ob diese Situationen in ähnlicher Form später auch in Prüfungen vorkommen oder in der Praxis eine Relevanz haben [6]. Vom Training des Überbringens schlechter Nachrichten mit einem SP ohne die Möglichkeit körperlicher Zuwendung und in rein digitaler Form würden wir nur eine mäßig gute Vorbereitung auf eine spätere OSCE-Station oder auf das Überbringen einer Nachricht später auf Station erwarten. Für schwierige Gesprächssituationen unter digitalen Bedingungen könnte dieses Lehrformat aber ggf. schon eine adäquate Vorbereitung sein. Bei Gesprächsstrukturierungen oder dem Erkennen emotionaler Aspekte hingegen liegt es näher, dieses digital zu üben, damit sie später in Prüfung oder Praxis situationsadäquat abgerufen werden können. Wenn digitale SP-Kontakte vorgesehen sind, müssen SPs hierfür trainiert werden, da sich die Abläufe und Fallszenarien ändern werden und die untenstehenden Aspekte von Datenschutz und Technik beachtet werden müssen.


Infrastruktur & Datenschutz

Für digitale SP-Kontakte brauchen beide Seiten die technischen Möglichkeiten eines Austausches samt einem entsprechenden – möglichst nicht privat genutzten – Account. Zudem muss beachtet werden, ob die genutzte Software dem deutschen bzw. europäischen Datenschutz genügt. Es stellen sich aber auch weitergehende Fragen: Können sowohl SPs wie auch Studierende Ihre Simulationen durchführen, während Sie daheim im Wohnzimmer oder im Arbeitszimmer sitzen – mit der Konsequenz, dass dies auch vom Gegenüber gesehen wird? Wie ist damit umzugehen, wenn unbeteiligte Dritte auf Seiten des SPs oder der Studierenden aufgrund der Home-Office-Situation das Gespräch mitbekommen oder gar kommentieren? Oder sitzen die SPs doch in einer zentralen Einheit, was wiederum vielfältige Kontakte und damit auch Gefahren mit sich bringt. Insgesamt sollten die SPs wie die Studierenden über Aspekte wie Technik, Datenschutz und Vertraulichkeit informiert und ggf. ein Einverständnis eingeholt werden.


Telemedizin als Chance!

Zu guter Letzt zwingt uns Corona dazu, uns mit einem Thema auseinanderzusetzen, dass künftig häufiger auf der Agenda stehen wird. Die viel beschworene aber in der Lehre selten thematisierte Telemedizin kann jetzt der Not geschuldet zu einem neuen Lernschwerpunkt werden. Ohne diesmal zeitverzögert auf Entwicklungen zu reagieren, können wir die Studierenden im Rahmen digitaler SP-Kontakte auf künftige digitale Kontakte mit Patientinnen und Patienten vorbereiten, die ohnehin kommen und das Gesundheitssystem verändern werden. Hier haben wir jetzt die (erzwungene) Möglichkeit und Chance, Lehrkonzepte und Trainingsszenarien zu entwickeln, die wir auch über die Corona-Krise hinaus nutzen können.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Cleland JA, Abe K, Rethans JJ. The use of simulated patients in medical education: AMEE Guide No 42. Med Teach. 2009;31(6):477-486. DOI: 10.1080/01421590903002821 Externer Link
2.
Lewis KL, Bohnert CA, Gammon WL, Hölzer H, Lyman L, Smith C, Thompson TM, Wallace A, McConvey GM. The Association of Standardized Patient Educators (ASPE) Standards of Best Practice (SOBP). Adv Simul. 2017;2(1):10. DOI: 10.1186/s41077-017-0043-4 Externer Link
3.
Sommer M, Fritz AH, Peters T, Kursch A, Thrien C. Simulated patients in medical education - a survey on the current status in Germany, Austria and Switzerland. GMS J Med Educ. 2019;36(3):Doc27. DOI: 10.3205/zma001235 Externer Link
4.
Peters T, Thrien C. Simulationspatienten. Handbuch für die Aus- und Weiterbildung in medizinischen und Gesundheitsberufen. Bern: hogrefe Verlag; 2018. DOI: 10.1024/85756-000 Externer Link
5.
Peters T, Sommer M, Fritz AH, Kursch A, Thrien C. Minimum standards and development perspectives fort he use of simulated patients - a position paper oft he committee for simulated patients oft he German Association for Medical Education. GMS JME. 2019;36(3):Doc31. DOI: 10.3205/zma001239 Externer Link
6.
Biggs J. Constructive alignment in university teaching. HERDSA Rev High Educ. 2014;1(1):5-22.