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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Einsatz von Simulationspersonen im Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

Kurzbeitrag Simulationspersonen

  • corresponding author Vivien Fritsche - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea Erxleben Lernzentrum, Halle (Saale), Deutschland
  • A. F. Siol - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea Erxleben Lernzentrum, Halle (Saale), Deutschland
  • author Kai P. Schnabel - Universität Bern, Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • author Daniel Bauer - Universität Bern, Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • J. Schubert - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea Erxleben Lernzentrum, Halle (Saale), Deutschland
  • D. Stoevesandt - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea Erxleben Lernzentrum, Halle (Saale), Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc90

doi: 10.3205/zma001383, urn:nbn:de:0183-zma0013835

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001383.shtml

Eingereicht: 29. Juli 2020
Überarbeitet: 22. September 2020
Angenommen: 19. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Fritsche et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Um Patient*innen und Student*innen während der Covid-19-Pandemie zu schützen, wurde der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M3) in Halle (Saale) in abgewandelter Form gemäß „Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durchgeführt [1]. Die eintägige Prüfung fand im Dorothea Erxleben Lernzentrum (DELH) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an standardisierten Simulationspersonen statt. Alle Prüfungsteilnehmer*innen wurden im Gegensatz zu den Vorjahren einzeln in Innerer Medizin, Chirurgie und ihrem Wahlfach des Praktischen Jahres geprüft. In den durchgeführten Evaluationen wurden die standardisierten Fälle von Prüfer*innen und Prüfungsteilnehmer*innen als in sich stimmig und fair bewertet. So konnten sich circa 90% der Prüfer*innen vorstellen, erneut ein Staatsexamen mit Simulationspersonen zu prüfen. Nach erfolgreicher Pilotierung soll im kommenden Examen im Rahmen einer Studie untersucht werden, ob die Substitution von Realpatienten durch Simulationspersonen in der M3-Prüfung zu einer besseren Standardisierung und Objektivität bei gleichbleibend hoher Akzeptanz im Examen beitragen kann. Ob die hohe Akzeptanz weiterhin konstant bleiben wird, kann nur im Verlauf der Studie überprüft werden.


Einleitung

Das Medizinstudium wird mit dem Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M3) abgeschlossen. Dabei werden die Fächer Innere Medizin, Chirurgie und das jeweilige Wahlfach aus dem Praktischen Jahr über 2 Tage jeweils 45-60 Minuten lang geprüft. Die Prüfungsgruppe setzt sich normalerweise aus 4 Prüfungsteilnehmer*innen und einer vierköpfigen in der Regel ärztlichen Prüfungskommission zusammen. Im Prüfungsteil mit Patient*in soll gezeigt werden, dass die Technik der Anamneseerhebung, der klinischen Untersuchungsmethoden und der grundlegenden Laboranforderungsmethoden beherrscht und deren Resultate beurteilt werden können. Außerdem sollen Prüfungsteilnehmer*innen in der Lage sein, die Informationen, die zur Diagnosestellung erforderlich sind, zu gewinnen, anzufordern, deren unterschiedliche Bedeutung und Gewichtung für die Diagnosestellung zu erkennen und im Rahmen differentialdiagnostischer Überlegungen kritisch zu verwerten [https://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html]. Während in anderen Ländern wie Kanada, den USA und der Schweiz schon lange Simulationspersonen (SP) in den Examina üblich sind [2], [3], [4], ist dies in Deutschland (ergänzend zur Prüfung an Realpatient*innen) erst für die Zukunft geplant [5].


Projektbeschreibung

Um Realpatient*innen zu schützen und physische Interaktion während der Prüfung zu minimieren, wurde die M3-Prüfung in Halle (Saale) im Mai 2020 in abgewandelter Form gemäß „Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durchgeführt [1]. Die eintägige Prüfung fand im Dorothea Erxleben Lernzentrum (DELH) statt. So konnten die in der Lehre etablierten SP und die Lehrinfrastruktur (Räumlichkeiten und Computertechnik) in der Prüfungssituation genutzt werden.

Alle Prüfungsteilnehmer*innen wurden abweichend zur Norm einzeln von 3 Prüfer*innen in den Fachbereichen Innere Medizin, Chirurgie und dem jeweiligen Wahlfach geprüft. Damit konnte die Gruppengröße von 8 auf 4 Personen reduziert werden (der/die SP war während der Gruppenprüfung nicht anwesend). Es wurde an insgesamt 64 Prüfungsteilnehmer*innen an 17 Tagen von 59 Prüfer*innen, mit je einem standardisierten, SP-basierten Fall geprüft. Die Fälle wurden zusammen mit den fachverantwortlichen Hochschullehrer*innen basierend auf fachtypischen realen Patientenfällen entwickelt. Dabei wurden für jeden Fall spezifische Prüfungsziele festgelegt (z. B. Prüfungsteilnehmer*in muss bei Treppensturz unter Marcumar ein CT anmelden). Die SP wurden mittels schriftlicher Rollenbeschreibung und Einweisung am Prüfungstag durch ärztliches Personal geschult. Es wurde auf die Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften geachtet. Körperliche Untersuchungen wurden nur an Phantomen (digitale, rektale Untersuchung, Herzauskultation etc.) durchgeführt. Untersuchungen waren aufgrund der Pandemiesituation nicht erlaubt, wären außerhalb der Pandemiesituation jedoch in den Simulationen durchführbar. Während der Anamnese und in der Gruppenprüfung konnte so ein Abstand von 1,5 Metern gewährleistet werden. Nach dem Anamnesegespräch, für das 30 Minuten zur Verfügung standen, mussten die Prüfungsteilnehmer*innen in 10 Minuten einen Anforderungsbogen (Labor und weiterführende apparative Diagnostik) ausfüllen. Von diesem unabhängig erhielten sie hierauf eine auf den Fall abgestimmte simulierte Patientenakte, auf deren Grundlage und unter Berücksichtigung der Anamnese der Patientenbericht angefertigt wurde. Neben den erhobenen Befunden sollte dieser Diagnose, Prognose, Behandlungs-/Therapieplan und eine Epikrise enthalten. Insgesamt standen den Prüfungsteilnehmer*innen dafür etwa 45 Minuten Zeit zur Verfügung. Patientenbericht und Anforderungsbogen wurden den Prüfer*innen vor Beginn des einstündigen Prüfungsgesprächs vorgelegt.

Wo es für das Verständnis des Falls bzw. zur Eingrenzung von Differentialdiagnosen notwendig war, wurden die SP z.B. durch das Aufbringen krankheitsspezifischer Hauteffloreszenzen oder zusätzlicher Darstellung der Vitalparameter auf einem Monitor unterstützt. Exemplarisch zeigt Abbildung 1 [Abb. 1] einen SP mit einem simulierten Zoster ophthalmicus.


Ergebnisse

Mittels eines Evaluationsbogens erhielten wir von 57 Prüfungsteilnehmer*innen (89% Rücklauf) sowie 38 Prüfer*innen (64% Rücklauf) Feedback, um Aussagen über das neue Prüfungsformat mit SP treffen und im Verlauf Verbesserungen vornehmen zu können.

75% der Prüfungsteilnehmer*innen empfanden die Falldarstellung als realistisch. 86% der Prüfer*innen evaluierten die Fälle als in sich stimmig. Mehr als 75% der Prüfungsteilnehmer*innen und Prüfer*innen stuften das Examen mit standardisierten SP als fair ein. Im Vergleich zur klassischen M3 der Vorjahre wurde die Prüfung von den Prüfer*innen in den meisten Fällen als gleich fair bis fairer bewertet. Die mündliche Examensnote unterschied sich nicht im Vergleich zum Vorjahr (Mittelwert 2020: 1,9; Mittelwert 2019: 2,0). Zur örtlichen Gegebenheit befragt, stimmten fast alle Beteiligten zu, dass die Lernklinik als Prüfungsort geeignet war. Etwa 90% der Prüfer*innen können sich vorstellen, erneut mit SP in einem Staatsexamen zu prüfen. In Freitexten merkten einige an, dass mit Hilfe dieser Prüfungsform eine bessere Vergleichbarkeit hergestellt werden konnte, da standardisierte Fälle genutzt wurden und sie dank der Einzelprüfung ähnliche Fragen in einer Gruppe stellen konnten (siehe Abbildung 2 [Abb. 2] und Abbildung 3 [Abb. 3]).


Diskussion und Schlussfolgerung

Im Rahmen der medizinischen Ausbildung ist der Einsatz von SP national sowie international ein anerkannter Bestandteil. Speziell geschulte SP übernehmen dabei die Patient*innenrolle, um Übungs- und Prüfungsszenarien umzusetzen und insbesondere kommunikative Fertigkeiten zu trainieren. Eine höhere Standardisierung der Prüfungen konnte durch die Reduktion der Patientenfälle, eine Anpassung des Schweregrades im Vorfeld sowie der Einsatz von SP erreicht werden. Sommer et al. (2019) beschreiben methodische Vorteile von SP, unter anderem die Möglichkeit reliable Prüfungen durchführen zu können [6]. Durch die Covid-19-Pandemie wurde die M3 erstmalig mit SP durchgeführt. In der Schweiz und weiteren Ländern sind solche Prüfungen bereits etabliert [2], [3], [4]. Aufgrund der gewählten typischen Erkrankungsfälle wäre das Konzept auch auf andere Standorte übertragbar. Mit unseren Evaluationsdaten konnten wir zeigen, dass die M3-Prüfung an SP grundsätzlich geeignet ist und als fair bewertet wird. Wir streben die Fortführung der M3 in der beschriebenen Art und Weise an, um anhand eines größeren Studienkollektivs Vor- und Nachteile davon detaillierter betrachten zu können. Unseren Daten weisen darauf hin, dass die Prüfung mit standardisierten Fällen und SP als mögliches Prüfungsformat positiv empfunden wird und auch in Deutschland als Routine für die M3-Prüfung diskutiert werden sollte.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Bundesministerium für Gesundheit. Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite A. Problem und Ziel. Berlin: Bundesministerium für Gesundheit; 2020. Zugänglich unter/available from: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/A/ VO_Abweichung_von_AEApprO.pdf Externer Link
2.
Reznick R, Smee S, Rothman A, Chalmers A, Swanson D, Dufresne L, Lacombe G, Baumber J, Polde P, Lefasseur L. An objective structured clinical examination for the licentiate: report of the pilot project of the Medical Council of Canada. Acad Med. 1992;67(8):487-494. DOI: 10.1097/00001888-199208000-00001 Externer Link
3.
Swygert K, Muller ES, Swanson DB, Scott CL. The relationship between USMLE step 2 CS communication and interpersonal skills (CIS) ratings and the time spent by examinees interacting with standardized patients. Acad Med. 2009;84(10 Suppl):S1-S4. DOI: 10.1097/ACM.0b013e3181b380eb Externer Link
4.
Guttormsen S, Beyeler C, Bonvin R, Feller S, Schirlo C, Schnabel K, Schurter T, Berendonk C. The new licencing examination for human medicine: from concept to implementation. Swiss Med Wkly. 2013;143:w13897. DOI: 10.4414/smw.2013.13897 Externer Link
5.
Jünger J. Kompetenzorientiert prüfen im Staatsexamen Medizin. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2017;61:171-177. DOI: 10.1007/s00103-017-2668-9. Externer Link
6.
Sommer M, Fritz AH, Thrien C, Kursch A, Peters T. Simulated patients in medical education - a survey on the current status in Germany, Austria and Switzerland. GMS J Med Educ. 2019; 36(3): Doc27. DOI: 10.3205/zma001235 Externer Link