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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Umsetzung einer geriatrischen OSCE-Station in Zeiten von Covid-19 unter Zuhilfenahme von Make-up-Effekten

Kurzbeitrag Prüfungen

  • corresponding author Daniel Bauer - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • Miria Germano - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • Johanna Stierlin - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • Beate Brem - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz
  • Yvette Stöckli - Siloah Akutklinik, Pflege und Rehabilitation, Gümligen, Schweiz
  • Kai P. Schnabel - Universität Bern, Institut für Medizinische Lehre, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc89

doi: 10.3205/zma001382, urn:nbn:de:0183-zma0013823

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001382.shtml

Eingereicht: 27. Juli 2020
Überarbeitet: 1. September 2020
Angenommen: 23. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Bauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

In der Covid-19-Pandemie wurden ein Lebensalter über 65 oder das Vorliegen bestimmter Gesundheitszustände als Risikofaktoren definiert und Betroffene entsprechend zur Selbstisolation aufgefordert. Dies führte auch dazu, dass das Simulationspersonenprogramm der Universität Bern auf den Einsatz vieler SP v.a. mittleren und vorgerückten Alters verzichten musste. Für eine unaufschiebbare OSCE-Prüfung wurden die Stationen derart angepasst, dass physische Nähe zwischen Kandidat*innen und SP minimiert war. Da sich in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nur wenige Stationen derart anpassen liessen, musste der Fall einer älteren Patientin mit Haltungsinstabilität in den Prüfungsplan aufgenommen werden. Da ältere SP jedoch nicht aufgeboten werden konnten, wurde beschlossen, die visuelle Authentizität an dieser Station mittels Make-up-Effekten zu erzielen.

Die Alterungseffekte wurden mithilfe von Perücken (graues Haar, Frisur), 3D-Probondo-Transfers (Stirnfalten), Old Age Stipple (Krähenfüsse) und Schminke (Altersflecken) bewirkt. Schals bedeckten die Dekolletés und gemäss Covid-19-Schutzreglement wurden chirurgische Masken getragen.

Das stationsbezogene Feedback der Kandidat*innen und Prüfer*innen wurde auf direkte oder indirekte Bemerkungen zu den Alterungseffekten überprüft. Dass keine Äusserung bezüglich der altersgerechten Erscheinung der SP identifiziert werden konnte, wurde als Erfolg interpretiert, da jede ablenkende Wirkung des dargestellten Alters sicherlich zu Bemerkungen oder sogar Beschwerden geführt hätte. Das Feedback der SP zeigte ausserdem, wie die Alterungseffekte halfen, die Rolle der Achtzigjährigen anzunehmen.

Dieser Bericht erläutert, wie SP in ihren Fünfzigern mithilfe von Make-up-Effekten für die Rolle einer Achtzigjährigen in einem OSCE vorbereitet wurden. Der Aufwand für die Alterungssimulation war beträchtlich, aber mit mehr Planungszeit könnte dieser bei zukünftigen Anwendungen reduziert werden. Die Rückmeldungen der Kandidat*innen deuten darauf hin, dass die Erscheinung dieser SP nicht als Ablenkung empfunden wurde, was Hauptziel der Intervention war. Der beschriebene Ansatz lässt sich adaptieren, sodass auch andernorts Stationen mit älteren Patient*innen in OSCE aufgenommen werden können, wo eine Verjüngung der Rolle nicht infrage kommt, zumindest solange Covid-19 die Teilnahme älterer SP verhindert.

Schlüsselwörter: Geriatrie, OSCE, Covid-19, medizinische Moulagen, standardisierte Patient*innen


Hintergrund

In der Schweiz wurde angesichts der Covid-19-Pandemie am 16. März 2020 eine ausserordentliche Lage gemäss Schweizer Epidemiegesetz erklärt und ein Massnahmenkatalog zur Situationsbewältigung erstellt. Ausser dem Erlass eines Regelwerks für die Allgemeinbevölkerung wurden auch Gruppen mit hohem Risiko schwerer Krankheitsverläufe identifiziert und ermutigt, sich bestmöglich zu isolieren, um ihr eigenes Risiko zu minimieren. Zu diesen Gruppen gehörten Personen über 65 Lebensjahren und solche mit bestimmten Gesundheitszuständen [1]. Die Massnahmen hatten auch schwerwiegende Auswirkungen auf die medizinischen Fakultäten, die sich während des laufenden Semesters neu organisieren mussten, brachten aber im Besonderen auch Simulationspersonenprogramme in Nöte. Das SP-Programm der Universität Bern verlor plötzlich den Zugang zur Hälfte ihrer 130 SP. Die Umsetzung von OSCE musste innerhalb kürzester Zeit neu aufgegleist werden.

Für das OSCE des 3. Studienjahres an der Universität Bern wurde ein Schutzkonzept mit allgemeinen Regeln entworfen (z. B. räumliche Distanzierung, Verwendung von Hand-/ Flächendesinfektionsmitteln, Einweghandschuhen und chirurgischen Masken). Eine Neugestaltung des Prüfungsplans musste auf Fälle zurückgreifen, in denen keine physische Nähe zwischen Kandidat*innen und SP erforderlich ist. Diese Zwangslage führte zur Berücksichtigung einer Geriatrie-Station um eine Achtzigjährige mit Haltungsinstabilität, die in drei parallelen Parcours laufen sollte.

Da es sich beim OSCE um ein simulationsbasiertes Format handelt, wurden drei Dimensionen der Authentizität analysiert; die Authentizität des Narrativs (Fallszenario und Checkliste), die Authentizität der Umwelt (szenariengerechte physische Umgebung) sowie die Authentizität der Patientenrepräsentierung (Rollendarstellung der SP) [2]. Fallskript und Checkliste liessen sich anpassen und da die Prüfung im SkillsLab in einem ehemaligen Spital stattfinden sollte, blieb noch sicherzustellen, dass die verfügbaren SP diese Rolle umsetzen könnten. Es wurde befürchtet, dass SP in den Fünfzigern, die dem Rollenalter am nächsten kamen, einen ablenkenden visuellen Reiz darstellen würden und dies das immersive Erleben der Kandidat*innen verringern würde. Dieser Altersdiskrepanz sollte mit Spezialeffekten begegnet werden.

Dieser Artikel beschreibt wie vier SP Mitte fünfzig mittels spezieller Alterungseffekten auf standardisierte Weise in geriatrische Patientinnen umgewandelt wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).


Methoden

Anhand aktueller Fotos wurden vorab Haare, Gesicht, Dekolleté und Hände der vier SP analysiert. Der Einsatz von Transfer-Technik [3] sollte die kurze Vorbereitungszeit am Prüfungsmorgen optimal nutzen und eine hohe Standardisierung gewährleisten. Aus Effizienzgründen sollten Dekolletés mit Schals bedeckt und der Aufwand für die Hände der SP minimiert werden. Da die SP während der Prüfung Schutzmasken tragen sollten, wurde der Fokus auf die Augenpartien sowie auf Haarfarbe und -stil gelegt. Stirnfalten wurden als Flat Moulds modelliert und als 3D-Probondo-Transfers (Maekup, Faversham, UK) umgesetzt, wobei während der Kolorierung zusätzliche Altersflecken ergänzt wurden. Eine Auswahl altersgerechter Perücken wurde vorbereitet.

Für die Umsetzung standen eine Maskenbildnerin und zwei Assistentinnen bereit, und die vier SP wurden zeitlich gestaffelt bis zu 1,5 Stunden vor Prüfungsbeginn aufgeboten und angewiesen, kein eigenes Make-up zu tragen. Zuerst wurden Perücken angepasst und zugewiesen. Krähenfüsse und weitere Falten wurden um die Schläfen, Wangenknochen und unter den Augen mit latexbasiertem "Old Age Stipple" umgesetzt. Die Stirnfalten-Transfers wurden an den individuellen Hautton der SP angepasst, dann aufgetragen und versiegelt.

Bei Bedarf wurden Augenringe mit fettlöslichen Farben betont und weitere Altersflecken mit alkohollöslichen Farben in der Wangenpartie ergänzt. Eine dünne Linie roter Kajal an den Unterlidern deutete die bei älteren Menschen verbreiteten trockenen Augen an. Soweit notwendig wurden Augenbrauen zusätzlich grau gefärbt, um die Passung an die grauen Perücken zu verbessern. Abschliessend zogen die SP ihre Perücken und Schals an und schleusten sich rechtzeitig in das Hauptprogramm der Prüfung ein. Das Entfernen des Make-ups dauerte nach der Prüfung etwa 30 Minuten pro SP.

Die verabreichten Alterungseffekte wurden nicht gezielt evaluiert, um Cuing zu vermeiden, jedoch wurde die übliche Prüfungsevaluation mit Kandidat*innen (N=199) und Prüfer*innen (N=3, aus den drei parallelen Parcours) durchgeführt. Prüfer*innen und SP wurden ausserdem post-hoc kontaktiert, um deren Eindrücke aufzuzeichnen. Dieses Feedback wird narrativ berichtet.


Ergebnisse

Das stationsspezifische Feedback der Kandidat*innen und Prüfer*innen wurde auf direkte oder indirekte Bezüge auf die Alterungseffekte hin überprüft. Weder die Prüfer*innen, die die geriatrische Station versorgten, noch eines der 20 eingereichten Kandidatenfeedbacks zu dieser Station bezogen sich auf die Alterserscheinung der SP. Post-hoc-Feedback der Prüfer*innen war, dass sie das visuelle Erscheinungsbild der SP als zum Fall passend erachteten.

Alle vier SP gaben Feedback. Sie berichten, dass die authentische äussere Erscheinung bei der Identifikation mit der Rolle unterstützt habe. Eine SP teilt ihre initiale Sorge, die Maske während der Pandemie mit anderen Menschen zu teilen, sich aber angesichts der konsequenten Einhaltung des Schutzkonzeptes entspannt zu haben. Eine SP beklagte ein leichtes Zwicken beim Tragen der Perücke. Eine SP beschreibt, froh gewesen zu sein, „ alt“ und nicht „eine Karikatur von alt“ zu sein. Eine andere beklagte sich, dass ihr eigenes Haar als grau genug eingeschätzt wurde, als dass sie eine Perücke zugewiesen bekommen hätte, aber dass sie sich trotz aller Alterungseffekte noch zu jung fühlte. Erst das Hineinversetzen in ihre eigene Mutter habe es ihr erlaubt, auch die Haltung einer Achtzigjährigen einzunehmen. Zwei SP spekulieren über die entscheidende Rolle der Perücken und dass sich ohne Perücke die Kandidat*innen wahrscheinlich weniger natürlich auf sie eingelassen hätten. Das Entfernen der Alterungseffekte wurde allgemein als Erleichterung beschrieben und die Verjüngung als angenehm erlebt; eine SP berichtete über leichte Hautreizungen beim Abschminken.


Diskussion

Wir haben gezeigt, wie SP in ihren Fünfzigern mithilfe von Make-up-Effekten für ein OSCE zu Achtzigjährigen transformiert werden können. Die visuelle Erscheinung muss dabei von einer altersgerechten Körperhaltung, Stimme und kognitiven Darstellung begleitet werden. Der Aufwand für die Alterungssimulation war beträchtlich, könnte jedoch mit mehr Vorbereitung reduziert werden. Das Ziel war nicht, dass sich die SP in authentische Achtzigjährige verwanden, sondern dass sie nicht durch eine verwirrend junge Erscheinung das Erleben der Simulation auf Kandidatenseite untergraben.

Obwohl die Alterungseffekte nicht dezidiert evaluiert wurden, neigen Prüfungskandidat*innen eher zu Vorsicht und melden Aussergewöhnliches eher, als dass sie dies solches unerwähnt lassen. In Kombination mit dem Feedback der Prüfer*innen befinden wir, dass die Alterserscheinung der SP nicht als Ablenkung erlebt wurde.

Es ist weiterhin unklar, wie sich die Covid-19-Pandemie entwickeln wird. Unter der Annahme, dass es weiterhin simulationsbasierte Prüfungen in physischer Präsenz geben wird, und dass insbesondere ältere SP möglicherweise für einige Zeit nicht verfügbar sein werden, ermöglicht es der beschriebene Ansatz, Fälle mit älteren Patientenrollen in ein OSCE aufzunehmen, die nicht für jüngere SP umgeschrieben werden können.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Federal Office of Public Health FOPH. New coronavirus: People at especially high risk. Liebefeld, Schweiz: FOPH. Zugänglich unter/available from: https://www.bag.admin.ch/bag/en/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/besonders-gefaehrdete-menschen.html#842947679 Externer Link
2.
Tun JK, Alinier G, Tang J, Kneebone RL. Redefining Simulation Fidelity for Healthcare Education. Simul Gaming. 2015;46(2):159-174. DOI: 10.1177/1046878115576103 Externer Link
3.
Gormley G, Menary A, Layard B, Hart N, McCourt C. Temporary tattoos: a novel OSCE assessment tool. Clin Teach. 2013;10(4):251-257. DOI: 10.1111/tct.12048 Externer Link