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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Umstrukturierung von Projekten zur Karriereberatung eines Mentoring-Programms für Medizinstudierende im Zuge der COVID-19-Pandemie

Kurzbeitrag Studierende – Mentoring

  • corresponding author Jonathan A. Gernert - Klinikum der Universität, Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • J. Zibold - Klinikum der Universität, Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • L. J. U. Reik - Klinikum der Universität, Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • T. Graupe - Klinikum der Universität, Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • K. Dimitriadis - Klinikum der Universität, Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland; Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Neurologische Klinik und Poliklinik der Universität München, München, Deutschland; Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Klinikum der Universität München, Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD), München, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc73

doi: 10.3205/zma001366, urn:nbn:de:0183-zma0013661

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001366.shtml

Eingereicht: 30. Juli 2020
Überarbeitet: 9. September 2020
Angenommen: 15. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Gernert et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziele: Aufgrund der COVID-19-Pandemie stehen medizinische Curricula aktuell vor großen Herausforderungen. Dies gilt auch für Mentoring-Programme, bei denen persönlicher Austausch als wesentlich angesehen wird.

Methoden: Das Mentoring-Programm der Medizinischen Fakultät der LMU München (MeCuM-Mentor) wurde angepasst, um der unvorhergesehenen Pause der bisherigen Kursformate und der damit verbundenen Unsicherheit vieler Studierender entgegenzuwirken. Wir stellen hier einen Ansatz vor, um die etablierten Groß- oder Gruppen-Mentoring-Veranstaltungen unseres Programms in Online-Formate zu transformieren. Beispielhaft werden drei Projekte vorgestellt: 1. HowTo Klink (HK), wesentlich mit informativem sowie mit Peer-Mentoring-Charakter, 2. FacharztDuell (FAD) und 3. Auf ein Gespräch mit ... (AEGM), beide mit Schwerpunkt Berufsberatung.

Ergebnisse: Initiale Bewertungen zeigen eine ähnlich hohe Teilnahmequote und Zufriedenheit der Studierenden. Die Einschätzung der Studierenden, ob die genannten Projekte in Präsenz- oder Online-Format stattfinden sollen, hat bisher keinen klaren Trend gezeigt.

Fazit: Prospektive Studien sind erforderlich, um die Wirksamkeit dieser Online-Formate zu untersuchen und Unterschiede im Verhalten der Teilnehmer zu analysieren. Inwieweit Online-Mentoring klassische Mentoring-Funktionen ersetzen kann, muss neu diskutiert werden.

Schlüsselwörter: Mentoring, Mentoren, medizinische Ausbildung, Online Mentoring, COVID-19


Hintergrund

Die Bedeutung erfolgreichen Mentorings im Gesundheitswesen sowie Medizinstudium wurde in den letzten Jahren hervorgehoben [1], [2]. Nach Frei et al. spielt die persönliche Interaktion zwischen Mentor*in und Mentee eine entscheidende Rolle für erfolgreiche Mentoring-Beziehungen [3]. Das Mentoring-Programm der medizinischen Fakultät der LMU München (MeCuM-Mentor) wurde 2007 konzipiert und umgesetzt [4]. Es besteht aus zwei Säulen:

1.
Eins-zu-Eins-Mentoring mit studentischen und ärztlichen Mentor*innen für mehr als 4.000 Studierende [5],
2.
Projekte und Veranstaltungen mit Mentoring-Charakter. Jene unterteilen sich in Informationsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Gruppen-Mentoring-Runden.

Obwohl die meisten unserer Projekte Präsenzveranstaltungen waren, um den persönlichen Austausch zwischen Mentor*innen und Mentees zu fördern, enthielt unser Programm auch vor der COVID-19-Pandemie Online-Angebote: ein Newsletter mit verschiedenen außercurricularen oder freiwilligen Angeboten an der medizinischen Fakultät, Video-Podcasts über unsere Mentor*innen, ein Online-Matching-Tool sowie eine Website zur Suche nach offenen Doktorarbeiten [6]. Im Zuge der COVID-19-Pandemie standen wir vor der Herausforderung, das Online-Angebot in kurzer Zeit zu erweitern [7], [8].


Projektbeschreibung

Im Folgenden stellen wir drei Projekte und deren Transformation in virtuelle Formate exemplarisch vor:

1.
HowTo Klinik (HK) ist eine Informationsveranstaltung, um Medizinstudierenden den klinischen Studienabschnitt unserer Fakultät vorzustellen. Sie wird zu Beginn eines jeden Semesters organisiert. Bisher fand HK in einem Auditorium statt und ermöglichte anschließend einen informellen Austausch zwischen Studierenden und studentischen Mentor*innen.
2.
FacharztDuell (FAD) ist eine Veranstaltung, die Unterschiede zwischen medizinischen Fachgebieten in einer moderierten Diskussion (ø 6 pro Jahr) hervorhebt. Das Format berät Medizinstudierende über ihre zukünftige akademische Laufbahn [9].
3.
Auf ein Gespräch mit… (AEGM) ist eine Gruppen-Mentoring Diskussionsrunde mit Gästen, die unterschiedliche berufliche Laufbahnen nach Abschluss des Medizinstudiums vertreten (ø 10 pro Jahr). Die Studierenden können sich in Bezug auf die eigene berufliche Zukunft inspirieren lassen und in ungezwungener Atmosphäre mit ärztlichen Mentor*innen in Kontakt treten [10].

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden alle drei Projekte erstmals mit der Software Zoom Inc., welche von einem Teammitglied unseres Programms gehostet und betreut wurde, als online Video-Meeting durchgeführt. HK fand zum Semesterstart statt. Das FAD wurde einmal abgehalten und konzentrierte sich auf die Rolle von Psychiatern, Internisten und Virologen während der COVID-19-Pandemie. Bei drei AEGM-Veranstaltungen diskutierten die Studierenden mit Ärzten, die eine Karriere in der Notfallmedizin aus internistischer oder chirurgischer Sicht durchlaufen haben, außerdem mit einem Arzt und ehemaligen Berater, der in der pharmazeutischen Industrie tätig ist. Da unsere bisherigen Werbestrategien (als Ankündigungen bei Vorträgen oder Poster auf dem Campus) nicht möglich waren, wurden alle Veranstaltungen online über unsere Social-Media-Kanäle sowie Website beworben. Medizinstudierende der LMU aller Semestern konnten sich parallel für jedes der drei Projekte bewerben. Aus Datenschutzgründen und im Gegensatz zum Präsenzformat war für alle Veranstaltungen eine Registrierung mit der E-Mail-Adresse der Universität auf unserer Website erforderlich. So stellten wir sicher, dass nur befugte Personen teilnahmen. Bei der Anmeldung konnten vorab Fragen eingereicht werden. Zudem bestand die Möglichkeit, dass die Studierenden während der Veranstaltung per Chat oder persönlich Fragen stellen. Die Moderator*innen kategorisierten die Beiträge und wählten repräsentative Fragen zu verschiedenen Themen aus. FAD und AEGM wurden online evaluiert.


Ergebnisse

An den oben genannten Veranstaltungen nahmen 120 (HK), 105 (FAD) und durchschnittlich acht (AEGM) Studierende teil. Die Dauer von Präsenz- und Online-Veranstaltungen wurde von den Moderator*innen auf ca. 2 Stunden eingegrenzt. Die Rücklaufrate der Evaluationen betrug 29% (FAD), 84% (AEGM). Die Veranstaltung im Gesamten wurde mit 1,08±0,28 (FAD) und 1,19±0,40 (AEGM) bewertet (Likert-Skala: 1=sehr gut, 6=unzureichend), die Organisation mit 1,33±0,48 (FAD) und 1,52±0,81 (AEGM). Die Anzahl der Teilnehmer*innen wurde von allen Studierenden in beiden Formaten als angemessen bewertet. Auf die Frage, ob Online- oder Präsenzveranstaltungen das am besten geeigneten Format für das Projekt seien, stimmten 56% des FAD für Präsenzveranstaltungen, wohingegen 57% das Online-Format bei AEGM bevorzugten.


Diskussion

Wir demonstrieren, dass verschiedene Mentoring-Projekte in Online-Formate konvertiert werden können. Die Anzahl der Teilnehmer*innen an Online-Veranstaltungen ist vergleichbar mit der an Präsenzveranstaltungen. Die Evaluationen ergaben eine hohe Zufriedenheit der Studierenden. Eine Reihe von Mentoring-Programmen bieten neben persönlichem Mentoring parallel virtuelle Mentoring-Formate an [11], [12]. Es wird jedoch kritisiert, dass exklusives E-Mentoring aufgrund des Fehlens einer persönlichen Begegnung nicht der Definition von Mentoring entspricht [3]. Die Wirksamkeit von Online-Veranstaltungen im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen muss in prospektiven Studien bewertet werden.


Fazit

Erste vorläufige Ergebnisse unserer Veranstaltungen lassen den Schluss zu, dass Online-Formate für Mentoring-Veranstaltungen eine adäquate Alternative zu Präsenzformaten darstellen können. Langzeit-Evaluationen stehen jedoch noch aus. Diese werden sich darauf konzentrieren, ob unsere Online-Formate den Merkmalen des Mentorings entsprechen und welche Auswirkungen videobasierte Veranstaltungen auf die Gesprächstiefe haben. Vor- und Nachteile von E-Mentoring müssen daher im Vergleich zu Präsenz-Mentoring analysiert werden, um ein geeignetes Nebeneinander beider Formate im Portfolio des Mentoring-Programms anbieten zu können.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Burgess A, van Diggele C, Mellis C. Mentorship in the health professions: a review. Clin Teach. 2018;15(3):197-202. DOI: 10.1111/tct.12756 Externer Link
2.
Henry-Noel N, Bishop M, Gwede CK, Petkova E, Szumacher E. Mentorship in Medicine and Other Health Professions. J Cancer Educ. 2019;34(4):629-637. DOI: 10.1007/s13187-018-1360-6 Externer Link
3.
Frei E, Stamm M, Buddeberg-Fischer B. Mentoring programs for medical students--a review of the PubMed literature 2000-2008. BMC Med Educ. 2010;10:32. DOI: 10.1186/1472-6920-10-32 Externer Link
4.
Pinilla S, Pander T, von der Borch P, Fischer MR, Dimitriadis K. 5 years of experience with a large-scale mentoring program for medical students. GMS Z Med Ausbild. 2015;32(1):Doc5. DOI: 10.3205/zma000947 Externer Link
5.
von der Borch P, Dimitriadis K, Störmann S, Meinel FG, Moder S, Reincke M, Tekian A, Fischer MR. A Novel Large-scale Mentoring Program for Medical Students based on a Quantitative and Qualitative Needs Analysis. GMS Z Med Ausbild. 2011;28(2):Doc26. DOI: 10.3205/zma000738 Externer Link
6.
Nicolai L, Gradel M, Antón S, Pander T, Kalb A, Köhler L, Fischer MR, Dimitriadis K, von der Borch P. The Doktabörse - an innovative online platform for research projects at the medical faculty of the LMU Munich. GMS J Med Educ. 2017;34(3):Doc30. DOI: 10.3205/zma001107 Externer Link
7.
Torda A. How COVID-19 has pushed us into a medical education revolution. Intern Med J. 2020;50(9):1150-1153. DOI: 10.1111/imj.14882 Externer Link
8.
Ferrel MN, Ryan JJ. The Impact of COVID-19 on Medical Education. Cureus. 2020;12(3):e7492. DOI: 10.7759/cureus.7492 Externer Link
9.
Welbergen L, Pinilla S, Pander T, Gradel M, von der Borch P, Fischer MR. The FacharztDuell: innovative career counselling in medicine. GMS Z Med Ausbild. 2014;31(2):Doc17. DOI: 10.3205/zma000909 Externer Link
10.
Gernert JA, Schaller J, Graupe T, Dimitriadis K. 'Have a chat with …': an innovative format for mentoring of medical students. Med Educ. 2019;53(5):501-502. DOI: 10.1111/medu.13854 Externer Link
11.
Lareau S, Blumstein H, Hopson L, Keller BL, Haydel MJ, Cheaito MA, Hitti EA, Epter M, Kazzi A. Selecting a Medical School Advisor. J Emerg Med. 2019;56(5):e91-e93. DOI: 10.1016/j.jemermed.2019.01.011 Externer Link
12.
Krishna L, Tay KT, Yap HW, Koh ZY, Ng YX, Ong YT, Shivananda S, Compton S, Mason S, Kanesvaran R, Toh YP. Combined novice, near-peer, e-mentoring palliative medicine program: A mixed method study in Singapore. PLoS One. 2020;15(6):e0234322. DOI: 10.1371/journal.pone.0234322 Externer Link