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Der internationale Forschungsstand zu Auswahlverfahren von Medizinstudierenden findet auch an deutschen medizinischen Fakultäten Berücksichtigung in der Verwendung von kognitiven und psychosozialen Fähigkeiten als Kriterien zur Vorhersage des Studienerfolgs [1]. An der Universität Witten/Herdecke (UW/H) erfolgt die Studierendenauswahl in einem zweistufigen Verfahren mit einem Motivationsschreiben im ersten und einem Auswahltag mit drei verschiedenen Gesprächssituationen im zweiten Schritt [2]. Angesichts der Sars-CoV-2-Pandemie musste eine Alternative für das Auswahlverfahren der Medizin- und Psychologiestudierenden für das Wintersemester 2020/21 geschaffen werden. Die UW/H entschied sich für eine kontaktfreie Variante der Auswahltage und deren Verlegung in virtuelle Räume des Fernkonferenzdienstes Zoom [https://www.zoom.us/], der es u. a. ermöglicht, audiovisuell und in Echtzeit mit mehreren Teilnehmenden zu kommunizieren. Die Möglichkeit der virtuellen Durchführung von Bewerbungsgesprächen ist eine relativ junge Disziplin, obwohl dieses Format den Bewerbenden mehr Flexibilität bei geringen Kosten bietet und der Fakultät eine akzeptable Alternative zu persönlichen Interviews [3].

Der vorliegende Projektbericht beschreibt die Adaptation des Verfahrens an den virtuellen Raum und dessen Akzeptanz bei den Gutachtenden der UW/H.

Aus Gründen der Fairness und der Praktikabilität wurde das virtuelle Auswahlverfahren in Zoom-Meetings mit den folgenden drei Stationen á 30 Min umgesetzt:

1.

Biografisches Einzelgespräch mit jeweils zwei Gutachtenden im Tandem (ärztliche/psychologische und studentische Gutachtende);

2.

Referat zu einem selbst gewählten fachspezifischen Thema und anschließende Diskussion mit den zwei Gutachtenden;

3.

Zwei verschiedene Aufgaben in einem Multiple Mini Interview.

Für die ärztlichen und psychologischen Gutachtenden (N=53) fanden zur Vorbereitung Online-Schulungen zur Funktionalität und Handhabung der virtuellen Zoom-Räume statt. Bei den erstmals teilnehmenden studentischen Gutachtenden (N=55) lag der Schwerpunkt auf der Erläuterung der Auswahlkriterien und Zielsetzungen auf den verschiedenen Stationen.

Die Bewerbenden haben mit der Einladung drei Wochen vor ihrem jeweiligen Auswahltag Informationen für die von der Erhebung personenbezogener Daten betroffenen Personen vom Datenschutzbeauftragten der UW/H erhalten. Drei Tage vorher erhielten sie ihre Nummer und den individuellen Zeitplan mit Informationen, wann sie für welche Station im Auswahlverfahren in welchem Zoom-Raum erwartet werden. Die Gutachtenden verblieben am Auswahltag in ihrem Tandem im gleichen Zoom-Raum und konnten die Bewerbenden in deren Wechselzeit beurteilen. Die Logistik eines Auswahltages (Vormittag) ist der Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen.

Zur Untersuchung der Durchführbarkeit und Akzeptanz des virtuellen Auswahlverfahrens wurde den Gutachtenden im Anschluss an die Auswahltage ein Online-Fragebogen zugesandt (Ethikvotum der UW/H 88/2020). Der Fragebogen beinhaltet 8 soziodemografische Fragen (z. B. Alter, Geschlecht, Tätigkeit als Gutachter*in) und auf einer fünf-stufigen Likert-Skala (1=trifft gar nicht zu … 5=trifft voll zu) 5 organisatorische Fragen (z. B. Ablauf, Technik) und 8 inhaltliche Fragen (z. B. Fairness, Kontakt, Beurteilung der Bewerbenden) sowie 3 abschließende offene Fragen (siehe Anhang 1 [Anh. 1]).

Im Sommersemester 2020 wurden sechs Auswahltage für den Modellstudiengang Humanmedizin durchgeführt. Insgesamt 83 Gutachtende (41 ärztliche, 42 studentische Gutachtende) haben dabei 178 Bewerbende in den Auswahlgesprächen auf ihre Motivation und Passung zur UW/H geprüft. Die Auswahl für die Studiengänge im Department für Psychologie und Psychotherapie fand an vier Tagen statt. Dabei haben insgesamt 25 Gutachtende (12 psychologische, 13 studentische Gutachtende) 90 Bewerbende für den Bachelorstudiengang Psychologie und 15 Bewerbende für den Masterstudiengang Klinische Psychologie begutachtet.

An der Online-Evaluation beteiligten sich 58 Gutachtende (21 weiblich, 37 männlich). Die durchschnittliche Summe der Evaluation von 3.9±0.7 (Range 1-5) entspricht einer Zustimmung zum virtuellen Auswahlverfahren, an dem 89.7 % (N=52) der Gutachtenden wieder teilnehmen würden. Dabei beurteilten studentische Gutachtende das virtuelle Auswahlverfahren signifikant kritischer als ärztliche und psychologische Gutachtende bzgl. Organisation (Kruskal-Wallis-H=11.6, p=.003) und Inhalt (Kruskal-Wallis-H=7.1, p=.028), wie in Abbildung 1 [Abb. 1] ersichtlich.

Die Entscheidung für die Adaptation des Auswahlverfahrens der UW/H an den virtuellen Zoom-Raum kann als adäquat bewertet werden, da sämtliche Auswahltage erfolgreich durchgeführt werden konnten Die Evaluation durch die Gutachtenden bestätigt die Akzeptanz des virtuellen Auswahlverfahrens, wenngleich die studentischen Gutachtenden diese Änderung kritischer beurteilen, wie schon die Einführung der MMIs in das Auswahlverfahren [4].

Der Nutzen digitaler Methoden sollte aber dahingehend betrachtet werden, ob die etablierten Techniken der Personalauswahl übertroffen werden können [5]. Das bedeutet hier, dass das virtuelle Auswahlverfahren vergleichbare Ergebnisse bringen müsste wie das seit über 30 Jahren bestehende universitätseigene Auswahlverfahren [6], bei dem insbesondere in den Departments Humanmedizin und Psychologie der Fakultät für Gesundheit ein hoher Wert auf “Persönlichkeit und Talent” der Bewerbenden gelegt wird.

Die Ergebnisse und Analyse dieser Ausnahmesituation werden verwendet, um auch das kommende Auswahlverfahren zum Sommersemester 2021 im virtuellen Raum durchzuführen. Offen bleibt noch eine valide Einschätzung für die zukünftige Nutzung eines virtuellen Auswahlverfahrens als mögliche Ergänzung zu den persönlichen Auswahlgesprächen an der Universität Witten/Herdecke.

Die Autor*innen danken den Mitarbeiterinnen der Aufnahmesekretariate Humanmedizin und Psychologie, Cornelia Bock, Elke Moch, Dagmar Reinders und Petra Stammnitz sowie den Medizinstudierenden Marie Dahlke und Konstantin März für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Adaptation des Auswahlverfahrens an den virtuellen Raum.

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.