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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Im Sprint zum digitalen Modul Kinderheilkunde: vollständige Digitalisierung während der Covid-19-Pandemie gemeinsam mit Studierenden

Kurzbeitrag Pädiatrie-Skills

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc66

doi: 10.3205/zma001359, urn:nbn:de:0183-zma0013594

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001359.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2020
Überarbeitet: 7. Oktober 2020
Angenommen: 23. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Mikuteit et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Im Rahmen der Covid-19-Pandemie musste die Lehre im Fach Kinderheilkunde im vierten Studienjahr an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) auf reinen digitalen Unterricht umgestellt werden. Ziel war es, gemeinsam mit Studierenden das Modul zu digitalisieren.

Methodik: In einem mehrstufigen Prozess erarbeitete eine Arbeitsgruppe aus Dozierenden und Studierenden ein Konzept, um die bestehenden Inhalte digitalisiert anzubieten. Nach der Durchführung des Online-Moduls wurde dies evaluiert.

Ergebnisse: Der Konzeptionalisierungsprozess und die Umsetzung des Moduls gemeinsam mit Studierenden lassen sich als modifizierter PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) darstellen. Wir zeigen Einsatzmöglichkeiten für Studierende zur verbesserten Gestaltung von Lehrveranstaltungen in Zeiten mit begrenzten Ressourcen wie Personal und Zeit auf. Die gezielte Einbindung von Studierenden wurde als vorteilhaft bewertet.

Schlussfolgerung: Die Zusammenarbeit von Studierenden und Dozierenden ist geeignet, um ein digitales Modul in kurzer Zeit zu entwickeln und durchzuführen. Zukünftig sollen neben gemeinsamen Konzeptionierungsphasen auch digitale Elemente (z.B. vorbereitende Webinare) für das Modul selbst in Präsenzphasen beibehalten werden.


Einleitung

Die medizinische Ausbildung ist geprägt vom Austausch mit Kommilitonen*innen, Lehrenden und Patient*innen. Durch die Covid-19-Pandemie mussten Anpassungen an sich ändernde Kontaktbeschränkungen in kürzester Zeit erfolgen. Dies stellt die Fakultäten vor die Herausforderung, den Praxis- bzw. Fall-orientierten Unterricht digitalisiert anzubieten [1]. Studierende werden hierbei zurzeit nicht regelhaft in gestalterische Prozesse einbezogen.


Projektbeschreibung

Die Kinderheilkunde ist im Modellstudiengang der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vorwiegend im vierten Studienjahr verankert [2]. Neben klassischen Vorlesungen und Seminaren (Problem orientiertes Lernen, POL) war bereits ein interaktives Training für klinische Entscheidungen (KLE) in einem Lern-Management-System (LMS) ILIAS der Hochschule [https://elearning.mh- hannover.de/] etabliert. Innerhalb von nur sechs Wochen musste ein alternatives Konzept zur Präsenz-Lehre in einem digitalen Lernumfeld erstellt werden. Dieser Projektbericht soll Anregungen für die Integration von Studierenden in Digitalisierungsprozesse an medizinischen Fakultäten bieten.


Ergebnisse

Der mehrschrittige Prozess wurde von zwei Modulverantwortlichen (UM, LG) geplant und durch ein interdisziplinäres Team aus Dozierenden und Studierenden ausgeführt. Die Projektphasen waren an den PDCA Zyklus angelehnt [3] und gliederten sich in

Planen:

1.
Bedarfs-Analyse,
2.
Ist-Analyse,
3.
Konzeptionierung einer digitalen Modulstruktur;

Durchführen:

4.
Strukturerstellung im LMS, Erschaffung neuer Inhalte;

Check:

5.
Abgleich mit Bedürfnissen;

Act:

6.
Durchführung des Moduls. Anschließend erfolgten eine Evaluation und hochschulinterne Präsentation.

In Schritt 1 (informelle Gruppendiskussion) zeigten sich besondere Bedürfnisse (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). In allen PDCA-Phasen ließen sich Studierende gezielt integrieren. Zur Rekrutierung von Studierenden zur Mitarbeit bewährte sich eine gezielte persönliche Ansprache. 4 Studierende wurden kurzfristig gewonnen.

Die Ist-Analyse ergab, dass das vorhandene LMS für die Implementierung der Inhalte geeignet ist. Zudem war bereits ein Lehrformat zum Training klinischer Entscheidungen digitalisiert. Die Sorgen der Studierenden adressierend wurden Lerninhalte in einer Tagesstruktur angeboten. Neben dem asynchronen Selbststudium wurden synchrone Webinare in Teilgruppen von 50 Studierenden veranstaltet, in denen zuvor in Foren gesammelte und durch die Lernenden priorisierte Fragen diskutiert wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1] und Tabelle 2 [Tab. 2]). Dabei hat sich die Semesterstundenzahl nicht verändert. Insgesamt nahmen 102 Studierende am Modul teil. Eine Evaluation (digital und anonym) beantworteten 51 Studierende (12 Männer, 39 Frauen). Videos als Vorlesungsersatz bewerteten 86% mit der Schulnote „sehr gut“, auch wenn die Qualität von nur 61% mit gut/sehr gut bewertet wurde. 37% der Studierenden vermissten klassische Vorlesungen im Hörsaal, 78% wünschten sich Seminare. Der Aussage “Meine Lernmotivation im aktuellen Modul war mit digitaler Lehre vergleichbar oder höher zu vorherigen Modulen” stimmten 89% eher oder sicher zu. Insgesamt bewerteten die Studierenden das digitale Modul mit 13 von 15 Punkten, damit nicht schlechter als die vorherigen Jahrgänge ihr analoges Modul. Das Modul wurde als Best Practice Beispiel bei einer hochschulinternen Veranstaltung präsentiert. Hier wurde die kooperative Gestaltung (Studierende + Lehrende) als verstetigungswerte Innovation hervorgehoben. Trotz unterschiedlicher Ausgangssituationen könnte die Erarbeitung eines digitalen Moduls in Zusammenarbeit mit Studierenden an anderen Fakultäten gelingen.


Diskussion

Erst durch den Druck zur Digitalisierung erfolgte eine stärkere Integration von Lerninhalten in das bestehende LMS. Die gute Kenntnis des LMS seitens Studierender war bei den notwendigen Arbeiten ein strategischer Vorteil [4]. Bereits digital basierte Formate (z.B. Lern-App Pedagotchi [5] und KLE) erwiesen sich als leicht auf größere Gruppen skalierbar. Durch Blended-Learning Formate, die niedrigschwellig integrierbar waren, können über die reine Wissensvermittlung hinausgehende klinische Kompetenzen trainiert werden [6].

Die Konzeptionierung und Gestaltung gemeinsam mit Studierenden erwies sich als geeignete Möglichkeit zur bedürfnisorientierten Digitalisierung traditioneller Formate. Dieses Konzept fand auch Einzug in das studentische Thesenpapier zur Digitalisierung in der Hochschulbildung [7] und ist auf andere Fakultäten übertragbar. Die Evaluation des Moduls zeigte trotz technischer Verbesserungsmöglichkeiten eine hohe Akzeptanz digitaler Lerneinheiten, was generell oft der Fall ist, unabhängig von den Inhalten [8]. Eine Limitation ist der fehlende Vergleich mit einer weiteren Kohorte.

Nichtdesotrotz führt das Lernen mit Patient*innen – im Gegensatz zu digitalen Fällen – zu einem besseren Problembewusstsein [9]. Deshalb soll zukünftig ein Hybridmodul mit Webinaren und Präsenzseminaren mit Patient*innen entwickelt werden. Dabei können sowohl neue Entwicklungen aus der Pandemie-Zeit, als auch Impulse von Studierenden einbezogen werden.


Schlussfolgerung

Die Corona-bedingten Einschränkungen haben starke Impulse zur Zusammenarbeit und Digitalisierung gesetzt. Die Integration von Studierenden ist niedrigschwellig umsetzbar und wirkt sich positiv auf die Weiterentwicklung bestehender Formate aus. Die vollständig digitalisierten Inhalte bieten nun die Möglichkeit einer flexiblen Reaktion auf sich ändernde Herausforderungen im Lehrbetrieb.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Arandjelovic A, Arandjelovic K, Dwyer K, Shaw C. COVID-19: Considerations for Medical Education during a Pandemic. MedEdPublish. 2020;9(1):87. DOI: 10.15694/mep.2020.000087.1 Externer Link
2.
Medizinische Hochschule Hannover. Curriculum des Moduls Kinderheilkunde und Jugendmedizin der MHH. Hannover: Medizinische Hochschule Hannover; 2019. Zugänglich unter/available from: https://www.mhh.de/fileadmin/mhh/medizin-studiengang/downloads/2019_2020/Curricula_19_20/MSE_P_410_Kinderheilkunde.pdf Externer Link
3.
Behrend R, Mette M, Partecke M, Reichel K, Wershofen B. Heterogeneous learning cultures in interprofessional education: a teacher training. GMS J Med Educ. 2019;36(3):Doc24. DOI: 10.3205/zma001232 Externer Link
4.
Sandars J, Correia R, Dankbaar M, de Jong P, Goh PS, Hege I, Masters K, Oh SY, Patel R, Premkumar K, Webb A, Pusic M. Twelve tips for rapidly migrating to online learning during the COVID-19 pandemic. MedEdPublish. 2020;9(1):82. DOI: 10.15694/mep.2020.000082.1 Externer Link
5.
Schmidt R, Grigull L. Pedagotchi: Entwicklung einer neuartigen Lernanwendung für die Pädiatrie. Monatsschr Kinderheilkd. 2018;166:228-235. DOI: 10.1007/s00112-017-0253-9 Externer Link
6.
Rowe M, Frantz J, Bozalek V. The role of blended learning in the clinical education of healthcare students: A systematic review. Med Teach. 2012;34(4):e216-e221. DOI: 10.3109/0142159X.2012.642831 Externer Link
7.
Baumann J, Böckel A, Denker F, Gross P, Kern E, Lamprecht M, Reimann J, Rensinghoff B, Sari Z, Schopf E, Wächtler E, Meyer H, Rampelt F, Röwert R. Der Digital Turn aus Studierendenperspektive. Studentisches Thesenpapier zur Digitalisierung in der Hochschulbildung. Diskussionspapier Nr.7. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung; 2019. DOI: 10.5281/zenodo.3250766 Externer Link
8.
Kühl SJ, Toberer M, Keis O, Tolks D, Fischer MR, Kühl M. Concept and benefits of the Inverted Classroom method for a competency-based biochemistry course in the pre-clinical stage of a human medicine course of studies. GMS J Med Educ. 2017;34(3):Doc31. DOI: 10.3205/zma001108 Externer Link
9.
Li J, Li QL, Li J, Chen ML, Xie HF, Li YP, Chen X. Comparison of three problem-based learning conditions (real patients, digital and paper) with lecture-based learning in a dermatology course: a prospective randomized study from China. Med Teach. 2013;35(2):e963-e970. DOI: 10.3109/0142159X.2012.719651 Externer Link