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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Kursus der Makroskopischen Anatomie in Magdeburg unter Pandemiebedingungen

Kurzbeitrag Skills

  • Erik Wolniczak - Otto-von-Guericke-Universität, Medizinische Fakultät, Institut für Anatomie, Magdeburg, Deutschland
  • Thomas Roskoden - Otto-von-Guericke-Universität, Medizinische Fakultät, Institut für Anatomie, Magdeburg, Deutschland
  • Hermann-Josef Rothkötter - Otto-von-Guericke-Universität, Medizinische Fakultät, Institut für Anatomie, Magdeburg, Deutschland
  • corresponding author Silke D. Storsberg - Otto-von-Guericke-Universität, Medizinische Fakultät, Institut für Anatomie, Magdeburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(7):Doc65

doi: 10.3205/zma001358, urn:nbn:de:0183-zma0013581

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001358.shtml

Eingereicht: 20. Juli 2020
Überarbeitet: 13. Oktober 2020
Angenommen: 29. Oktober 2020
Veröffentlicht: 3. Dezember 2020

© 2020 Wolniczak et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung und Zielsetzung: Die Covid-19-Pandemie hat die Lehre in der Universität vor große Herausforderungen gestellt. Der Lehrbetrieb der Medizinischen Fakultät in Magdeburg wurde zu Beginn des Sommersemesters 2020 fast vollständig online durchgeführt. Auch der Kursus der makroskopischen Anatomie musste zunächst durch virtuelle E-Learning Angebote ersetzt werden.

Methodik: Videos und Fotopräsentationen der Präparierschritte und darzustellenden Strukturen wurden online zur Verfügung gestellt. Die Reaktionen der Studierenden zeigten sehr schnell, dass die Dreidimensionalität, das selbstständige Präparieren und die Haptik des zu studierenden Objektes dieses Fach zum Großteil ausmachen.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Virtuelle E-Learning Angebote sind eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für das aktive Präparieren an Körperspendern. Durch Umstellung des Kursangebots unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandregeln konnten wir im Laufe des Semesters wieder einen Präsenzkurs anbieten, was von den Studierenden ausdrücklich begrüßt wurde.

Schlüsselwörter: Anatomie, Lehrmethoden, E-Learning, Pandemie, CoVid-19


Einleitung

Im Sommersemester 2020 waren an der Otto von Guericke Universität Magdeburg im ersten Studienjahr ca. 190 Studierende für das Fach Medizin immatrikuliert. Im Kursus der makroskopischen Anatomie präparieren an 2 aufeinanderfolgenden Tagen je 1 Seminargruppe (ca. 20 Studierende) an 2 Körperspendern im „Parallelgruppen-System“. Während im Wintersemester 2019/20 die Studierenden selbst präparierten, wurden in den ersten 4 Wochen des Sommersemesters die anatomischen Lehrinhalte alternativ mit digitalen Verfahren zur Verfügung gestellt. Die Vorlesungen wurden mit zusätzlichen Skripten der Vorlesungsinhalte als Video-Konferenz (ZOOM) durchgeführt [https://moodle.med.ovgu.de/login/login.php].


Projektbeschreibung

Für den praktischen Teil wurden die darzustellenden Strukturen von den Dozierenden, unterstützt von der Prosektur, präpariert. Der Präparierstand wurde mit verschieden Kamerasystemen (Smartphone, Digitalkamera, Action-Kamera etc.) dokumentiert. Die Action-Kamera war an einem Helm montiert, um den Betrachtenden eine Ich-Perspektive zu ermöglichen.

Videos und Fotopräsentationen wurden auf der universitätsinternen Online-Plattform (Moodle) mit Zugriffsbeschränkung zur Verfügung gestellt. Als zeitliche Orientierung des Ablaufs diente die institutseigene Präparieranleitung [1]. Die Fotopräsentationen enthielten Beschriftungen und Kommentare, die Videos erhielten Audiokommentare und die Strukturen wurden mit Text eingeblendet. Insgesamt hatten die Studierenden 49 Videos und 11 Präsentationen zur Verfügung [https://moodle.med.ovgu.de/login/login.php].

Neben zeitlichen Absprachen, dem Sichten und Bearbeiten der Videos und Fotos für die Präsentationen, wurde auch eine digitale Infrastruktur aufgebaut.


Methoden

Es waren wöchentlich 2 Meetings der Beteiligten angesetzt. Zum Wochenbeginn wurde der Ablauf geplant. Zum Wochenende wurden die Ergebnisse gesichtet und online zur Verfügung gestellt [https://moodle.med.ovgu.de/login/login.php].

Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile des Vorgehens dargestellt:

Pro (Dozierendenseite)
  • detaillierteres Präparieren und Darstellen der Strukturen
  • Anwendung unterschiedlicher, alternativer Präpariermethoden (abweichend von der Präparieranleitung)
  • erweiterte Fortbildungsmöglichkeiten für Dozierende
  • Ergebnisvideos und –fotos dauerhaft nutzbar als digitale Unterstützung für kommende Jahrgänge
Contra (Dozierendenseite)
  • ca. 3facher Zeitaufwand! (interindividuelle Unterschiede)
  • kaum persönliche Interaktion mit Studierenden
  • Videos beziehen sich nur auf Präparate dieses Semesters, Übertragbarkeit auf „neue“ Präparate teilweise schwierig
  • trotz beschränkter Zugangsberechtigung der Online-Plattform (Moodle) ist eine digitale Verbreitung nicht komplett kontrollierbar, daher klare Kennzeichnung des Materials mit Fakultätslogo und Institutskennzeichnung
Pro (Studierendenseite)
  • Schwerpunkte für Studierende klar definiert durch Videos/Präsentationen
  • Ergebnisvideos und -fotos asynchron nutzbar, Vor-/Zurückspulen möglich
  • Nachvollziehbarkeit einzelner Präparationsschritte (durch „Paralellgruppen“ im Präsenzbetrieb oft nicht möglich)
Contra (Studierendenseite)
  • Räumlichkeit und Haptik des realen Präparates fehlen
  • die Möglichkeit Strukturen selber darzustellen fehlt („Erfolgserlebnis“)
  • gemeinsames Lernen mit Kommilitonen fehlt
  • anatomische Variabilität der Körperspender nur eingeschränkt vermittelbar

Seit dem 06.05.2020 war eingeschränkte Präsenzlehre unter Beachtung der geltenden Hygienemaßnahmen wieder möglich [https://ms.sachsen-anhalt.de/themen/gesundheit/aktuell/coronavirus/]. Vorlesungen fanden weiterhin online statt. Während des Präparierkurses waren max. 50 Studierende (statt 100) anwesend. Die Anfangszeiten des Kurses waren für 2 Untergruppen (je 25 Personen) zeitlich versetzt, um einen gewissen Abstand zwischen den Studierenden in den Umkleiden zu ermöglichen. Vom Institut wurden Schutzbekleidung (OP-Kittel) und Mund-Nasen-Schutz zur Einmalverwendung gestellt; die Zahl der Studierenden pro Körperspender wurde auf 5 begrenzt. Durch die Teilnehmerbegrenzung war die Kurszeit für die Studierenden halbiert, dafür wurden vermehrt Kurz-Seminare in jedem Kurs und erweiterte Selbststudienzeiten mit Dozierenden angeboten. Hierbei musste auf Tischwechsel und Mischen der Gruppen verzichtet werden und die Studierenden konnten sich deutlich weniger mit anderen Präparaten auseinandersetzen. Zur Verfolgung möglicher Infektionsketten hätten Teilnehmerlisten zur Verfügung gestanden.


Ergebnisse

Vor dem letzten Testat des Semesters wurde eine Umfrage unter den Studierenden durchgeführt, um zu erfahren, wie hilfreich die von uns zur Verfügung gestellten Materialien empfunden wurden. Hierbei ergab sich, dass 95% der 148 teilnehmenden Studierenden die Materialien auf Moodle als „sehr hilfreich“ bzw. „hilfreich“ empfanden und nur 2 dieses Angebot nicht wahrgenommen hatten.

Insgesamt lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

Positiv
  • hohe Wertschätzung des aktiven Präparierens („…ein Präparierkurs ist nicht zu ersetzten…“)
  • eigenes Präparieren fördert Lerneffekt deutlich („…ist eminent um sich die Strukturen und deren Verlauf dreidimensional vorstellen zu können…“)
  • intensivere Betreuung durch kleinere Gruppen
  • bessere Testatvorbereitung durch verstärkte Seminare
  • Infektionsrisiko minimiert, aber nicht gebannt!
Negativ
  • wenig Kenntnis über andere Präparate und Varietäten
  • insgesamt verkürzte individuelle Präparierzeit bei höherem Aufwand der Dozierenden
  • insgesamt Angst/Sorge/Ungewissheit der Studierenden
  • Erwartungshaltung bei Studierenden sehr hoch, eigene Präparierinitiative lässt nach, der Dozierende wird zum „Präp-Dienstleister“

Schlussfolgerung

Die Mehrheit der Studierenden sagt deutlich, dass ein virtueller Präparierkurs den realen Präparierkurs nicht ersetzen kann. Das gesamte Kollegium konnte sehr viele Erfahrungen sammeln, um adäquat reagieren zu können und den Studierenden die bestmögliche Ausbildung unter Pandemiebedingungen zu ermöglichen. Basierend auf diesen Erfahrungen (Lehre und Logistik) kann die Lehre im kommenden Wintersemester gestaltet werden; in Präsenz-, Hybrid-Veranstaltungen oder online.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Med. Fakultät. Anleitung zum Präparierkurs und Hirnkurs an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Magdeburg: Otto-von Guericke-Universität Magdeburg, Med. Fakultät; 2019.