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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Digitale Kompetenzen in der medizinischen Ausbildung der Schweiz – eine Standortbestimmung

Artikel Digitale Kompetenzen

  • Stefanie C. Hautz - Universität Bern, Universitätsspital Bern, Inselspital, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz
  • Michele Hoffmann - Universität Bern, Universitätsspital Bern, Inselspital, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz
  • Aristomenis K. Exadaktylos - Universität Bern, Universitätsspital Bern, Inselspital, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz
  • Wolf E. Hautz - Universität Bern, Universitätsspital Bern, Inselspital, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz
  • corresponding author Thomas C. Sauter - Universität Bern, Universitätsspital Bern, Inselspital, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2020;37(6):Doc62

doi: 10.3205/zma001355, urn:nbn:de:0183-zma0013557

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001355.shtml

Eingereicht: 30. September 2019
Überarbeitet: 19. Februar 2020
Angenommen: 30. Juni 2020
Veröffentlicht: 16. November 2020

© 2020 Hautz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die derzeitigen Medizinstudierenden wachsen in einem digitalen Zeitalter auf, aus dem der Umgang mit Smartphones und Smart Devices im beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Die Fähigkeiten im Umgang mit diesen Devices, die im privaten Alltag wie selbstverständlich angewendet werden, lassen sich jedoch nur teilweise auf die Arbeit mit Patienten und das medizinisch-professionelle Umfeld übertragen. Da bisher wenig zum Thema Digitalisierung im Medizinstudium bekannt ist, ist das Ziel dieser Arbeit, einen Überblick über die derzeitige Ausbildung in digitalen Kompetenzen an den Universitäten der Schweiz zu erhalten.

Methoden: Die medizinischen Dekanate aller Schweizer Universitäten wurden telefonisch kontaktiert, mit dem Hinweis auf eine Online Umfrage. Die Einladung für diese in Survey Monkey implementierte Umfrage wurde im Anschluss per E-Mail an die entsprechenden Ansprechpartner verschickt und bestand aus einem Skalenanteil und Freitextfragen. Der in der Umfrage abgefragte Themenkomplex „digitale Kompetenzen“ orientiert sich an den Inhalten, wie sie im Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland (PROFILES) und dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) genannt werden.

Ergebnisse: Alle befragten Dekanate haben an der Umfrage teilgenommen. Die genannten Themen aus dem Bereich der Digitalisierung werden allesamt als relevant oder sehr relevant bewertet. Unsere Umfrage zeigt ein heterogenes Bild bezüglich der Umsetzung dieser Inhalte. An wenigen Universitäten ist eine gut etablierte oder sogar curricular implementierte Ausbildung vorhanden, oft aber ist sie im Aufbau. Zusätzlich benannten die Teilnehmer förderliche und hinderliche Faktoren bezüglich des Aufbaus und der Umsetzung curricularer Implementation zum Thema Digitalisierung.

Schlussfolgerung: Die Bedeutung des Erwerbs digitaler Kompetenzen im Rahmen des Medizinstudiums ist allen medizinischen Fakultäten in der Schweiz bekannt. Die curriculare Integration ist unterschiedlich weit fortgeschritten und stellt die Fakultäten vor große Herausforderungen. Gerade der Einbezug Studierender in die entsprechende Lehre scheint eine mögliche Antwort auf diese Herausforderung zu sein.

Schlüsselwörter: digitale Transformation, digitale Kompetenzen, medizinische Ausbildung, Schweiz


Hintergrund

Wie Patienten von Ärzten behandelt werden ist ein dem Wandel der Zeit unterliegender Prozess. Im letzten Jahrzehnt wurden Lern- und Arbeitsprozesse in der Medizin zunehmend durch digitale Hilfsmittel beeinflusst und die sogenannte „Digitale Transformation“ ist in aller Munde. Das Weltwirtschaftsforum beispielsweise geht bezüglich Digitalisierung in der Medizin davon aus, dass nicht nur die Nutzung neuer Medien „das Gesundheitssystem der Zukunft [...] verändern wird, sondern eine entscheidende Veränderung der Übergang zu einer „Verbraucherorientierten“ Gesundheitsversorgung ist, die den Bürgern viel mehr Verantwortung für die Verwaltung ihrer Gesundheitsversorgung und die ihrer Familien ermöglicht“ [1]. Die US Food and Drugs Administration (FDA) beschreibt, dass das Spektrum der digitalen Gesundheit mobile Gesundheit (mHealth), Gesundheitsinformationstechnologie (IT), tragbare Geräte, Telegesundheit und Telemedizin sowie personalisierte Medizin umfassen [https://www.fda.gov/medical-devices/digital-health-center-excellence]. Auch die Schweiz hat sich des Themas der Veränderungen durch die digitalen Möglichkeiten in der Medizin angenommen. So verpflichtet sie als konkrete Maßnahme alle medizinischen Leistungserbringer ab dem Jahr 2020 Dokumente von therapeutischer oder diagnostischer Relevanz in ein sogenanntes Elektronisches Patientendossier einzuspielen und – sollte der Patient ein solches Dossier haben – die darin enthaltenen Informationen in ihre Entscheidungsfindung einfließen zu lassen [2].

Die Existenz digitaler Hilfsmittel wie elektronische Patientenakten ist jedoch nur die eine Seite der Medaille; der Umgang mit derartigen Hilfsmitteln die andere. Dieser ist derzeit weder definiert noch standardisiert. Entsprechend ist die Datenlage zu Chancen und Risiken die dieser Wandel mit sich bringt gering und der Ausbildungsbedarf weitgehend unbekannt oder nicht spezifiziert. Die wenigen Definitionen, die es zu den Fertigkeiten hierfür (sog. health literacy) gibt sind eher generischer Natur. Die WHO beispielsweise definierte sie als „Die kognitiven und sozialen Fähigkeiten, die die Motivation und die Fähigkeit des Einzelnen bestimmen, Zugang zu Informationen zu verstehen und so zu nutzen, dass sie die Gesundheit fördern und erhalten“ [3]. Und so überrascht es nicht, dass Gesundheitsforscher seit Langem die unzureichende Verbindung zwischen Gesundheit und Bildung bemängeln [4]. Das gilt auch für den deutschsprachigen Raum, wie Haag et al anmerken, wenn sie schreiben, dass Medizinstudierende bisher ungenügend darauf vorbereitet sind, mit den Herausforderungen der digitalen Medizin umzugehen [5].

Zwar wachsen die derzeitigen Medizinstudierenden in einem digitalen Zeitalter auf, aus dem der Umgang mit Smartphones, Apps und Smart Devices aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Die Fähigkeiten im Umgang mit solchen Devices werden im privaten Alltag wie selbstverständlich angewendet, sie sind jedoch nur teilweise auf die Arbeit mit Patienten und das medizinisch-professionelle Umfeld übertragbar [6]. Mobile Apps, wie Entscheidungshilfen (sogenannte digital decision aids), medizinische Rechner (Scoring Systeme) oder digitale Triagehilfen, sind auf Smartphones verfügbar und als Mobile Apps inzwischen fester Bestandteil der alltäglichen Arbeit. Mit dieser ubiquitären Verfügbarkeit von Wissen im Internet muss sich die Ausbildung eines Mediziners anpassen und verändert sich so von einer lehrbuchbasierten Wissensvermittlung zu einer ablauf- und prozessorientierten Ausbildung („vom Lehrbuch zu Dr. Google“). Diese Veränderung findet jedoch nicht nur auf der Seite des Medizinstudierenden und zukünftigen Arztes statt, sondern auch auf der des Patienten: Der informierte Patient begegnet dem Arzt gerne auf Augenhöhe, möchte sein Wissen eingeordnet und erläutert wissen. Er fordert den Arzt somit auf, Kommunikationsstrategien anzuwenden, die dieser sich möglicherweise erst aneignen muss. Beispielsweise berichtet ein sogenannter Symptom Checker (eine Website, die Patienten auf Grund der von ihnen eingegebenen Symptome diagnostische Empfehlungen gibt) von aktuell mehr als 15 Millionen monatlichen Aufrufen [7] und mehr als ein Drittel der U.S. Amerikaner versucht sich selbst mit Hilfe von e-health zu diagnostizieren [8]. Kickbusch beschreibt folglich, dass digital literacy (also digitale Alphabetisierung) immer wichtiger wird, nicht nur in der Ausbildung, sondern auch auf Ebene der Patienten und der Gesellschaft an sich [4]. Ähnlich verhält es sich mit den rechtlichen Aspekten (z.B. zum Datenschutz oder der digitalen Kommunikation von Patienten untereinander). Auch diese müssen neu diskutiert werden [9]. Dies überrascht nicht, da nur etwa die Hälfte der WHO-Länder über einen speziellen Schutz der Privatsphäre für persönliche Gesundheitsdaten verfügt [10]. Auf europäischer Ebene wird deshalb daran gearbeitet, einheitliche Datenschutzrichtlinien für die Verwaltung personenbezogener Gesundheitsdaten zu schaffen [11].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einzug der Digitalisierung in den medizinischen Alltag bekannt ist. Nun müssen sich auch die entsprechenden Lehrinstitutionen damit auseinandersetzen. Die Schweiz hat dafür eine Initiative in Gang gesetzt, die sogenannte „e-Health-Strategie 2.0“, in der sie verschiedene Handlungsfelder benennt. Eines davon lautet „zur Digitalisierung befähigen“. Sie hat das landesweite Problem der fehlenden Fertigkeiten in diesem Bereich erkannt und betont mit dieser Strategie die Bedeutung von digitalen Kompetenzen als übergeordnetes Ziel [2]. Um dieses Handlungsfeld nun jedoch in die Ausbildung transferieren zu können, wird ein obligatorisches, maßgeschneidertes Kursangebot notwendig [12]. Die beiden relevanten Lernzielkataloge, die Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland (PROFILES) [13] und der Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [http://www.nklm.de] bieten für dieses enorme Arbeitspaket zwar eine Grundlage, können aber den einzelnen Institutionen für die alltägliche Arbeit nur bedingt weiter helfen, da sie zwar Kompetenzen wie „Telemedizinische Nachsorge und Versorgung chronischer Krankheiten“ benennt, diese aber kaum (wenn überhaupt) auf konkrete Lernziele herunter brechen.

Parallel wird auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung von der Verbindung der Schweizerischen Ärztinnen und Ärzte (FMH) das Thema Digitalisierung angesprochen und festgestellt, dass die Chancen der Digitalisierung nur dann optimal genutzt werden könnten, wenn die digitale Kompetenz der Ärzteschaft zusammen mit derjenigen der Patienten gefördert wird. All diese Ansätze betonen die immense Wichtigkeit, die Aus- und Weiterbildung zum Thema Digitalisierung anzupassen und definieren dies als wichtig strategische Aufgabe [14].

Bisher ist wenig zum Ist-Stand der aktuellen Ausbildungslage zum Thema Digitalisierung im Medizinstudium in der Schweiz bekannt. Daher ist das Ziel dieser Umfrage einen Überblick über die derzeitige Ausbildung in digitalen Kompetenzen an den Universitäten der Schweiz zu erhalten und so den Fakultäten zu ermöglichen, voneinander zu lernen.


Methoden

Zwischen dem 20.8.2019 und dem 20.9.2019 wurden die Dekanate aller sieben Schweizer Universitäten telefonisch kontaktiert, mit dem Hinweis auf eine Online Umfrage. Die Einladung für diese in Survey Monkey implementierte Umfrage wurde im Anschluss per E-Mail an die entsprechenden Ansprechpartner verschickt. Die angeschriebenen Ansprechpartner waren die Studiengangsverantwortlichen der Dekanate.

Der in der Umfrage befragte Themenkomplex «digitale Kompetenzen» orientiert sich an den telemedizinischen Inhalten, wie sie im Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland (PROFILES) [13] und dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [15] genannt und von Kuhn et al. [16] an der Universität in Mainz mit einem Piloten «Medizin im digitalen Zeitalter» umgesetzt und 2018 publiziert wurden.

Die Umfrage umfasst einen Skalenteil (wobei 1 ist das schlechteste Rating, und 3 das Beste ist), sowie die Möglichkeit von Freitextantworten. Die Skalen werden hier auf Grund der kleinen Fallzahl mit ihren absoluten Werten berichtet. Die Freitextantworten wurden systematisch ausgewertet und geclustert. Sofern mit den wenigen Freitexten möglich, wurde eine induktive Kategorienbildung nach Mayring durchgeführt [17]. Hierfür wurden die Freitextantworten der förderlichen und hinderlichen Faktoren thematisch gruppiert und 4 Kategorien gebildet (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Die Themengebiete, zu welchen die Universitäten bezüglich ihrer Lehrangebote befragt wurden, sind: Sichere digitale Kommunikation (von Email bis Whatsapp), soziale Netzwerke (der Arzt auf Twitter sowie Bewertungsportale), telemedizinische Nachsorge und Versorgung chronisch Kranker, Medizinische Apps und smarte Geräte, Nutzung digitaler Inhalte (Uptodate, Compendium, etc.), telemedizinische (Notfall-)versorgung (z.B. Teleradiologie oder Dermatologie), durch Virtual Reality/Augmented Reality unterstütztes Training oder Behandlung, sowie rechtliche und ethische Aspekte (Datenschutz, Persönlichkeitsrecht) (Originalfragen siehe Anhang 1 [Anh. 1]).

Auf Grund der vier Landessprachen in der Schweiz, von denen die Universitäten in drei lehren (Deutsch, Französisch und Italienisch), wurde die Umfrage auf Englisch durchgeführt.


Resultate

Alle sieben Schweizer Universitäten, die ein klassisches Bachelor- und Masterstudium der Medizin anbieten, haben an der Umfrage teilgenommen (Rücklaufquote 100%). Zusätzlich wurde die ETH Zürich befragt, welche einen Bachelorstudiengang anbietet, in dem sie dezidiert medizinische mit technisch-naturwissenschaftlichen Aspekten der menschlichen Gesundheit in ihrem Medizinstudium zu verbinden versuchen [https://ethz.ch/de/studium/bachelor/studienangebot/systemorientierte-naturwissenschaften/medizin.html]. Die befragten Universitäten haben einer Veröffentlichung der Daten in aggregierter Form zugestimmt.

1. Ist-Stand der Themen und deren Bedeutung nach Einschätzung der Schweizer Fakultäten

Die aktuell an den Universitäten angebotenen Inhalte sind in Tabelle 1 [Tab. 1] zusammengefasst und wurden in ihrer Bedeutung von den Umfrageteilnehmern bewertet.

2. Bereits existierende Kursangebote

In fünf Universitäten (62.5%) sind die Unterrichtsinhalte nicht in expliziten Kursen angesiedelt, sondern werden fächerübergreifend über das Curriculum verteilt unterrichtet.

Zwei Universitäten haben Kurse mit 8 ETCS Punkten, eine Universität einen Kurs mit 1 ETCS Punkt.

Ein Kurs besteht seit 2008 zum Thema Telemedizin, ein weiterer seit 2010 zum Thema Digital health/Data science und ein Kurs wird 2019 zum ersten Mal angeboten und wurde mit „digitaler Medizin“ betitelt.

Alle explizit ausgewiesenen Kurse sind Pflichtveranstaltungen.

Auf die Frage, wie das ideale Curriculum aussehen könnte, wurde das Abbilden der „digitalen Realität“ genannt, mit praktischen Anteilen, sowie dem Lehren und Lernen des kritischen Umgangs mit der Digitalisierung.

Examensrelevante Aspekte aus dem Bereich „digitale Kompetenzen“ sind laut unserer Umfrage hauptsächlich der kritische Umgang und das Befähigen der Studierenden mit neuen Methoden oder technischen Möglichkeiten kritisch und reflektiert umzugehen und den gesellschaftlichen Zusammenhang einschätzen zu können.

Als didaktische Methoden, welche an den Universitäten angewendet werden, wurden aufgelistet: Einführungsvorlesungen, Hands-on-Workshops (z.B. Simulationen), Kleingruppen-Unterricht, E-Learning und Projektarbeiten oder spezifische digitale Formate, wie Hackathons (z.B. Erstellen eines Softwareprodukts innerhalb einer bestimmten Zeit), Massive Open Online Courses (MOOC, sog. Öffentliche online Kurse) und Foren.

3. Förderliche und hinderliche Faktoren

Die genannten förderlichen und hinderlichen Faktoren sind in Tabelle 2 [Tab. 2] zusammengefasst.

Bezüglich der notwendigen Unterstützung für eine verbesserte Umsetzung wurden hauptsächlich Zeit und Geld genannt und die Wichtigkeit eines kompetenten Koordinators beziehungsweise die Unterstützung durch Informatikspezialisten erwähnt.


Diskussion

Alle medizinischen Fakultäten der Schweiz bewerten die genannten Themen aus dem Bereich der Digitalisierung als relevant oder sehr relevant. Unsere Umfrage zeigt ein heterogenes Bild bezüglich der Umsetzung dieser Inhalte. An wenigen Universitäten ist eine gut etablierte oder sogar curricular implementierte Ausbildung zum Thema vorhanden, oft aber ist sie im Aufbau.

Dass es bisher kaum Kursangebote zu diesem Thema gibt scheint hauptsächlich an vier Faktoren zu liegen: Mangelnde Unterstützung in der Entwicklung und Durchführung solcher Kurse, mangelndes Personal für die Koordinierung auf Planung solcher Kurse, das entsprechende Budget und vor allem fehlende Inhalte.

Die beiden existierenden Lernzielkataloge scheinen den Bedarf hierbei nicht zu decken. Lernziele, die direkt in die Praxis übertragbar und für die Ausbildung handlungsleitend sind, werden gebraucht um den Studierenden die dringend benötigten Fertigkeiten der health literacy nahe zu bringen [4].

Die Vielfalt der Formate scheint weniger als Problem angesehen zu werden. Hier werden unterschiedlichste benannt und auch genutzt, um die neuen Inhalte zu transportieren.

Eine wesentliche Herausforderung für die curriculare Implementation digitaler Themen jedoch scheint die dafür nötige Dreifachqualifikation in den Bereichen Digitales, Medizindidaktik und medizinisch-fachlichen Inhalten. Nicht jede Fakultät scheint diesen Bedarf vollständig abdecken zu können. Pilotprojekte, wie das von Kuhn und Kollegen implementierte Curriculum können einen wertvollen Beitrag leisten und als „blue-print“ für andere Fakultäten dienen [16].

Die Einbindung der Studenten im Sinne eines Co-Development als Zielgruppe und Spezialisten für digitale Inhalte, könnte im Rahmen eines Peer Teaching Programms erfolgen. Hiermit könnte dem als kostentreibend empfundenen Thema begegnet werden. Das kostengünstige Peer Teaching könnte neben dem Kostenaspekt auch dem schnellen Wandel von Inhalten im digitalen Umfeld und damit drohendem Veralten eben dieser entgegensteuern und so einen Ressourcen sparenden, die Aktualität garantierenden und motivierenden Umsetzungsansatz bieten [18].

Auch das Empowerment der Studierenden zum kritischen Umgang mit digitalen Möglichkeiten bietet einen Ansatz zum Umgang mit dieser Herausforderung. Dieser eher generische kritische Umgang statt des Unterrichtens konkreter Inhalte wurde in unserer Umfrage stark gefordert und scheint sich fast zwingend aus dem rasanten Wandel zu ergeben, welcher das vermittelte Wissen bei Arbeitsbeginn der Studierenden bereits veraltet erscheinen lässt. Ob allerdings „digitale Kompetenz“ oder „kritischer Umgang“ überhaupt vom konkreten Kontext unabhängig lehr- und lernbare Kompetenzen sind oder zwingend in den medizinisch-fachlichen Kontext eingebettet sein müssen, ist unbekannt und erfordert eine wissenschaftliche Überprüfung. In Analogie zu den Erkenntnissen aus der Forschung zum problemorientierten Lernen lässt sich vermuten, dass der Erwerb generischer Fähigkeiten schwierig oder gar unmöglich ist [19]. Eine weitere offene Frage ist, wann der passende Zeitpunkt für das Unterrichten dieser Inhalte ist. Die meisten Studierenden haben wahrscheinlich direkten Kontakt mit den digitalen Angeboten erst während der klinischen Tätigkeit in ihrem praktischen Jahr am Ende des Studiums. Peer Teachings oder Kurse könnten daher zu diesen Zeitpunkten eine hilfreiche Positionierung finden.

Auch das interdisziplinäre Vernetzen der medizinischen Ausbildungen bietet eine Möglichkeit im Umgang mit dem Problem des großen Ressourcenbedarfs. Ähnliche digitale Kompetenzen werden von allen medizinischen Spezialitäten von Apothekern über Rettungssanitäter bis zu Krankenpflegenden gefordert. Eine Vernetzung würde so auch die Last der nötigen Expertise aufteilen und den


Schlussfolgerung

Die Bedeutung des Erwerbs digitaler Kompetenzen im Rahmen des Medizinstudiums ist allen medizinischen Fakultäten in der Schweiz bekannt. Die curriculare Integration ist unterschiedlich weit fortgeschritten und stellt die Fakultäten vor große Herausforderungen. Gerade der Einbezug Studierender in die entsprechende Lehre scheint eine mögliche Antwort auf diese Herausforderung zu sein.


Danksagung

Die Autoren danken den Umfrageteilnehmenden der Universitäten für die zeitnahe Beantwortung der Fragen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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