gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Blended Learning: Zehn Tipps zur Umsetzung in einem medizinischen Curriculum

Artikel Gewusst wie: Blended Learning

Suche in Medline nach

  • corresponding author Inga Hege - Universität Augsburg, Med. Fakultät, Lehrstuhl Medical Education Sciences, Augsburg, Deutschland
  • author Daniel Tolks - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland; Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Lüneburg, Deutschland
  • author Martin Adler - Instruct gGmbH, München, Deutschland
  • author Anja Härtl - Universität Augsburg, Med. Fakultät, Lehrstuhl für Medizindidaktik und Ausbildungsforschung, DEMEDA, Augsburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2020;37(5):Doc45

doi: 10.3205/zma001338, urn:nbn:de:0183-zma0013382

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001338.shtml

Eingereicht: 13. Dezember 2019
Überarbeitet: 5. April 2020
Angenommen: 12. Mai 2020
Veröffentlicht: 15. September 2020

© 2020 Hege et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Blended Learning ist eine sinnvolle Verknüpfung von Online- und Präsenzlehre. In diesem Artikel werden relevante Aspekte dieses Formats zusammengefasst und zehn Tipps zur Umsetzung eines Blended Learning-Curriculums in der Ausbildung in den Gesundheitsberufen gegeben. Die allgemeinen Tipps wurden sowohl aus der persönlichen Erfahrung der Autor*innen als auch auf Basis der verfügbaren Literatur abgeleitet und umfassen sowohl den Planungs- als auch den Umsetzungsprozess.

Schlüsselwörter: Blended Learning, Curriculum, Curriculumsentwicklung


Was ist Blended Learning?

Ein Beispiel für ein bekanntes Blended Learning Format ist das Konzept des „Inverted Classroom“, auch „Flipped Classroom“ genannt: Dabei bereiten sich die Lernenden mit einer Online-Selbstlernphase auf eine dann folgende Präsenzveranstaltung vor, die auf dem zuvor angeeigneten Wissen aufbaut [1]. Im Allgemeinen wird Blended Learning als eine sinnvoll aufeinander abgestimmte Verknüpfung von Online- und Präsenzlehre bezeichnet, wobei Blended Learning die Vorteile beider Ansätze vereint.

In der wissenschaftlichen Literatur besteht kein klarer Konsens darüber, wie genau eine Lernumgebung konzipiert sein muss, damit sie als Blended Learning bezeichnet werden kann. Die Diskussionen konzentrieren sich meist auf das Verhältnis und das Zusammenwirken der Online- und der Präsenzaktivitäten [2]. Einige Bestandteile des Blended Learning sind jedoch definiert und tragen zum Verständnis des Konzepts bei:

1.
Die Lernenden können zumindest teilweise bestimmen, wann, wo und wie sie arbeiten,
2.
Technologie unterstützt das personalisierte Lernen und
3.
der Unterricht bietet eine integrierte Lernerfahrung, d. h., der Online- und der Präsenzunterricht sind sinnvoll aufeinander abgestimmt [3].

Welche Vorteile bietet es?

Die Vorteile des Blended Learning konnten bereits in einigen Studien gezeigt werden. Beispielsweise erwies sich in einer Metaanalyse Blended Learning in Gesundheitsberufen beim Wissenserwerb als effektiver oder mindestens genauso effektiv wie traditioneller Unterricht. Die Heterogenität des Aufbaus und der Kontexte der Studien lassen allerdings kaum allgemeine Schlussfolgerungen zu [4]. Blended Learning verbindet jedoch den traditionellen Präsenzunterricht und Onlinelernen und kann so die Defizite beider Formate durch deren Kombination reduzieren. So können beispielsweise der fehlende persönliche Kontakt mit Kommiliton*innen und Lehrenden bei E-Learning-Aktivitäten mit Präsenzveranstaltungen und fehlendes selbstgesteuertes Lernen im Präsenzunterricht in der Onlineumgebung ausgeglichen werden.

Außerdem ist Blended Learning ein Bindeglied zwischen Theorie und Praxis und kann bei der Ausbildung in den Gesundheitsberufen die klinischen Kompetenzen der Lernenden, wie beispielsweise klinisches Entscheiden oder die Dokumentationsfähigkeiten verbessern [5].


Welche Nachteile und Hindernisse gibt es?

Trotz dieser Vorteile und des technologischen Fortschritts findet die Integration von Onlinelernen in medizinische Curricula in Form von Blended Learning an Fakultäten in Deutschland nur begrenzt statt.

Einer weiteren Verbreitung stehen einige Hindernisse entgegen. Beispielsweise sind

1.
Lehrende oft nicht mit online Lehre bzw. Blended Learning vertraut. Ein weiteres Hindernis ist
2.
der anfangs hohe Aufwand einschließlich der Kosten für die Erstellung von hochwertigem Online-Lernmaterial. Außerdem bestehen
3.
häufig Bedenken, dass die Lernenden mit dieser Lernform ebenfalls nicht vertraut sind und das Onlinematerial nicht bearbeiten [6], [7].

Wie kann ich ein Blended Learning-Curriculum umsetzen?

In den folgenden Abschnitten werden zehn allgemeine Tipps vorgestellt, die in der Lehre und der Curriculumsentwicklung die Konzeptionierung und Umsetzung eines Blended Learning-Curriculums und damit die Überwindung von Hindernissen und die Nutzung der Vorteile des Blended Learning unterstützen. Die Tipps wurden auf Basis der Literatur zu Blended Learning und der persönlichen Erfahrung der Autor*innen bei der Umsetzung von Blended Learning-Szenarien aus den letzten 20 Jahren erstellt. Die Autor*innen bringen unterschiedliche Perspektiven auf Blended Learning ein, sodass in diesem Artikel Curriculumsentwicklung, E-Learning, Präsenzlehre und Fakultätsentwicklung betrachtet werden können. Einige der Tipps erscheinen möglicherweise sehr grundlegend, doch gerade solche offensichtlichen Aspekte werden bei der Planung von Blended Learning-Szenarien häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Zu jedem Tipp geben wir Beispiele oder weiterführende Literatur an.

1. Anwendung des Kern-Zyklus zur Curriculumsentwicklung

Die Planung und Umsetzung bzw. die Reformierung eines Curriculums beruhen häufig auf dem Kern-Zyklus zur Curriculumsentwicklung. Dieser umfasst die folgenden sechs Schritte:

1.
Problemidentifizierung,
2.
Bedarfsanalyse der Zielgruppe,
3.
Formulierung übergeordneter Ziele und spezifischer Lernziele,
4.
Auswahl von Lehrmethoden,
5.
Umsetzung und
6.
Evaluation und Feedback [8].

Diese Schritte sind auch zur Entwicklung von Blended Learning-Curricula hilfreich und wurden von Chen et al. an die Onlinelehre angepasst [9]. In dem angepassten Zyklus werden in jedem Schritt spezifische Aspekte für die Onlinelehre berücksichtigt, darunter die Notwendigkeit technologischer Unterstützung bei der Umsetzung und die Entscheidung über Lernplattformen bei der Auswahl geeigneter Ausbildungsstrategien. Der angepasste Kern-Zyklus ist ein hilfreiches Framework für die Entwicklung einer Blended Learning-Lehrveranstaltung oder eines Blended Learning-Curriculums, da sichergestellt wird, dass kein Schritt ausgelassen und die Online- und Präsenzphasen eng aufeinander abgestimmt geplant werden.

Vor allem empfehlen wir die frühzeitige Planung der Überarbeitung des Curriculums nach dem Erhalt der Evaluationsergebnisse (Schritt 6) oder sogar währenddessen. Meist ist die Entwicklung von Curricula hier beendet und es findet keine Feinabstimmung und Verbesserung mehr statt. Aber gerade die Planung der Überarbeitungsphasen ist besonders bei der Entwicklung eines neuen Curriculums in einem neuartigen Format unerlässlich.

2. Verwendung eines Instructional Frameworks für die Konzeption

Häufig werden traditionelle Lehrveranstaltungen durch Hinzufügen einiger technologiebasierter Lernaktivitäten in Blended Learning umgewandelt. Das führt jedoch meist zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für die Lehrenden und Lernenden [10]. Stattdessen empfehlen wir eine Neugestaltung des gesamten Curriculums oder der Lehrveranstaltung basierend auf einem Framework zur Gestaltung der Online- und Präsenzphasen. Beispielsweise haben Merrill et al. fünf Prinzipien entwickelt, die auf Blended Learning angewendet werden können, und die vor allem die Gestaltung von Online- und Präsenzphasen mit einem Fokus auf Lernendenaktivierung unterstützten [11].

Diese fünf Prinzipien sind:

1.
Problemzentrierung mit realen Problemen,
2.
Aktivierung der Lernenden,
3.
Demonstration des neuen Wissens und der neuen Fertigkeiten für die Lernenden,
4.
Anwendung des neuen Wissens und der neuen Fertigkeiten durch die Lernenden und
5.
Integration mit Synthese und Reflexion durch die Lernenden.

Bei vielen Onlineaktivitäten fehlt häufig die Anwendungs- und die Integrationsebene, obwohl diese technisch umsetzbar ist und so die Onlineaktivitäten effektiver genutzt werden könnten. Daher empfehlen wir, ein besonderes Augenmerk auf diese Schritte zu legen und die Lernenden beispielsweise dazu aufzufordern, in einem Onlineumfeld gemeinsam eigene Beispiele oder Fälle zu erarbeiten, die dann in einem Seminar vorgestellt und diskutiert werden.

3. Schulung der Lehrenden für Blended Learning und Aufbau eines Teams

Die Schulung bzw. Weiterbildung der Lehrenden zur Entwicklung und Umsetzung von Blended Learning sowie zur Diskussion ihrer neuen Rolle [2] in einem solchen auf die Lernenden ausgerichteten Ansatz ist unerlässlich und ein guter Ausgangspunkt für den Aufbau eines Entwicklungsteams.

Wir empfehlen, die Lehrenden mithilfe eines longitudinalen Blended Learning-Formats einschließlich Nachbesprechungen mit dem neuen Ansatz vertraut zu machen. Diese Nachbesprechungen können dann gut in den Entwicklungsprozess übergehen und ermöglichen den Lehrenden auf ihrer eigenen Erfahrung als Lernende aufzubauen [12]. Ein wesentlicher Aspekt bei der Schulung der Lehrenden ist die Verwendung derselben Plattformen, Werkzeuge, Frameworks und Rahmen, die dann auch für die Lernenden eingesetzt werden.

Zu Beginn ist die Entwicklung einer oder mehrerer Pilotimplementierungen als anschauliche Beispiele für die Lehrenden hilfreich.

Für die Entwicklung von Blended Learning-Curricula werden wie für Präsenzcurricula auch unterschiedliche Perspektiven und Fähigkeiten benötigt. Daher sollte das Team im Idealfall aus Expert*innen im jeweiligen Fach, im Bereich Instruktionsdesign und E-Learning, für die technische Umsetzung und für die Präsenzlehre bestehen, welche eng mit Fachleuten anderer Bereiche wie Prüfungen und Evaluation zusammenarbeiten. Dieser Idealfall ist allerdings nur schwer erreichbar, doch es kann hilfreich sein, Lehrende oder Lernende zu suchen, die Erfahrungen in diesen Bereichen haben, Ideen und mögliche Aktivitäten mit ihnen zu besprechen und so langfristig ein Team aufzubauen.

4. Einbeziehung der Zielgruppe – Lehrende sind nicht die Lernenden

Zum Kern-Zyklus für die Curriculumsentwicklung gehört die Bestimmung der Anforderungen und Bedürfnisse der Zielgruppe(n), einschließlich Lernende mit Behinderung (Schritt 1 und 2). Wie empfehlen, die Zielgruppen – Lernende in einer bestimmten Stufe ihrer Ausbildung, für die das Blended Learning-Curriculum geplant wird, und die Lehrenden, die in diesem Format unterrichten werden – in alle Schritte der Curriculumsentwicklung einzubeziehen. Da Blended Learning auch für interprofessionelle Kontexte [13] geeignet ist, sollten dabei stets alle relevanten Zielgruppen (z. B. Medizinstudierende, Auszubildende in der Pflege und Physiotherapie) berücksichtigt werden. Die Lernenden können so ihre eigenen Erfahrungen und Lernansätze in einer sich rasch wandelnden technischen Umgebung beitragen und sollten dazu ermutigt werden, ihre eigenen Ideen einzubringen.

Zudem sollten die Zielgruppen in die (Pilot-)Erprobung der Lernszenarien und -aktivitäten eingebunden werden, und ihr Feedback als Grundlage für die Überarbeitung und Weiterentwicklung dienen.

Ein solcher Ansatz kann auch zur frühzeitigen Beurteilung der digitalen Kompetenz der Lernenden dienen und erlaubt eine angemessene Berücksichtigung der Bedürfnisse der Lernenden. Beispielsweise können Studierende während einer Onlinephase mit Formaten wie E-Portfolios, virtuellen Patient*innen, adaptiven Lernumgebungen oder sozialen Medien vertraut gemacht werden. Diese können dann in den Präsenzveranstaltungen vertieft und diskutiert werden.

Ein weiterer, anspruchsvollerer Ansatz umfasst die Einbeziehung der Zielgruppen bei der Erstellung von Inhalten. Beispielsweise könnten sie Lernszenarien entwerfen, für die sie entsprechende Inhalte zusammenstellen müssen (z. B. Videoclips). Solche Lernszenarien oder Inhalte könnten dann auch für die nächste Gruppe von Lernenden eingesetzt werden.

Durch die vielfältige Einbeziehung der Zielgruppen in den Entwicklungsprozess steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Bedürfnisse der künftigen Lernenden erfüllt werden und sie die umgesetzten Formate annehmen.

5. Anreize für Lehrende setzen und rechtliche Aspekte klären

Zu Beginn der Planung und Entwicklung von Blended Learning fürchten Lehrende häufig einen Zeitverlust für anrechenbare Unterrichtszeit und gleichzeitig einen höheren Zeitaufwand für die Vorbereitung des online Lernmaterials. Leider gibt es hierfür keine einfache Lösung, und in Deutschland beispielsweise haben Länder und Universitäten für die Anerkennung von (Online-)Unterrichtszeit unterschiedliche Regelungen [14].

Wir raten daher eine offene Diskussion innerhalb der eigenen Institution über die Anerkennung zu führen und Lösungen zu finden, sodass den Lehrenden durch Blended Learning keine Nachteile entstehen. In jedem Fall müssen die Onlinephasen ein integraler Bestandteil der Lehre sein und in die Berechnung des Arbeitspensums der Lehrenden und Lernenden einfließen.

Weitere Themen, die frühzeitig im Rahmen des ersten und zweiten Schritts des Kern-Zyklus beachtet werden müssen, sind Datenschutz und Urheberrechtsaspekte für die Onlinephasen. Diese Themen müssen insbesondere hinsichtlich Feedback und Auswertung von Lernendenaktivitäten (learning analytics) besprochen werden, da hierfür der Zugriff auf die Nutzungsdaten und Ergebnisse der Lernenden erforderlich ist. Richtlinien und Hinweise hierfür finden sich z. B. in einem von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt bereitgestellten Dokument zum Urheberrecht [https://urheberrecht.fhws.de/faq-urheberrecht/], auf e-teaching.org [https://www.e-teaching.org/technik/datenhaltung/datenschutz] oder in einem MOOC [https://imoox.at/mooc/local/courseintro/views/startpage.php?id=44] zum Thema Datenschutz.

6. Verwendung einer stabilen und modernen technischen Infrastruktur

Für die Umsetzung eines Blended Learning-Curriculums (Schritt 4 des Kern-Zyklus) ist eine stabile und leicht zugängliche [https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/barrierefreiheit] technische Infrastruktur für die Lernumgebung hinsichtlich Hardware und Software unerlässlich. Laut Aussagen der Studierendeninitiative „Digital Changemaker“ auf der Konferenz des Hochschulforums Digitalisierung 2019 können selbst grundlegende Voraussetzungen wie Strom- und Internetanschluss eine Herausforderung darstellen. Zwar können diese Probleme nicht von Lehrenden selbst behoben werden, jedoch ist es wichtig, solche Informationen zu erfassen und an die Fakultät oder die Universität weiterzuleiten und so die Einrichtung bei der Umsetzung der für eine zuverlässige digitale Infrastruktur erforderlichen Änderungen zu unterstützen. Um jedoch eine Überforderung durch die technischen Aspekte zu vermeiden, insbesondere dann, wenn im Team Fachleute für Technik fehlen, empfehlen wir, zunächst die an ihrer Fakultät verfügbaren Lernumgebungen zu evaluieren und auf bereits verwendete Lösungen aufzubauen, auch wenn dabei anfangs Kompromisse eingegangen werden müssen.

Auch Open-Source-Software wie das Lernmanagementsystem Moodle [https://moodle.org/] oder die E-Portfolio-Plattform Mahara [https://mahara.org/] bedarf professioneller Wartung. Server und Software im Allgemeinen sind ohne professionelle und regelmäßige Wartung schnell veraltet und können ein Sicherheitsrisiko für Anwender*innen und das Netzwerk darstellen. Datenschutzbestimmungen (GDPR) schreiben einen Mindestsicherheitsstandard vor, auch wenn nur sehr wenige Nutzer*innendaten wie E-Mail-Adressen gespeichert werden. Daher muss die technische Infrastruktur professionell gewartet werden, entweder durch das Rechenzentrum der Universität oder durch externe Dienstleistungsunternehmen.

7. Entwicklung eines roten Fadens

Ein „roter Faden“ ist ein übergeordnetes Thema oder Leitmotiv und zieht sich durch das gesamte Curriculum. Ein oder mehrere rote Fäden in den Blended Learning-Einheiten und dem gesamten Curriculum helfen Lernenden und Lehrenden beim Navigieren durch das Curriculum und zeigen das große Ganze hinter den Online- und Präsenzaktivitäten. Was genau der „rote Faden“ ist, hängt von der Art des Curriculums ab. Beispielsweise können ein Problem, ein Leitsymptom, ein Fall oder eine Kompetenz gewählt werden. Für Spiralcurricula können die roten Fäden mehrere Male und mit zunehmender Komplexität aufgegriffen werden und als Rahmen dienen. So könnte z. B. ein Leitsymptom „Husten“ als roter Faden dienen, wobei Onlineunterricht zur Pathophysiologie, Unterricht am Krankenbett und Seminare zur Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung von Patient*innen mit Husten, virtuelle Patient*innen zur Erstellung von Differentialdiagnosen und von den Lernenden erstellte und präsentierte Concept-Maps zur Veranschaulichung relevanter Aspekte miteinander kombiniert werden könnten.

8. Kombination und Abstimmung unterschiedlicher Lehr- und Prüfungsmethoden

Grundsätzlich sind folgende Verknüpfungen von Online- und Präsenzphasen möglich:

1.
Onlinelernen als Vorbereitung auf Präsenzveranstaltungen (sogenannter „Flipped Classroom“ oder „Inverted Classroom“) und/oder
2.
Onlinelernen als Nachbereitung von Präsenzveranstaltungen und/oder
3.
Onlineelemente während Präsenzveranstaltungen wie Simulationen oder Part-Task-Trainer.

Für die Entwicklung der Online- und Präsenzphasen können je nach Lernzielen viele unterschiedliche Formate und Aktivitäten gewählt werden. Verschiedene Websites bieten hierzu Orientierungshilfen an (z. B. [http://methodenpool.uni-koeln.de/frameset_uebersicht.htm], [https://fctl.ucf.edu/teaching-resources/teaching-strategies/teaching-methods-overview/]).

Im Rahmen des vierten Schritts (Auswahl von Lehr-und Prüfungsmethoden) des Kern-Zyklus empfehlen wir die Verknüpfung von unterschiedlichen Lehrmethoden und -umgebungen, damit die im dritten Schritt des Kern-Zyklus formulierten Lernziele optimal erreicht werden können. Lernziele, Lehrmethoden und formative und summative Prüfungen sollten wie auch in traditionellen Curricula im Einklang mit dem Modell des Constructive Alignment aufeinander abgestimmt werden [15]. Außerdem trägt die Variation der Lehrmethoden zu einer höheren Zufriedenheit der Lernenden bei [16].

Wir empfehlen außerdem, in den Onlinephasen nicht nur auf naheliegende Kompetenzen wie Wissen abzuzielen, sondern auch Aktivitäten für Lernziele höherer Ebene zu nutzen. So können Studierende beispielsweise in Online-Gruppenaktivitäten gemeinsam ein Problem lösen, dass dann in der Präsenzveranstaltung vorgestellt und diskutiert wird.

Als Verknüpfung mehrerer Formate zur Vermittlung klinischer Fähigkeiten können beispielsweise Videos und interaktive Onlineaufgaben zur Vorbereitung einer Präsenzveranstaltung eingesetzt werden. Die Lernenden üben eine klinische Fähigkeit mithilfe von Simulationspatient*innen oder Part-Task-Trainingssysteme. Nach der Präsenzveranstaltung kann die geübte Fertigkeit durch den Einsatz virtueller Patient*innen in einen erweiterten klinischen Kontext eingebunden werden, gefolgt von Unterricht am Krankenbett.

9. Integration von Open Educational Resources (OER)

Schritt 5 des Kern-Zyklus ist die Umsetzung, die in Blended Learning-Szenarios die Präsenz- und Onlinephasen sowie die Abstimmung dieser Phasen betrifft.

Da das Onlinelernen schon seit Langem Einzug in die Hochschulen gefunden hat, steht eine Fülle an Materialien zur Gestaltung solcher online Aktivitäten zur Verfügung. Durch die Verwendung solcher Materialien kann Zeit gespart werden. Bei hochwertigen Materialien kann jedoch die sprachliche Barriere eine Herausforderung darstellen, da sie oft nur auf Englisch verfügbar sind.

Durch die Integration von Material von Plattformen, die Lernenden bereits verwenden, sind die Hürden für sie niedriger und sie erfahren die online Aktivitäten nicht als etwas, das sie zusätzlich oder getrennt von ihrer eigentlichen Lernumgebung bearbeiten müssen. Durch die Einführung von zusätzlichem Material und zusätzlichen Ressourcen erhalten sie Zugang zu einer größeren Bandbreite an Lernmaterialien. Außerdem können Ressourcen und Plattformen wie YouTube [https://www.youtube.com], AMBOSS [https://www.amboss.com] oder Social-Media-Kanäle integriert und die Lernenden so in die Identifizierung hochwertiger Inhalte (siehe Tipp 4) einbezogen werden. Die kritische Reflexion der Ressourcen kann zur Förderung der digitalen Medienkompetenz sowohl in die Online- als auch die Präsenzphasen eingebaut werden.

Auch Massive Open Online Courses (MOOCs) können in Blended Learning-Curricula eingebunden werden. Dazu geben de Jong et al. hilfreiche Tipps [17].

Zudem empfehlen wir, sowohl eigene als auch von den Lernenden erstellte Materialien als OER zu veröffentlichen. Um sicherzustellen, dass diese Materialien auch für andere Curricula geeignet sind, ist idealerweise eine Entwicklung innerhalb nationaler oder sogar internationaler Kooperationen hilfreich. Für solche Kooperationen werden häufig Fördermittel vergeben, und zur Erstellung und als Informationsquellen für die Verwendung von OERs stehen verschiedene Websites wie OERInfo oder OER InForm zur Verfügung [https://open-educational-resources.de/], [https://oer.amh-ev.de/].

Dieser Tipp adressiert damit zwei Hindernisse für die Einführung von Blended Learning: die Kosten und die technologischen Hürden für die Lernenden.

10. Vollständige Nutzung der Evaluation und des Feedbacks

Für den Schritt 6 des Kern-Zyklus sollte ein Evaluationsframework wie von Pombo et al. [18] oder Bowyer et al. [19] die Grundlage für eine umfassende Evaluation eines Blended Learning-Curriculums bilden, anstatt die Online- und die Präsenzphasen separat zu evaluieren.

Zusätzlich zur klassischen Evaluation mit Hilfe von Fragebögen können, die während der Onlinephasen erfassten kumulierten und individuellen Nutzungsdaten analysiert werden (learning analytics). Mithilfe dieser Daten können Probleme in Bezug auf die Veranstaltung oder die Lernenden frühzeitig identifiziert werden und sogar noch während der Veranstaltung auf Probleme reagiert werden. Die Analyse der Nutzungsdaten kann außerdem sowohl in den Online- als auch den Präsenzveranstaltungen die Grundlage für Feedback und Diskussionen bilden.

Wie bereits erwähnt ist Feedback (Lehrende-Lernende oder Lernende-Lernende) ein übergeordneter Grundsatz für effizientes Lernen und sollte sowohl in den online als auch in den Präsenzphasen erfolgen. Es kann auch in die Evaluationsaktivitäten integriert bzw. an sie angepasst werden.

Abschließend empfehlen wir die Umsetzung von Studien auf Grundlage der Evaluation, da noch Forschungsbedarf zum Einfluss unterschiedlicher Arten des Lernens auf die akademische Leistung, die Interaktion der Lernenden mit den Inhalten sowie die Rolle der Lehrenden bei beiden Vermittlungsmethoden besteht [2].


Schlussfolgerungen

Die zehn Tipps sind die Quintessenz der Erfahrung der Autor*innen bei der Umsetzung von Blended Learning-Curricula und -veranstaltungen. Diese allgemeinen Tipps sind auf die Besonderheiten des Blended Learning gerichtet und berühren daher nur einige der für die Online- oder Präsenzlehre insgesamt relevanten Aspekte. Natürlich sind jedoch Richtlinien zur Umsetzung der jeweiligen Phasen auch für Blended Learning-Szenarios gültig und hilfreich und sollten daher berücksichtigt werden. Die Umsetzung eines Blended Learning-Curriculums bedeutet nicht, dass Lerninhalte um jeden Preis digitalisiert werden sollen. Vielmehr geht es darum, sich die Vorteile sowohl des online- als auch des Präsenzunterrichtes zunutze zu machen.

Abschließend - Seien Sie kreativ und haben Sie Spaß: Die Entwicklung eines Curriculums bedeutet Arbeit, aber auch Spaß. Das Team kann bei der Entwicklung von Lernaktivitäten für beide Formate kreativ sein, und während des Prozesses können alle Mitglieder viel von den beteiligten Lernenden und anderen Mitgliedern mit unterschiedlichen Sichtweisen auf das Curriculum lernen.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Tolks D, Schäfer C, Raupach T, Kruse L, Sarikas A, Gerhardt-Szép S, Klauer G, Lemons M, Fischer MR, Eichner B, Sostmann K, Hege I. An Introduction to the Inverted/Flipped Classroom Model in Education and Advanced Training in Medicine and in the Healthcare Professions. GMS J Med Educ. 2016;33(3):Doc46. DOI: 10.3205/zma001045 Externer Link
2.
Siemens G, Gaševic D, Dawson S. Preparing for the digital university - a review of the history and current state of distance, blended, and online learning. Alberta (CA): Athabasca University; 2015. Zugänglich unter/available from: http://linkresearchlab.org/PreparingDigitalUniversity.pdf Externer Link
3.
Maxwell C. What blended learning is - and isn't. Lexington, MA: Clayton Christensen Institute; 2016. Zugänglich unter/available from: https://www.blendedlearning.org/what-blended-learning-is-and-isnt/ Externer Link
4.
Liu Q, Peng W, Zhang F, Hu R, Li Y, Yan W. The Effectiveness of Blended Learning in Health Professions: Systematic Review and Meta-Analysis. J Med Internet Res. 2016;18(1):e2. DOI: 10.2196/jmir.4807 Externer Link
5.
Rowe M, Frantz J, Bozalek V. The role of blended learning in the clinical education of healthcare students: a systematic review. Med Teach. 2012;34(4):e216-221. DOI: 10.3109/0142159X.2012.642831 Externer Link
6.
Childs S, Blenkinsopp E, Hall A, Walton G. Effective e-learning for health professionals and students-barriers and their solutions. A systematic review of the literature-findings from the HeXL project. Health Info Libr J. 2005;22 (Suppl 2):22-32. DOI: 10.1111/j.1470-3327.2005.00614.x Externer Link
7.
Boyle J, Quail N, Lou XY, Linn A. Flipping the classroom: is it worth the bother? Clin Teach. 2016;14(2):137-138. DOI: 10.1111/tct.12533 Externer Link
8.
Kern DE, Thomas PA, Hughes MT, editors. Curriculum Development for Medical Education: A Six-Step Approach. 2nd ed. Baltimore (MD): Johns Hopkins University Press; 2009.
9.
Chen BY, Kern DE, Kearns RM, Thomas P, Hughes MT, Tackett S. From Modules to MOOCs: Application of the Six-Step Approach to Online Curriculum Development for Medical Education. Acad Med. 2019;94(5):678-685. DOI: 10.1097/ACM.0000000000002580 Externer Link
10.
McGee P, Reis A. Blended Course Design: A Synthesis of Best Practices. J Asynch Learn Network. 2012;16(4):7-22. DOI: 10.24059/olj.v16i4.239 Externer Link
11.
Merrill MD. First principles of instruction. Educ Technol Res Develop. 2002;50(3):43-59. DOI: 10.1007/BF02505024 Externer Link
12.
Tolks D, Pelczar I, Bauer D, Brendel T, Görlitz A, Küfner J, Simonsohn A, Hege I. Implementation of a Blended-Learning Course as Part of Faculty Development. Creat Educ. 2014;05(11):948-953. DOI: 10.4236/ce.2014.511108 Externer Link
13.
Liaw SY, Tan KK, Wu LT, Tan SC, Choo H, Yap J, Lim SM, Wong L, Ignacio J. Finding the Right Blend of Technologically Enhanced Learning Environments: Randomized Controlled Study of the Effect of Instructional Sequences on Interprofessional Learning. J Med Internet Res. 2019;21(5):e12537. DOI: 10.2196/12537 Externer Link
14.
Müller C, Füngerlings S, Tolks D. Teaching load - a barrier to digitalisation in higher education? A position paper on the framework surrounding higher education medical teaching in the digital age using Bavaria, Germany as an example. GMS J Med Educ. 2018;35(3):Doc34. DOI: 10.3205/zma001180 Externer Link
15.
Biggs J, Tang C. Teaching for Quality Learning at University: What the Student Does. 4. Aufl. Maidenhead: Open University Press; 2011.
16.
Anderson T. Modes of interaction in distance education: Recent developments and research questions. In: Moore MG, Anderson WG, editors. Handbook of Distance Education. 2nd revised edition. Mahwah, NJ: Routledge; 2018. p.129-144.
17.
de Jong PG, Pickering JD, Hendriks RA, Swinnerton BJ, Goshtasbpour F, Reinders ME. Twelve tips for integrating massive open online course content into classroom teaching. Med Teach. 2019;1-5. DOI: 10.1080/0142159X.2019.1571569 Externer Link
18.
Pombo L. An evaluation framework for blended learning - perspectives of experts worldwide. In: Jones BR, editor. Blended Learning: Student Perceptions, Emerging Practices and Effectiveness. New York: Nova Science Pub Inc; 2015.
19.
Bowyer J, Chambers L. Evaluating blended learning: Bringing the elements together. Res Matter. 2017;23(10):17-26.