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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Brief an die Leser: Vorschlag für einen Neujahresvorsatz

Leitartikel Herausgeberbitte

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  • corresponding author Wolf Hautz - Inselspital Bern, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2020;37(1):Doc12

doi: 10.3205/zma001305, urn:nbn:de:0183-zma0013054

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2020-37/zma001305.shtml

Eingereicht: 12. Januar 2020
Überarbeitet: 12. Januar 2020
Angenommen: 20. Januar 2020
Veröffentlicht: 17. Februar 2020

© 2020 Hautz.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Leitartikel

Liebe Leserin,

Lieber Leser,

viele Kollegen haben dazu beigetragen, dass auch 2020 mit einer neuen Ausgabe des Journals of Medical Education (JME) beginnt. Viele Autoren haben Manuskripte geschrieben und revidiert, haben die Projekte oder Studien, über die sie berichten, konzipiert und durchgeführt sowie die Daten gesammelt und analysiert. Diese Mühe hat sich aus meiner Sicht gelohnt, und dafür, dass sie ihre Erkenntnisse mit uns teilen, sind wir den Autoren zu kollegialem Dank verpflichtet.

Neben dem offensichtlichen Beitrag der Autoren haben 2 Schriftleiter, 33 Herausgeber und sehr viele Gutachter mit grossem (und unentgeltlichem) Engagement diese Ausgabe der JME ermöglicht. Im Redaktionsbüro hat Frau Hespelein mit unendlicher Geduld die Arbeit all dieser Kollegen koordiniert, sie erinnert und im Ergebnis eine gelungene neue Ausgabe der JME fertig gestellt.

Diese Arbeit aber war nur die Spitze des Eisbergs. Auch die Autoren, Gutachter und Herausgeber der abgelehnten Artikel haben Aufwand und Mühe investiert, der sich hingegen nur sehr viel schwerer beziffern lässt, weil erst akzeptierte Artikel einer konkreten Ausgabe zugeordnet werden. Eine einfache Abschätzung dieses Aufwands lässt sich über die Ablehnungsquote erreichen, die bei der JME aktuell etwas über 50% beträgt und steigt. Der tatsächliche Aufwand für eine Ausgabe der JME liegt also wenigstens doppelt so hoch wie anhand der publizierten Artikel dargestellt.

Andere Journal in unserem Feld haben ähnliche, teils aber auch deutlich höhere Ablehnungsquoten (etwa aktuell 87% bei Advances in Health Science Education). Geht man davon aus, dass im Mittel der Journal etwa jeder dritte Artikel akzeptiert wird und jedes Manuskript von wenigstens zwei Gutachtern (und einem Herausgeber) begutachtet wird, dann verlangt jeder publizierte Artikel nach dem unentgeltlichen (und grösstenteils unsichtbaren) Engagement von wenigstens 9 Kollegen. Bei im Schnitt unter 4 Autoren pro Artikel [1] folgt daraus, dass ich für jeden von mir publizierten Artikel wenigstens zwei Artikel von Kollegen begutachten muss, damit das System mittelfristig weiter funktioniert.

Aus meiner Arbeit als Mitherausgeber der JME, als Associate Editor bei BMC Medical Education, aus einem Editorial Internship bei Medical Education und aus vielen Gesprächen mit Kollegen fällt mir auf, dass es zunehmend schwieriger wird, Gutachter für eingereichte Manuskripte zu finden und sich die Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt. Teilweise bitten wir 10 oder 15 verschiedene Kollegen (mein persönlicher Rekord liegt bei 26) um ein Gutachten, bevor sich zwei finden, die dazu auch bereit sind.

Das hat verschiedene Konsequenzen: Als Herausgeber verlassen wir uns zunehmend auf die Einschätzung von wenigen Gutachtern. Deren tatsächliche Expertise wird zunehmend nebensächlich, während ihre Bereitschaft, überhaupt ein Gutachten zu erstellen zur Hauptsache wird. So steigt der Einfluss einiger Weniger auf den Inhalt der JME und die als akzeptabel angesehenen Methoden. Zudem steigt die Belastung der wenigen verbliebenen Gutachter, was potentiell weiter zur Reduktion ihrer Anzahl führt und das Problem so verschärft.

Mehr als Autoren aber, aus denen üblicher Weise Gutachter rekrutiert werden, hat jede Zeitschrift Leser. Warum also bitten wir nicht unsere Leser verstärkt um die Begutachtung eingereichter Manuskripte? Neben dem offensichtlichen Vorteil, dass die Begutachtung auf mehr Schultern verteilt wird, gibt es weitere Argumente. Beispielsweise bitten wir unsere Gutachter bei der JME explizit, eingereichte Manuskripte anhand der folgenden Fragen und Kriterien [2] zu bewerten:

„Aktualität/Originalität/Relevanz des Artikels für den Leser? Sind z.B. alle relevanten Informationen im Titel oder der Zusammenfassung enthalten, sodass der Leser ein richtiges Bild vom Artikel bekommt? Wird eine klare Forschungsfrage/Hypothese gestellt bzw. das Ziel der Arbeit dargelegt? Ist das Studiendesign präzise beschrieben? Stimmen Grafiken/Tabellen mit dem Text überein? Sind die Daten zur Beantwortung der Fragestellung geeignet? Werden die Daten verständlich und vollständig dargestellt? Wird die Relevanz der Ergebnisse adäquat dargelegt? Sind die Schlussfolgerungen plausibel? Werden Fragestellung/Hypothese/Ziele beantwortet?“ Zudem fragen wir nach Lesbarkeit, Ausdruck, Grammatik, Rechtschreibung, Strukturierung des Textes und Verständlichkeit.

Keine dieser Fragen erfordert eine vertiefte Kenntnis der relevanten Literatur im Feld oder der eingesetzten Methoden, wie man sie von anderen Autoren, aber nicht unbedingt jedem Leser erwarten kann. Wäre es nicht plausibel, wenigstens eines der typischer Weise erforderlichen zwei Gutachten tatsächlich von einem Leser machen zu lassen, wenn schon der überwiegende Teil unserer Bewertungskriterien explizit “für den Leser” bestimmt sind? Ein ganz praktisches Problem dabei: wir wissen schlicht nur von unseren Autoren, wie wir sie kontaktieren können.

Mein Vorschlag für einen guten Vorsatz im Jahr 2020 also: Lassen Sie die Redaktion wissen, wie wir Sie erreichen, und helfen Sie durch konstruktive und zeitnahe Gutachten, die Qualität und Relevanz der JME weiter zu entwickeln. Als Herausgeber können unsere Entscheidungen durch eine breitere Perspektive nur besser werden – und als Gutachter haben Sie ohnehin immer Recht [3]: entweder, weil Sie ein tatsächliches Problem im Artikel benennen, oder aber, weil zwar kein tatsächliches Problem vorliegt, der Artikel aber missverständlich oder undeutlich formuliert ist.

Es gibt zahlreiche Quellen dazu, was gute Gutachten ausmacht (z.B. diese: https://www.psychologicalscience.org/observer/twelve-tips-for-reviewers) und selbst zu begutachten macht einen sicher zu einem aufmerksameren Leser und wahrscheinlich auch einem erfolgreicheren Autor. Es ist also im Grunde wie mit allen guten Vorsätzen: es spricht wenig dagegen. Fangen wir an.


Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Hautz WE, Krummrey G, Exadaktylos A, Hautz SC. Six degrees of separation: the small world of medical education. Med Educ. 2016;50(12):1274-1279. DOI: 10.1111/medu.13102 Externer Link
2.
Schüttpelz-Brauns K, Stosch C, Matthes J, Himmelbauer M, Herrler A, Bachmann C, Huwendiek S, Huenges B, Kiessling C. Recommendations for Reviewing a Manuscript for the GMS Zeitschrift Für Medizinische Ausbildung. GMS Z Für Med Ausbild. 2010;27(5):Doc75. DOI: 10.3205/ZMA000712 Externer Link
3.
Eva KW. The reviewer is always right: peer review of research in Medical Education. Med Educ. 2009;43(1):2-4. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2008.03243.x Externer Link