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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Pilotierung eines neuen Blended-Learning-Konzepts zur Integration Evidenzbasierter Medizin in das Blockpraktikum Allgemeinmedizin

Artikel Allgemeinmedizin

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  • corresponding author Bettina Engel - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Abteilung Allgemeinmedizin, Oldenburg, Deutschland
  • author Miriam Esser - Rheinische Friedrich Wilhelm Universität, Bonn, Deutschland
  • author Markus Bleckwenn - Universität Bonn, Medizinische Fakultät, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(6):Doc71

doi: 10.3205/zma001279, urn:nbn:de:0183-zma0012794

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001279.shtml

Eingereicht: 1. Oktober 2018
Überarbeitet: 7. Juni 2019
Angenommen: 2. Juli 2019
Veröffentlicht: 15. November 2019

© 2019 Engel et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die vorliegende Arbeit prüft die Machbarkeit der praktischen Anwendung von Evidenzbasierter Medizin (EbM) durch Studenten während des Blockpraktikums (BP) im Fachgebiet Allgemeinmedizin durch ein neu entwickeltes Blended-Learning-Lehrkonzept.

Methodik: Entwicklung, Pilotierung und Evaluation eines Blended-Learning Konzepts zur Einführung der Lehre der EbM im BP der Allgemeinmedizin werden beschrieben. Das Konzept besteht aus einem Online-Modul zur Vermittlung der theoretischen Grundlagen der EbM anhand des 5A-Schritteprozesses, zwei Präsenzseminaren zur Vertiefung der Inhalte und praktischen Übungen in Form von Fallbeispielen. Anschließend sollen die Studenten ihr erworbenes Wissen auf realen Patientenfällen in der Praxiszeit ihres BP anwenden. Zur Überprüfung des Lernerfolgs wurde auf Grundlage des Fresno Tests ein EbM-Evaluationsinstrument entwickelt – der Bonn- Test. Am Ende des Seminars können die Studenten das Konzept in einer schriftlichen Evaluation bewerten und Verbesserungsvorschläge einbringen.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 35 Studenten an der Machbarkeitsstudie teil, 27 Bonn-Tests konnten ausgewertet werden. Alle Studierende erreichten bei der Ausarbeitung klinischer Fallbeispiele mehr als die zum Bestehen benötigte Mindestpunktzahl im Bonn Test. Die differenzierte Leistungsdarstellung in den einzelnen Kategorien des 5-A-Schritteprozesses der EbM mit Hilfe des Bonn-Tests ermöglicht spezifische Schwierigkeiten bei der Translation von EbM-Wissen in die Praxis aufzudecken und das Lehrkonzept fortlaufend weiterzuentwickeln und zu verbessern. In der Evaluation bewerteten die Studenten das Lehrkonzept zu 74 % mit „gut“ oder „sehr gut“.

Schlussfolgerungen: Insgesamt bestätigt die vorliegende Studie, dass die Erweiterung des Blockpraktikums im Fachbereich für Allgemeinmedizin um das neu entwickelte EbM-Modul machbar ist und die Studenten die erlernten Inhalte erfolgreich in der Praxis anwenden können. Weitere Untersuchungen des Lehrkonzepts, insbesondere zu einem früheren Zeitpunkt des Medizinstudiums, sind empfehlenswert.

Schlüsselwörter: Evidenzbasierte Medizin, Blended Learning, Medizindidaktik, Blockpraktikum


Einleitung

Neue wissenschaftliche Ansätze und Methoden revolutionieren nahezu tagtäglich den Forschungsstand. Bestehende Leitlinien werden regelmäßig angepasst und dienen der zeitnahen Implementation neugewonnener Erkenntnisse in den klinischen Alltag. Eine Metaanalyse zeigt jedoch, dass solche Neuerungen selten bzw. zeitverzögert Anwendung in der Praxis finden [1]. Damit die Patienten von der bestmöglichen Therapie profitieren können, sollte sich der behandelnde Arzt daher kritisch mit der entsprechenden Fachliteratur auseinandersetzen können [2]. Die Fähigkeiten der evidenzbasierten Medizin (EbM) geben nicht nur Möglichkeiten ausgewogene medizinische Entscheidungen zu treffen, sondern befähigen den Arzt auch zum lebenslangen Wissenserwerb. Um zukünftige Ärzte frühzeitig mit diesem Aufgabenbereich vertraut zu machen, soll die EbM fester Bestandteil des Studiums werden [2], [3]. Hier wurde deutlich ausgearbeitet, dass die Studenten in der Lage sind Forschungsfragen im Blockpraktikum zu bearbeiten, jedoch müssen sie hierfür gut vorbereitet und geschult werden. Weltweit konnten medizinische Ausbildungsstätten EbM bereits erfolgreich in das Curriculum integrieren. Es konnte gezeigt werden, dass die Integration einer Blended-Learning EbM Einheit in der Lehre bzw. Weiterbildung nachhaltig die Lücke zwischen Theorie und Praxis schließen konnte [4], [5]. In Deutschland ist es leider noch nicht Bestandteil der Approbationsordnung und nicht alle Fakultäten haben die EbM in das Medizinstudium integriert. Auch in Bonn ist die EbM noch kein fester Bestandteil im Curriculum. Der Schwerpunkt der bisherigen Lehransätze liegt dabei häufig auf dem theoretischen Verständnis für EbM. Dirk Mooshammer et al. veröffentlichten einen Beitrag zur Integration wissenschaftlicher Fragestellungen im Blockpraktikum Allgemeinmedizin [6]. Im Blockpraktikum sind die Studierenden bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer medizinischen Ausbildung und daher vermutlich mehr in der Lage eigene Fragestellungen im Praxisalltag zu formulieren. Die vorliegende Arbeit prüft die Machbarkeit der praktischen Anwendung von Evidenzbasierter Medizin durch Studenten während des Blockpraktikums im Fachgebiet Allgemeinmedizin im Rahmen eines neu entwickelten Blended-Learning-Lehrkonzeptes.


Projektbeschreibung

Im NKLM ist das Lernziel nicht nur die Grundlagen der EbM zu verstehen, sondern sie auch in Form von Problemstellung praktisch anzuwenden [https://medizinische-fakultaeten.de/]. Um nicht nur das theoretische Verständnis der Studenten bezüglich der EbM zu schulen, sondern auch die Translation in deren klinische Tätigkeit zu überprüfen, wurde ein neues Blended-Learning-Konzept im Rahmen einer Dissertation entwickelt. Im Vorfeld wurden dafür Kriterien definiert, die ein Lehrkonzept enthalten soll, um die Translation von EbM in der Praxis bewerten zu können:

1.
Lernziele: Die Studenten sollten eine ausreichende Basisausbildung auf dem Gebiet der EbM erhalten, sodass sie das Konzept der evidenzbasierten Medizin verstehen. Insbesondere sollte hier das Wissensmanagement geschult werden.
2.
Universelle Gültigkeit: Das vermittelte Wissen sollte generalisierbar und damit für die unterschiedlichsten Fragestellungen im klinischen Alltag anwendbar sein.
3.
Evaluierbarkeit: Um das entwickelte Lehrkonzept, bzw. die dadurch gewonnenen Kompetenzen evaluieren zu können, müssen Evaluationsinstrumente konzipiert werden.
4.
Compliance: Das Lehrkonzept kann nur erfolgreich implementiert werden, wenn auch die Perspektive der Studenten in die Entwicklung des Konzeptes mit einfließt.

Bezugnehmend auf diese 4 Kriterien wurde ein mehrstufiges Lehrkonzept entwickelt. Dieses beinhaltet ein Blended-Learning-Online-Modul, zwei Anwesenheitsseminare, Arbeitsblätter zur Bearbeitung im Blockpraktikum, sowie ein Verfahren um die praktischen EbM-Fähigkeiten der Studenten zu überprüfen und letztendlich noch einen Evaluationsbogen.

Zeitlich gestaltete sich der Ablauf wie in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt.

Teilnehmer

Insgesamt haben wir zu drei Zeitpunkten im Studienjahr eine Blockpraktikumsgruppe als Teilnehmende Gruppe gewählt. In jeder Gruppe sind zwischen 10 und 15 Teilnehmer gewesen. Die Teilnahme an dem Seminar war als freiwilliges Zusatzangebot formuliert.

Von den insgesamt 38 Studenten, die aufgeteilt auf drei Gruppen für die Probedurchläufe des erweiterten Blockpraktikums vorgesehen waren, erschienen insgesamt 35 zu dem jeweils ersten Präsenzseminar.

Das Online-Modul

Für die Entwicklung des Online-Moduls wurde auf die Kompetenz des Hochschulrechenzentrums Bonn zurückgegriffen. Nach einer Schulung des Hochschulrechenzentrums zur Programmierung von Lernmodulen entwickelte ME ein Modul für die Onlineplattform eCampus, die von zahlreichen Instituten zur Bereitstellung von Lehrmaterial für die Studenten genutzt wird. Mit Hilfe eines Pretests des Moduls mit 4 Studierenden konnte die Benutzerfreundlichkeit der Anwendung für die Studenten nochmals verbessert werden. Das Lernmodul ist inhaltlich in eine allgemeine Einführung zu Evidenzbasierter Medizin und in Kapitel zu jedem Unterpunkt des 5-A-Schritteprozesses unterteilt. Der 5-A-Schritteprozess ist die theoretische Grundlage des evidenzbasierten ärztlichen Handelns [3], [7]. Er ist als ein Kreislauf von Abläufen zu verstehen. Die 5 As stehen für die Punkte Ask (Fragestellung formulieren), Acquire (Wissen aquirieren), Appraise (Erkenntnisse bewerten), Apply (Erkenntnisse anwenden) und Assess (Effekte evaluieren).

Ebenso wird das PICO Schema eingeführt und erläutert. Das PICO Schema dient der Entwicklung wissenschaftlicher Fragestellungen [8]. Die Buchstaben P, I, C und O stehen jeweils für die wichtigsten Aspekte, die bei der Frage nach der bestmöglichen Therapie berücksichtigt werden sollten (P=„Patient Problem“, I=„Intervention“, C=„Comparison“, O=„Outcome“).

Um das Selbststudium mit dem Lernmodul möglichst interaktiv zu gestalten, sind den einzelnen Kapiteln jeweils drei bis vier Wiederholungsfragen zwischengeschaltet. Sobald die Studenten ein Kapitel abgeschlossen haben, können sie mit Hilfe der Multiple Choice- und Zuordnungsfragen ihr Verständnis für die wichtigsten Inhalte umgehend überprüfen. Da die Blockpraktikanten den nun folgenden Arbeitsauftrag im Rahmen des Selbststudiums als Hausaufgabe durchführen sollen, hilft ein interaktives Fallbeispiel, die einzelnen Schritte nochmals zu durchlaufen, um mögliche Fragen vor der Bearbeitung des Arbeitsauftrages auszuräumen.

Hausaufgabe

Im Anschluss an das Lernmodul sollen die Blockpraktikanten den 5-A-Schritteprozess praktisch anwenden. Hierfür wurden 3 Fallbeispiele entwickelt. Welches der drei Fallbeispiele die Studenten bearbeiten sollen, wurde ihnen zuvor per E-Mail mitgeteilt. Anhand von 10 vorgegebenen Fragen sollten die Studenten ihr erlerntes Grundwissen anwenden.

Auswahl Fallbeispiele

Die drei Fallbeispiele A, B und C stammen aus dem Themenfeld Gicht. Dieses Thema wurde von BE gewählt, da sie dazu eine S1-Leitlinie entwickelt hatte und entsprechend mit der Evidenz der Gichtbehandlung vertraut ist.

Entwicklung eines EbM-Evaluationsinstrumentes

Als anerkannte Instrumente zur Überprüfung von Fähigkeiten in der Evidenzbasierten Medizin dienen der Fresno Test und der Berlin Questionnaire [9], [10], [11]. Der „Bonn Test“ wurde auf Grundlage des Fresno Tests entwickelt (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Im originalen Fresno Test werden die ersten 4 As und zusätzlich statistische Basiskenntnisse abgefragt. Der Bonn Test deckt alle 5As ab und besteht ausschließlich aus 10 offengestellten Kurzfragen, sodass sie auf jedes beliebige Fallbeispiel angewendet werden können. Da in unserem Modul keine statistisch, mathematischen Kenntnisse vermittelt wurden, haben wir im Sinne des constructive alignements auf deren Abfrage verzichtet.

Für jede Frage wurde in einem Erwartungshorizont festgelegt (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]), welche Inhalte in der Antwort wie ausführlich abgedeckt sein müssen, um eine bestimmte Punktzahl zu erzielen.


Die Seminare

Die Studenten nehmen jeweils am Montag der beiden Blockpraktikumswochen an einem Seminar von jeweils 3 UE im Konferenzraum des Instituts für Hausarztmedizin teil. Ziel des Seminars ist die Vertiefung der erlernten Inhalte des Online-Lernmoduls sowie die Besprechung der mitgebrachten Hausaufgaben. Die Seminare wurden von einer Fachärztin für Allgemeinmedizin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Instituts für Hausarztmedizin (BE) sowie der Doktorandin (ME) geleitet.

Der erste Seminartermin

Das erste Seminar beginnt jeweils mit einer kurzen Vorstellungsrunde, bei der die Studenten auf ihre Zufriedenheit mit dem Lernmodul, eventuelle Verständnisprobleme, sowie Erwartungen und Wünsche bezüglich des Blockpraktikums eingehen sollen. Anschließend stellt der Dozent das Thema EbM nochmals in einer kompakten PowerPoint Präsentation vor. Dieser Vortrag dient dabei lediglich dem Auffrischen des Erlernten und ersetzt nicht das Selbststudium mit dem Lernmodul. Es folgt eine interaktive Einheit, bei der die Studenten an einer Pinnwand Karten mit verschiedenen Studientypen den richtigen Definitionen zuordnen und entsprechend ihrer Evidenzstufen anordnen sollen. Danach besprechen die Studenten mit dem Dozenten unterschiedliche Recherchequellen. Obwohl wir für unser Lernmodul PubMed als Medium ausgewählt haben, da sich hierbei die einzelnen Schritte besser nachvollziehen lassen, sollen die Studenten sich auch mit häufig verwendeten Quellen wie der Cochrane Library oder UptoDate vertraut machen. Zuletzt stellen die Studenten ihre eigenen Suchstrategien und Rechercheergebnisse für ihre Hausaufgaben vor. Diese vergleichen sie zunächst in Kleingruppen mit Kommilitonen, die das gleiche Beispiel bearbeitet haben. Anschließend stellt jede Gruppe einen bearbeiteten Bonn Test vor. Die Vorgehensweise wird dann gemeinsam in der großen Gruppe diskutiert.

Arbeitsauftrag

Am Ende des ersten Seminars erhalten die Studenten einen Arbeitsauftrag für das Blockpraktikum. Bis zum nächsten Seminartermin am darauffolgenden Montag sollen sie während ihres Aufenthaltes in den Lehrpraxen eine eigene wissenschaftliche Fragestellung entwickeln und mit Hilfe des Bonn Tests bearbeiten. Dabei ist den Studenten die Wahl des Themas freigestellt. Möglich wäre beispielsweise ein konkreter Patientenfall aus der Lehrarztpraxis oder der neuste Stand bestimmter Therapieoptionen, für deren Recherche der Lehrarzt keine Zeit hat. Die ausgefüllten Unterlagen sind wieder zum zweiten Seminartermin mitzubringen.

Der zweite Seminartermin

Im Rahmen des zweiten Seminartermins tauschen sich die Studenten über die bisherigen Erfahrungen in den Lehrarztpraxen aus. Hierbei besteht die Möglichkeit auf Probleme und Unklarheiten einzugehen. Die Studenten stellen ihre selbstentwickelten Fragestellungen zu klinischen Fällen aus den Lehrarztpraxen sowie ihre Rechercheergebnisse und Therapieempfehlungen vor. Anschließend wird eine der Fragestellungen gemeinsam mit Hilfe des Online-Zugangs vor Ort recherchiert um die praktische Anwendung von EbM nachvollziehbar auszuführen. Am Ende des Kurses werden die ausgefüllten Unterlagen zu den eigenen klinischen Fragestellungen eingesammelt. Wie auch schon zuvor die konstruierten Fallbeispiele können sie mit Hilfe des Erwartungshorizonts des Bonn Tests ausgewertet werden. Die Leistung der Studenten wird dabei sowohl untereinander als auch im Vergleich der theoretischen mit der praktischen Anwendung beurteilt.

Evaluation

Am Ende des zweiten Seminartages werden Evaluationsbögen ausgeteilt. Diese Evaluation umfasst jeweils die Zufriedenheit der Studenten mit dem Online-Modul, den Seminaren sowie dem Blockpraktikum. In der Bewertung wird unter anderem die didaktische und technische Umsetzung des Moduls sowie der Lerneffekt für die jeweiligen Aspekte des Lehrkonzepts berücksichtigt.


Ergebnisse

Durch unsere Machbarkeitsstudie konnten insgesamt drei Datensätze generiert weden.

1.
Das Ergebnis des Bonn Tests liegt für die vorgegebenen Fallbeispiele A, B und C vor. Mit Hilfe dieser Daten wird die allgemeine Anwendbarkeit des Lehrkonzepts unter kontrollierten Rahmenbedingungen überprüft. Insgesamt reichten 32 der 35 der Seminarteilnehmer (91%) ihr bearbeitetes fiktives Fallbeispiel ein (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Alle der 27 auswertbaren Beiträge erreichen mindestens die zum Bestehen notwendige Hälfte der möglichen Punktzahl (Maximum 144 Punkte). Im Durchschnitt werden 108,4 Punkte mit einer Standardabweichung von 15,4 Punkten erzielt. Im direkten Vergleich schneiden die Studenten in den Fallbeispielen A (MW106,2; SD=12,7, N=9), B (MW=107,9; SD=10,9; N=10) und C (MW=111,6; SD=21,3; N=8) ähnlich gut ab, allerdings fällt bei Fallbeispiel C eine höhere Abweichung der Ergebnisse vom Mittelwert auf (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).
2.
Die selbstentwickelten Fragestellungen der Studenten werden wieder mit Hilfe des Bonn Tests bearbeitet und die Qualität der Lösungsansätze entsprechend des Erwartungshorizonts bewertet. Dadurch lässt sich eine Aussage über die Translation der erlernten Inhalte in die Praxis treffen. Die differenzierte Leistungsdarstellung in den einzelnen Kategorien des 5-A-Schritteprozesses mit Hilfe der festgelegten Punktzahlen im Erwartungshorizont ermöglicht den unmittelbaren Vergleich mit der theoretischen Anwendung von EbM. Im Durchschnitt liegt die Gesamtpunktzahl der ausgewerteten Tests mit 99,8 Punkten (s=20,5) unter dem Mittelwert für die fiktiven Fallbeispiele A, B und C (MW=108,4; SD=15,4) (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).
3.
Bei dem dritten Datensatz handelt es sich um die Evaluationsbögen, die die Zufriedenheit der Studenten mit der Erweiterung des Blockpraktikums, sowie deren Eigeneinschätzung von neugewonnenen Fähigkeiten erfassen sollen. Die wichtigsten Aspekte rund um das Lehrkonzept werden jeweils mit Hilfe einer numerischen Skala von 0 („trifft nicht zu“) bis 10 („trifft voll zu“) bewertet. Von insgesamt 34 Evaluationsbögen sind 31 vollständig ausgefüllt und werden im weiteren Verlauf berücksichtigt. Insgesamt bewerten 74% der Studenten die Erweiterung des Blockpraktikums mit gut oder sehr gut (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). In Gruppe eins und zwei sind es sogar 83% bzw. 82%. Die dritte Gruppe bewertet die Umstellung im Durchschnitt mit 6,6 von 10 Punkten (s=2,3) schlechter als die Blockpraktikanten der ersten beiden Testdurchläufe. Die Blockpraktikanten sprechen sich gruppenübergreifend für die Implementierung des Lehrkonzepts zu einem früheren Zeitpunkt im Curriculum aus.

Diskussion

Wir konnten zeigen, dass unser Lehr- und Lernkonzept im Sinne des „Constructive Alignments“ selbst geleitetes Lernen der Studierenden mit der Stellung relevanter Aufgaben verbindet [12]. Anhand relevanter und realitätsnaher Aufgaben konnten die Studierenden die vorgesehenen Lernziele (Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens) erreichen. Die Ergebnisse des Bonn Tests für die vorgegebenen Fallbeispiele A, B und C sprechen dafür, dass die Studenten am Ende des Lernmoduls die gewünschten Lernziele auf dem Gebiet der EbM erreichten. Der Erwartungshorizont des Bonn Tests kann die neu erworbenen Fähigkeiten gezielt erfassen und Stärken bzw. Schwächen in Bezug auf den 5-A-Schritteprozess angemessen differenzieren. Auch wenn die durchschnittliche Punktzahl des Bonn Tests in der Praxis unter der Punktzahl für die Anwendung in der Theorie liegt, so übertrifft sie dennoch mit Abstand die nötige Mindestpunktzahl zum Bestehen. Das zeigt, dass sowohl die Inhalte des Lernmoduls, als auch Aufgabenstellung und Erwartungshorizont von der Theorie in die Praxis übertragen werden können. Die durchschnittlich geringere Punktzahl bei den „realen Fällen“ in einigen Kategorien ist vermutlich auf die Komplexität der Patientenfälle zurückzuführen, die noch mehr Übung erfordert um den 5-A-Schritteprozess systematisch anzuwenden. Die selbstentwickelten Fragestellungen können ebenfalls mit dem Bonn Test bearbeitet und ausgewertet werden. Dies spricht für die Translation der im Lernmodul vermittelten Inhalte in die Praxis. Zwar konnte Ilic et al. keine Überlegenheit von Blended learning vs. Präsenzlehre bei der Vermittlung von EbM-Lernzielen feststellen, aber die Gruppe konnte nachweisen, dass eine Kombination aus beiden Methoden eine deutliche bessere Translation der EbM in die Praxis mit sich bringt [13]. Der Erwartungshorizont des Bonn Tests stellt sich wie bei den fiktiven Fallbeispielen als adäquates Evaluationsinstrument für die relevanten EbM-Fähigkeiten dar.

In Zusammenschau der Ergebnisse ergeben sich noch Verbesserungsmöglichkeiten des entwickelten Lernmoduls.

Insbesondere bei der Entwicklung adäquater Fragestellungen bzw. Suchstrategien benötigen die Studenten noch weiterführende Unterstützung.

Der Bonn Test ist aufgrund seiner offenen Formulierungen und seines entsprechenden Erwartungshorizonts mit einer aufwendigeren Korrektur verbunden und daher personal- und zeitintensiv. Dies erschwert eine Implementierung für alle Studenten zu einem selben Zeitpunkt. Gleichzeitig stellen die offenen Formulierungen die wohl größte Stärke des Bonn Tests dar, da sie die Evaluation der praktischen Anwendung von EbM in dieser Tiefe ermöglichen. Hier erscheint eine Validierung des Bonn-Tests ggf in verkürzter Form als ein sinnvoller weiterer Forschungsansatz.

Die Evaluation der studentischen Zufriedenheit zeigt eine hohe Akzeptanz für die Erweiterung des Blockpraktikums, sodass eine zukünftige Implementierung des Lehrkonzepts in das Curriculum möglich ist. Die Studenten sprechen sich jedoch einvernehmlich dafür aus, dass dies zu einem früheren Zeitpunkt im Studium sinnvoller ist. In der Evaluation spiegelt sich die Nähe zu dem Staatsexamen wieder: je später der Zeitpunkt der Durchführung im Semester lag, desto mehr haben die Studenten den Mehraufwand neben der Examensvorbereitung als Manko dargestellt.

Bei der Implementierung des Blended-Learning-Moduls in der hier vorliegenden Form, müssen in Zukunft mehr die externen Rahmenbedingungen antizipiert werden. Die Implementierung des EbM-Moduls zu dem Zeitpunkt des Blockpraktikums, also im 4. Klinischen Semester, erscheint aufgrund der Evaluationsergebnisse nicht zielführend. Vielmehr könnte das EbM-Modul direkt zu Beginn des klinischen Abschnitts den Studenten die Basiskompetenzen vermitteln. In den anschließenden Querschnittsbereichen würden die Studenten dann zunehmend komplexere eigene Fragestellung bearbeiten. Die Implementierung eines entsprechend überarbeiteten longitudinalen Modells unseres EbM-Moduls ist aktuell in Planung. Auch aus Kostengründen, ist die Integration eines Blended-Learning Moduls als mögliche Lehrmethode eine sinnvolle Alternative. Maloney et al. konnten zeigen, dass sich bereits nach drei Jahren die Entwicklungs- und Implementierungskosten einer Blended-Learning Einheit im Vergleich zum Präsenzunterricht amortisiert [14].

Dieser Ansatz passt auch zu den Vorgaben des Masterplans Medizinstudium 2020, indem mehr wissenschaftliche Kompetenzen während des gesamten Studiums vermitteln werden sollen.


Schlussfolgerung

Der verwendete Lehransatz ist nach Auswertung aller Ergebnisse ein vielversprechendes Modell zur Implementierung von Evidenzbasierter Medizin im Curriculum, welches Medizinstudenten gezielt auf die Anwendung von EbM im Praxisalltag vorbereiten kann. Insgesamt bestätigt die vorliegende Studie, dass die Erweiterung des Curriculums im Fachbereich Allgemeinmedizin um eine EbM-Schulung machbar ist und die Studenten die erlernten Inhalte erfolgreich in der Praxis anwenden können. Mit Hilfe der ausgewerteten Bonn Tests und studentischen Rückmeldungen kann das Lehrkonzept für zukünftige Einsätze gezielt verbessert werden. Den ersten Daten zu Folge scheint der Bonn Test dabei ein adäquates Evaluationsinstrument für die praktische Anwendung von EbM darzustellen. Im Rahmen weiterer Studien, insbesondere zu einem früheren Zeitpunkt während des Medizinstudiums, sollte die Validität des Tests näher untersucht werden.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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