gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Blick in den Rückspiegel: zwanzig Jahre Reformen der humanmedizinischen Studiengänge und der curricularen Rahmenbedingungen in der Schweiz

Artikel Gesamtdarstellung Studiengang

  • corresponding author Raphael Bonvin - Universität Fribourg, Unité Pédagogie Médicale, Fribourg, Schweiz
  • Mathieu Nendaz - Hôpitaux Universitaires Genève, Institut de médecine de premier recours, Genève, Schweiz
  • author Peter Frey - Universität Bern, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Bern, Schweiz
  • author Kai P. Schnabel - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Unterricht und Medien, Bern, Schweiz
  • author Sören Huwendiek - Universität Bern, Institut für medizinische Lehre, Abteilung für Assessment und Evaluation AAE, Bern, Schweiz
  • author Christian Schirlo - Universität Zürich, Geschäftsstelle Direktorium UMZH, Medizinische Fakultät, Geschäftsbereich Struktur & Entwicklung, Zürich, Schweiz

GMS J Med Educ 2019;36(5):Doc64

doi: 10.3205/zma001272, urn:nbn:de:0183-zma0012727

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001272.shtml

Eingereicht: 1. November 2018
Überarbeitet: 3. Juni 2019
Angenommen: 6. August 2019
Veröffentlicht: 15. Oktober 2019

© 2019 Bonvin et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Bisher existieren kaum Berichte, die die Schweizer Reformen des Medizinstudiums von den ersten Teilreformen in den 1970er Jahren bis heute skizzieren.

Methoden: In der vorliegenden Arbeit werden kursorisch die jüngere Geschichte der humanmedizinischen Curricula, deren erste Teilreformen in den frühen 1970er Jahren und darauf aufbauend die wesentlichen Ausgangspunkte für die grossen Curriculumsreformen der 2000er Jahre aus Sicht der Autoren beschrieben.

Ergebnisse: Die vielfältigen Projekte, Initiativen und gesetzgebenden Elemente auf Eidgenössischer Ebene umfassen die Einführung von neuen Qualitätsentwicklungsinstrumenten – Eidgenössische Prüfung und Programmakkreditierung, die Einführung und Weiterentwicklung eines nationalen Lernzielkataloges über insgesamt drei Editionen sowie die Einführung der Bologna Reformen auch in den humanmedizinischen Studiengängen.

Im Sinne der Entwicklung von ausdifferenzierten Modellstudiengängen können exemplarisch die wesentlichen neuen Elemente aller Studiengänge in der Schweiz charakterisiert werden: die interdisziplinäre Ausrichtung der Lerninhalte in organ- und funktionssystem-orientierten Themenblöcken oder Modulen, die Aufwertung der klinisch-praktischen Ausbildung sowie die Einführung von problem-orientierten Formaten und der Integration von teils formativen, teils summativen Prüfungen nach dem OSCE-Format. Aufgezeigt werden auch die besonderen standort-spezifischen Charakteristika von vier Medizinischen Fakultäten und deren humanmedizinischen Studiengängen.

Diskussion: Die beschriebenen Projekte, Initiativen und gesetzgebenden Elemente haben in der Schweiz zu einer dynamischen, weiterhin anhaltenden Entwicklung der humanmedizinischen Curricula geführt. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat zudem bewirkt, dass mit dem neuen Medizinalberufegesetz Rollen und Verantwortungen zwischen Universitäten und Bund neu definiert worden sind. Dies gewährleistet den Fakultäten eine grosse Autonomie ohne die Qualitätssicherung zu vernachlässigen.

Schlüsselwörter: Curriculumsgestaltung, Innovation, Studienreform, National Prüfung,, changes, Ausbildung, Lernzielkatalog, Outcome-based Education


1. Einleitung

In den letzten 20 Jahren hat sich der Kontext der medizinischen Ausbildung in der Schweiz grundlegend verändert. Von einer starken zentralen Steuerung, die auf einem uniformen intrauniversitären Prüfungsprogramm basierte, übergab der Bund die volle Autonomie der Lehre und Prüfungen an die Medizinischen Fakultäten. Die Aufsicht des Bundes wird mit drei Instrumenten geführt und begleitet: einer Programmakkreditierung, einem Lernzielkatalog und einer Lizenzierungsprüfung. Die hier vorliegende Beschreibung soll helfen, die Hintergründe und die aktuellen Entwicklungen dieser Ausbildungslandschaft besser nachzuvollziehen sowie gelingende und hemmende Faktoren für curriculare Reformen zu diskutieren.


2. Methoden

Alle sechs Schweizer Medizinischen Fakultäten waren eingeladen, zu dieser Retrospektive über die Entwicklung der medizinischen Grundausbildung in den letzten 20 Jahren beizutragen. Diese Publikation stellt die gemeinsame Arbeit der vier Vertreter der Fakultäten dar, die diesem Aufruf gefolgt sind. Alle Autoren waren Akteure dieser Veränderungen auf verschiedenen Ebenen, einige seit Ende 1990 und die anderen seit Anfang der 2010er Jahre. Sie stellen die kurze historische Retrospektive der jüngsten schweizerischen medizinischen universitären Ausbildung aus deren Perspektive sowie die Änderungen in ihren lokalen Curricula dar.


3. Ergebnisse

Diese Retrospektive gliedert sich in drei Teile. Zuerst wird der Ausgangs-Kontext beschrieben, in dem die aktuellen Änderungen stattgefunden haben. Anschliessend werden die relevanten Veränderungen auf Bundesebene beschrieben. Schließlich wird am Beispiel von vier Studiengängen illustriert, wie sich die Veränderungen auf der Ebene der Fakultäten vollzogen haben.

3.1. Die Vorgeschichte der Reformen der 2000er Jahre

Die medizinische Ausbildung wird in der Schweiz seit 1877 von einem Bundesgesetz geregelt. Dieses Gesetz gab bis 2007 vor, welche Prüfungen in jedem Studienjahr abgelegt werden, und diktierte somit ein weitgehend schweizweites uniformes Curriculum. Die letzte tiefgreifende Revision dieses Bundesgesetzes wurde 1972 umgesetzt (der sogenannte „Rossi-Plan“); zum ersten Mal wurde auch auf die Lehrform (und nicht nur auf die Prüfungen) Einfluss genommen: die vorklinischen Jahre wurden von 5 auf 4 Semester gekürzt, Blockpraktika im

4. Studienjahr eingeführt und Multiple choice Fragen für die eidgenössischen Staatsexamina implementiert.

Ende 1980 wuchs sowohl bei den Studierenden, den Dozierenden als auch bei den Weiterbildungsstätten eine Unzufriedenheit mit der angebotenen Ausbildung in den medizinischen Studiengängen. Die Diskussionen am SVMA (Schweizerischer Verband Medizinische Ausbildung) und an der Schweizerischen Medizinischen Interfakultären Kommission (SMIFK; ein beratendes Gremium, das sich aus Vertretungen aller Schweizer Fakultäten und der an der medizinischen Aus- und Weiterbildung beteiligten Bundesbehörden zusammensetzt) brachten dann die Fakultäten progressiv dazu, ihre Curricula zu überdenken und einschliesslich neuer Prüfungsformen in verschiedenem Ausmass neu zu strukturieren. Aufgrund der damals bestehenden Gesetzgebung bedingte dies, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sogenannte Derogationen – in etwa mit der 1999 in Deutschland in die ärztliche Approbationsordnung aufgenommene „Modellstudiengangsklausel“ zu vergleichen – zur gültigen Verordnung bewilligen musste, um Änderungen im Curriculum durchführen zu dürfen. Dies erlaubte den Medizinischen Fakultäten die Einführung von selbstbestimmteren Curricula meist mit organ- und system-basierten, interdisziplinären Modulen sowie die Einführung (vollständig oder hybrid mit Vorlesungen) von problem-orientiertem Lernen mit verschiedenen, standort-spezifischen Ausprägungen. Spätestens im Jahr 2002 hatten alle Fakultäten Derogationen eingereicht und ihre Modellstudiengänge umgesetzt. Diese Experimentierphase konnte nicht andauern und die eingeschlagenen Reformwege waren zu unterschiedlich, um im Rahmen des vorliegenden Gesetzes einheitlich reguliert zu werden. In der Folge veranlasste das BAG eine komplette Revision der Bundesgesetzgebung, welche die Ausbildungshoheit den Universitäten überliess ohne die eidgenössische Steuerung der medizinischen Ausbildung aufzugeben. Dazu wurden drei Instrumente im Gesetz vorgesehen, die von der SMIFK über die Jahre entwickelt und erprobt wurden: Ein Akkreditierungsverfahren der medizinischen Studiengänge, ein schweizerischer Lernzielkatalog und eine überarbeitete Staatsexamensprüfung, die die Zulassung zur Weiterbildung regulieren soll. Die Reformbemühungen der Fakultäten der 1990er Jahre führten damit letztlich zu einer tiefgreifenden gesetzlichen Reform und der Implementierung der genannten drei Instrumente, welche den Weg für die umfassenden Reformen der Medizinstudiengänge in der Schweiz der 2000er Jahre bereiteten (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

3.2. Beschreibung der verschiedenen eidgenössischen Projekte und Gesetzgebungselemente
3.2.1. Das neue Medizinalberufegesetz (MedBG)

Zwei der vorgeschlagenen Instrumente, nämlich die Einführung einer neuen eidgenössischen Prüfung und die Programmakkreditierung der Studiengänge, wurden – gerade auch im Hinblick auf die Qualitätssicherung – in das sogenannte Medizinalberufegesetz (MedBG) aufgenommen, welches im September 2007 in Kraft trat. Dieses Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (Humanmedizin, Zahnmedizin, Chiropraktik, Pharmazie und Veterinärmedizin) regelt gesamtschweizerisch die universitäre Ausbildung, berufliche Weiterbildung, Fortbildung und Ausübung der universitären Medizinalberufe. Für das Humanmedizinstudium sind im MedBG die Anforderungen an die universitäre Ausbildung sowie die Voraussetzungen für den Studienabschluss (das eidgenössische Diplom) umschrieben. Das Gesetz gibt somit den Rahmen vor, ermöglicht aber gleichzeitig den Medizinischen Fakultäten viel Spielraum in der curricularen Gestaltung.

Der von der SMIFK entwickelte Lernzielkatalog wurde in der Bundesverordnung über die eidgenössischen Prüfungen der universitären Medizinalberufe aufgenommen, um den Inhalt der eidgenössischen Prüfung zu definieren.

Das Gesetz bestimmt nicht mehr die Prüfungen (und das Curriculum) der medizinischen Ausbildung, sondern etabliert drei Instrumente, um die Qualität der Ausbildungsgänge zu steuern. Im Folgenden werden diese drei Instrumente und ihre Implikationen für die medizinischen Studiengänge vorgestellt.

3.2.2. Die Einführung der Programmakkreditierung

Die sehr intensiven Diskussionen über Ausbildungsqualität, die mit den Studienreformen in den 1990er Jahren stattfanden, haben die Thematik einer Akkreditierung aufgeworfen. Ausschlaggebend für eine konkrete Umsetzung war eine Anfrage des LCME (Liaison Committee on Medical Education) aus den USA hinsichtlich eines etablierten Akkreditierungsverfahrens in der Schweiz.

1999 wurde unverbindlich an allen Schweizer Medizinischen Fakultäten eine Pilotakkreditierung der Ausbildungsprogramme mit einer internen und externen Evaluation (mit einer internationalen Expertengruppe) durchgeführt. Das Pilotverfahren wurde durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe der SMIFK vorbereitet und begleitet. Zwei Hauptergebnisse konnten durch dieses Verfahren gewonnen werden. Einerseits stimulierte dies die Fakultäten dazu, tiefgreifende Anpassungen vorzunehmen wie z.B. eine grössere Gewichtung der Hausarztmedizin, eine klarere Curriculumssteuerung und die explizite Erarbeitung von Ausbildungszielen. Andererseits wurde das Verfahren als wichtiges Qualitätssicherungsinstrument wahrgenommen und daher in das MedBG aufgenommen: Ausbildungsprogramme müssen seither alle 7 Jahre akkreditiert werden und es werden nur Studierende aus einem akkreditierten Studiengang zur eidgenössischen Prüfung zugelassen. An allen Standorten wurde 2011 der erste und 2018 der zweite Akkreditierungszyklus von der schweizerische Agentur für Akkreditierung und Qualitätsicherung (aaq) durchgeführt.

3.2.3. Die eidgenössische Prüfung

Im Art. 14,2 des MedBGs wird vorgegeben, dass die eidgenössische Prüfung abklären muss, ob die Studierenden:

1.
über die fachlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie über die Verhaltensweisen und die soziale Kompetenz verfügen, die sie zur Ausübung des entsprechenden Medizinalberufes benötigen; und
2.
die Voraussetzungen für die erforderliche Weiterbildung erfüllen.

Weit mehr als eine universitäre Abschlussprüfung (diese wird mit dem Master-Diplom erreicht und gilt als Voraussetzung für die eidg. Prüfung) fungiert diese neue eidgenössische Prüfung als eine professionelle Eintrittsprüfung zur ärztlichen Weiterbildung [1]. Auf der Basis umfangreicher kollaborativer Vorarbeiten zwischen dem BAG, den Fakultäten und dem Institut für medizinische Lehre der Universität Bern wurde im Sommer 2011 die zweiteilige eidgenössische Schlussprüfung im neuen Format implementiert [2], [3]. In dem schriftlichen Teil im Multiple choice Format (MC) wird in zwei Teilprüfungen mit je 150 Fragen, interdisziplinär; fallbezogen und anwendungsorientiert geprüft. Der klinisch-praktische Prüfungsteil – Clinical Skills (CS) – ist eine Parcours Prüfung nach dem OSCE-Prinzip, es werden 12 Stationen mit jeweils 15 Minuten Dauer einschliesslich Rotationszeit durchlaufen. In allen Stationen sind standardisierte Patienten integriert und die Bewertung erfolgt durch geschulte Examinatoren. Beide Prüfungsteile werden synchron an allen schweizerischen Standorten durchgeführt und zentral durch das Institut für Medizinische Lehre (IML) unterstützt und ausgewertet. Für die OSCE-Prüfung wird ein mehrschichtiges Qualitätssicherungsprogramm durchgeführt. Weiterhin werden regelmässig Qualitätssicherungs- und Weiterentwicklungsprojekte durchgeführt, um eine hohe Qualität der Prüfung nachhaltig zu gewährleisten.

3.2.4. Der Lernzielkatalog

Der Lernzielkatalog wurde unter der Führung der SMIFK in Zusammenarbeit mit mehr als 100 Dozierenden aller Medizinischen Fakultäten und nach einer Konsultation der ärztlichen Fachgesellschaften erstellt, 2002 eingeführt sowie in die Verordnung zur eidgenössischen Prüfung aufgenommen [4]. Vier Hauptgründe haben zu diesem Katalog geführt.

1.
Die Verordnung, die das Medizinstudium steuerte, schrieb nur einige grobe Lernziele und Prüfungsthemen vor. Die in den 1990er Jahren etablierten Curriculumsreformen wurden somit ohne explizite und gemeinsame Ausbildungslernziele durchgeführt.
2.
Die 1999 durchgeführte Pilotakkreditierung hatte das Fehlen von Ausbildungszielen als eine Schwäche des schweizerischen humanmedizinischen Ausbildungssystems identifiziert.
3.
Die seinerzeit bevorstehenden bilateralen Verträge zwischen der Europäischen Union und der Schweiz sollten auch die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen festlegen. Im Vorgriff auf die Ratifizierung dieser Verträge wurde es für die Medizinischen Fakultäten in der Schweiz unerlässlich, gemeinsame Ziele zu setzen, die mit den Richtlinien der Europäischen Union vereinbar waren.
4.
Ein erster Vorentwurf des neuen Gesetzes über die ärztliche Ausbildung wurde 1999 veröffentlicht. Allgemeine Ziele der medizinischen Ausbildung waren darin festgelegt und erlaubten eine Erarbeitung der Lernziele, die mit dem zukünftigen Gesetz vereinbar waren.

Dieser Lernzielkatalog wurde 2008 teilrevidiert (Einführung der CanMEDS Rollen, Reduktion der Anzahl der disziplin-spezifischen Lernziele) und vollzog eine komplette Revision 2017 (Anpassung an den CanMEDS 2015, Einführung von 9 Entrustable Professional Activities (EPA’s), Abschaffung aller Disziplin-spezifischen Lernziele) [5]. Das resultierende 34-seitige Dokument Profiles (Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland, http://www.profilesmed.ch/) legt dabei den Referenzrahmen der Ausbildung fest. Es fokussiert auf Rollen (Kompetenzen), Aufgaben und Situationen, die von einer Assistenzärztin oder einem Assistenzarzt am 1. Tag ihrer oder seiner Weiterbildung verlangt werden dürfen und welche sie oder er ohne direkte Supervision beherrschen muss [6]. Vor allem seit der zweiten Ausgabe nahm dieses Dokument eine zentrale Rolle in den Fakultäten ein, um die Ausbildungsinhalte zu steuern. Mit der starken Neuorientierung der dritten Ausgabe (Profiles) werden tiefgreifende Anpassungen in den Fakultäten unternommen.

3.2.5. Die Bologna Reform in den medizinischen Studiengängen

Zusätzlich zu diesen drei medizinspezifischen Ereignissen war die Implementierung des Bologna-Systems ein weiteres wichtiges strukturbildendes Element für die medizinischen Studiengänge in der Schweiz. Zwischen 2006 und 2007 wurde nach Beschluss der Rektorenkonferenz das Bologna-System für alle universitären und fachhochschulischen Studiengänge und damit auch für das Studium der Humanmedizin eingeführt. Das Studium ist damit regelhaft in einen jeweils dreijährigen Bachelor- und anschliessenden Masterstudiengang aufgeteilt. Der erfolgreiche Masterabschluss ist die Voraussetzung für die Anmeldung zur eidgenössischen Prüfung [7]. Auch wenn der Bachelor-Abschluss in der Medizin in der Schweiz keine Bedeutung als berufs- oder weiterbildungsqualifizierender Abschluss erlangt hat, hat diese Teilung eine Bachelor-Master Flexibilität in der Ausbildung gebracht. Dies zeigt sich im Rahmen verschiedener Massnahmen zur Erhöhung der Studienplatzkapazität in der Schweiz einschliesslich des aktuellen Sonderprogramms Humanmedizin. Dabei gewinnt die Bachelor-Master-Schnittstelle als Ausgangspunkt für die Einrichtung von Teilstudiengängen auf Bachelor- oder Masterstufe und gleichsam als Interface für die Studierendenmobilität an diesem Punkt zwischen bisherigen und neuen Teilstudiengängen deutlich an Bedeutung.

Zudem wurde im Masterstudiengang eine schriftliche, wissenschaftliche Masterarbeit für alle Studierende als Pflicht eingeführt. Daran schliesst sich nach dem Masterabschluss eine fakultative Doktoratsarbeit an. Die Einführung eines Master of Medicine begünstigte wahrscheinlich auch die Trennung zwischen der universitären Ausbildungsverantwortung (mit einem eigenen universitären Abschluss) und die Verantwortung des BAG, die Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte, die in die klinischen Weiterbildungstätigkeit eintreten, zu garantieren (mit einer eidgenössischen Lizenzierungsprüfung).

3.3. Konkrete Entwicklung einzelner Curricula

Im Folgenden werden exemplarisch für die Entwicklung der Curricula und ihrer Modellansätze vor dem Hintergrund der verschiedenen genannten eidgenössischen Projekte und Gesetzgebungen als dynamische Rahmenbedingungen vier Studiengänge mit ihren standortspezifischen Charakteristika vorgestellt.

3.3.1. Universität Freiburg (Schweiz)

Die Naturwissenschaftliche und Mathematische Fakultät der Universität Freiburg bot bis 2008 die zwei ersten Studienjahre der Medizin als zweisprachiges Curriculum (Französisch und Deutsch) an. Die Studierenden konnten dann in einer der fünf Medizinischen Fakultäten ihr Medizinstudium abschliessen. Mit der Einführung der Bologna-Reform im Jahr 2007 wurde das 3. Jahr eingeführt, um einen kompletten Bachelor Studiengang anbieten zu können. Ein an den anderen Fakultäten angelehntes Hybrid-Curriculum mit einem starken Anteil an klinischem und praktischem Unterricht bereitet die Studierenden bestens auf das Weiterstudieren an den Masterstudiengängen der anderen Fakultäten vor. In den letzten Jahren ist der Kanton Freiburg den Bemühungen, den Schweizer Ärztemangel zu beheben, beigetreten und hat sich entschieden, einen Masterstudiengang anzubieten um das ganze Medizinstudium vor Ort absolvieren zu können. Dank Profiles und der neuen eidgenössischen Prüfung kann Freiburg eine Ausbildung mit den Schwerpunkten in Hausarztmedizin und sozialer Verantwortlichkeit ab 2019 für 40 Studierende anbieten. Mit einem kompromisslosen Programmatic-Prüfungsdesign [8], abgestützt auf einen Progress-Test, ein e-Portfolio und Lernbegleiter, schöpft der Studiengang die vorhandene Gestaltungsfreiheit der Ausbildung voll aus. Für die Umsetzung dieses neuen Masterstudiums wurde ein Lehrstuhl für Medizinische Hochschuldidaktik geschaffen, der die vorhandenen pädagogischen Ressourcen vereint und erweitert.

3.3.2. Universität Genf

1995 wurde im Rahmen einer umfassenden Reform des Studiums ein neues Curriculum in Genf implementiert: vom traditionellen Curriculum zu einem integrierten Gesamtkonzept, zusammengestellt aus interdisziplinären Modulen zu den Systemen des menschlichen Körpers, mit problembasiertem Lernformat in kleinen Gruppen ab dem 2. Studienjahr [9], [10]. Das erste Jahr wurde auf die medizinischen Grundlagenwissenschaften ausgerichtet, indem einige rein biologische Fächer (z.B. Pflanzenbiologie) abgeschafft und ein Programm zum Thema Mensch-Gesundheit-Gesellschaft eingeführt wurde.

Zusätzlich wurde in den Modulen ein Längsschnittprogramm zu klinischen Kompetenzen integriert, darunter ein Arzt-Patient Kommunikationstraining [11]. Ebenfalls longitudinal ausgerichtet ermöglicht ein Längsschnittprogramm mit gemeinschaftlichen und ethischen Dimensionen den Studierenden, sich in diesen Bereichen Fähigkeiten anzueignen. Eine sogenannte „Lerneinheit zur Immersion in die Gesundheitsversorgung auf Gemeindeebene“ ermöglicht den Studierenden, ausserhalb der Universität ein Community-Projekt in Genf oder an einem anderen Ort durchzuführen [12]. Ein Programm für medical humanities ermöglicht den Studierenden darüber hinaus, sich für zusätzliche Bereiche der Gesundheitsversorgung zu interessieren.

Der Kontakt zur ambulanten Medizin wird im 2. Jahr durch regelmässige, ganztägige Besuche in den Praxen von Haus- und Kinderärzten eingeführt.

Ab dem 2. Jahr gibt es auch ein Programm mit frei wählbaren Aktivitäten, die es den Studierenden ermöglicht, klinische oder nicht-klinische Disziplinen zu vertiefen.

Die klinische Ausbildung startet ab dem 4. Studienjahr mit der Immersion der Studierenden in klinische Standorte, begleitet von praktischer und theoretischer Lehre. Die Theorie wird hauptsächlich mit Hilfe von case-based learning in Kleingruppen behandelt, wodurch die klinische Argumentation reproduziert und das entsprechende Wissen erworben wird. Als Wahlstudienjahr ist das 6. und letzte Jahr vollumfänglich klinisch ausgerichtet. Die Studierenden wählen die Praktikumsdisziplinen aus einem auf Stufe Westschweiz erstellten Katalog, auch wenn Auslandspraktika natürlich möglich sind.

Um den Eintritt der Studierenden in das klinische Umfeld zur erleichtern, wurde eine einführende Lerneinheit für den klinischen Ansatz eingeführt. Dadurch soll der Übergang von den präklinischen Jahren, in denen die Studierenden Mechanismen lernen, zu den klinischen Jahren, in denen sie sich zur Lösung klinischer Probleme ausbilden, optimiert werden [13].

Die Medizinische Fakultät der Universität Genf ist im eidgenössischen Kontext auch eine Art Vorreiterin in der Anwendung von Simulationen und simulierten und standardisierten Patienten für die Ausbildung und Evaluation von Studierenden.

Die im Laufe der Jahre vorgenommenen Änderungen betreffen vor allem die Anpassung des Lehrplans an die Anforderungen des Bologna-Systems und an die Vorgaben der eidgenössischen Prüfung, welche den Fakultäten mehr Autonomie bei der Evaluation der Studierenden überträgt. In diesem Zusammenhang wurde im

4. bis 5. Studienjahr eine Masterarbeit eingeführt, somit werden wissenschaftliche Arbeiten und kritische Analysen aufgewertet. 2013 wurde zudem ein interprofessionelles Simulationszentrum im Kontext einer fortlaufenden Entwicklung eines longitudinalen interprofessionellen Curriculums für Medizinstudierende und Studierende aus den Gesundheitsberufen der Partner-Fachhochschule Gesundheit eingerichtet [14].

Für diese Reform wurde 1994 eine pädagogische Einheit (Unit of Development and Research in Medical Education, UDREM, [https://www.unige.ch/medecine/udrem/en/) gegründet, deren Aufgabe die Aus- und Weiterbildung von Dozierenden, die Evaluation des Studienplans sowie die Forschung im Bereich der medizinischen Ausbildung umfasst. Diese Einheit hat im Laufe der Jahre eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Innovationen und der Umsetzung neuer Konzepte gespielt.

3.3.3. Universität Zürich

Die Medizinische Fakultät der Universität Zürich (UZH) bietet neben dem Studium der Zahnmedizin und einem spezialisierten Masterstudiengang Chiropraktische Medizin einen 6-jährigen Studiengang Humanmedizin dem Bologna-Modell entsprechend an. Hauptziel des grundsätzlich kompetenzbasierten Curriculums ist die Ausbildung von exzellenten Ärztinnen und Ärzten für das schweizerische Gesundheitssystem. Aufgrund der angelaufenen weiteren Erhöhung der Studierendenzahlen zum HS 2017 studieren aktuell in den Studienjahren 2 - 6 noch jeweils 300 Studierende und im 1. Studienjahr bereits 372 Studierende im Studiengang Humanmedizin (darin einschlossen sind bis zu 20 Studierende der Chiropraktischen Medizin). Das Curriculum ist in ein Bachelor- und ein Masterstudium von je 3 Jahren gegliedert und kombiniert eine vertiefte horizontale Integration (interdisziplinär konzipierte Themenblöcke und Themenfelder) mit einer moderaten und im Studienverlauf zunehmenden vertikalen Integration klinischer Inhalte.

Im Rahmen der Reform der humanmedizinischen Studiengänge in der Schweiz kann für den Standort Zürich eine Besonderheit im Sinne der Etablierung eines Anteils eines Modellstudiengangs beschrieben werden: neben dem Kernstudium bietet das Curriculum der Medizinischen Fakultät der UZH in den ersten vier Studienjahren einen Wahlpflichtbereich („Mantelstudium“) an, in dem die Studierenden aktuell aus ca. 50 angebotenen Modulen jeweils ein Modul pro Semester auswählen können. Die wesentlichen Ziele des Mantelstudiums umfassen:

1.
Vertiefung von Inhalten des Kernstudiums;
2.
Vermittlung von ausgewählten medizinrelevanten Inhalten, welche über das Kernstudium und die Vorgaben des Lernzielkatalogs hinausgehen;
3.
Schaffen von Möglichkeiten, persönliche Schwerpunkte im Studium zu bilden.

Die Themenbereiche des Mantelstudiums (im 2. bis 4. Studienjahr Human- und Zahnmedizin) umfassen etwa die ganze Breite der Medizin: Klinische Medizin, biomedizinische Grundlagenwissenschaften, Populations-Forschung, „Humanities“ sowie die translationale Verknüpfung dieser Wissenschaften. Der Arbeitsumfang jedes Moduls beträgt 4 ECTS-Punkte. Diese Konstellation ermöglicht eine gezielte und frühzeitige Entwicklung der Studierenden in speziellen (Fach-)gebieten, ohne dabei die generische Abschlusskompetenz (Befähigung zur allgemeinen Weiterbildung) aufzugeben. Von besonderer Bedeutung sind dabei neben den frei wählbaren Modulen sogenannte Schwerpunktprogramme, mit denen die Studierenden Möglichkeiten erhalten, persönliche Schwerpunkte im Studium zu bilden. In derzeit drei Bereichen kann das Mantelstudium in ein strukturiertes Studien-Schwerpunkt-Programm („Track“) einfliessen:

  • „Psychiatrie und Psychotherapie“
  • „Medizin und Technik (in Zusammenarbeit mit der ETH)
  • „Forschung in der Medizin“

In diesen Tracks müssen zusätzlich zu den Mantelstudium-Modulen drei Monate des Wahlstudienjahrs, die Masterarbeit und ein Mentoring-Programm absolviert werden. Damit können schlussendlich 60 ECTS-Punkte im Bereich des Schwerpunkts erworben werden, die in Form eines Zertifikats ausgewiesen werden. Für den „Track“ Psychiatrie wird derzeit die Möglichkeit von Anrechnungen auf die spätere fachärztliche Weiterbildung diskutiert. In diesem curricularen Modell liegt grosses Potential zur Stärkung des Kontinuums von Aus- und Weiterbildung [15].

Genannt werden kann in diesem Kontext auch das 2017 gegründete Bildungsnetzwerk Medizin, welches in diesem Rahmen ein grosses Potential zur weiteren Ausdifferenzierung von Kompetenzprofilen sowie zur Entwicklung neuer Lehrmethoden und Lehr- sowie Lernsettings bietet [https://www.medunet.ch/].

3.3.4. Universität Bern

Die Medizinische Fakultät der Universität Bern bietet ebenfalls ein 6-jähriges Hochschulstudium in Humanmedizin an. Die 1973 eingeführten Gruppenunterrichtsformen am Krankenbett wurden in den 1990er Jahren in Clinical Skills Training (CST) umbenannt und zu jedem der 13 Unterrichtsmodule wurde eine Guideline für Studierende und Dozierende mit Lernzielen geschrieben. Dies sicherte einen verbindlichen Unterricht, der seit 2003 in einem interdisziplinären summativen OSCE im 3. Studienjahr geprüft wird. Als eine Berner Spezialität wurden 1973 die Blockpraktika im 4. und 5. Studienjahr eingeführt. Alle Studierenden durchliefen während 28 Wochen Spitalpraktika in fünf Fachgebieten (Innere Medizin 8 Wochen, Chirurgie und Pädiatrie je 6 Wochen, Psychiatrie und Gynäkologie/Geburtshilfe je 4 Wochen) und belegten zusätzlich je 3 Wochen Kurse in Ophthalmologie, Dermatologie und HNO. Während dieser Spitalpraktika, die sich damals über 13 Monate erstreckten, fanden keine Vorlesungen statt. Neben diesen Blockpraktika gab es das Wahlstudienjahr (PJ-Analogon). Der humanmedizinische Studiengang in Bern galt in dieser Zeit als der praxisorientierteste Studiengang der Schweiz.

1999 erfolgte eine weitere Curriculumsreform. Einerseits wurde die Zahl der Studienplätze von rund 250 auf 125 halbiert und andererseits das Studium in den ersten drei Jahren in ein problemorientiertes Problem-based Learning (PBL)-Hybridcurriculum umgestaltet. Im neuen PBL-Curriculum wurden die Vorlesungszeit auf rund 8-10 h pro Woche reduziert und zwei PBL-Tutoriate pro Woche mit Gruppen zu 8-10 Studierenden eingeführt. Der Präsenzunterricht pro Woche beträgt seither maximal 20 Stunden pro Woche. Damit bleibt den Studierenden viel Zeit für das Selbststudium.

Im Rahmen der genannten aktuellen Projekte und Gesetzgebungselemente wurde auch in Bern das Studium 2007 in ein Bachelor- und Masterstudium aufgeteilt, stärker reglementiert und Studienleistungen mit ECTS-Punkten versehen. Im gesamten Studium wurde ein longitudinales Praktikum beim Hausarzt eingeführt [16]. Über 600 Hausärztinnen und Hausärzte betreuen heute Studierende vom 1. bis 5. Studienjahr 1:1 direkt in ihren Praxen. Für die Einführung einer Masterarbeit wurden die Berner Blockpraktika von 28 auf 20 Wochen Dauer gekürzt. Gleichzeitig wurde für die beteiligten Lehrkliniken ein didaktisches Konzept mit studentischen Assessments vorgegeben. Die Studierenden müssen seit 2011 in den Blockpraktika formative, arbeitsplatzbasierte Assessments (Mini-CEX, DOPS und Referate) durchführen. Mit den externen Kliniken werden Lehrverträge abgeschlossen und der Aufwand für die Studentenausbildung wird finanziell entschädigt.

Seit 2009 wurden insgesamt 6 verschiedene Kommunikationskurse im 2011 eigens dafür eingerichteten Berner Interdisziplinären Skills- und Schauspielpatienten-zentrum (BiSS) eingeführt und weiterentwickelt [17]. Die Kurse beinhalten ein Feedbacktraining im Rollenspiel im 1. Studienjahr, ein allgemeines Kommunikationstraining im 4. Studienjahr, ein spezielles Kommunikationstraining im 6. Studienjahr – jeweils mit Videoaufzeichnung aller Gespräche –, ein Training zur Telefonkommunikation, ein Anästhesiekommunikationstraining und ein Geriatriekommunikations/-assessmenttraining jeweils mit dem Einsatz von Schauspielpatienten. Auch wurden formative OSCEs im 3. und 6. Jahr eingeführt [17].

Es wurden zukunftsweisende interprofessionelle Kurse, wie der Venenpunktionskurs im Peer-Teaching Format, welcher mittlerweile Pflicht an allen drei beteiligten Institutionen (Uni Bern, Berner Fachhochschule und dem Bildungszentrum Pflege) ist [18] und ein interprofessionelles Seminar zur Schweigepflicht im Fallformat entwickelt und in den Pflichtunterricht übernommen. Seit 2018 wird ein Sonographie-Kurs im Peer-Teaching Format für alle Studierenden angeboten.

Die seit 1999 schrittweise erhöhte Studienplatzkapazität mit einer seit Herbstsemester 2018 aktuellen Kohortengrösse von 320 Studierenden im 1. Studienjahr kann nur mit einer neuen Reform und der Erweiterung von räumlichen Ressourcen bewältigt werden. Dazu gehört ein neues Lehrgebäude (2500 m2) mit neuem BiSS, dem Simulationszentrum Anästhesie und einem Lernzentrum, welches soeben in einem ehemaligen sanierten Stadtkrankenhaus bezogen wurde. In Bern unterstützt das Institut für Medizinische Lehre (IML) die Unterrichtsentwicklung, Prüfungen und innovative Weiterentwicklungen des Berner Medizinstudiums seit 1972. Zudem nimmt das IML eidgenössische Aufgaben wie die Unterstützung eidgenössischer Medizinal-Prüfungen wahr und führt Lehrforschung durch.


4. Diskussion

Die aktuelle Landschaft der medizinischen Grundausbildung in der Schweiz ist das Ergebnis tiefgreifender Veränderungen, die in den letzten 20 Jahren stattgefunden haben (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Es begann in den 1990er Jahren mit der zunehmenden Unzufriedenheit von Studierenden, Lehrenden und Hochschulen über die angebotenen Studiengänge, die mit einem bundesweit festgelegten System von Prüfungen gesteuert wurden. Eine Zeit des Experimentierens folgte wo jede Universität ihren eigenen Ansatz und ihre eigene Vision von Bildung plante und dank Derogationen umsetzte. Diese Experimentierzeit veranschaulichte, wie unterschiedlich die Bedürfnisse der einzelnen Universitäten waren. Das BAG hat klugerweise beschlossen, das Bundesgesetz über die medizinische Grundausbildung aus dem Jahr 1877 basierend auf den gewonnenen Einsichten neu zu schreiben, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Es musste jedoch ein Weg gefunden werden, damit das BAG seine Rolle als Garant für die Qualität der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte, die Zugang zum schweizerischen medizinischen Arbeitsmarkt haben, erfüllen und gleichzeitig die Verantwortung für die Durchführung dieser Grundausbildung an die Universitäten delegieren konnte. In einem kollaborativen Ansatz schlugen die verschiedenen Stakeholder (BAG, SMIFK und die Medizinischen Fakultäten) drei Instrumente zur Erreichung dieses Ziels vor: eine Akkreditierung der Studiengänge, eine eidgenössische Lizenzierungsprüfung (die den Eintritt in die klinische Weiterbildung regelt), und mit Profiles einen Referenzrahmen, der die am ersten Tag der Weiterbildung zu erwartenden Kompetenzen und Fähigkeiten definiert.

Dieses neue Gesetz trat 2007 in Kraft und konnte die erwünschte Flexibilität ohne Qualitätseinbußen erhalten [2], [19]. Die Universitäten nutzten die gewonnene Autonomie, um ihre Studiengänge frei zu gestalten und Schwerpunkte zu setzen oder innovative Prüfungs-Systeme einzuführen. Insbesondere wurden vermehrt formative und klinisch-praktische Prüfungen eingeführt. Neue Bedingungen wie eine Erhöhung der Studienplatzkapazität konnten auch flexibler angegangen werden. Die Qualitätssicherung durch das BAG wurde weiterhin gewährleistet.

Das Akkreditierungsverfahren erlaubt die Ausbildungsgänge zu durchleuchten. Wertvoll ist dabei insbesondere die Selbstreflektion der Fakultäten durch den zu erarbeitenden Selbstbeurteilungsbericht. Leider wurden in den letzten beiden Akkreditierungen nicht dieselben Standards verwendet. Auch sind Gutachterteams für jede Fakultät anders zusammengestellt.

Die eidgenössische Prüfung lässt die Outcomes der Studiengänge schweizweit vergleichen und die Kompetenzen der in die Weiterbildung zugelassenen Ärztinnen und Ärzte zu sichern. Interessanterweise wurden keine signifikante Unterschiede an der Prüfung zwischen den stark variierende Curricula gemessen [2]. Obwohl die Bestehensgrenzen relativ tief angelegt sind (0-3% Misserfolge pro Fakultät und Jahr) haben diese Examina einen sehr hohen positiven Einfluss auf das Lernverhalten der Studierenden. Erstmals wird der gesamte Studieninhalt, mindestens des klinischen Abschnittes, integral gelernt.

Die Umsetzung der neuen Lernziele nach Profiles bedeutet für jede Fakultät einen grossen Wandel. Gut im Curriculum Mapping integrierte Lernziele (die clinical pictures) fielen weg, dafür müssen nun die EPA’s umgesetzt werden. Profiles und insbesondere die EPA’s sind ein blosses Rahmenwerk, kein detaillierter Gegenstandskatalog. Damit ergibt sich ein hoher Aufwand für jede Fakultät, daraus konkrete Ausbildungsziele abzuleiten. Es bleibt aber auch viel Freiraum.

Ein wichtiger Faktor für die Verbesserung und Innovation in der Lehre ist die finanzielle Abgeltung der Lehre in einem klinischen Umfeld. Auf diesen Aspekt geht die vorliegende Arbeit nicht weiter ein. Der Wettbewerb im Klinik- und Forschungsbetrieb und die Maximierung der Leistungen für die Patientenversorgung drängen die Lehraktivitäten an den Rand. Dies stellt für alle schweizerischen Medizinischen Fakultäten eine erhebliche Herausforderung dar.


5. Schlussfolgerung

Die Politik hat die Zuständigkeit für die medizinischen Ausbildungen klar dem Bundesamt für Gesundheit zugewiesen und nicht dem Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, das sonst für die universitäre Bildung zuständig ist.

Dies erleichterte eine stringente Gesetzgebung auf nationaler Ebene und erlaubt eine Kohärenz zwischen Aus-, Weiter- und Fortbildung. Innerhalb dieses Rahmens sind es die Fakultäten, die die Freiheit und Verantwortung haben, Studierende auszubilden. Ein wichtiger förderlicher Faktor ist der offene, institutionalisierte und kollaborative Austausch zwischen den Fakultäten, dem zuständigen Bundesamt für Gesundheit und den weiteren Akteuren.

Das nationale Lizenzexamen, basierend auf dem Lernzielkatalog Profiles, schafft einen verbindlichen Rahmen für die Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte. In der Ausgestaltung der detaillierten Lernziele haben die Fakultäten einen hohen Spielraum, aber auch eine Unsicherheit bezüglich der Prüfungsinhalte im Lizenzexamen. Durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Bund und Fakultäten besteht ein Vertrauensverhältnis, das diese Unsicherheit aufwiegt. Zudem bestehen Erfahrungswerte aus den letzten 10 Jahren. Trotz Veränderung des Lernzielrahmenwerkes – ein Lernzielkatalog ist es nicht mehr – werden sich die Lizenzexamen inhaltlich nicht tiefgreifend ändern.

Die heute bevorstehende Herausforderung, die EPA’s welche von Profiles vorgegeben werden schweizweit einzuführen, greift auf diese enge und dynamische Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten und dem BAG zurück. Der über die letzten 20 Jahre neue geschaffene Rahmen gewährleistet eine effiziente und zeitgerechte Anpassung der medizinischen Ausbildung.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Der Bundesrat. Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz, MedBG) vom 23. Juni 2006 (Stand am 1. September 2007). Bern: Der Bundesrat; 2006. Zugänglich unter/abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20040265/index.html Externer Link
2.
Guttormsen S, Beyeler C, Bonvin R, Feller S, Schirlo C, Schnabel K, Schurter T, Berendonk C. The new licencing examination for human medicine: from concept to implementation. Swiss Med Wkly. 2013;143:w13897. DOI: 10.4414/smw.2013.13897 Externer Link
3.
Berendonk C, Schirlo C, Balestra G, Bonvin R, Feller S, Huber P, Jünger E, Monti M, Schnabel K, Beyeler C, Guttormsen S, Huwendiek S. The new final Clinical Skills examination in human medicine in Switzerland: Essential steps of exam development, implementation and evaluation, and central insights from the perspective of the national Working Group. GMS Z Med Ausbild. 2015;32(4):Doc40. DOI: 10.3205/zma000982 Externer Link
4.
Bloch R, Burgi H. The Swiss catalogue of learning objectives. Med Teach. 2002;24(2):144-150. DOI: 10.1080/01421590220120759 Externer Link
5.
Frank JR, Snell L, Sherbino J, editors. CanMEDS 2015 Physician Competency Framework. Ottawa: Royal College of Physicians and Surgeons of Canada; 2015.
6.
Michaud PA, Jucker-Kupper P; Profiles working group. The “Profiles” document: a modern revision of the objectives of undergraduate medical studies in Switzerland. Swiss Med Wkly. 2016;146:w14270. DOI: 10.4414/smw.2016.14270 Externer Link
7.
Patricio M, DeBurbure C, Costa MJ, Schirlo C, Ten Cate O. Bologna in Medicine Anno 2012: Experiences of European medical schools that implemented a Bologna two-cycle curriculum – An AMEE-MEDINE2 survey. Med Teach. 2012;34(10):821-832. DOI: 10.3109/0142159X.2012.716181 Externer Link
8.
Van der Vleuten CP, Schuwirth LW, Driessen EW, Dijkstra J, Tigelaar D, Baartman LK, van Tartwijk J. A model for programmatic assessment fit for purpose. Med Teach. 2012;34(3):205-214. DOI: 10.3109/0142159X.2012.652239 Externer Link
9.
Vu NV, Bader CR, Vassalli JD. The current curriculum in medicine at the University of Geneva. Rev Med Suisse Romande. 1997;117(1):65-68.
10.
Vu NV, Bader CR, Vassalli JD. The Redesigned Undergraduate Medical Curriculum at the University of Geneva. In: Scherpbier AJ, Van der Vleuten CP, Rethans JJ, editors. Advances in medical education. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers; 1997. S.532-535. DOI: 10.1007/978-94-011-4886-3_162 Externer Link
11.
Huber P, Perrier A, Vu NV. A preclinical practice skills program. Acad Med. 1997;72(5):432-433. DOI: 10.1097/00001888-199705000-00063 Externer Link
12.
Chastonay P, Vu NV, Humair JP, Kabengele Mpinga E, Bernheim L. Design, implementation and evaluation of a community health training program in an integrated problem-based medical curriculum: a fifteen-year experience at the University of Geneva Faculty of Medicine. Med Educ Online. 2012;17:16741. DOI: 10.3402/meo.v17i0.16741 Externer Link
13.
Van Gessel E, Nendaz MR, Vermeulen B, Junod A, Vu NV. Development of clinical reasoning from the basic sciences to the clerkships: a longitudinal assessment of medical students’ needs and self-perception after a transitional learning unit. Med Educ. 2003;37(11):966-974. DOI: 10.1046/j.1365-2923.2003.01672.x Externer Link
14.
Van Gessel E, Picchiottino P, Doureradjam R, Nendaz M, Mèche P. Interprofessional training: Start with the youngest! A program for undergraduate healthcare students in Geneva, Switzerland. Med Teach. 2018;40(6):595-999. DOI: 10.1080/0142159X.2018.1445207 Externer Link
15.
Gerke W, Rufer, M, Schnyder U. Attracting young academics into the field of psychiatry and psychotherapy in Switzerland – The Zurich ’study focus on psychiatry’ and training concept for medical psychotherapy. Intern Rev Psych. 2013;25(4):445-449. DOI: 10.3109/09540261.2013.816658 Externer Link
16.
Schaufelberger M, Trachsel S, Rothenbühler A, Frey P. Eine obligatorische longitudinale Ausbildung von Studierenden in 530 Grundversorgerpraxen . GMS Z Med Ausbild. 2009;26(2):Doc21. DOI: 10.3205/zma000613 Externer Link
17.
Schaufelberger M, Frey P, Woermann U, Schnabel K, Barth J. Benefits of communication skills training after real patient exposure. J Clin Teach. 2012;9(2):85-88. DOI: 10.1111/j.1743-498X.2011.00511.x Externer Link
18.
Brem B, Schaffner N, Schlegel C, Fritschi V, Schnabel K. The Conversion of a Peer Teaching Course in the Puncture of Peripheral Veins for Medical Students into an Interprofessional Course. GMS J Med Educ. 2016;33(2):Doc21. DOI: 10.3205/zma001020 Externer Link
19.
Schirlo C, Heusser R. Quality assurance of medical education: a case study from Switzerland. GMS Z Med Ausbild. 2010;27(2):Doc24. DOI: 10.3205/zma00066 1 Externer Link