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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Der integrierte Modellstudiengang Medizin Hamburg iMED

Artikel Gesamtdarstellung Studiengang

  • corresponding author Anke Rheingans - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinische Fakultät, Prodekanat für Lehre, Hamburg, Deutschland
  • author Athanasios Soulos - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinische Fakultät, Prodekanat für Lehre, Hamburg, Deutschland
  • author Sonja Mohr - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinische Fakultät, Prodekanat für Lehre, Hamburg, Deutschland
  • author Jelka Meyer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinische Fakultät, Prodekanat für Lehre, Hamburg, Deutschland
  • author Andreas H. Guse - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinische Fakultät, Prodekanat für Lehre, Hamburg, Deutschland; Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Hamburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(5):Doc52

doi: 10.3205/zma001260, urn:nbn:de:0183-zma0012604

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001260.shtml

Eingereicht: 14. September 2018
Überarbeitet: 31. Mai 2019
Angenommen: 25. Juli 2019
Veröffentlicht: 15. Oktober 2019

© 2019 Rheingans et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Der integrierte Modellstudiengang Medizin (iMED) wurde zum Wintersemester 2012/2013 an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg mit dem Ziel der Verbesserung der ärztlichen Ausbildung initiiert. Zu den wesentlichen Merkmalen des Modellstudiengangs iMED gehören eine enge Verzahnung von theoretischem Wissen und praktischen Fertigkeiten, wissenschaftliche Orientierung sowie die Vermittlung psychosozialer und kommunikativer Kompetenzen. Alle Merkmale finden sich vielfach in dem modular aufgebauten Pflicht- und Wahlpflichtcurriculum wieder: Das Pflichtcurriculum besteht aus 19 Modulen, die in sieben Modulgruppen thematisch angeordnet sind und sich über drei Stufen einer Lernspirale erstrecken. Durch eine umfangreiche Abstimmung der Lehrinhalte und Lernziele der beteiligten theoretischen und klinischen Fächer werden theoretische Ausbildungsinhalte bereits ab der ersten Stufe der Lernspirale anhand von Beispielerkrankungen und realen Krankheitsgeschichten vermittelt. Der Wahlpflichtbereich ermöglicht den Studierenden nach eigener Interessenslage wissenschaftliches Arbeiten in einem strukturierten Mantelcurriculum zu erlernen und anzuwenden. Für den beruflichen Alltag relevante praktische Fertigkeiten vermittelt der longitudinale Ausbildungsstrang klinische Untersuchungsmethoden plus Kommunikation, der sich durch das ganze Curriculum bis zum Praktischen Jahr zieht. Flankierende, außercurriculare Projekte wie z. B. Crash-Kurse in den Naturwissenschaften oder iMED Textbook als online-gestützte Lernplattform erhöhen die Attraktivität des iMED-Studiengangs. Wie die Ergebnisse der studentischen Lehrevaluation zeigen, sind der Einstieg und die begleitende Optimierung des Modellstudiengangs iMED aus Sicht der Hamburger Medizinischen Fakultät sehr erfolgreich verlaufen.

Schlüsselwörter: Medizinstudium, integriertes Curriculum, wissenschaftliche Orientierung, praktische Fertigkeiten, kommunikative Kompetenzen, interprofessionelle Ausbildung


1. Einleitung

Der integrierte Modellstudiengang Medizin (iMED) entstand in einer mehrjährigen Vorbereitungsphase zwischen 2008 und 2012. Lehrende aus allen Fächern der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg bzw. des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben den Studiengang gemeinsam mit Studierenden in einem breit angelegten Arbeits- und Abstimmungsprozess entwickelt. Erste wichtige Impulse für den Prozess lieferten die Ergebnisse der Absolventenbefragung 2007/08, hier vor allem die aus Sicht der Befragten ungenügende Vermittlung praktischer Fertigkeiten sowie die fehlende wissenschaftliche Ausbildung [1]. Auch der Bologna-Prozess beeinflusste die Entwicklung von iMED und führte dazu, den Studiengang in modularisierter Form zu konzipieren. Im Wintersemester 2012/2013 wurde der erste Studierendenjahrgang zugelassen. Der Modellstudiengang wurde zunächst bis 2022 durch die nach Landesrecht zuständige Stelle genehmigt.


2. Ziele und Konzept des Modellstudiengangs Medizin iMED

2.1 Reformziele, zentrales Leitprinzip und strukturelle Ziele

Die übergeordneten Ziele von iMED sind die signifikante Verbesserung der ärztlichen Ausbildung und die Sichtbarmachung von Lehrinnovationen in der Medizin. iMED ist vom Leitgedanken der „wissenschaftlichen Orientierung“ geprägt. Von ihren Absolventinnen und Absolventen erwartet die Hamburger Fakultät eine fragende, kritische Haltung, Problem- und Methodenbewusstsein, Strukturierungsfähigkeit und Selbstständigkeit sowie die konsequente Orientierung an evidenzbasierter Wissenschaft. Zentrale gleichwertige Aufgaben sind die Vermittlung von sozialen Kompetenzen sowie von praktischen ärztlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ebenfalls ein wichtiges Ziel der Studienreform ist aus Sicht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf die langfristige Bindung von exzellentem ärztlichem Nachwuchs.

Als strukturelle Ziele sind die Integration theoretischer und klinischer Ausbildungsinhalte, die Gliederung in ein Kerncurriculum, das im Verlauf des Studiums durch ein erweiterndes Mantelstudium ergänzt wird, sowie ein höheres Maß selbstbestimmten Lehrens und Lernens definiert. Studienbegleitende Beratungsangebote und dozentenqualifizierende Maßnahmen bilden neben anderen qualitätssichernden Maßnahmen eine wichtige Basis des Studiums [2].

2.2 Aufbau des Curriculums

iMED besteht aus einem modular aufgebauten Pflicht- und Wahlpflichtcurriculum. Das Pflichtcurriculum setzt sich aus 19 Modulen zusammen, die in sieben Modulgruppen angeordnet sind und sich über drei Stufen einer Lernspirale erstrecken. Die Wahlpflichtmodule sind thematisch gegliedert, longitudinal angeordnet und heben den wissenschaftlichen Aspekt der Medizin hervor. Die ersten neun Semester bestehen jeweils aus zwei je sechswöchigen Modulen des Pflichtbereichs sowie einem zweiwöchigen Modul aus dem Wahlpflichtbereich (2nd Track). Bereits am Ende des 3. Semesters erfolgt die Zwischenprüfung „Normalfunktion: Gesundheit und Krankheit“, die als universitäre Prüfung ausgelegt ist. Im 10. Semester erstellen die Studierenden als eigenständige wissenschaftliche Leistung eine Studienarbeit. Nach dem 10. Semester wird der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung abgelegt. Im Anschluss daran folgt das Praktische Jahr (PJ). Frühestens sechs Jahre und drei Monate nach dem Beginn des Studiums wird das Medizinstudium mit dem Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung abgeschlossen (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]).

Das Kerncurriculum des Pflichtbereichs ist im Sinne einer sich in ihren Anforderungen steigernden dreistufigen Lernspirale in drei große Studienabschnitte gegliedert: „Normalfunktion: Gesundheit und Krankheit“ (Semester 1-3), „Vom Symptom zur Krankheit“ (Semester 4-6) und „Krankheit – Differenzialdiagnostik und Differenzialtherapie, Prävention, Rehabilitation und Versorgungssysteme“ (Semester 7-9). In jeder dieser drei Stufen der Lernspirale werden eng zusammenhängende bzw. ähnliche, in ihrer Komplexität gleichwohl fortschreitende Themen in sieben Pflichtmodulblöcken stufenweise vertieft.

Die in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellte Z-förmige Struktur des iMED-Studiums verdeutlicht die enge Verzahnung von theoretischen (dunkelblau) und praktisch-klinischen Unterrichtsanteilen (hellblau). In umfangreicher Abstimmung der Lehrinhalte und Lernziele der beteiligten theoretischen und klinischen Fächer werden theoretische Ausbildungsinhalte bereits ab der ersten Stufe der Lernspirale anhand von häufigen Beispielerkrankungen, sog. „Leiterkrankungen“, und realen Krankheitsgeschichten vermittelt. Die Studierenden lernen die theoretischen Inhalte somit nicht ausschließlich in der Systematik der einzelnen Fächer, sondern übergreifend auf die jeweilige Leiterkrankung bezogen. Eine in diesem Zusammenhang von den Studierenden sehr positiv bewertete Lehrinnovation ist das Team-Teaching. Dieses Lehrformat beinhaltet den gemeinsamen Unterricht von Lehrenden der Grundlagenfächer und der Klinik zu einer Leiterkrankung inklusive der Einbindung „echter“ Patienten in einigen Veranstaltungen.

2.3 Leitprinzip Wissenschaftlichkeit

Der Wahlpflichtbereich ermöglicht den Studierenden, wissenschaftliches Arbeiten in einem strukturierten Mantelcurriculum zu erlernen und anzuwenden. Ziel bei der Umsetzung des Leitprinzips Wissenschaftlichkeit war es, ein an den Forschungsschwerpunkten der Fakultät, klinischen Interessen des UKE sowie den Interessen der Studierenden orientiertes Angebot von 2nd Tracks zu etablieren. Mit den longitudinalen 2nd Tracks vom 1. bis zum 9. Semester wurde die strukturelle Grundlage für die Herstellung wissenschaftlicher Bezüge bei der Integration theoretischer und klinischer Inhalte in verschiedensten Bereichen der Medizin – derzeit 18 Tracks, beispielsweise zur „Bedeutung der Genetik in der Pränatal- und Kinder und Jugendmedizin“, „Inflammation, Infektion, Immunität“ und „intermed – Interkulturelle Kompetenz und internationale Medizin“ – geschaffen (eine aktuelle Auflistung findet sich auf https://www.uke.de/studium-lehre/modellstudiengang-medizin-imed/). Bemerkenswert hierbei ist, dass die Konkurrenz um die Studierenden Innovation und Entwicklung der 2nd Tracks befördert und dazu geführt hat, dass wenig gewählte oder schlecht evaluierte Tracks aus dem Angebot herausgenommen oder überarbeitet wurden.

Alle Studierenden durchlaufen im 1. Semester des Wahlpflichtbereichs zunächst das Modul „Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens“. Hier werden praktisch orientierte Grundlagen wissenschaftlichen und ethischen Arbeitens erlernt. Diese Grundlagen werden im Verlauf der 2nd Tracks aufgegriffen und ausgebaut, um eine longitudinale Einbindung des Leitprinzips zu gewährleisten. Ihren Abschluss findet die wissenschaftliche Ausbildung in der für alle Studierenden verpflichtenden Studienarbeit im 10. Semester. Die Studienarbeit ist eine deskriptive, theoretische und literaturbasierte Arbeit; praktische oder empirische Anteile sind nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Die Bewertung erfolgt durch zwei Beurteilende anhand eines standardisierten Bewertungsbogens mit vorgegebenen Kriterien. Erstbeurteilende von Studienarbeiten dürfen ausschließlich Hochschullehrerinnen bzw. Hochschullehrer oder Privatdozentinnen bzw. Privatdozenten sein. Eine thematische Verbindung von Studienarbeit und medizinischer Dissertation ist möglich, allerdings müssen zwei eigenständige Arbeiten verfasst und eingereicht werden. Für die Studierenden erleichtert sich damit der Einstieg in eine qualifizierte medizinische Dissertation.

2.4 Rahmenkonzept KUMplusKOM (Klinische Untersuchung Medizin plus Kommunikation)

Absolventinnen und Absolventen des Modellstudienganges iMED sollen am Ende ihres Studiums in der Lage sein, empathisch und effizient eine vollständige, strukturierte und individuelle Anamnese der Patientin oder des Patienten zu erheben, eine umfassende körperliche Untersuchung durchzuführen und geeignete diagnostische Maßnahmen anzuordnen. Daneben sollen sie einfache interventionelle Maßnahmen selbstständig durchführen, patientinnen- und patientenzentrierte Aufklärungs-, Beratungs- und Entscheidungsgespräche führen sowie therapeutische Maßnahmen einleiten und Therapiekonzepte gemeinsam mit Patientinnen und Patienten und Angehörigen entwickeln können.

Der longitudinale Ausbildungsstrang „KUMplusKOM“ integriert dabei Anteile der einzelnen Module bzw. Modulblöcke, die sowohl dem Erwerb praktischer Handlungskompetenzen im Bereich der klinischen Untersuchungsmethoden (KUM) als auch dem Erwerb kommunikativer Handlungskompetenzen in Gesprächen mit Patientinnen und Patienten, Angehörigen, Kolleginnen und Kollegen (KOM) dienen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).


3. Prüfungen – Aufbau und Organisation

Das Prüfungskonzept des Modellstudiengangs umfasst 19 Modulprüfungen aller Pflichtmodule, neun Modulprüfungen der Wahlpflichtmodule zuzüglich des Wahlpflichtmoduls „Studienarbeit“ sowie eine mündlich/mündlich-praktische Zwischenprüfung nach dem 3. Semester („Prüfung Normalfunktion: Gesundheit und Krankheit“). Eine Modulprüfung umfasst für das jeweilige Modul eine Modulabschlussprüfung und optional studienbegleitende Teilleistungen. Wie die Unterrichtsinhalte sind auch die Modulprüfungen fächerübergreifend konzipiert und wurden auf Grundlage der formulierten Lernziele inhaltlich durch die Lehrenden der o.g. Modulgruppen gestaltet. Allein in sieben Pflichtmodulen finden strukturierte mündlich-praktische Prüfungen (OSCE) statt, um im Sinne des „Assessment Drives Learning“-Effekts eine Überprüfung der erlernten klinisch-praktischen Handlungskompetenzen zu ermöglichen. Die Umstellung von Semesterprüfungen auf Modulprüfungen wird differenziert betrachtet: Während die Studierenden den 6-2-6 Wochenrhythmus (Pflichtmodul-2ndTrack-Pflichtmodul) als sinnvoll für die Prüfungsvorbereitung einschätzen, sehen die Lehrenden den höheren Termindruck und den Aufwuchs der Prüfungen eher kritisch.

Von den in der geltenden Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) vom 27. Juni 2002 vorgesehenen drei Staatsexamina entfällt für Studierende in iMED auf Grundlage von § 41 Absatz 1 Nummer 1 ÄApprO der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung. Der erfolgreiche Abschluss der Modulprüfungen der ersten elf Pflichtmodule nach dem fünften Semester bildet das Äquivalent zum schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung. Die „Prüfung Normalfunktion: Gesundheit und Krankheit“ ersetzt als mündlich/mündlich-praktische Zwischenprüfung nach dem dritten Semester den mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung. Der mündliche Teil der „Prüfung Normalfunktion“ umfasst die medizinischen Grundlagenfächer Anatomie, Biochemie, Physiologie und Med. Psychologie/Med. Soziologie. Eine Woche vor ihrem Prüfungstermin werden den Studierenden zwei der vier Fächer als Prüfungsfächer mitgeteilt. Der mündlich-praktische Teil findet als eine strukturierte mündlich-praktische Prüfung (OSCE) mit zwölf klinisch-praktischen Prüfungsstationen statt. Deren Umsetzung erfordert sowohl auf Seiten des Lehrpersonals (Prüfende und Aufsichten) als auch im Prodekanat für Lehre einen hohen Personaleinsatz. Das Bestehen der Prüfung Normalfunktion sowie der ersten elf Pflichtmodule sind Voraussetzung, um das iMED-Studium nach dem 5. Semester fortsetzen zu können.


4. Flankierende Maßnahmen und Angebote

Der Studienerfolg wird nicht nur durch fachspezifische Faktoren wie innovative Curricula bestimmt. Auch die Auswahl geeigneter Studienbewerberinnen und -bewerber sowie eine unterstützende Lernumgebung erleichtern ein gelingendes Studieren und erhöhen die Attraktivität des Modellstudiengangs iMED.

4.1 Vor dem Studium – Auswahl von Studienbewerberinnen und -bewerbern

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchgeführt, welches die naturwissenschaftlichen Vorkenntnisse (HAM-NAT) in einem Multiple-Choice-Test mit 80 Fragen und die psychosozialen und kommunikativen Kompetenzen (HAM-INT) in einem Multiplen Mini-Interview zum Fokus hat [3], [4]. Insbesondere für den Naturwissenschaftstest HAM-NAT konnte eine gute Vorhersagekraft für den Studienerfolg in den medizinischen Grundlagenfächern bereits nachgewiesen werden [5]. Aktuell entwickelt die AG Auswahlverfahren der Hamburger Fakultät Vorschläge für neue Auswahlverfahren und simuliert deren Auswirkungen anhand der Daten der Hamburger Studienbewerberinnen und -bewerber [6].

4.2 Während des Studiums
4.2.1 „iMED Crash-Kurse" in Naturwissenschaften

Um auf die Tatsache zu reagieren, dass bei (zu) vielen Studierenden in den ersten Semestern keine oder nur wenige naturwissenschaftliche Grundlagen vorhanden sind, werden außercurriculare „Crash-Kurse in Naturwissenschaften“ in den Fächern Chemie, Biologie, Physik und Mathematik angeboten. Diese Kurse sind in den ersten Semestern so eingebunden, dass sie die curricularen Lehrveranstaltungen optimal vorbereiten und damit den Studienerfolg erhöhen können [7]. Im iMED-Studiengang werden insgesamt 32 Crashkurse angeboten: 13 Chemie-Crashkurse im 1., 2. und 3. Semester, 12 Physik-Crashkurse im 1., 3. und 6. bzw. 7. Semester, vier Biologie-Crashkurse im 2. Semester und drei Mathematik-Crashkurse im 1. Semester. Alle bisher durchgeführten naturwissenschaftlichen Crashkurse wurden von den Studierenden gut bis sehr gut bewertet.

4.2.2 Onlinelernplattform iMED-Textbook

Das integrierte Curriculum stellt die Studierenden vor die Herausforderung, die gleichzeitige Erarbeitung des Stoffes der klassischen Grundlagenfächer und der klinischen Fächer zu bewältigen. Um den Studierenden einen leichten und unkomplizierteren Einstieg zu ermöglichen, wurde mit der Onlinelern- und Arbeitsplattform „iMED Textbook“ ein maßgeschneidertes, multimediales und interaktives eLearning Konzept entwickelt. Das iMED Textbook ist an die Lernzieldatenbank gekoppelt und umfasst über 25.000 Standardtextseiten (inklusive über 6.000 Abbildungen und Tabellen) [8], [9].

4.2.3 Interprofessionelle Ausbildung

Als interprofessionelles Pilotprojekt wurde im Wintersemester 2016/17 eine jährlich statt findende Lerneinheit mit klinischem Schwerpunkt im Wahlpflichtbereich etabliert. Medizinstudierende arbeiten dabei gemeinsam mit Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege reale Patientenfälle auf und identifizieren Schnittstellen beider Professionen sowie Vorteile einer interprofessionellen Herangehensweise für die Patientinnen und Patienten. Die begleitende Evaluation zeigte in allen Semestern (Wintersemester 2016/17, 2017/18, 2018/19) hohe Werte in der Gesamtzufriedenheit (6-stufige Likertskala) der Teilnehmenden (N=88, M=4,97, SD=1).

4.3 Über das Studium hinaus
4.3.1 Mentoringprogramm

Das Programm „iMED Mentoring“ ist ein differenziertes Beratungs- und Förderangebot, das sich mit einem offenen Angebot an alle Studierenden wendet (allgemeines Mentoringprogramm). Die seit Programmbeginn jährlich steigenden Anmeldequoten von ca. 50% auf inzwischen über 60% zeigen die kontinuierlich zunehmende Popularität, die das Angebot unter den Studierenden genießt. Zusätzlich unterstützen zwei spezielle Angebote sowohl leistungsstarke als auch leistungsschwache Studierende [10]. Für den Erfolg dieser Programme besonders wichtig sind die Matching-Verfahren von Mentorin oder Mentor und Mentee, für die eigene Verfahren entwickelt wurden [11], [12].


5. Sechs Jahre iMED: Erfahrungen und Erfolge

5.1 Erfolgreiche Qualitätssicherung

An der Medizinischen Fakultät besteht für den Bereich der Lehre seit vielen Jahren ein Anreiz- und Belohnungssystem (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]), welches auf der studentischen Lehrevaluation aufbaut und für die Gestaltung des iMED-Studiengangs angepasst und ausgebaut wurde. Grundlage ist die Bewertung der besuchten Lehrveranstaltungen durch die Studierenden, aber auch die Erfassung ihrer Zufriedenheit mit der Gestaltung des Moduls insgesamt und Vorschlägen zur Verleihung eines Lehrpreises. Die Ergebnisse werden auf der institutionellen Ebene verschiedenen Gremien, z. B. dem Curriculum Komitee iMED, im Rahmen eines Roundtable zur Verfügung gestellt und zur laufenden Optimierung des Curriculums genutzt. Das genannte Gremium hat insbesondere in der Anlaufphase des Modellstudiengangs eine wesentliche Rolle bei der inhaltlichen Gestaltung und Nachjustierung gespielt. So kritisierten die Studierenden des ersten Studienjahrgangs in Modulen der ersten drei Semester beispielsweise die verspätete und unklare Darstellung der Lernziele. („Lernziele waren hilfreich für die Strukturierung des Lernstoffs“: 2,31 [21,8% Zufriedenheit]). Die resultierende intensive Befassung mit den Lernzielen und der Austausch der beteiligten Lehrenden führten im zweiten Studienjahrgang (Sommersemester 2014) zu einem Anstieg der Bewertung auf 4,21 (75,8% Zufriedenheit). Finanzielle Anreize entstehen durch die Leistungsorientierte Mittelvergabe auf Basis der Lehrqualität. Bei besonders schwierigen Situationen in der studentischen Lehre finden individuelle Gespräche zur Verbesserung des Unterrichts statt. Großes Lob an besonders engagierte Lehrende sprechen die Studierenden jedes Jahr durch die Vergabe des Lehrpreises „Teacher of the Year“ aus.

Eine Betrachtung der aggregierten Evaluationsdaten der bisher durchgeführten Module in der 1., 2. und 3. Lernspirale (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]) zeigen sehr deutlich, dass die gezielten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung bereits ab dem 2. Jahrgang (Kohorte 13/14) zu einer deutlichen Verbesserung der Gesamtzufriedenheit geführt haben. Ein Mann-Whitney-U-Test zeigt, dass die Zufriedenheitswerte im Modellstudiengang (N=18913 Bewertungen: M=5,11, SD=0,91, Mdn=5.00) signifikant höher ausfallen als im Regelstudiengang (N=7510 Bewertungen: M=4,18, SD=1,15, Mdn=4.00; U=36850300,5, z=-64,59, p<.001, r=-.40). Die Anzahl der Bewertungen ist für den Modellstudiengang höher, weil die Anzahl der Erhebungszeitpunkte während des Studiums deutlich über denen des Regelstudiengangs liegt.

Die hohe Zufriedenheit der Studierenden mit iMED kommt auch in vielen Freitextkommentaren zum Ausdruck. Die Studierenden aller Jahrgänge benennen die (wenigen) inhaltlichen und organisatorischen Probleme sehr präzise, so dass das CK iMED und die Modularbeitsgruppen die noch bestehenden bzw. neu auftretenden Probleme zielgenau bearbeiten können. Eine Besonderheit ist, dass Fächer nicht mehr ausschließlich fachbezogen evaluiert werden, sondern sowohl im Positiven als auch im Negativen in ihrer Modulinteraktion auch gemeinsam bewertet werden.

Die Evaluationsergebnisse nach sechs Jahren iMED zeigen zudem, dass die zentralen Ziele des Modellstudiengangs, wie die Integration theoretischer und klinischer Inhalte, die frühe Einbindung klinischer Fächer, verbunden mit frühem Patientenkontakt, die wissenschaftliche Orientierung, aber auch die Betonung ärztlich-praktischer Fertigkeiten und psychosozialer Kompetenzen gut bis sehr gut erreicht werden.

5.2 Bedarfe und Anforderungen des integrierten Curriculums

Rückblickend hat das im iMED-Curriculum zentrale Prinzip der Integration theoretischer und klinischer Ausbildungsinhalte die Lehrenden der Fächer und ebenso die Studiengangverwaltung vor vielfältige Herausforderungen gestellt. So musste zunächst ein Perspektivwechsel vollzogen werden, indem die fächerzentrierte Perspektive zurückgenommen und zusätzlich eine fachübergreifende, themenorientierte Perspektive eingenommen wurde. Um diesen Wandel zu ermöglichen, wurden innerhalb der Fakultät die Strukturen für einen fachübergreifenden Austausch geschaffen. Dazu gehörten u.a. Klausurtagungen der gesamten Fakultät, fachübergreifende Modulsitzungen und das Curriculum-Komitee iMED. Die Fächer mussten sich darauf einstellen, ihre Lehrinhalte auf mehrere Semester zu verteilen und ggf. in einem Modul eine dominierende Rolle einzunehmen und in einem anderen Modul eine unterstützende Funktion für andere Fächer inne zu haben. Die Herausforderung bestand auch hier darin die Abstimmung sowohl mit anderen Fächern als auch innerhalb des eigenen Fach zu bewältigen. Die Studierenden entsprechend des Wissenstandes abzuholen und dabei weder im Unterricht noch in den Prüfungen zu über- noch zu unterfordern ist und bleibt eine wichtige Aufgabe des Abstimmungsprozesses.

Die Auswirkungen auf die Fakultätsverwaltung durch die Abnahme der Autonomie der Fächer bringen besondere Herausforderungen mit sich. Auf der Ebene der Studiengangverwaltung ist mit der Lernzieldatenbank und dem Portal iMED-Campus eine gemeinsame Arbeitsoberfläche geschaffen worden.

Ohne entsprechende IT-gestützte Unterstützung und Verwaltung wäre das komplexe Curriculum – insbesondere die Stundenplan- und Raumverwaltung – weder umzusetzen noch abbildbar. Diese Professionalisierung der Studiengangverwaltung hatte auch eine quantitative und qualitative Veränderung der Personalausstattung zur Folge. Insgesamt hat der Reformprozess, der zur Umsetzung des integrierten Curriculums angestoßen wurde, weitere Reformierungen sowohl auf Fachebene als auch in der Studiengangverwaltung angestoßen. Ein positiver Effekt bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen ist, dass die Abstimmungsprozesse ein höheres Maß an Verständnis für die gegenseitigen Prozesse und Bedürfnisse zur Folge haben.


6. Fazit

Insgesamt sind der Einstieg und die begleitende Optimierung des Modellstudiengangs iMED aus Sicht der Hamburger Medizinischen Fakultät sehr gut verlaufen. Studierende des ersten Studienjahrgangs (Wintersemester 2012/2013) haben im Herbst 2017 und im Frühjahr 2018 erstmals erfolgreich – mit einer Erfolgsquote von 100 Prozent – am Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung teilgenommen und ihr Studium im Praktischen Jahr (PJ) fortgesetzt. Das Gesamtergebnis des ersten Studienjahrgangs im zweiten Staatsexamen ist vergleichbar mit dem früherer Jahrgangskohorten im Regelstudiengang Medizin. Im bundesweiten Ranking der Medizinischen Fakultäten bewegt sich die Medizinische Fakultät Hamburg mit diesem Ergebnis auf einem gleichbleibenden Niveau. Dabei ist jedoch zum einen anzumerken, dass die Unterschiede zu den benachbarten Plätzen im Ranking nur gering sind und nur wenige Prozentpunkte ausmachen. Zum anderen gehörte ein besseres Abschneiden im zweiten Staatsexamen nicht zu den beschriebenen Zielen bei der Konzeptionierung des Modellstudiengangs. Die zentralen Schwerpunkte und Stärken des integrierten Curriculums sind die Vernetzung von Theorie und Praxis, die frühe Implementierung von praktischem Unterricht und die Betonung der wissenschaftlichen Ausbildung. Diese Aspekte werden im Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung kaum oder gar nicht abgebildet. Die ersten Absolventinnen und Absolventen von iMED stehen dem Arbeitsmarkt nun seit Frühjahr 2019 zur Verfügung.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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