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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Der Modellstudiengang Humanmedizin in Oldenburg – European Medical School Oldenburg-Groningen

Artikel Gesamtdarstellung Studiengang

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  • corresponding author Kirsten Gehlhar - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, European Medical School Oldenburg - Groningen, Oldenburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(5):Doc51

doi: 10.3205/zma001259, urn:nbn:de:0183-zma0012596

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001259.shtml

Eingereicht: 5. Oktober 2018
Überarbeitet: 30. März 2019
Angenommen: 2. Juli 2019
Veröffentlicht: 15. Oktober 2019

© 2019 Gehlhar.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Im Sommer 2012 wurde mit der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zum ersten Mal seit über 20 Jahren wieder eine medizinische Fakultät in Deutschland gegründet. Diese Fakultät entstand im Rahmen der sog. European Medical School Oldenburg Groningen, einem Kooperationsprojekt mit der Rijksuniversiteit Groningen. Neben der Rijksuniversiteit Groningen mit ihrer universitätsmedizinischen Einrichtung des UMCG (Universitair Medisch Centrum Groningen) sind in Oldenburg vier Krankenhäuser als Kooperationspartner beteiligt. Dazu kommen allgemeinärztliche Hospitationspraxen und akademische Lehrkrankenhäuser im gesamten Nordwesten.

Der Studiengang selbst ist ein modularisierter Modellstudiengang mit stark ausgeprägter Integration und früher und konsequenter Praxis- und Patientenorientierung. Neben der Einführung der ambulanten Medizin in die ersten Studienjahre sind longitudinale Pfade und insbesondere der Forschungsbezug mit früher Einbindung der Wissenschaftlichkeit in das Studium Kennzeichen dieses Studiengangs.

Die beiden Fakultäten in Oldenburg und Groningen haben in der Gründungsphase ihre Curricula aufeinander abgestimmt und erkennen gegenseitig Studienmodule als gleichwertig an. Dadurch wurden Voraussetzungen geschaffen, dass Studierende aus Oldenburg unter bestimmten Voraussetzungen neben dem deutschen Staatsexamen auch niederländische Abschlüsse (Bachelor of Human Life Sciences und/oder Master of Science in Geneeskunde) erwerben konnten. Unabhängig von diesen Abschlüssen müssen alle Studierenden aus Oldenburg mindestens ein Jahr lang an der Partneruniversität in Groningen studieren. Gleichzeitig können bis zu 40 Studierende aus Groningen einen Teil ihres Studiums in Oldenburg verbringen.

Schlüsselwörter: Modellstudiengang, Studienreform, Curriculumsentwicklung, Fakultätsentwicklung, Medizinstudium, ambulante Medizin, Wissenschaftlichkeit, Internationalität


Einleitung

Gründungsphase

Der Modellstudiengang Humanmedizin in Oldenburg gehört zu den jüngeren Modellstudiengängen in Deutschland – nach der Gründung der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften 2012 wurden die ersten Studierenden zum Wintersemester 2012/13 zugelassen. Die Idee, in Oldenburg einen humanmedizinischen Studiengang einzurichten, war jedoch sehr viel älter. Bereits bei der Gründung der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (UOL) 1969 und erneut 1980 war über die Errichtung einer medizinischen Fakultät nachgedacht worden, die Vorhaben scheiterten jedoch. Die Neugründung gelang schließlich nach fast 10-jähriger intensiver Vorarbeit einer kleinen Arbeitsgruppe aus Angehörigen der beteiligten Kliniken und der Universität. Überlegungen, die Rijksuniversiteit Groningen zu integrieren, entstanden 2004/2005, als sich die Universität Groningen bemühte, das Klinikum Oldenburg als Lehrkrankenhaus zu gewinnen. Im initialen Konzept war ein Bologna-konformer gestufter Studiengang vorgesehen, orientiert an dem weltweit anerkannten Groninger kompetenzorientierten Studium nach Bachelor-Master-Modell. Dieser wäre damit der erste dieser Art in Deutschland gewesen. Das Bundesgesundheitsministerium lehnte in einer ersten Anfrage das Konzept zunächst v.a. aufgrund der mangelnden Kompatibilität des Master-Abschlusses mit der ÄAppO ab. In der weiteren Diskussion entschied man sich daher für eine abgewandelte Version mit einer sehr engen Kooperation mit Groningen, die die Gründung der European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS-OG) beinhaltete. In diesem Rahmen waren getrennte Bachelor-Phasen in Oldenburg und Groningen und eine gemeinsame Masterphase mit Studierendenaustausch zwischen den Standorten und zwei getrennten Masterabschlüssen vorgesehen, die durch Groningen und Oldenburg erteilt werden sollten. Der von Groningen verliehene Master in Geneeskunde sollte den Absolventen im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung europäischer Berufsabschlüsse die Tätigkeit auch in Deutschland erlauben. Ein im Auftrag des Wissenschaftsrats (WR) erstelltes Staatsrechtsgutachten stärkte dieses Konzept und sicherte es rechtlich ab [1].

Im Oktober 2009 führte der Medizinausschuss des WR auf der Basis des EMS-OG-Konzeptes eine Begehung in Oldenburg und Groningen durch und begann mit der Erstellung eines Gutachtens [2]. Für das Oldenburger Konzept sprach für den WR u.a. die Orientierung an den Bologna-Leitlinien, die besonders in Deutschland [3], aber auch anderen Ländern für den Studiengang Medizin kritisch diskutiert wurde [4].

Das nach einem zwischenzeitlich erfolgten Regierungswechsel neu aufgestellte Bundesgesundheitsministerium bestand letztlich auf einem Staatsexamensabschluss in Oldenburg – besonders wegen der Tatsache, dass der Bachelor-Abschluss nach den Bologna-Kriterien berufsqualifizierend sein soll [4], [5]. Einen derartigen spezifischen Beruf für Bachelor-Absolventen eines Medizinstudiengangs gibt es bisher nicht, auch nicht in anderen Ländern, die in einem Medizin-Studium einen Bachelor vergeben. Angedacht war durch die Antragsteller die Möglichkeit zur Aufnahme medizinnaher Masterstudiengänge wie z.B. aus den Lebenswissenschaften (z.B. Biologie) oder anderen gesundheitsbezogenen Masterstudiengängen. Eine ärztliche Tätigkeit der Bachelor-Absolventen war nie vorgesehen [6], [7], [8]. Es erfolgte letztendlich eine neuerliche Umarbeitung des Konzepts zu einem Modellstudiengang nach § 41 der ÄAppO (Ärztliche Approbationsordnung) [https://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html]. Der Studiengang sollte das erfolgreiche Groninger Konzept und das aktuelle Groninger Curriculum G 2010 [9] so weit wie möglich beibehalten, musste aber gleichzeitig alle Anforderungen der ÄAppO erfüllen. Diese Umarbeitung erfolgte daher in enger Kooperation mit der Partneruniversität in Groningen. Der Modellstudiengang Humanmedizin wurde schließlich Anfang 2012 vom Landesministerium genehmigt, die Fakultätsgründung erfolgte noch im gleichen Jahr, und die ersten 40 Studierenden konnten zum Wintersemester 2012/2013 aufgenommen werden. Abbildung 1 [Abb. 1] gibt einen graphischen Überblick über die Gründungszeit und die stattgefundenen Entwicklungen. Beteiligt an der Umsetzung des Modellstudiengangs sind vier Oldenburger Krankenhäuser (Evangelisches Krankenhaus, Karl-Jaspers-Klinik, Klinikum Oldenburg, PIUS-Hospital), die in einem Rahmenvertragsmodell mit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zusammenarbeiten und den universitätsmedizinischen Campus bilden.

Von der ursprünglich geplanten umfassenden grenzüberschreitenden Kooperation blieb der für Oldenburger Studierende verpflichtende, einjährige Studienaufenthalt in Groningen und die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen in Groningen einen Bachelor- oder Masterabschluss zu erwerben. Umgekehrt haben jedes Jahr bis zu 40 Groninger Studierende die Möglichkeit, ein Jahr ihrer praktischen Ausbildung in der Masterphase ihres Studiums in den Oldenburger Krankenhäusern zu verbringen.

Das Bachelor-Master-Konzept ist im Curriculum ebenfalls nach wie vor noch in einer klaren Trennung in einen ersten und zweiten Studienabschnitt abgebildet, die beide je drei Jahre umfassen. Das Groninger Curriculum [9] spiegelt sich ebenfalls in der curricularen Gestaltung wider, u.a. darin, dass das Studienjahr – wie auch in Groningen – 40 Wochen lang ist.

Aktuell befindet sich die Universitätsmedizin am Ende ihrer 7-jährigen Aufbau- und Erprobungsphase, nach der in im Herbst 2018 eine neuerliche Begutachtung durch den WR anstand. Seine Empfehlungen an das Land werden für Sommer 2019 erwartet.

Organisation und strukturelle Verankerungen

In der Aufbauphase der EMS wurde eine Reihe von Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, um an der Konzeption und Implementierung der verschiedenen curricularen Abschnitte des Curriculums und den longitudinalen Pfaden zu arbeiten. Zur Zusammenführung und Integration der Informationen sind in allen Arbeitsgruppen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Studiendekanat vertreten. In der Zusammensetzung der AGs wurde außerdem darauf geachtet, dass Vertreter aller klinischen Standorte und aus den naturwissenschaftlichen Instituten sowie Studierende vertreten waren. In den ersten Jahren nach der Fakultätsgründung (2011-2015) waren zusätzlich Vertreterinnen und Vertreter aus Groningen dabei.

Sämtliche Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen flossen in der übergeordneten AG Lehre zusammen, in die wiederum Vertreter aus allen AGs und der Studierenden entsendet werden. Vorsitzende der AG Lehre ist die Studiendekanin/der Studiendekan. Kleine curriculare Anpassungen werden direkt mit den Lehrverantwortlichen oder innerhalb der Jahres-AGs besprochen.

In der AG Lehre wurden administrative Themen und Innovationen, die Lehre und Studium betreffen, diskutiert, konsentiert und als Empfehlung an die Studienkommission weitergegeben. Die Studienkommission ist nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz das Gremium, das für alle Fragen im Bereich Studium und Lehre Empfehlungen ausspricht, die im Fakultätsrat gehört werden. Sie ist paritätisch aus Mitgliedern der beiden an der Fakultät angesiedelten Studiengänge (neben Humanmedizin auch Neurocognitive Psychology) besetzt und setzt sich aus je zwei Vertreterinnen und Vertretern der Hochschullehrergruppe und der wissenschaftlichen Mitarbeiter und vier Studierenden zusammen.

Die übergreifende curriculare Steuerung des Curriculums liegt vor allem in den Händen des Studiendekanats. Hier werden die Erst-Entwürfe für die jeweiligen Module erarbeitet, Jahresplanungen erstellt, Innovationen entwickelt und Vorschläge der Dozenten aufgegriffen, sowie Ideen und Neuerungen zur Umsetzung gebracht. Die Verantwortlichkeit für die Durchführung der Lehre, die Zuteilung von Dozentinnen und Dozenten, die Überarbeitung von Modulbüchern, die Anpassung an neue Literatur und die Hilfe bei der Erstellung von Prüfungen liegt in den Händen der Lehrenden und Modulkoordinatoren, die in der Regel aus dem jeweils dominierenden (klinischen) Fach eines Moduls kommen.

Die didaktische Fachkompetenz der Lehrenden wird über ein breites Angebot der Hochschuldidaktik an der UOL sowie über fakultätsinterne Angebote gesichert. An der UOL wird das Zertifikats-Programm Hochschuldidaktische Qualifizierung [https://uol.de/lehre/hochschuldidaktik/zertifikat/] im Umfang der gültigen Standards von 200 UE in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bremen und Osnabrück sowie dem Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik an der TU Braunschweig angeboten. Daneben gibt es innerhalb der Reihe Hochschuldidaktik kompakt wie auch außerhalb dieser Reihe weitere einzelne Workshops zu verschiedenen Themen. Die Teilnahme steht allen Lehrenden offen. Darüber hinaus bietet die Medizindidaktik der Fakultät [https://uol.de/medizindidaktik] eigene Fortbildungen an. Diese fakultätsinternen Angebote werden regelmäßig und speziell für die Dozent/innen im Modellstudiengang durchgeführt.


Methodik

Inhalte

Der Modellstudiengang Humanmedizin in Oldenburg verfolgt neuartige Ansätze in der Ausbildung von Medizinstudierenden, will insbesondere für die qualifizierte Ausbildung zu Ärztinnen und Ärzten für die Region Sorge tragen und die Studierenden wissenschaftlich hervorragend ausbilden. Hauptaugenmerk der kompetenzorientierten Ausbildung liegt auf der Patientenzentrierung, Arzt-Patienten-Kommunikation, der vertikalen und horizontalen Integration, Vermittlung wissenschaftlicher Praxis und der Stärkung der Allgemeinmedizin.

Studienjahre 1 bis 3

Die ersten drei Studienjahre sind in jeweils vier 10-wöchige Module geteilt, die konsequent interdisziplinär aufgebaut sind und grundlagenwissenschaftliche und klinische Inhalte in einem integrierten Ansatz vermitteln (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Im ersten Studienjahr werden vor allem Grundlagen vermittelt; die Studierenden sollen die normalen Funktionen des gesunden Körpers verstehen. Von Beginn an werden in allen Modulen klinische Inhalte und Grundlagenwissenschaften integriert gelehrt, sodass z. B. die klinischen Grundlagen der Orthopädie im ersten Semester durch einen orthopädischen Basis-Untersuchungskurs, die entsprechenden anatomischen und physiologischen Grundlagen des Bewegungsapparates und einen „Anatomie-in-vivo“-Kurs ergänzt werden. Parallel angebotene Inhalte aus der Physik liefern das Basis-Verständnis für Kräfte, die auf den Bewegungsapparat einwirken.

Im zweiten und dritten Studienjahr werden die Grundlagen aus dem ersten Studienjahr wieder aufgegriffen. Die Module sind klinisch ausgerichtet, wenden sich jetzt aber – auf Basis der im ersten Jahr erlernten physiologischen Grundlagen – stärker den Erkrankungen und deren Therapie zu. In den ersten drei Studienjahren werden auf diesem Weg nicht nur die „Physikums-relevanten“ Fächer, sondern auch bereits weitgehend die Grundlagen der klinischen Fächer vermittelt. Die Studierenden schließen nach den ersten drei Jahren mit dem Äquivalent zum ersten Teil der ärztlichen Prüfung (M1) ab.

Eine Besonderheit des Oldenburger Studiengangs sind eine Reihe longitudinaler Stränge, die parallel zu den thematischen Modulen entlang des gesamten Curriculums integriert sind. Das sind:

  • Kommunikation
  • Klinische Untersuchung
  • Wissenschaftliches Arbeiten (longitudinales Forschungscurriculum = LFC)
  • Professionelle Entwicklung
Studienjahre 4 bis 6

Im vierten Studienjahr nimmt der Praxisanteil noch einmal deutlich zu, und die Bausteine der ersten drei Jahre (klinisches Wissen, Kommunikation, Untersuchung) werden zusammengeführt. Es werden vier Blöcke zu jeweils fünf Wochen in Kliniken absolviert; diese Ausbildungsabschnitte werden durch entsprechende fünfwöchige Propädeutika im klinischen Trainingszentrum vorbereitet. Der Pfad Kommunikation wird im vierten Studienjahr über vier sog. „Konsultationswochen“ noch einmal vertieft und die Lehrinhalte gezielt mit klinischen Inhalten horizontal verknüpft.

Im fünften Ausbildungsjahr sind die Studierenden nochmals für 4-5 vierwöchige Blöcke in klinischen Abteilungen (3 Pflicht-Blockpraktika nach ÄAppO, ein klinisches Wahlfach und ein optionales Wahlpraktikum) und schreiben die sogenannte „große Forschungsarbeit“ über 20 Wochen. Die Reihenfolge dieser Abschnitte kann individuell geplant werden.

Nach dem schriftlichen Zweiten Abschnitt des Staatsexamens absolvieren die Studierenden das Praktische Jahr in drei Tertialen und schließen das Studium mit dem mündlichen Teil des zweiten Staatsexamens ab (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Allgemeinmedizinische und ambulante Praxis-Zeiten

Neben strukturierten Lehrveranstaltungen verbringen die Studierenden innerhalb der ersten drei Studienjahre insgesamt 6 Wochen in ambulanten Praxishospitationen, davon 4 in der Allgemeinmedizin, die erste Hospitation startet bereits in der 10. Studienwoche. Ziel ist es, Wissen und Fertigkeiten, die in den vorangegangenen Modulen gelehrt wurden, aufzugreifen und in der Praxis anzuwenden, unter Anleitung zu üben und zu vertiefen. Um dies zu gewährleisten, werden in den Hospitationen spezifische Themen vorgegeben, durch Campusveranstaltungen vorbereitet und durch konkrete Zielformulierungen und Aufgabenstellungen in der Praxis umgesetzt. Für jede Hospitation wird ein eigenes Logbuch entwickelt. Die Studierenden werden ausschließlich in eigens für jede Hospitation geschulten Praxen aus dem gesamten Nordwesten Niedersachsens unterrichtet. Die Studierenden müssen dabei sowohl in Stadt- als auch Landpraxen hospitieren. Nach den allgemeinmedizinischen Hospitationen schließt sich im 3. Studienjahr noch eine zweiwöchige ambulante Hospitation in einer Facharztpraxis nach Wahl der Studierenden an.


Die longitudinalen Pfade

Kommunikation

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kommunikation werden ab dem ersten Modul Kenntnisse im Bereich der ärztlichen Kommunikation vermittelt und Kompetenzen systematisch geschult. Das Curriculum umfasst ca. 150 Stunden. Im vierten Studienjahr werden dabei über vier Konsultationswochen hinweg die Inhalte in Übungen mit Schauspielpatient_innen vertieft und gezielt mit klinischen Inhalten horizontal verknüpft. Die Inhalte werden in jedem der sechs OSCE-Prüfungen (Objective Clinical Examination, [10]) in den ersten drei Studienjahren abgeprüft.

Klinische Untersuchung

Der Pfad klinisch-praktische Fertigkeiten bietet in jedem Modul passend zum Wochen- oder Modulthema praktische Untersuchungskurse an. Insgesamt werden in den Jahren 1-4 ca. 75 Pflicht-Kurse angeboten (entsprechend ca. 160 Stunden), zusätzliche, vertiefende Kurse werden als Wahlangebote in den Studienjahren 5 und 6 vorgehalten. Die klinisch-praktischen Fertigkeiten werden in Form der sechs OSCES [10] in den Studienjahren 1-3 und in Form von MiniCEx [11] im 4. Studienjahr geprüft.

Wissenschaftlichkeit im Studium

Eine Besonderheit des Modellstudiengangs Humanmedizin liegt in der frühen und longitudinalen Einbindung der Studierenden in Wissenschaft und Forschung. Die wissenschaftliche Ausbildung beginnt bereits im ersten Studienjahr und zieht sich als longitudinales Element (= Longitudinales Forschungscurriculum, LFC) in Verbindung mit der Lehre im Querschnittsbereich Epidemiologie und Biometrie durch das gesamte Studium, mindestens bis hin zum PJ-Eintritt. In den ersten drei Studienjahren liegt der Fokus im LFC auf der Vermittlung von Methoden, wissenschaftlichen Grundlagen der Medizin und der Anleitung zur selbstständigen Forschung. Im ersten Studienjahr lernen die Studierenden Forschung kennen, indem sie selbst in Kleingruppen ein kleines, eng umschriebenes Forschungsprojekt mit klar definierten Fragestellungen vorbereiten und innerhalb einer Woche durchführen. Dabei werden sie von einem/einer Mentor/in eng betreut. Die Kleingruppen erstellen als Projektabschluss und Leistungsnachweis ein oder mehrere Poster in englischer Sprache, für jedes Poster wird zudem ein englischsprachiger Abstract verfasst. Im zweiten und dritten Studienjahr bearbeiten die Studierenden parallel zum Studium eigenständig ein Forschungsprojekt und verfassen eine sogenannte kleine Forschungsarbeit. Dieses Konzept wird ab dem Wintersemester 2018/19 durch ein strukturiertes Datenanalyseprojekt abgelöst. Im Jahr 4 wird die Ausbildung in Journal Clubs fortgesetzt, in denen Studierende wissenschaftliche Texte lesen, Studien und deren Ergebnisse verstehen und interpretieren. Im fünften Jahr findet eine sog. große Forschungsarbeit (Umfang 20 Wochen) statt. Die Studierenden können hier ihre Arbeiten aus den ersten drei Jahren fortsetzen oder in einem neuen Bereich forschen. Im Rahmen dieser Arbeit ist es auch möglich, eine Promotion vorzubereiten bzw. diese daran anzuschließen. Damit erfüllt der Modellstudiengang Forderungen des WR, der sich bereits im Jahr 2014 [12] deutlich für eine Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenzen im Medizinstudium ausgesprochen und ihren Erwerb als einen zentralen, idealerweise aufbauend konzipierten Baustein der studentischen Ausbildung vorgeschlagen hat. Dies wurde in den Empfehlungen des WR [13] zum Masterplan Medizinstudium 2020 [14] nochmals bestärkt.

Professionelle Entwicklung

Im longitudinalen Strang Professionelle Entwicklung [15], der sich durch alle Studienjahre durchzieht, findet eine Begleitung der professionellen Entwicklung der Studierenden statt. Praktische Erfahrungen werden verarbeitet und reflektiert und in Form eines jahresübergreifenden Portfolios zusammengefasst [16]. Daneben werden eine Reihe von überfachlichen Themen mit Überlappung zu Sprach-, Geistes-, Sozial- oder Kulturwissenschaften besprochen.

Didaktik/Lehrformate

In Oldenburg wurde auf Grundlage des Groninger Studiengangs G2010 [9] ein Modellstudiengang aufgebaut, der sich durch eine außergewöhnlich frühe und starke Integration und Patienten- und Praxisorientierung auszeichnet. In den ersten drei Studienjahren werden deshalb neben konventionellen Vorlesungen und Seminaren eine Reihe von verpflichtenden Lehrveranstaltungsformaten eingesetzt, die dieser Zielsetzung gerecht werden sollen.

Patientenorientierte Lehrformate

Vom ersten Tag des Studiums an finden in den ersten drei Studienjahren wöchentlich sogenannte Patientenkollegs statt. Dozenten bringen dabei ambulante Patienten mit, deren Beschwerden in das Thema der jeweiligen Woche einführen. Ziel ist es, die Studierenden durch diese frühe Integration von Patientinnen und Patienten in die Veranstaltung an die Gesprächsführung mit Patientinnen und Patienten zu gewöhnen und ihre Fähigkeiten in Anamnese und klinischem Denken zu entwickeln [17]. Diese Seminare dienen nicht primär dazu, klinisches Wissen anhand von Patientenkontakt zu erwerben.

Ab dem zweiten Studienjahr besprechen und lösen in sogenannten Problemlöseseminaren wöchentlich jeweils ein Allgemeinmediziner und ein Fachspezialist einen Patientenfall gemeinsam mit Studierenden. Ziel dieses Veranstaltungsformats ist das Erlernen und Üben klinischen Denkens und der Differentialdiagnostik in klinischen und ambulanten Versorgungssituationen anhand von authentischen Patientenfällen und unter aktiver Beteiligung der Studierenden, um den Wert und die Effektivität der Lernsituation zu erhöhen [18], [19], [20]. Der Weg zur Lösung läuft dabei über eine strukturierte Anamnese unter Betonung relevanter Felder, eine klinische Untersuchung sowie technische Untersuchungen inkl. Labor. Die Studierenden machen nach jedem Schritt Vorschläge bzgl. möglicher Diagnosen, schließen andere aus und regen die weiteren Untersuchungen an. Die Dozenten hinterfragen die Vorschläge und Differentialdiagnosen, beantworten die Fragen und diskutieren Schritt für Schritt den Nutzen der Vorschläge für die Lösung des Problems. Die zu erreichende Diagnose ist dabei in das Curriculum eingebettet und auf das Wochenthema abgestimmt.

Das interaktive Seminar im Studienjahr 4 schließt als Veranstaltungsform an die „Problemlöse-Seminare“ in den Studienjahren 2 und 3 an. Die Studierenden erhalten im Vorfeld zu der Veranstaltung einen papierbasierten Patientenfall, auf den sie sich in einer Kleingruppe mit 4-6 Studierenden vorbereiten. Der Fall wird dann im Seminar unter aktiver Einbindung der Studierenden besprochen und diskutiert [20]. Je nach Thema werden Studierende gebeten, bestimmte fallbezogene Themen (bestimmte Therapiemodalitäten, aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse o.ä.) vorzubereiten und vorzustellen.

In den Tutorien zum Problemorientiertes Lernen (POL) wird in den ersten drei Studienjahren jede Woche in Kleingruppen von maximal 8-10 Studierenden ein thematisch zur Woche passender Patientenfall bearbeitet. Starkes Augenmerk wird dabei auf die Ausarbeitung der Lernziele gelegt, die in den beiden ersten Studienjahren auch in die OSCE-Prüfungen integriert sind. Studierende präsentieren dabei an einer OSCE-Station die Ausarbeitung zu einem POL-Lernziel aus dem vorangegangenen Modul in Form eines Kurzvortrags. Bewertet werden hierbei sowohl inhaltliche Aspekte als auch Präsentationsfähigkeiten. Diese Prüfungsform zielt nicht darauf ab, zu testen, ob die Studierenden das Konzept oder den Ablauf von POL reproduzieren können, wie es z.B. mit Hilfe von Triple Jump Examinations getan wird [21], [22], sondern zielt auf den letzten Schritt des POL, in dem die Studierenden der POL-Gruppe ihre Lernziele präsentieren und dabei einen Aspekt der Rolle „Scholar“ aus den CANMEDs [23] ausüben, der auch im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM, [http://www.nklm.de]) im Kapitel „die Ärztin/der Arzt als Gelehrte/r“ zu finden ist (s. NKLM: Lernziel 6.3). Das den POL-Tutorien zugrunde liegende didaktische Konzept unterliegt über die Studienjahre einer kontinuierlichen Anpassung entsprechend dem Ausbildungsstand der Studierenden. Während im ersten Studienjahr das klassische 7-Step-Konzept aus Maastricht umgesetzt wird [24], kommen im 2. Studienjahr weitere Aufgaben hinzu, wie z.B. die Ausarbeitung von Therapieplänen oder das Führen von Aufklärungsgesprächen passend zu dem POL-Fall. Im 3. Studienjahr erhalten die Tutoren einen ausführlichen Leitfaden zu den Fällen mit detaillierten Ausführungen zur Diagnostik, Differentialdiagnosen und Therapie, während die Studierenden nur noch ein knappe Fallvignette vor der Sitzung erhalten, sodass meist eine Vorbereitung anhand von Lehrbüchern vorab stattfindet (angelehnt an [25]). Die Studierenden erheben jetzt in der Sitzung eine Anamnese (die Tutoren bereiten sich auf die Patientenrolle vor) und erarbeiten anhand der anamnestischen Details in der Gruppe Differentialdiagnosen und eine Arbeitsdiagnose. Diese dient als Ausgangspunkt für weitere Lernziele, Therapieüberlegungen und simulierte Patientengespräche.

Prüfung/Evaluation

Die Studierenden erwerben ein staatlich anerkanntes Äquivalent des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (M1) innerhalb von sechs Semestern Regelstudienzeit. Der schriftliche Teil wird durch alle Prüfungsfragen der schriftlichen Modulprüfungen der ersten drei Studienjahre abgebildet (ca. 100 Fragen am Ende jedes der 12 Module), die den Fächern aus § 22 ÄAppO zugeordnet sind. Der mündliche Teil wird durch den Mittelwert aller 6 OSCE-Prüfungen gebildet, die in den Studienjahren 1–3 am Ende jedes Semesters an je sechs Stationen absolviert werden.

Da alle Modulprüfungen der ersten drei Studienjahre aufgrund des fächerübergreifenden und integrierten Aufbaus immer eine Mischung aus klinischen und vorklinischen Fächern beinhalten, werden sämtliche Fragen der schriftlichen Prüfungen den Fächern nach § 22 ÄAppO oder § 27 ÄAppO zugeordnet und den Studierenden nach Bestehen der Modulprüfungen auf individuellen „Fächerkonten“ gutgeschrieben. Die Fragen orientieren sich dabei v.a. an den in den jeweiligen Modulhandbüchern festgelegten Lernzielen zu den einzelnen Lehrveranstaltungen. Nach dem dritten Studienjahr füllen sich dann nur noch die Konten der §27-Fächer und Querschnittsbereiche (ÄAppO). Neben summativen Prüfungen nehmen die Studierenden jedes Semester verpflichtend am formativen Progress-Test der Charité Berlin teil [26].

In der Fakultät wird darüber hinaus eine große Bandbreite an schriftlichen sowie mündlichen bzw. mündlich-praktischen Prüfungsformate genutzt.

Feedback für die Studierenden ist ein zentraler Bestandteil des Modellstudiengangs. Im allen (Block-) Praktika, Hospitationen oder anderen Praxis-Einsätzen wird für die Studierenden von den Betreuern ein standardisiertes Feedback-Formular ausgefüllt, das in den ersten 3 Jahren Teil des Portfolios der professionellen Entwicklung bzw. in den Jahren 4 und 5 Teil der Logbücher ist. Das erhaltene Feedback reflektieren die Studierenden schriftlich und auch im Gespräch mit den Tutoren, die sie in der professionellen Entwicklung betreuen.


Ergebnisse

Eine erste Gesamt-Evaluation des Studiengangs erfolgte vom 02. - 05.05.2016 durch die 11. Kohorte des Studiengangs Master of Medical Education (Heidelberg), die im Rahmen ihres Abschlussmoduls die Lehrsituation evaluiert hat. Zur Vorbereitung hatte die Fakultät einen Selbstbericht angefertigt, der sich in seiner Struktur an den Kriterien der World Federation for Medical Education (WFME) – Global Standards for Quality Improvement [27] orientierte:

1.
Leitbild Zielsetzung
2.
Ausbildungsprogramm
3.
Prüfungen
4.
Studierende
5.
Lehrpersonal und Fakultätsmitglieder
6.
Ausbildungsressourcen
7.
Programm Evaluation
8.
Steuerung und Verwaltung
9.
Continuous Renewal (im Falle von Oldenburg zum Zeitpunkt der Evaluation nicht anwendbar)

Weitere, über die WFME-Kriterien hinausgehende oder Standort-spezifische Fragen der Begutachtungs-Gruppe wurden ebenfalls im Vorfeld schriftlich beantwortet.

Während der Woche des vor-Ort-Besuchs fanden zahlreiche Interviews mit allen Beteiligten (Leitungsebene, Koordinatoren, Administration, Lehrende, Studierende) statt, in denen die Fragen der Evaluatoren sehr offen besprochen wurden. Der Partnerstandort Groningen wurde ebenfalls besucht. Die Ergebnisse der drei Abschlussberichte zu den Bereichen Ausbildungsprogramm und Prüfungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Gutachterkommission lobte besonders die frühe Integration von klinischem Wissen und praktischen Fertigkeiten, den frühen Kompetenzerwerb am Patienten, die longitudinalen Pfade und den gelungenen modularen Aufbau mit einem hohen Anteil an Kleingruppenarbeit und der frühen Forschungsförderung. Auch die grenzüberschreitende Kooperation mit gleichzeitigem Bezug zur Region (Lehrarztpraxennetzwerk) wurde positiv bewertet. Es wurde kritisch angemerkt, dass eine Entschlackung des Curriculums, das kaum zeitliche Flexibilität zulässt, notwendig ist und dass zu wenige Wahlbereiche existieren. Aufgrund der Fülle sei zudem eine studiumsbegleitende Promotion nicht möglich.

Im Bereich der Prüfungen wurde das hochmoderne, elektronische Prüfungssystem mit den vielfältigen Prüfungsformaten, der hohe Prüfungsrhythmus und das zweistufigen Reviewsystem (formal und inhaltlich) für Prüfungsfragen gelobt. Der verpflichtende Progress-Test als Benchmark wurde ebenso herausgehoben wie eine grundsätzlich gelungene Abstimmung zwischen Lehre, Lernzielen, Prüfungen und Prüfungsformaten. Kritische Punkte merkten die Gutachter ebenfalls an, dabei erwähnten sie z.B. den hohen administrativen Aufwand der Prüfungen, eine teilweise zu geringe Einbindung von Lehrenden und Modulkoordinatoren in die inhaltliche Gestaltung der Prüfungen und Bedenken, dass nicht in allen Bereichen eine gute Übereinstimmung zwischen Lehre und Prüfungen gegeben war.

Im Oktober 2018 wurde die Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften planmäßig durch den WR vor Ort begutachtet. Zu diesem Zweck wurde ein Selbstbericht der Fakultät erarbeitet, der im Juni 2018 über das zuständige Ministerium (MWK) an den WR übermittelt wurde. Die Gutachterkommission des WR verbrachte den 25.10. an der Fakultät und den Krankenhäusern in Oldenburg und besuchte am 26.10. Groningen, um sich ein Bild von dem Aufbau und den beiden Standorten zu machen. Alle an der Universitätsmedizin Oldenburg beteiligten Parteien wie Präsidium, Fakultät und Krankenhäuser sowie das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) wurden dabei vom WR in Gesprächen befragt. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats werden für Mitte 2019 erwartet. Entsprechend des niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG [http://www.schure.de/22210/nhg.htm) sollten diese Empfehlungen die Grundlage für die Entscheidung des Landes über die weitere Entwicklung der Fakultät und des Studiengangs bilden.


Diskussion/Ausblick

Die Situation der Fakultät hat sich im Wintersemester 2018/19 erfreulich geändert.

Der Besuch des WR endete mit positiven Signalen zu den bisherigen Aufbauleistungen in Oldenburg. Begünstigt zudem durch das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel der amtierenden Landesregierung, die Zahl der Studienplätze in Niedersachsen um ca. 200 zu erhöhen (s. Abschnitt 7b [28]), änderte das Land Niedersachsen vorgezogen am 18. Dezember 2018 das NHG. Ab dem 01.01.2019 wird darin die jährliche Aufnahmekapazität (NHG § 72 (11)) von bisher 40 Studierenden ab dem Wintersemester 2019/20 auf 80 verdoppelt. Um die Zusammenarbeit zwischen der Universität und den beteiligten Krankenhäusern in dieser Ausbauphase zu verbessern, wurden gleichzeitig die Mitwirkungsrechte des ärztlichen Mittelbaus in den Krankenhäusern, die an Lehre und Forschung beteiligt sind, gestärkt (NHG § 63i (3)). Die Fakultät tritt damit aus der bisherigen Erprobungsphase in die Ausbauphase ein. Mit dem Land Niedersachsen war bereits vor der Begehung des Wissenschaftsrats vereinbart worden, dass die Fakultät langfristig eine jährliche Aufnahmekapazität von 200 Studierenden erreichen soll. Parallel zu den steigenden Studierendenzahlen ist zugesagt, den Landeszuführungsbetrag ab 2020 stufenweise zu erhöhen, um die wachsenden Aufgaben in Lehre und Forschung abzusichern und Mittel für die benötigten baulichen Infrastrukturen bereitzustellen.

Der zum Wintersemester 2019/20 vorgezogene Aufwuchs auf 80 Studienanfänger beeinflusst in starkem Maße auch die Kooperation mit der Partneruniversität in Groningen. Diese hatte bisher sowohl die Räumlichkeiten und Materialien für den praktischen Unterricht im Fach Anatomie zur Verfügung gestellt als auch die Kapazitäten vorgehalten, um allen Oldenburger Studierenden ein Jahr Studienaufenthalt in Groningen zu ermöglichen. Diese Kapazitäten waren auf 40 Studierende pro Kohorte begrenzt und nicht erweiterbar. Im Rahmen eines Besuchs des Wissenschaftsministers Herrn Thümler in Groningen wurde mit dem Präsidenten der Rijksuniversiteit Groningen im Juni 2018 eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Universitäten beschlossen. Diese beinhalten u.a. für einen zunächst begrenzten Zeitraum die Erhöhung der Groninger Aufnahmekapazität für Oldenburger Studierende auf 80 Studierende/Jahr. Die genaue Umsetzung ist Gegenstand intensiver Gespräche zwischen den beiden Fakultäten.

Aus der Limitierung auf 80 Studierende für den Austausch mit Groningen ergibt sich, dass Groningen in einen weiteren Aufwuchs an Studierenden in Oldenburg gemäß den Vorgaben des Landes nicht in bisheriger Weise eingebunden werden kann. Für die längerfristig geplanten höheren Aufnahmezahlen in Oldenburg wird daher aktuell ein neues Konzept erarbeitet.

Neben den begrenzten Groninger Kapazitäten sind auch die Lehr-Kapazitäten in Oldenburg selbst noch nicht für eine deutlich höhere Studierendenzahl ausreichend vorhanden. Das Curriculum ist auf eine kleine Studierendenzahl ausgerichtet gewesen (s.o.). Auch wenn das Groninger Curriculum [9], das 2011 zum großen Teil übernommen wurde, dort mit jährlich über 400 Studierenden durchgeführt wurde, sind die Groninger Gegebenheiten nicht ohne Anpassungen auf Oldenburg als eine kleine Fakultät im Aufbau übertragbar. Mittlerweile hat die Groninger Universität ihr Medizin-Curriculum ebenfalls reformiert [29] und u.a. den Anteil an Präsenzveranstaltungen deutlich reduziert. In Oldenburg muss nun das Curriculum an größere Gruppen in einem fakultätsweiten Abstimmungsprozess angepasst werden. Dieser Prozess hat Anfang 2019 begonnen. Er bietet gleichzeitig die Chance, Verbesserungsideen, die in den ersten 7Jahren aufgedeckt worden sind, in die Reform mit einfließen zu lassen. Die Reform hat v.a. zwei Ziele: Das Curriculum soll einerseits verschlankt werden (Reduktion des Gesamtangebots an Lehrveranstaltungen, das bei weit über 5.500 Stunden liegt). Dabei sollen Redundanzen aufgedeckt und die Module gestrafft werden, ohne die vorhandene Integration zu gefährden. Gleichzeitig sollen die hier vorgestellten patientenbezogenen und besonderen didaktischen Formate und die longitudinalen Pfade und die Wissenschaftlichkeit, die bereits viele der vom WR [12] und dem Masterplan 2020 [14] vorgeschlagenen und vom WR empfohlenen [13] Reformen im Medizinstudium aufgreifen, beibehalten werden, aber ggf. in der Häufigkeit reduziert werden. Auch die klinischen Ausbildungskapazitäten sind momentan fast ausgeschöpft. Hierfür wird ebenfalls ein neues Konzept benötigt, das die vorhandenen Strukturen nicht überlastet. Darin werden curriculare Änderungen aber auch strukturelle Ablauf-Änderungen in den Krankenhäusern und ggf. die Rekrutierung weiterer Häuser einfließen.

Parallel werden weitere Professuren berufen werden, die die bisher noch nicht abgedeckten Fächer der Approbationsordnung lehren. Große Fächer, die viel Lehre zu erbringen haben, müssen zudem durch weiteres Personal unterstützt werden.

Vordringlich ist auch ein rascher Aus- und Aufbau der benötigten Infrastruktur für Lehre und Forschung. Dies beinhaltet u.a. den Aufbau einer eigenen Anatomie. Das MWK hat die finanziellen Mittel für ein erstes Lehr- und Forschungsgebäude in Aussicht gestellt, mit dessen Planung dieses Jahr begonnen wurde.


Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
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