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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Der Brandenburger Modellstudiengang Medizin – Aus dem Land für das Land

Artikel Gesamtdarstellung Studiengang

  • corresponding author Andreas Winkelmann - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Institut für Anatomie, Neuruppin, Deutschland
  • author Julia Schendzielorz - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Prodekanat für Studium und Lehre, Referat für Curriculumsentwicklung und -koordination, Neuruppin, Deutschland
  • author Dagmar Maske - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Prodekanat für Studium und Lehre, Referat für Studienangelegenheiten, Neuruppin, Deutschland
  • author Peter Arends - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Prodekanat für Studium und Lehre, Bereich TRIK, Neuruppin, Deutschland
  • author Christoph Bohne - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Prodekanat für Studium und Lehre, Bereich Educational Technology, Neuruppin, Deutschland
  • author Henrike Hölzer - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Prodekanat für Studium und Lehre, Bereich Simulationspatienten, Neuruppin, Deutschland
  • author Karin Harre - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Lehrpraxis, Praxis für Allgemeinmedizin, Walsleben, Deutschland
  • author Jonathan Nübel - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Medizinstudent im 9. Semester, Neuruppin, Deutschland
  • author Bertram Otto - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Medizinstudent im 9. Semester, Neuruppin, Deutschland
  • author Stefanie Oess - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Institut für Biochemie, Neuruppin, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(5):Doc49

doi: 10.3205/zma001257, urn:nbn:de:0183-zma0012578

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001257.shtml

Eingereicht: 16. Oktober 2018
Überarbeitet: 26. März 2019
Angenommen: 28. Mai 2019
Veröffentlicht: 15. Oktober 2019

© 2019 Winkelmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) wurde 2014 von kommunalen und gemeinnützigen Trägern in Bernau, Brandenburg an der Havel und Neuruppin gegründet, um mehr Ärztinnen und Ärzte für die Non-Metropolen-Region Brandenburg auszubilden. Seit dem Sommersemester 2015 werden jährlich 48 Medizinstudierende aufgenommen, die über ein eigenes Auswahlverfahren ausgewählt werden, in dem Abiturnote und Wartezeit eine nachrangige Rolle spielen. Studiengebühren können durch Stipendienverträge mit regionalen Kliniken teilfinanziert werden, wenn sich die Bewerber/innen zur Weiterbildung in der Klinik verpflichten. Das Studium findet überwiegend an den Standorten Neuruppin und Brandenburg an der Havel statt, im 8. bis 10. Semester folgt ein dezentraler Studienabschnitt. Der Brandenburger Modellstudiengang Medizin (BMM) folgt der Modellklausel der ÄAppO. Das Curriculum ist POL-basiert und Kompetenz-orientiert und besteht aus integrierten interdisziplinären Modulen, die von Anfang an Grundlagen-, klinisch-theoretische und klinische Fächer zusammenbringen. Der Fokus auf Allgemeinmedizin schlägt sich unter anderem im regelmäßigen „Praxistag“ nieder, an dem die Studierenden ab dem 2. Semester bei niedergelassenen Lehrärztinnen und -ärzten hospitieren und über eine Integration in den Praxis-Alltag die ambulante Versorgung im Land Brandenburg kennen lernen. Ein besonderer Schwerpunkt des BMM liegt auf Erwerb und Förderung kommunikativer und sozialer Kompetenzen. Diese werden durch ein Längsschnittcurriculum „Teamarbeit, Reflexion, Interaktion, Kommunikation“ (TRIK) vermittelt. Dem wissenschaftlichen Denken und Arbeiten wird ein hoher Stellenwert beigemessen, der sich unter anderem in einem achtwöchigen Wissenschaftspraktikum niederschlägt, in dem die Studierenden eine eigenständige Forschungsarbeit erstellen. Mehrere Lehrformate stellen sicher, dass neben dem „Fach“-Unterricht eine nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung stattfinden kann. Eine Besonderheit des BMM stellt das dezentrale Studium ab dem 8. Semester dar, in dem die Studierenden in Kleingruppen an ausgewählten kooperierenden Kliniken in Brandenburg ihre klinische Ausbildung absolvieren. Dieser Abschnitt umfasst neben Stationspraktika und weiteren lokalen Patienten-nahen Lehrangeboten auch zentralen Unterricht, der über ein Videokonferenznetzwerk realisiert wird und die weitere Beteiligung der Grundlagen- und klinisch-theoretischen Fächer sicherstellt. Wissens- und Performanz-basierte Semesterabschlussprüfungen unterstützen, insbesondere durch OSCEs, die Praxis-Orientierung der Ausbildung. Sie ersetzen im ersten Studienabschnitt die M1-Staatsprüfung. Die ersten Medizinstudierenden sind ab April 2019 im 9. Fachsemester, so dass es für abschließende Beurteilungen noch zu früh ist. Das bisher erfolgreich etablierte Curriculum erfüllt bereits heute in Bezug auf Aufbau des Studiengangs, Ausbildungsinhalte, Prüfungsformate und Studierendenauswahl zentrale Forderungen des „Masterplans Medizinstudium 2020“. Mit seiner dezentralen Struktur adressiert der BMM spezifisch die gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Herausforderungen der Non-Metropolen-Region Brandenburg. Er ist der erste Studiengang, der es sich zentral zur Aufgabe macht, die ärztliche Versorgung in ländlichen Regionen zu verbessern.

Schlüsselwörter: Kompetenz-basierte Ausbildung, Interdisziplinärer Unterricht, Problem-orientiertes Lernen, Modellstudiengang, Gesundheitsversorgung im ländlichen Bereich, Kommunikative Kompetenzen, Allgemeinmedizin


1. Einleitung

An der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) besteht seit dem Sommersemester 2015 die Möglichkeit, Medizin und Psychologie zu studieren. Die MHB ist nach Witten-Herdecke die zweite nicht-staatlich finanzierte Hochschule in Deutschland, die ein Medizinstudium nicht als Franchise-Modell, sondern aus eigener Kraft anbietet [1]. Getragen wird die MHB von einer gemeinnützigen GmbH mit vier kommunalen und einem frei gemeinnützigen Gesellschafter, darunter die drei Trägerkliniken: das Herzzentrum Bernau der Immanuel-Diakonie (inklusive Klinik für Psychiatrie Rüdersdorf), das Städtische Klinikum Brandenburg an der Havel und die Ruppiner Kliniken in Neuruppin.

Gründungsimpuls der MHB war der Mangel an Ärztinnen und Ärzten im Land Brandenburg. Dieser Mangel betraf und betrifft nicht nur die niedergelassenen Ärzte, sondern auch die Krankenhäuser in ländlichen Regionen, die mit zunehmender Entfernung von den Metropolen Mühe haben, qualifiziertes Personal zu akquirieren. Die drei Trägerkliniken der MHB haben daher mit der Gründung einer eigenen Fakultät die Medizinerausbildung selbst in die Hand genommen. Das Studieren in einer ländlichen Region erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Absolvent/innen in der Region bleiben [2], [3]. Noch vielversprechender ist in dieser Hinsicht das Stipendien-System der MHB: Kliniken aus der Region übernehmen einen größeren Teil der Studienbeiträge, wenn die Studierenden sich verpflichten, nach dem Studium an diesem Haus die Facharzt-Weiterbildung zu absolvieren. Derzeit nutzen etwa zwei Drittel der Medizinstudierenden dieses Stipendienangebot.

Außerdem stellt sich die MHB dem demographischen Wandel, der insbesondere die Non-Metropolen-Regionen betrifft. Sie will dem Bedarf einer „Gesellschaft des längeren Lebens“ gerecht werden, indem sie die Studierenden auf diesen Bedarf vorbereitet, einen Forschungsschwerpunkt „Medizin des Alterns“ etabliert und sich auf Versorgungsforschung fokussiert.

Derzeit werden jedes Sommersemester 48 Studierende der Humanmedizin immatrikuliert (auf die Psychologie wird hier nicht weiter eingegangen). Die erste Kohorte befindet sich ab April 2019 im 9. Semester. Im Auswahlverfahren der MHB spielen Abiturnote und Wartezeit eine nachrangige Rolle. Das aufwändige Verfahren soll Bewerberinnen und Bewerber auswählen, die zum Studienmodell der MHB passen, für den Arztberuf geeignet sind, Aussicht auf ein erfolgreiches Studium bieten und nicht zuletzt im Bundesland bleiben werden. Eigene Herkunft aus ländlichen Regionen, einer der wichtigsten Prädiktoren für eine spätere Tätigkeit im Land [vgl. [4]], wird im Verfahren mittelbar positiv bewertet. Das Verfahren ist dreistufig: Wenn formale Kriterien erfüllt sind, werden die Bewerbungsunterlagen und Motivationsschreiben von Fakultätsmitgliedern bewertet. Die am besten Bewerteten werden dann zu einem Auswahltag eingeladen, an dem Einzelgespräche und Multiple Mini-Interviews geführt sowie eine Gruppenaufgabe gelöst werden. Hier werden anhand verschiedener Aufgaben- und Fragestellungen mithilfe standardisierter Beurteilungsinstrumente Bewertungen von jeweils mehreren Gutachtern eingeholt, deren Gesamtpunktzahl eine Rangliste aller Bewerber und Bewerberinnen ergibt.


2. Projektbeschreibung – Das Curriculum

Der Brandenburger Modellstudiengang Medizin (BMM) lehnt sich in seinen Grundkonzepten an die Erfahrungen aus dem Modellprojekt Reformstudiengang Medizin der Charité an [5] und wird auf dieser Grundlage weiterentwickelt und den Zielen der MHB und den Anforderungen einer kleinen, im Aufbau befindlichen Fakultät angepasst. Das Curriculum folgt den Vorgaben der „Modellklausel“ (§41 ÄAppO), den übrigen Anforderungen der Approbationsordnung sowie der EU-Richtlinie 2005/36/EG.

Das Curriculum [6] ist durchgehend modular organisiert (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die insgesamt 30 Module werden jeweils von einer interdisziplinären Gruppe von Fachvertretern mit Unterstützung des Prodekanats für Studium und Lehre konzipiert und geplant. Die Planungsgruppen definieren Lernziele, die Wissen, Fertigkeiten und Haltungen abbilden.

Zentrale Lehr-/Lernform ist das Problem-orientierte Lernen (POL). Das Studium ist Praxis-orientiert, Studierenden-zentriert, Wissenschafts-basiert, Kompetenz-orientiert und auf interdisziplinäres Denken ausgerichtet. Es hat das Ziel, eine Patienten-orientierte „personale Medizin“ [7] zu vermitteln und kommunikative Fertigkeiten und soziale Kompetenzen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit zu fördern. Die Trennung zwischen „Vorklinik“ und „Klinik“ ist aufgehoben – während zu Beginn des Studiums Grundlagen-orientierte Module klinische und klinisch-theoretische Inhalte einbeziehen, werden zum Ende des Studiums Grundlagen-Inhalte in klinisch definierten Modulen berücksichtigt. Statt eines harten Schnitts durch das „Physikum“ erfolgt also ein fließender Übergang. Eine Besonderheit des Curriculums liegt in der Verteilung auf mehrere Studienorte im Land Brandenburg. Die ersten vier Semester, die vor allem aus Organsystem-bezogenen Modulen bestehen, werden in Neuruppin studiert. Ausgewählte Lehrveranstaltungen finden in dieser Zeit u. a. auch im Herzzentrum Bernau, in der Hochschulklinik für Psychiatrie in Rüdersdorf und der Hochschulklinik für Dermatologie in Dessau statt. Nach dem Wechsel an den Standort Brandenburg an der Havel folgt vom 5. bis 7. Semester neben zwei weiteren organbezogenen Modulen ein achtwöchiges Wissenschaftsmodul sowie Module, die den Übergang von Grundlagen zu klinischer Orientierung herstellen. Im 8. bis 10. Semester folgt ein dezentraler Studienabschnitt, der vor allem aus klinischen Modulen besteht, für die die Studierenden in Kleingruppen auf Kliniken in verschiedenen Regionen Brandenburgs und Nachbarregionen verteilt werden (siehe unten) und neben Veranstaltungen vor Ort auch über Videokonferenzsysteme gemeinsam unterrichtet werden. Im Folgenden wird auf die einzelnen Lehrformate näher eingegangen.

2.1. POL – vom Problem- zum Patienten-orientierten Lernen

Das Curriculum soll „Studierenden-zentriert“ sein, also den Studierenden im Gegensatz zur Dozierenden-zentrierten Wissensvermittlung eine aktive Rolle im Lernprozess geben. Die Grundlage für diesen studentischen Lernprozess bildet POL, bei dem je acht Studierende am Anfang der Woche (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]) einen wochenspezifisch gestalteten POL-Fall bearbeiten, der sich an den Modul- und Wochenthemen orientiert. Die sich aus der POL-Sitzung ergebenden Lernziele erarbeiten die Studierenden dann im Selbststudium, bevor sie am Ende der Woche in einer zweiten Sitzung besprochen und reflektiert werden [8].

Die Komplexität der zumeist von Klinikern erstellten, zentral koordinierten Fälle nimmt dabei im Studienverlauf zu und bezieht neben dem medizinischen Faktenwissen schließlich auch gesellschaftliche, ökonomische, psychosoziale und ethische Aspekte ein. Aus diesem Grund liegt der Fokus zunächst auf der Erarbeitung theoretischen Grundlagenwissens und verfolgt (primär) nicht die Lösung des Falles. Im zweiten Studienabschnitt steht hingegen das klinische Management eines Patienten bzw. einer Patientin im Mittelpunkt („Patienten-orientiertes Lernen“). Die Studierenden sollen durch Kombination ihres bisher erworbenen theoretischen und klinischen Wissens Verdachtsdiagnosen stellen und absichern können. Gezielt soll der komplexe Prozess des Clinical Reasoning angewendet und die dabei beteiligten Wissens- und Handlungsdomänen aktiviert werden. Hierzu werden entweder zwei thematisch aufeinander abgestimmte Fälle pro Woche bearbeitet oder ein Leitsymptom, das aus der Perspektive zweier unterschiedlicher Settings (z.B. ambulant/stationär) bzw. medizinischer Fachrichtungen (z.B. internistisch/chirurgisch) dargestellt wird. Die Auswahl der Leitsymptome orientiert sich dabei an den Situations as Starting Points [9], welche häufige primär-ärztliche Beratungsanlässe sind.

2.2. Fachlich orientierte Lehrformate

In einer typischen Modulwoche (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]) werden verschiedene, inhaltlich mit den Wochenthemen und POL-Fällen abgestimmte Lehrformate angeboten. Unter der Vorstellung, dass es nicht entscheidend ist, auf welchen Wegen sich die Studierenden die Lernziele des Moduls und die selbstgesetzten POL-Lernziele erarbeiten, sind diese Wissen und Fertigkeiten vermittelnden Veranstaltungen – im Gegensatz zu POL – nicht anwesenheitspflichtig, werden aber erfahrungsgemäß von fast allen Studierenden besucht.

Die wenigen Vorlesungen werden eingesetzt, um einen Einstieg in eine komplexe Thematik und/oder den Überblick über ein Thema zu bieten. Fachwissen wird vor allem in interdisziplinären Seminaren (IDS) vermittelt, die von jeweils zwei Dozierenden verschiedener Fachrichtungen, meist aus den Grundlagen- und den klinischen Fächern, zu einem bestimmten Thema gestaltet werden. In diesem fächerübergreifenden Ansatz werden insbesondere Lehrinhalte der verschiedenen Grundlagenwissenschaften (v.a. Anatomie, Biochemie, Physiologie) und der klinisch-theoretischen Fächer (v.a. Pathologie, Mikrobiologe, Pharmakologie) mit den Inhalten der klinischen Fächer verknüpft.

Praktika werden hingegen von einer Fachrichtung angeboten und umfassen sowohl naturwissenschaftlich-medizinische Grundlagen (z.B. Anatomie) als auch klinische sowie klinisch-theoretische Inhalte (z.B. Pathologie, Mikrobiologie) und sind auf eine Gruppengröße von 16 Studierenden ausgelegt. In den ersten drei Semestern werden außerdem naturwissenschaftliche Tutorien angeboten, die die unterschiedliche Vorbildung der Studierenden ausgleichen und das naturwissenschaftliche Verständnis vertiefen.

Die „Übungen in Diagnostik und Therapie“ (ÜDT) dienen in erster Linie dem Erwerb praktischer Fertigkeiten (z.B. körperliche Untersuchung, fachspezifisches Anamnesegespräch, Sonographie, bedside-Test) und finden in Kleingruppen mit acht Studierenden statt. Dabei haben sich die „Tandem-ÜDTs“ bewährt, in welchen Ärzte gemeinsam mit speziell geschulten studentischen Tutoren unterrichten [10].

2.3. Vermittlung und Training von praktischen Fertigkeiten im BMM – das Skills Lab

Zentraler Ort für das Vermitteln und Trainieren praktischer Fertigkeiten sowie auch kommunikativer Kompetenzen ist das Skills Lab der MHB an beiden Campus-Standorten Neuruppin und Brandenburg. Das Skills Lab ist einerseits der Veranstaltungsort der curricularen Lehre, andererseits stellt es die Lernumgebung für das Selbststudium der Studierenden dar. Es zeichnet sich unter anderem durch ein extracurriculares Lehrangebot mit strukturiertem Tutorienprogramm aus, in dem das Peer Assisted Learning mit qualifizierten studentischen Tutoren das zentrale Lehr-/Lernformat darstellt.

Das Skills Lab der MHB wurde von der Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) im März 2018 zertifiziert und stellt somit das erste zertifizierte Skills Lab im deutschsprachigen Raum dar.

2.4. Teamarbeit, Reflexion, Interaktion und Kommunikation (TRIK)

Ein besonderer Schwerpunkt des BMM liegt auf Erwerb und Förderung kommunikativer und sozialer Kompetenzen. Dies folgt internationalen Empfehlungen der Ausbildungsforschung [11] sowie Ergebnissen von Absolventenbefragungen, die den hohen Bedarf an berufsspezifischen kommunikativen Kompetenzen belegen [12]. Diese Kompetenzen werden im Format „Teamarbeit, Reflexion, Interaktion und Kommunikation“ (TRIK) vermittelt. TRIK stellt ein eigenständiges, mit den Modulinhalten verzahntes longitudinales Kommunikationscurriculum dar, das in Kleingruppen von 8 Studierenden über 10 Semester verteilt unterrichtet wird. Dieses Curriculum bildet eine Vielzahl an kommunikativen Herausforderungen des Arztberufes ab. Die Themen der einzelnen Semester bauen aufeinander auf und sind so angeordnet, dass sie im Laufe des Studiums im Sinne einer Lernspirale zunehmend komplexer und anspruchsvoller werden, z.B. von der Anamneseerhebung über die Gesprächsführung bei Prävention und Gesundheitsförderung bis hin zur Anwendung des Konzepts Shared Decision Making [13]. Der interprofessionellen Kommunikation ist ein Wochenend-Workshop im 8. Fachsemester gewidmet.

Im Lehrformat TRIK (sowie auch in den praktischen Prüfungen) kommen Simulationspatienten zum Einsatz, d.h. Laiendarsteller, die Patienten spielen [14]. Dies ermöglicht den Studierenden in an ihren Wissensstand angepassten Rollenspielen ihre Fähigkeiten einzuüben, ohne dass „echte“ Patienten belastet werden. Bisher konnten an den beiden Standorten jeweils ca. 40 Laiendarstellerinnen und –darsteller rekrutiert werden. Die Simulationspatienten geben den Studierenden individuell Rückmeldung darüber, wie sie den Arzt-Patienten-Kontakt erlebt haben und geben ihnen damit die Gelegenheit, ihre Wirkung auf die Patienten und auch ihre Haltung ihnen gegenüber zu reflektieren.

2.5. Praxistag

Der „Praxistag“ sichert die Praxis-Orientierung des Studiums von Beginn an und macht die Studierenden mit der Realität der ambulanten ärztlichen Versorgung im Land Brandenburg mit einem Schwerpunkt auf der Allgemeinmedizin vertraut. Vom 2. bis 5. Semester hospitieren die Studierenden 14-täglich in Praxen der Umgebung und werden dort in den Praxis-Alltag integriert. Die Praxen sind Hausarzt-Praxen, im 4. und 5. Semester werden auch Gebietsärzte eingebunden. Neben der praktischen Anwendung der erworbenen Fertigkeiten in Anamnese-Erhebung und Untersuchungstechniken soll vor allem ein Einblick in die primärärztliche Versorgung gegeben werden. Die Studierenden sollen mit den Besonderheiten der Langzeitbetreuung von Patienten, der Prävention und der abgestuften Behandlung im ambulanten Bereich konfrontiert werden und die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen kennen lernen. Es ist ein Netzwerk aus derzeit 119 Lehrpraxen entstanden, deren Lehrärztinnen und -ärzte als Fakultätsangehörige in die MHB eingebunden werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) unterstützt dieses Projekt und hat diese universitäre Lehrtätigkeit zu einem Bestandteil ihres Zertifizierungsprogramms gemacht.

2.6. Wissenschaftliches Längsschnittcurriculum

Das wissenschaftliche Denken und Arbeiten wird in einem speziellen Längsschnittcurriculum gefördert, das aus einer Seminarreihe, einem einwöchigen Modul Biometrie und einem achtwöchigen Wissenschaftspraktikum besteht. Herzstück bildet dabei das Durchführen einer eigenen Forschungsarbeit im Wissenschaftspraktikum im 6. Fachsemester. Die Fragestellungen sind überwiegend experimenteller, klinischer und epidemiologischer Natur und so konzipiert, dass sie sich in der vorgegebenen Zeit sinnvoll bearbeiten lassen. Der Leistungsnachweis erfolgt durch die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit im Umfang von mindestens 12 Druckseiten und eines Posters, welches in einem hochschulöffentlichen Posterkongress am Semesterende durch die Studierenden vorgestellt und von einem Gutachtergremium beurteilt wird. Im ersten Durchlauf im Wintersemester 2017/2018 überwogen Themen der klinischen Forschung mit 43%, gefolgt von Versorgungsforschung (26%), Grundlagen (21%)- und Ausbildungsforschung (10%).

2.7. Modulunabhängige Längsschnittveranstaltungen

Unter dem Dach der Human- und Gesundheitswissenschaften stellen mehrere Lehrformate sicher, dass neben dem „Fach“-Unterricht in den Modulen eine nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung stattfinden kann, die die Absolventen befähigt, eine professionelle Haltung einzunehmen, ihr ärztliches Handeln zu reflektieren und eigene Kompetenzen einschätzen zu können. Zu diesen Lehrveranstaltungen gehört eine Seminarreihe „Gesundheitswissenschaften“ im 2. Semester, die sowohl in generelle Fragen des Gesundheitswesens als auch in spezielle Probleme der Gesundheitsversorgung im Land Brandenburg einführt. Unter anderem erhalten die Studierenden einen ersten Überblick über das deutsche Gesundheitswesen, bevor sie sich Themen wie der Ökonomie, aber auch palliativmedizinischen, hospizlichen und psychiatrischen Versorgungsstrukturen widmen. Eine Vertiefung findet u. a. im Modul Gesundheitsversorgung im 6. Semester statt.

Zweitens fallen hierunter das Wahlpflichtseminar „Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns“ im 3., 4. und 8. Semester sowie Studium fundamentale zwischen dem 2. und 6. Semester, in welchen die Studierenden sich mit nicht-naturwissenschaftlichen Perspektiven auf die Medizin bzw. nicht-medizinischen Themen auseinandersetzen sollen [vgl. [15]]. Ziel ist es, eine disziplinübergreifende Reflexion anzustoßen, um verschiedene Denk- und Handlungskonzepte, welche auch im späteren Beruf Anwendung finden sollen, zu fördern. Die Studierenden können zum Beispiel Kurse aus den Bereichen Kunst, Geschichte/Ethik (z. B. Medizin im Nationalsozialismus), Philosophie (z. B. Zen – philosophische und psychoanalytische Zugänge) und Soziologie (z. B. Medizin und Geschlecht) wählen.

Darüber hinaus gilt es, Praktika und Hospitationen für die Berufsfelderkundung (entsprechend der ÄAppO) zwischen dem 1. und 5. Semester zu absolvieren, wobei sich die Studierenden entweder gemäß definierter Kriterien und nach eigener Interessenslage Bereiche selbst organisieren oder aber vonseiten der Hochschule organisierte Veranstaltungen besuchen (z.B. Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Soziales Engagement im Rahmen von Ärzte ohne Grenzen oder Medizinische Versorgung in einer Justizvollzugsanstalt).

2.8. Dezentrales Studieren

Im dezentralen Studienabschnitt des 8.-10. Semesters setzen die Studierenden ihr Studium in Kleingruppen in einem von sieben regionalen „Ankerplätzen“ fort. Ein solcher Ankerplatz besteht aus bis zu fünf in räumlicher Nähe befindlichen Hochschulkliniken, akademischen Lehrkrankenhäusern bzw. kooperierenden Kliniken, die jeweils gemeinsam alle klinischen Fächer des dezentralen Studienabschnitts (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) anbieten. Insgesamt kooperieren in diesem Modell derzeit etwa 20 ausgewählte, sehr engagierte Kliniken im gesamten Land Brandenburg und einigen Nachbarregionen (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Die wesentliche Lehr- und Lernform der patientennahen Ausbildung ist das verpflichtende Stationspraktikum, in dem die klinische Differentialdiagnostik den Schwerpunkt bildet. Neben POL werden in den Kliniken die Lehrformate TRIK und Unterricht am Krankenbett angeboten sowie wöchentliche Fallbesprechungen, in denen die Studierenden Krankheitsbilder und -verläufe aufarbeiten und ihrer Kleingruppe vorstellen. Dieses dezentrale Lehrangebot wird durch Vorlesungen und IDS ergänzt.

Letztere werden als zentrale Veranstaltungen mittels eines intelligenten Videokonferenznetzwerks umgesetzt, das eine stabile Übertragung zwischen speziell eingerichteten Videokonferenzräumen leistet. Die Räume sind mit mehreren Bildschirmen, Mikrofonen und Kameras ausgestattet, die unter anderem den jeweils Sprechenden optisch und akustisch erfassen können (speaker tracking). Das Netzwerk ermöglicht eine Interaktion, die mit Präsenzveranstaltungen weitgehend vergleichbar ist.

2.9. Prüfungen

Prüfungen finden am Ende jedes Semesters statt und bestehen aus schriftlichen und praktischen Teilen. Sie sind in einer vom Ministerium genehmigten Prüfungsordnung geregelt und orientieren sich an den Lernzielen, die von den jeweiligen Modulplanungsgruppen festgelegt wurden.

Die schriftlichen Prüfungen bestehen aus semesterbezogenen MC-Klausuren, deren Fragen in einem Reviewprozess generiert werden. Die jeweiligen Klausuren werden vom Assessmentbereich in Zusammenarbeit mit den Modulverantwortlichen zusammengestellt.

Die praktischen Prüfungen bestehen bis zum 7. Semester aus semesterbezogenen OSCE-Prüfungen (Objective Structured Clinical Examination) mit acht bis zehn Stationen, an denen praktische Fertigkeiten und Kommunikationsfertigkeiten geprüft werden, zum Teil unter Einsatz von Simulationspatienten. Die Stationen werden vom Assessmentbereich in Zusammenarbeit mit Lehrenden aus der Klinik entwickelt. Ein bis zwei OSCE-Stationen pro Semesterprüfung können auch als OSPE (Objective Structured Practical Examination) stattfinden, in denen Grundlagenfächer geprüft werden, z. B. als anatomischer Fähnchentest [16]. Im dezentralen Studienabschnitt erfolgt eine arbeitsplatz-bezogene klinische Prüfung in Kombination mit einer strukturierten mündlichen Prüfung in Anlehnung an die Prüfungsmodalitäten im dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung.

Gemäß Prüfungsordnung und Approbationsordnung erreichen die Studierenden nach Bestehen aller Prüfungen des 1.-5. Semesters das „Physikumsäquivalent“. Der zweite und dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung findet gemäß Approbationsordnung statt.


3. Ergebnisse

Eine abschließende Evaluation des BMM wird erst nach dem Durchlauf mehrerer Jahrgänge durch das gesamte Curriculum möglich sein, eine Wirksamkeit auf die ärztliche Versorgung in der Region erst nach vielen Jahren. Wir können hier daher nur auf einige aus unserer Sicht positive Entwicklungen und einige „Stolpersteine“ hinweisen.

Der BMM trifft auf die generellen Herausforderungen eines reformierten Curriculums. So muss bei vielen Lehrenden, die nur das traditionelle Studienmodell ihres eigenen Studiums kennen, Überzeugungsarbeit geleistet werden. Nach der Erfahrung der Autorinnen und Autoren müssen sich Fachvertreter häufig daran gewöhnen, dass sie nicht mehr ihren „gesamten“ Stoff in frontalem Unterricht vermitteln können, sondern darauf vertrauen müssen, dass die Studierenden diesen auch durch POL und Selbststudium erarbeiten. Auch ist es nach unserer Erfahrung eine Aufgabe des faculty development, Fachvertreter zu überzeugen, dass nur eine didaktische Stoffreduktion, z.B. durch exemplarisches Lernen, dem ständig anwachsenden Fachwissen gerecht wird und auch den Raum für das Erreichen anderer Studienziele gibt. Die für reformierte Studiengänge typische Zentralisierung der Curriculumsplanung und -koordination und die ungewohnte Konfrontation mit „Lehr-Experten“ außerhalb des eigenen Fachs führt gelegentlich auch zu dem Gefühl einer Beschneidung der „Freiheit der Lehre“. Diese zentrale Modulplanung und kontinuierliche Evaluation der Lehre sind jedoch erforderlich, um gerade angesichts der räumlich weit verteilten Lehrenden einen Standard sicherzustellen. Die MHB hat ein breit gefächertes Angebot zur medizindidaktischen Schulung aufgebaut, um Lehrende mit Lehrformaten wie POL, TRIK oder dem interdisziplinären Seminar sowie dem Unterricht im Rahmen virtueller Lehre vertraut zu machen. Insgesamt wurden seit Gründung der MHB 459 Ärztinnen und Ärzte geschult, davon 211 im POL-Teacher-Training. An den dezentralen Studienorten fanden bisher für 156 Teilnehmer/innen medizindidaktische Schulungen statt.

Eine MHB-spezifische Herausforderung ist die Verteilung eines Studiums über mehrere Standorte, die jeweils über eine Autostunde auseinanderliegen und nur schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden sind. Die Studierenden müssen mehrere Umzüge während des Studiums in Kauf nehmen während die Lehrenden oft längere Anfahrtswege zum Unterrichtsort haben. Für einige Veranstaltungen organisiert die Fakultät auch Fahrten der Studierenden (z.B. zum Präpariersaal, den es nur in Neuruppin gibt, oder für spezifische Fächer z. B. nach Bernau, Rüdersdorf, Dessau oder Senftenberg, siehe oben).

Eine weitere Herausforderung ist der Aufbau einer neuen Fakultät mit der Akquise und Ausstattung von Räumen und dem Aufbau einer Infrastruktur (Skills Lab, Hochschulbibliothek, IT-Service, Mensa, studentische Rückzugsräume).

Prinzipiell ist es gelungen, das Curriculum zu etablieren. Das Studienmodell wird insgesamt positiv wahrgenommen und die MHB hat bisher im Vergleich zu staatlichen Fakultäten [17] eine sehr geringe Dropout-Rate (im ersten Jahrgang bisher unter 5%) und ungebrochen hohe Bewerberzahlen. Positiv wirkt sich u.a. die persönliche Atmosphäre der Hochschule aus, die durch die niedrigen Studierendenzahlen entsteht. Alle Module und Lehrformate des BMM werden kontinuierlich durch einen zentral organisierten Evaluationsbereich evaluiert und die Evaluationsergebnisse zur Weiterentwicklung von Studienorganisation und Inhalten systematisch genutzt. Die umfangreiche studentische Evaluation erfragt für jedes Modul mit ca. 15 Items u.a. die Zeit für das Selbststudium, das Maß an Über- oder Unterforderung, den subjektiven Lernerfolg, die Zufriedenheit mit der Organisation, den Spaß und eine Gesamtbewertung. Außerdem wird jede einzelne Veranstaltung mithilfe einer 7-teiligen Likert-Skala bewertet und in Freitexten kommentiert. Die Evaluationsergebnisse werden in der Modulplanung des Folgejahres berücksichtigt und auch an die betreffenden Lehrenden zurückgekoppelt.

Insgesamt werden die Module im Durchschnitt bisher positiv evaluiert. So lag, um ein Beispiel zu nennen, die Gesamtzufriedenheit mit dem 6-wöchigen Modul „Hormone, Geschlechtsorgane, Sexualität“ im 5. Semester in den zwei bisherigen Durchläufen bei 81 bzw. 87%. Die Studierenden im Sommersemester 2017 wiesen in den Freitext-Kommentaren der Modulevaluation mehrfach auf eine ungleiche Verteilung des Lernstoffs innerhalb des Modul hin, mit teils überfordernd, teils unterfordernd empfundenen Modulwochen, sowie auf „zu ähnliche“ POL-Fälle. Dies wurde bei der Planung für 2018 insofern berücksichtigt, als die Inhalte anders über die Modulwochen verteilt und POL-Fälle ausgetauscht wurden. Dies wurde in der Evaluation des letzten Durchgangs anerkannt, die entsprechenden Items der Evaluation „Ich bin zufrieden mit der organisatorischen Koordination der Veranstaltungen“ und „Ich bin zufrieden mit der inhaltlichen Abstimmung der Veranstaltungen auf das POL-Thema der Woche“ stiegen von 4.1 (MW, SD 1.38) bzw. 3.8 (MW, SD 1.85) auf 5.1 (MW, SD 1.56) bzw. 5.6 (MW, SD 1.1). Mit diesem schnellen Reagieren auf Evaluationsergebnisse konnte bisher erreicht werden, dass die Studierenden der MHB das Studium überwiegend sehr positiv wahrnehmen. Nicht zuletzt betonen sie in ihrem Youtube-Beitrag zu den „Medimeisterschaften“ 2018 ausdrücklich: „Unser Studienmodell ist allererste Sahne“ [18].

Es liegen naturgemäß noch keine Staatsexamens-Ergebnisse zum Vergleich mit anderen Fakultäten vor. Die bisherigen Resultate im Progresstest [19], an dem die MHB-Studierenden jedes Semester teilnehmen, zeigen jedoch einen anderen Modellstudiengängen vergleichbaren Wissenszuwachs. Bis einschließlich 5. Semester liegen die beiden ersten Kohorten im oder über dem Durchschnitt aller teilnehmenden Fakultäten.


4. Diskussion und Schlussfolgerung

Bereits seit geraumer Zeit gibt es Bestrebungen, das Medizinstudium in Deutschland zu reformieren, und zwar auf Grund sich verändernder Gegebenheiten in den Bereichen Demographie, Wissenszuwachs in den Lebenswissenschaften und damit einhergehenden neuen Diagnostik- und Therapieansätzen, aber auch in Bezug auf die Digitalisierung in der Medizin und dem daraus resultierenden Umgang mit dem (online) informierten Patienten. In diesem Kontext gab der Wissenschaftsrat 2014 seine Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums heraus [20], welche auf der Basis bestehender Modellstudiengänge erarbeitet wurden. Im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde neben diesen und weiteren von Fachgesellschaften, Verbänden und der Studierendenschaft eingebrachten Vorschlägen 2017 der Beschlusstext „Masterplan Medizinstudium 2020“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung verfasst [21].

Dieser sieht insbesondere eine Reform hinsichtlich der Erhöhung des Praxisbezuges und eine verbesserte Verzahnung vorklinischer und klinischer Ausbildungsinhalte vor, aber auch die Stärkung der Allgemeinmedizin sowie kommunikativer, sozialer und wissenschaftlicher Kompetenzen, und verfolgt das Ziel einer Patienten-orientierten, interdisziplinären und interprofessionellen Ausbildung. In der Konzeption des Brandenburger Modellstudiengangs Medizin haben wir die geforderten Maßnahmen zu einem Großteil bereits umgesetzt und bilden unsere Studierenden gemäß diesen Reformvorgaben aus.

Die besonderen Bedarfe des Gesundheitswesens im Flächenland Brandenburg werden sowohl durch die frühzeitige Einbindung hausärztlicher und niedergelassener Facharztpraxen im Rahmen des Praxistages zwischen dem 2. und 5. Fachsemester als auch in der Ausgestaltung des Curriculums des dezentralen Studienabschnittes mit dem Netzwerk der kooperierenden Kliniken spezifisch adressiert. So lernen die Studierenden über die beiden Hochschulstandorte hinaus diverse potentielle Arbeitsorte im Land Brandenburg kennen, wodurch eine positive Auswirkung auf die spätere Berufsausübung und Niederlassung erreicht werden soll. Ähnliche „Klebeeffekte“ wurden bereits in Absolventenbefragungen beschrieben [3], [4]. Gestützt werden diese Bemühungen durch die persönliche Atmosphäre zwischen Lernenden und Lehrenden sowie den engen Kontakt der Studierenden mit klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten, die so im Laufe des Studiums zu Vorbildern und Mentoren werden. Da die Medizin des Alterns sowie die Versorgungsforschung Forschungsschwerpunkte der MHB bilden, finden auch im Wissenschaftspraktikum und dem zugehörigen wissenschaftlichen Curriculum die Belange des vom demographischen Wandel betroffenen Land Brandenburg Berücksichtigung. Somit ist der Brandenburger Modellstudiengangs Medizin unseres Wissens der erste Studiengang in Deutschland, der es sich zentral zur Aufgabe macht, die ärztliche Versorgung in ländlichen Regionen zu verbessern. An der Erfüllung dieser Aufgabe werden wir uns langfristig messen lassen müssen.


Interessenkonflikt

Die Autorinnen und Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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Schwörer B, Wissing F. Medizinische Studienangebote privater Träger in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. 2018;61(2):148-153. DOI: 10.1007/s00103-017-2667-x Externer Link
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