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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Simulationspatienten in der Medizinischen Ausbildung – Eine Umfrage zum IST-Stand in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Artikel Simulationspatienten

  • corresponding author Michael Sommer - Technische Universität Dresden, Medizinisches Interprofessionelles Trainingszentrum (MITZ), Dresden, Deutschland
  • author Angelika Hiroko Fritz - Universität Duisburg-Essen, Medizinische Fakultät, Simulations-Patienten-Programm, Essen, Deutschland
  • author Christian Thrien - Universität zu Köln, Kölner Interprofessionelles Skills Lab und Simulationszentrum KISS, Köln, Deutschland
  • author Angelika Kursch - Medizinische Hochschule Hannover, Forschungs- und Lehreinheit Med. Psychologie, Hannover, Deutschland
  • author Tim Peters - hsg Bochum, Department für Pflegewissenschaft, Bochum, Deutschland

GMS J Med Educ 2019;36(3):Doc27

doi: 10.3205/zma001235, urn:nbn:de:0183-zma0012357

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001235.shtml

Eingereicht: 16. November 2018
Überarbeitet: 14. Februar 2019
Angenommen: 15. März 2019
Veröffentlicht: 16. Mai 2019

© 2019 Sommer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) sind Simulationspatientinnen und Simulationspatienten (SPs) seit Jahren eine feste Größe und werden in Lehre und Prüfungen eingesetzt. Im Rahmen laufender methodischer Standardisierungsbestrebungen und um aktuelle wie künftige Fakultäts- und Curriculumentwicklungen zu unterstützen, arbeitet die explorative Studie systematisch auf, wie und unter welchen Rahmenbedingungen SPs im deutschsprachigen Raum aktuell eingesetzt werden.

Methodik: Der in Kooperation mit dem Ausschuss Simulationspatienten der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung entwickelte Onlinefragebogen umfasst 58 Fragen zu den Kategorien Organisation und Administration, Größe und Ausgestaltung des SP-Pools, Rahmenbedingungen und Mindeststandards bei den Einsätzen der SPs. Alle Medizinischen Fakultäten aus Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz wurden zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen. Die Daten wurden anschließend deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: 38 Antworten von 45 Fakultäten flossen in die Auswertung der Umfrage ein (Rücklaufquote: 84,4%). Die meisten SP-Programme sind an den Studiendekanaten sowie Skills Labs bzw. Trainingszentren angegliedert und durch Haushaltsmittel der Fakultäten finanziert. Sowohl der Stellenumfang in den SP-Programmen als auch die Qualifikation der dortigen Mitarbeitenden fallen sehr unterschiedlich aus. Gleiches gilt für die Anzahl und den Altersdurchschnitt der eingesetzten SPs. Im Mittel werden an jeder Fakultät 1290 SP-Einsatzstunden pro Jahr geleistet (min.=45; max.=6500). Die Mehrheit der SPs wird zusammen mit Dozierenden in Lehrveranstaltungen eingesetzt. An allen Standorten geben SPs den Studierenden Feedback. Diesem liegt immer ein einheitlicher Standard zugrunde. Alle SPs erhalten Schulungen, die überwiegend Rollen- und Feedbacktrainings sind.

Diskussion: Es existiert eine große gelebte Vielfalt bei den SP-Programmen im deutschsprachigen Raum. Während es wenige klare Gemeinsamkeiten gibt (z.B. Feedback der SPs), werden viele organisatorische und methodische Aspekte unterschiedlich gehandhabt. Dies erlaubt zwar Innovation und Flexibilität, schwächt aber gleichzeitig die didaktische Methode SP in ihrer Standardisierung und damit in der Vergleichbarkeit der Qualität. Gerade bei wissenschaftlichen und fakultätsinternen Diskussionen und mit Blick auf den Einsatz von SPs in high-stakes-Prüfungen ist eine gewisse Standardisierung und eine methodisch hohe Qualität allerdings von großer Bedeutung, an der in Zukunft gearbeitet werden muss.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung, Medizinstudium, Simulationspatienten, SP-Programm, standardisierte Patienten


1. Einleitung

Simulationspatientinnen und Simulationspatienten (SPs) sind im nationalen wie internationalen Gesundheitswesen ein etablierter Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die speziell geschulten (Laien-)Schauspielerinnen und Schauspieler übernehmen in glaubwürdiger Weise [1] die Rolle von Patientinnen und Patienten sowie anderer Akteure des Gesundheitssystems, um Übungs- und Prüfungsszenarien in der Lehre zu ermöglichen [2]. Entwickelt von Howard Barrows in den 1960er Jahren zunächst für den Neurologieunterricht [3], wird die Methode heute weltweit in der ganzen Breite der Gesundheitsberufe und darüber hinaus eingesetzt [4]. Nicht zuletzt ist die große Verbreitung in der medizinischen Lehre auf die methodischen Vorteile von SPs zurückzuführen, die in der Literatur breit beschrieben sind [5]. Sie umfassen unter anderem die flexible zeitliche Verfügbarkeit, die Wiederholbarkeit und Planbarkeit von Darstellungen, die Möglichkeit reliable Prüfungen durchführen zu können sowie die ethische Vertretbarkeit der SP-Einsätze auch bei schwierigen Themen [6], [7], [8], [9].

Im deutschsprachigen Raum wurden SPs vereinzelt seit den 80er Jahren, regelmäßig und in größerem Umfang aber erst ab dem Jahr 2000 eingesetzt [5], [10], [11], [12]. Seitdem sind sie als didaktisches Element in Lehre und Prüfung in vielen Bereichen fest verankert und die Zahl der Simulationspatientenprogramme in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) hat stetig zugenommen. Durch die geplante oder schon durchgeführte Integration in die medizinischen Abschlussprüfungen gewinnen Simulationspatientinnen und Simulationspatienten weiter an Bedeutung und mit ihnen auch die Fragen nach der institutionellen Verankerung und der konkreten methodischen Umsetzung an den verschiedenen Standorten [13], [14].

Bereits im Jahr 2004 erhoben Fröhmel et al. die Einbindung von Simulationspatientinnen und Simulationspatienten in die medizinische Ausbildung [10]. Damals gaben 13 von 30 antwortenden Fakultäten an, mit SPs zu arbeiten. Da die Befragung sich nur auf Deutschland bezog und die Daten bereits über zehn Jahre alt sind, stellte sich die Frage, wie die bestehenden SP-Programme in der gesamten DACH-Region aktuell aufgestellt sind und wie genau sie mit der Methode SP arbeiten. Daher wurde beschlossen, den Ist-Zustand der SP-Programme mittels einer explorativen Studie zu erheben. Diese Studie war zudem eine wesentliche Grundlage für die Erarbeitung des Positionspapieres „Mindeststandards und Entwicklungsperspektiven beim Einsatz von Simulationspatientinnen und Simulationspatienten“ [15].


2. Methodisches Vorgehen

Für die Erfassung der Daten wurde 2016 eine elektronische Umfrage durchgeführt. Analog zur Studie von Fröhmel et al. [10] wurde mit einem standardisierten Fragebogen gearbeitet. Dieser wurde von den Autorinnen und Autoren in einem mehrstufigen Prozess erarbeitet und orientiert sich an den Maßgaben von Döring und Bortz [16]. Als Pretest wurde das Erhebungsinstrument in offenen Workshops mit SP-Expertinnen und -Experten auf der GMA-Tagung 2015 in Leipzig sowie dem Internationalen Skills-Lab Symposium 2016 in Essen kritisch diskutiert sowie die face validity überprüft. Daraufhin wurden unverständliche bzw. missverständliche Formulierungen beseitigt. Der finale Fragebogen bestand aus 58 Einzelfragen zu den Themen:

  • Organisation des SP-Programmes
  • Ausgestaltung des SP-Pools
  • Vorhandene Rahmenbedingungen
  • Mindeststandards beim Einsatz von SPs

Der Fragebogen umfasste sowohl Multiple-Choice-Fragen als auch mehrere Freitextbereiche, da eine große Diversität an den Fakultäten vermutet wurde. Der Pretest ergab die Empfehlung, den Fragebogen anonym zu gestalten und auf die Abfrage der Fakultätszugehörigkeit zu verzichten. Dieser Aspekt sowie personelle Ressourcen schlossen eine qualitative Erhebung (z.B. Telefoninterviews) aus.

Der Versand des Fragebogens erfolgte am 27. April 2016 an alle 45 Medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum. Dabei wurde der Link zum Fragebogen per E-Mail entweder direkt an die schon bekannten SP-Programme oder an die Studiendekanate bzw. andere zentrale Lehreinrichtungen versandt. Die Empfängerinnen und Empfänger der Umfrage wurden im Anschreiben darauf hingewiesen, pro SP-Programm nur einmal den Fragebogen auszufüllen (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Die Umfrage wurde im August 2016 abgeschlossen. Die Realisierung der Befragung erfolgte über das Online-Tool EvaSys. Anschließend wurden die Daten deskriptiv aufbereitet. Für die Auswertung von einigen offenen Fragen wurde ein Clusteringverfahren gewählt, um die heterogenen Antworten zu kategorisieren. Hierfür wurden die Antworten von allen Autorinnen und Autoren getrennt gesichtet, Kategorien gebildet und die Ergebnisse abschließend in einem Konsensprozess zusammengeführt.


3. Ergebnisse

Insgesamt wurde der Fragebogen 38 Mal beantwortet. Es lässt sich nicht ausschließen, dass von einer Fakultät mehrere Antworten vorliegen. Die Sichtung der Daten ergab allerdings, dass sich keine Datensätze auffallend über mehrere Items hinweg ähneln. Unter der Annahme, dass von keiner der 45 Medizinischen Fakultäten während der Umfragephase eine doppelte Antwort vorliegt, ergibt sich eine Rücklaufquote von 84%. Die meisten Antworten stammen von Mitarbeitenden deutscher Fakultäten (32). Aus der Schweiz kamen fünf Rückmeldungen und aus Österreich eine. Alle Antwortenden gaben an, dass an ihrer Fakultät mindestens ein SP-Programm vorhanden ist. 31,6% der Befragten sagten, dass es an ihrer Fakultät mehrere SP-Programme gibt. Im Durchschnitt werden an den antwortenden Fakultäten 1290 SP-Einsatzstunden pro Jahr durchgeführt (min.=45; max.=6500).

3.1. Organisation der SP-Programme

Die SP-Programme sind institutionell unterschiedlich angegliedert. Die meisten gehören organisatorisch zum Studiendekanat/Referat Lehre und/oder zum Skills-Lab/Trainingszentrum (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Teilweise sind SP-Programme an mehrere Struktureinheiten angebunden.

Auf die offene Frage, aus welchen Mitteln das SP-Programm an ihrem Standort finanziert wird, antworteten 25 Befragte. Am häufigsten wurden Haushaltsmittel der Fakultät als Finanzierungsgrundlage angegeben (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Aufgrund vieler Begriffsähnlichkeiten (z.B. „Studiengebühren“ und „Studienzuschüsse“) ist zu vermuten, dass oft ein anderer Begriff angegeben wurde, aber damit das Gleiche gemeint ist. Mehrfachnennungen waren möglich.

Nahezu in jedem Jahr seit 2002 wurde ein SP-Programm im deutschsprachigen Raum neu gegründet. Die meisten SP-Programme der Befragten wurden zwischen 2004 und 2009 etabliert (22). An einer Fakultät wird bereits seit 1980 mit SPs gearbeitet.

Die Studierendenzahlen an den Fakultäten streuen stark. Die „kleinste“ antwortende Fakultät immatrikuliert 160 Studierende pro Jahr, die größte 660 Studierende (MW=316).

81% der Befragten gaben an, dass das SP-Programm an ihrer Fakultät fest etabliert ist. Allerdings sagten nur 61% der Befragten, dass es an ihrem Standort Verantwortliche gibt, die explizit für das SP-Programm angestellt sind.

Insgesamt machten 30 Befragte Angaben zum Stellenumfang in ihrem SP-Programm. Die Werte liegen zwischen 0,5 bis 124 Arbeitsstunden pro Woche für das SP-Programm (SD=29,9 h). Der Mittelwert des Stellenumfanges pro SP-Programm liegt bei 38,1 Stunden.

Laut den Befragten sind in den SP-Programmen hauptsächlich Psychologinnen und Psychologen (22%) sowie Ärztinnen und Ärzte (20%) beschäftigt. Des Weiteren sind Pflegende, Beschäftige aus der Theaterpädagogik, der Sprech- und Sprachwissenschaft, der Archäologie, dem Schauspielberuf sowie Lehrkräfte für Gesundheitsberufe als Mitarbeitende vertreten. 18% der Befragten sagten, dass für ihr SP-Programm Personen für die Koordination und Teamassistenz tätig sind. 65% der Befragten gaben an, dass die Mitarbeitenden des SP-Programmes an ihrem Standort spezielle Fortbildungen für ihre Tätigkeit erhalten. Dies sind vor allem SP-Trainer-Lehrgänge (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Darüber hinaus haben die Mitarbeitenden an den SP-Programmen sehr heterogene sonstige Qualifikationen, beispielsweise aus den Bereichen: Schauspiel, Psychodrama, Heilpraktiker, systemische Beratung, Psychotherapie, Master of Medical Education, Kommunikationstraining, Supervision, Clownerie.

Laut den Angaben der Befragten arbeiten an jedem SP-Programm durchschnittlich 3,5 studentische Hilfskräfte (min.=0; max.=40). Das Gesamtstundenkontingent der studentischen Hilfskräfte pro SP-Programm reicht von 0 bis 44 Wochenstunden. Die meisten studentischen Hilfskräfte sind mit Dateneingabe (34%), Tutorentätigkeit (32%) und Erstellung von Lehrmaterialien (29%) beschäftigt. Des Weiteren übernehmen sie unter anderem folgende Aufgaben: Organisation/Koordination, Konzeption von Lehrveranstaltungen, Abrechnung und Öffentlichkeitsarbeit.

3.2. Angaben zu den eingesetzten SPs

47% der Befragten sagten, dass die SPs aus ihrem SP-Programm auch in anderen Fachgebieten (z.B. Zahnmedizin, Krankenpflege, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften) eingesetzt werden und 71% der Befragten gaben an, dass die SPs auch in der Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten oder Beschäftigten anderer Gesundheitsberufe zum Einsatz kommen.

Die SP-Programme der antwortenden Fakultäten beschäftigen durchschnittlich 61 SPs (min.=8; max.=260). Die Altersspanne der eingesetzten SPs reicht von 6 bis 89 Jahren. 71% der Befragten gaben an, dass ihre SPs einen Vertrag erhalten.

3.3. Rahmenbedingungen beim Einsatz von SPs

SPs werden an den befragten Fakultäten in nahezu allen Fachbereichen mit Patientenkontakt eingesetzt; am häufigsten in der Psychosomatik und der Inneren Medizin (jeweils 58%), gefolgt von Medizinischer Soziologie und Psychologie (50%) sowie Psychiatrie und Chirurgie (jeweils 47%).

Die meisten Befragten (95%) gaben an, dass die SPs an ihrem Standort zusammen mit den Lehrenden eingesetzt werden, wobei 55% der Befragten auch einen Einsatz der SPs zusammen mit studentischen Tutoren sowie 13% den Einsatz der SPs allein mit den Studierenden bejahten. Hierbei waren Mehrfachnennungen möglich. Dazu passt, dass 8,1% der Befragten angaben, dass die SPs an ihrer Fakultät auch die Rolle von Lehrenden übernehmen.

An allen Fakultäten, von denen Antworten eingingen, werden SPs in Simulationen als Patientinnen und Patienten mit Fokus auf Kommunikation eingesetzt. Weitere Arten des Einsatzes sind z.B. Kommunikation als Angehörige (79%), Produktion von (Lehr-)Filmen und körperliche Untersuchung mit Rollenskript (jeweils 71%).

In Lehrsituationen geben die SPs an allen antwortenden Fakultäten Feedback; in Prüfungssituationen jedoch nur zu 21%. Alle Befragten gaben an, dass dem Feedback der SPs immer einheitliche Standards zugrunde liegen (z.B. WWW-Prinzip: Wahrnehmung – Wirkung – Wunsch).

61% der Befragten sagten, dass es in ihrem SP-Programm klar formulierte Maßnahmen zum Schutz von SPs gibt. Eine Kategorisierung der angegebenen Schutzmaßnahmen befindet sich in Tabelle 3 [Tab. 3].

Wenn eine Vergütung an die SPs gezahlt wird, so liegt diese im Bereich von 5-75 Euro (6-80 CHF) pro Stunde. Die einzelnen SP-Programme staffeln sehr heterogen ihre Vergütungssätze, u.a. nach folgenden Kriterien:

  • Schwierigkeit der Rolle
  • Anzahl der von einer/m SP gespielten Rollen
  • Dauer der Zugehörigkeit zum SP-Programm
  • Einsatz mit/ohne Feedback
  • Gesprächsführung/körperliche Untersuchung
  • Anreiseweg der SPs
  • Art des Einsatzes (Training/Prüfung/Lehre/Lehrfilmproduktion/Fotoshooting)

11% der Antwortenden sagten, dass es an ihrer Fakultät SPs gibt, die ehrenamtlich im Einsatz sind. Fünf Antwortende gaben an, dass ihr SP-Programm Reisekosten vergütet.

Die Administration der SPs läuft an 63% der antwortenden Fakultäten softwaregestützt, wobei vor allem Microsoft Access und Excel sowie SimPat und das Item Management System (IMS) genutzt werden.

Um die Simulationen authentisch zu gestalten, nutzen 70% der antwortenden SP-Programme halbdurchsichtige Scheiben und 54% spezielle Simulationsräume (vor allem ärztliche Praxisräume, Behandlungs- oder Patientenzimmer). Zwei Antwortende gaben an, dass für die Simulationen eine Intensivstation nachgebildet wurde. Eine Fakultät nutzt eine nachgebildete zahnärztliche Praxis. 58% der Befragten gaben an, dass sie Schminke einsetzen (z.B. zur realistischen Unfalldarstellung).

3.4. Mindeststandards beim Einsatz von SPs

Alle 38 Antwortenden gaben an, dass an ihrer Fakultät ein geregeltes Verfahren zur Einstellung von SPs genutzt wird. Dabei werden an den Fakultäten unterschiedliche Prioritäten gesetzt (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]). Mehrfachnennungen waren möglich.

Alle 38 Antwortenden sagten, dass die an ihrer Fakultät arbeitenden SPs Schulungen erhalten. Dies sind vor allem Rollen- und Feedbacktrainings (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]).

17 der 38 Antwortenden gaben an, dass sie Instrumente einsetzen, um die Qualität von SP-Einsätzen und SP-Feedback zu messen (siehe Tabelle 6 [Tab. 6]). Durch Mehrfachnennungen kann es hier zu Überschneidungen kommen.


4. Diskussion

Die Befragung hatte zum Ziel, einen Überblick über den Ist-Zustand der Rahmenbedingungen und Arbeitsgrundlagen der SP-Programme im deutschsprachigen Raum zu erlangen. Von den 45 angefragten Medizinischen Fakultäten erhielten wir 38 Antworten. Somit ermöglicht die hohe Rücklaufquote eine gute Aussagekraft. Auch lässt die Analyse der Datensätze den Schluss zu, dass jeder Datensatz für ein anderes SP-Programm spricht, selbst wenn mehrere Antworten von einer Fakultät eingegangen sind (mehrere SP-Programme an einer Fakultät).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle antwortenden Medizinischen Fakultäten mindestens über ein SP-Programm verfügen und dass SPs in der Lehre (mit Fokus auf Kommunikation und körperlicher Untersuchung) und in Prüfungen eingesetzt werden. Zudem zeigen die hohen Einsatzstunden pro Jahr, dass der Einsatz von Simulationspatientinnen und Simulationspatienten keine Ausnahmeerscheinung darstellt, sondern ein fest etablierter Bestandteil mit einer hohen Lehrleistung innerhalb des Medizinstudiums ist. Darüber hinaus werden SPs an der Hälfte der antwortenden Fakultäten auch in anderen Ausbildungsbereichen als der Humanmedizin eingesetzt (z.B. Zahnmedizin oder Gesundheits- und Krankenpflege), was den didaktischen Wert der SP-Methode verdeutlicht.

Gleichwohl wird die Methode SP an den Standorten sehr unterschiedlich gelebt bzw. umgesetzt. Dies wird deutlich an der Anzahl der SP-Einsätze, der Verankerung in der Lehre und damit auch der Größe der SP-Programme, die stark variieren. Die institutionelle Verortung der SP-Programme, überwiegend in den Studiendekanaten und Skills Labs der Fakultäten, sowie die Tatsache, dass viele Fachbereiche mit Patientenkontakt mit SPs arbeiten, lässt vermuten, dass sich eine fakultätsinterne Entwicklung der Curricula zu mehr praktischer sowie simulierter Ausbildung und Prüfung etabliert hat und dass mit SP-Programmen in der Lehre derzeit fest geplant wird. Dies zeigt sich auch darin, dass die SP-Programme zum großen Teil über Haushaltsmittel der Fakultäten finanziert werden.

Gleichzeitig weisen die sehr unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse der fest angestellten Mitarbeitenden in den SP-Programmen darauf hin, dass sehr heterogen gearbeitet und möglicherweise in Einzelfällen nicht immer ausreichend institutionell unterstützt wird. Dies wird in den Bereichen Arbeitsstunden, Tätigkeiten und Qualifikationsmaßnahmen deutlich sichtbar. So werden beispielsweise von allen Antwortenden Instrumente der Qualitätssicherung genannt, z.B. Schulungen für die SPs und Weiterbildungen für die Mitarbeitenden, jedoch geben nur 61% der Befragten an, dass Verantwortliche explizit für den Aufgabenbereich Simulationspatientenprogramm eingestellt wurden, was eine Fokussierung und eine langfristige professionelle Qualitätssicherung erschwert. Die erhobenen Daten lassen vermuten, dass an vielen Medizinischen Fakultäten das SP-Programm von Mitarbeitenden koordiniert wird, die eigentlich eine Arbeitsstelle in einem anderen Fachbereich haben.

Es zeigt sich, dass eine Ausbildung von SPs (z.B. in den Bereichen Darstellung und Feedback) überall stattfindet und dass gewisse Elemente, wie zum Beispiel das Feedbackgeben durch SPs, zu einem Standard in Lehrsituationen geworden sind. In Prüfungen mit SPs (z.B. OSCE) ist nur an jeder vierten antwortenden Fakultät ein Feedback von SPs vorgesehen. Vermutlich verhindern die eng getakteten Prüfungsabläufe die Einbindung von SP-Feedback oder es besteht Uneinigkeit darüber, wie mit dem Einfluss der Feedbackgabe auf die Objektivität der Prüfung umzugehen ist.

Die meisten SPs erhalten für ihre Tätigkeit eine Entlohnung – auch wenn diese sehr unterschiedlich ausfällt. Es ist kritisch zu bewerten, dass 11% der antwortenden Fakultäten SPs ehrenamtlich beschäftigen. Aus Sicht der Autorinnen und Autoren wird dies nicht dem hohen zeitlichen und emotionalen Aufwand sowie den Qualitätsanforderungen an Rollendarstellung und Feedback der SPs gerecht. Gleiches gilt für SPs, die ein Honorar erhalten, welches unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegt.

Gleichzeitig sind die genaue Ausgestaltung der SP-Programme sowie die genutzten Maßstäbe oder Vorgaben für Aspekte der SP-Einsätze sehr heterogen, insbesondere im Bereich Mindeststandards und Qualitätssicherung. Die Standorte scheinen unabhängig voneinander Kriterien und Prozesse entwickelt zu haben, die im Rahmen dieser explorativen Studie quantitativ kaum zu fassen sind.

Hier zeigt sich nach Sicht der Autorinnen und Autoren zugleich die Stärke und Schwäche der SP-Programme in der DACH-Region: Es existiert eine große gelebte Vielfalt der Methode SP in der medizinischen Lehre. Dies erlaubt je nach Standort und den individuellen Bedürfnissen flexible Einsätze und öffnet Innovationen und Weiterentwicklungen die Tür. Mag dies in organisatorischen Belangen noch akzeptabel sein, so führt es aber spätestens bei der Qualifikation der SPs und den methodischen Rahmenbedingungen für ihre Einsätze zu Schwierigkeiten, sofern Mindeststandards nicht eingehalten werden. So sehr sich verschiedene andere Lehr- und Prüfungsformen (z.B. OSCE) in den letzten Jahren um eine methodische Schärfung und Profilierung bemüht haben, so scheint es bei der Arbeit mit SPs eher heterogene Professionalisierungsansätze zu geben. Überspitzt gesagt: Wenn jeder Standort die Methode SP beliebig umsetzen kann, was macht die Methode dann eigentlich noch aus? Und was ist ihre wissenschaftlich fundierte Basis, die sie braucht, gerade wenn sie in Prüfungen oder gar in Abschlussprüfungen eingesetzt wird? Aufgrund dieser Fragen haben sich die Autorinnen und Autoren der explorativen Studie mit Mindestanforderungen und Entwicklungsperspektiven von SP-Programmen beschäftigt und diese in einem Positionspapier publiziert [15].

Künftige Arbeiten werden zeigen müssen, wie einerseits eine gelebte Vielfalt beibehalten und andererseits die Methode SP gleichzeitig qualitativ geschärft werden kann, um sie damit für den Einsatz in high-stakes-Prüfungen „fit“ zu machen.


5. Limitationen

Um die Vielfalt der Realität der SP-Programme zu erfassen, wurde eine explorative Studie mit einer entsprechend hohen Zahl offener Fragen durchgeführt. Gleichwohl sind quantitative Daten z.B. über die Qualifikationen der SP-Verantwortlichen oder die Finanzierungsformen von Interesse. In einigen Fällen gestaltete sich die Auswertung schwierig, da frei formulierte Antworten nicht eindeutig klassifizierbar waren. Aus diesem Grund lassen sich nur bedingt aussagekräftige Zahlen generieren.

Aus Österreich erhielten wir nur eine Antwort, so dass hier nicht von einer Repräsentativität für dieses Land gesprochen werden kann. In der Schweiz wurden nur die deutschsprachigen Fakultäten in die Umfrage eingeschlossen, was eine Übertragbarkeit auf die gesamte Schweiz in Frage stellt. Es kann nicht eindeutig festgestellt werden, ob unter den Fakultäten, von denen wir keine Antwort erhielten, auch solche ohne SP-Programm vorhanden sind.

Durch die Rückmeldungen von Fachkolleginnen und Fachkollegen bei einem Workshop zur Umfrage auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung in Bern 2016 wurde deutlich, dass die Fragen „Gibt es klar formulierte Maßnahmen zum Schutz von SPs?“ sowie „Welche Maßnahmen zum Schutz von SPs benutzen Sie? (Bsp.: SPs spielen am Tag maximal 3x hintereinander eine Rolle)“ sehr unterschiedlich verstanden wurden. Zum einen gab es Differenzen im Verständnis des Begriffs „Maßnahmen“ und zum anderen wurde unterschiedlich aufgefasst, was „klar formuliert“ zu bedeuten hat. Ähnlich verhielt es sich bei der Frage nach der genutzten Software zur Administration der SPs. Da 37% der Antwortenden angaben, keine Software zu nutzen, vermuten die Autorinnen und Autoren, dass die Frage nach der Software sehr unterschiedlich verstanden wurde und teilweise nur auf spezielle SP-Software bezogen wurde.

Weitere Untersuchungen sollten dem Umstand Rechnung tragen, dass in der DACH-Region seit einiger Zeit auch SP-Programme an anderen Bildungseinrichtungen (z.B. Ausbildungszentren für Pflegeberufe oder Physiotherapie) vorhanden sind. Die vorliegende Arbeit bezieht sich nur auf SP-Programme an medizinischen Fakultäten.


Danksagung

Unser herzlicher Dank gilt allen Personen und Standorten, die sich an der Umfrage beteiligt haben. Zudem danken wir den Mitgliedern des GMA-Ausschusses Simulationspatienten für die konstruktive Mitarbeit am Fragebogen.


Anmerkung

Der Ausschuss „Simulationspatienten“ der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) wurde im Februar 2019 in Ausschuss „Simulationspersonen“ umbenannt. In diesem Text wird noch die alte Bezeichnung verwendet, da der Artikel vor der Umbenennung eingereicht wurde


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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