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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Medizin-Vorlesungen Upgraded: 11 Tipps aus der Welt der Comedy

Kommentar Vorlesungen

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GMS J Med Educ 2019;36(3):Doc23

doi: 10.3205/zma001231, urn:nbn:de:0183-zma0012313

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001231.shtml

Eingereicht: 6. November 2018
Überarbeitet: 28. Januar 2019
Angenommen: 22. März 2019
Veröffentlicht: 16. Mai 2019

© 2019 Unteregger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Wir sind der Meinung, dass medizinische Vorlesungen durch Comedy-Techniken verbessert werden können. Grundlegendes Ziel ist es, Lerninhalte zu vermitteln. Das gelingt, wenn die Vortragenden Spaß haben und die Zuhörenden unterhalten. Beim Vorbereiten der Präsentation sollten die Vortragenden eine Storyline entwickeln, ihr Publikum (positiv) überraschen, unerwartete Objekte zur Illustration vorbereiten, und mehrere Probevorträge halten. Während der Präsentation sollten die Vortragenden Selbstironie wagen, Emotionen ansprechen, sachlich und präzise bleiben, ihrem Publikum dienen, sich kurz halten, und verblüffende Anfangs- und Schlussstatements abgeben. Medizinische Vorlesungen sollten beides sein: informativ und unterhaltsam.

Schlüsselwörter: Vortrag, Humor, Lernerfolg, Publikum, Techniken


Einleitung

Comedy ist eine Form von Unterhaltung, um Menschen zum Lachen zu bringen [https://www.collinsdictionary.com/dictionary/english/comedy]. Comedians verfeinern ihr „Material“ über Dutzende von Shows. Am Ende überleben nur die besten Pointen, die gut eingebettet sind in eine passende Storyline. Einiges von dem was gute Comedy ausmacht, kann direkt auf medizinische Vorträge übertragen werden.

Das Ziel dieses Artikels ist es, medizinische Vortragende zu ermutigen und zu ermächtigen, angemessenen Humor in Präsentationen einzubauen [1], [2], [3], [4] und effektive Techniken aus der Comedy zu nutzen. Es besteht jedoch keineswegs die Absicht, Vortragende in Comedians zu verwandeln. Manche Techniken, wie witzige Geschichten, lustige Kommentare, gute und adäquate Witze und Berufshumor funktionieren besonders gut im Lehrkontext [5]. Positive Effekte von Humor im Bildungszusammenhang sind allgemein anerkannt [5], [6], [7]. „Angemessener Humor hat das Potenzial die Menschlichkeit zu steigern, zu illustrieren, zu entschärfen, zu ermutigen, Ängste zu reduzieren und die Leute beim Denken zu halten“ [5].

Die 11 Comedy-Tipps, die hier beschrieben werden, klingen einfach. In der Realität jedoch braucht es Übung und Mut diese anzuwenden. Die Autoren vermuten, dass die Anwendung von wenigen dieser Tipps bereits dazu führen wird, dass mehr Studierende Ihren Vorträgen folgen werden.


Tipps

Der erste Tipp ist die Grundlage jeder Präsentation
1. Unterhalte

Vorlesungen und Präsentationen sind einmalige Gelegenheiten, um unterhaltsame Momente für sich und die Zuhörenden zu gestalten [8]. Beobachten Sie, wie viel Spaß gute Redner während ihren Präsentationen haben. Wenn wir etwas gerne tun und mit einer positiven Haltung angehen, tun wir es in der Regel besser [9], [10]. Es ist einfach angenehmer, jemandem zuzuhören, der gerne präsentiert.

Folgende Tipps helfen Ihnen bei der Vorbereitung der Präsentation
2. Erzähle eine Geschichte (Storyline)

Erzählen Sie eine Geschichte [11], [12], [13], [14], [15]. Es ist mit Abstand am wirkungsvollsten, eine persönliche Geschichte mit Bezug zum Vortragsthema zu erzählen. Zusätzlich schätzen es die Zuhörenden, das Programm bzw. den Ablauf des Vortrages zu kennen [16]. Es ist Tatsache, dass wir „nie müde sind, wenn wir nur weit genug sehen können“ [https://www.brainyquote.com/quotes/ralph_waldo_emerson_397102]. Um die Spannung für eine Pointe aufzubauen, wird bei der Comedy zuerst der Kontext erläutert. Nur in solch einem vorher definierten Szenario können Pointen ihre volle Kraft entfalten. In akademischen Kontexten sollten Sie Ihren Zuhörenden mitteilen, wie Sie in den jeweiligen Forschungsbereich gekommen sind, welche glücklichen Zufälle zu einer besonderen Entdeckung führten oder was Sie immer und immer wieder frustriert hat. Je konkreter Sie Ihre Geschichte erzählen, desto besser.

3. Überrasche die Zuhörenden

Sie werden das Interesse der Zuhörerschaft gewinnen, wenn Sie sich bei Ihren Präsentationen und Vorlesungen von Ihren Kolleginnen und Kollegen abheben [17]. Die Essenz der Comedy ist die Pointe. Eine Pointe ist nichts anderes als eine überraschende Wendung in einer unterhaltsamen Geschichte. Jeder Witz endet mit einer Pointe. Warum nicht einmal Ihr Thema aus einer anderen Perspektive betrachten? In der Kardiologie, zum Beispiel, spielen Blutverdünner eine wichtige Rolle bei Vorhofflimmern. Wegen der Größe ihres Herzens haben Wale permanentes Vorhofflimmern. Deshalb könnten Sie eine Vorlesung mit der Frage beginnen, weshalb sich in Walherzen trotz ihrer Grösse keine Blutgerinnsel bilden.

4. Verwende überraschende Objekte – aber nicht zu viele

Heutzutage verfügen Präsentations-Softwarelösungen über ein unüberblickbares Arsenal an Präsentations-Hilfen. Trotz dieser Möglichkeiten ist es eine schlechte Idee, bei einer Präsentation nur auf Folien (Slides) zu setzen. Im Gegenteil! Zeigen Sie passende, aber unerwartete Objekte, um Ihre Storyline zu illustrieren. Wenn Sie beispielsweise über die Vorgänge beim Einatmen und Ausatmen in der Lunge sprechen, können Sie eine durchsichtige Plastikflasche verwenden, von der Sie den Boden abgeschnitten haben. Über den nun hohlen Flaschenboden spannen Sie einen Ballon. Einen zweiten Ballon hängen Sie in die Flasche und spannen diesen über den Flaschenhals. So können Sie die Funktion von Lunge und Zwerchfell illustrieren. Ein Vortragender in der Neurologie, der gerade auf einer Konferenz in Asien war, könnte einige Essstäbchen mitbringen und den Zuhörenden seinen anfänglichen Kampf und seine Fortschritte beim Reis Essen erläutern. Damit hätte er Neuroplastizität, also die Anpassung des Gehirns an neue Herausforderungen, mit einem persönlichen und anschaulichen Beispiel unterlegt. Zurück zu Ihnen: Benutzen Sie diese Objekte jedoch nur kurz, um einen Mechanismus zu visualisieren. Das Wesentliche ist der Inhalt.

5. Probevorträge sind entscheidend

Es ist hilfreich, sein Material einer oder mehreren Zuhörerschaften vor der geplanten Präsentation vorzustellen [13], [14], [18], [19], [20]. Eine Präsentation vor vertrauenswürdigen Kollegen kann sofort bestätigen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind. Sowohl bei der Comedy, also auch bei akademischen Vorträgen, wird das richtige Timing beim Vortragen durch Probevorträge und durch Erfahrung erarbeitet. Bevor Comedians die großen Bühnen betreten, verbessern sie ihre Fähigkeiten und ihr Material auf kleinen Bühnen. Das hilft, Material auszusondern, das keine Lacher hervorruft. Halten Sie Ihre Präsentation vor einigen Kollegen in der Mittagspause! Ehrliche Kritik von ihrer Seite sollte aktiv gesucht werden, um den Vortrag zu schärfen, zu verfeinern, zu verbessern.

Folgende Tipps gelten während Ihrer Präsentation
6. Wagen Sie Selbstironie

Eine persönliche, mit Humor und Selbstironie präsentierte Schilderung (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) reduziert nicht nur Status-Differenzen zwischen der vortragenden Person und den Studierenden, sondern bietet auch eine sofortige Entschärfung der formellen Atmosphäre bei der Vermittlung intellektuell anspruchsvoller Inhalte [21]. Achten Sie einmal darauf, wie viele Comedians sich in Ihren Shows über sich selbst lustig machen; und dies meist gleich zu Beginn. Es sind die allermeisten. Das ist kein Zufall, sondern Kalkül. Sie sichern sich damit die Sympathie der Zuhörerschaft. In Ihren Vorlesungen könnten Sie über Prüfungen sprechen, die Sie selbst wiederholen mussten, über misslungene Experimente und über erhaltene Ablehnungsschreiben. Und selbstverständlich auch über Ihren Kampf mit den Essstäbchen (Tipp 4). Ihr Mut Schwäche zu zeigen, wird belohnt werden.

7. Getrauen Sie sich die Emotionen der Studierenden anzusprechen

Studierende werden instinktiv eine Präsentation wertschätzen, die voller humorvoller und schnörkelloser Anekdoten und Geschichten ist [15], [17]. Es wird starke Nerven brauchen, um den schmalen Grat angemessener Informalität zu begehen. Niemand jedoch wird einer vortragenden Person einen Vorwurf machen, weil diese versuchte, eine unterhaltsame Präsentation oder Vorlesung zu gestalten. Comedians nutzen immer Material, welches das Herz der Zuhörerschaft anspricht. Sie erzählen persönliche Geschichten oder Misserfolge. Diese Strategie kann direkt für die Lehre angewendet werden. Sprechen Sie zum Beispiel darüber, wie Sie bei der Behandlung eines Patienten völlig versagt haben. Lassen Sie die Zuhörenden an Ihren Gefühlen teilhaben, die Sie damals erfahren haben. Denn Wissen, das mit Emotionen verknüpft ist, bleibt länger in Erinnerung.

8. Seien Sie sachlich, spezifisch, präzise und konzise

Extrahieren Sie die Essenz und lassen Sie den Rest weg: Weniger ist mehr [13]. Klare Botschaften sprechen das menschliche Gehirn an. Noch besser gelingt dies mit einer bildhaften Sprache. Wer sich zu abstrakt ausdrückt, verliert sein Publikum. Einmal verloren ist dieses kaum wieder zu gewinnen. Gähnen oder das Herumfingern am Smartphone in der Zuhörerschaft sind klare Hinweise, dass Sie sich bereits in diesem Stadium befinden. In der Comedy sind eine bildhafte Sprache und ein angemessenes Detail-Niveau entscheidend. Dasselbe gilt für medizinische Vorlesungen. Wenn Sie beispielsweise über ein Walherz sprechen, dann bringen Sie einen Ballon in der Größe eines Walherzens mit (da Sie vermutlich über kein Walherz verfügen). Das hilft zu illustrieren, dass solche großen Herzen enorme hämodynamische Herausforderungen bewältigen müssen.

9. Die Studierenden sind die Meister – Sie dienen ihnen zu

Jede Zuhörerschaft ist anders. Selbst für einen erfahrenen Comedian ist die nächste Liveshow ein Schritt ins Ungewisse. Deshalb ist die Rückmeldung zu jeder Show wertvoll. Was hat funktioniert? Was nicht? Versuchen Sie bei einer Vorlesung so früh wie möglich zu identifizieren, was die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft auf sich zieht. Wenn Sie feststellen, dass ein Teil Ihres Vortrages gut aufgenommen wird, trauen Sie sich diesen Teil auszubauen [20]. Kürzen Sie den Rest, um im Zeitrahmen zu bleiben [20]. Nur Ihnen wird während des Vortragens auffallen, dass Sie da und dort gewisse Inhalte weggelassen haben. Wenn Sie bei der Besprechung eines Themas merken, dass die Studierenden eine persönliche, zum Inhalt passende Geschichte mögen, dann erzählen Sie solche Geschichten öfter!

10. Fassen Sie sich kurz

Kürze ist erfrischend.

11. Gewinnen Sie die Studierenden mit verblüffenden Aussagen am Anfang und Ende

Der einführende Satz schafft den ersten Eindruck und bestimmt den Ton [17], [20]. Haben Sie bei ihrem Publikum erst einmal einen positiven Zugang zu einem Thema geschaffen, wird dieses sehr viel aufnahmebereiter sein für weitere Inhalte. Das Finale jedoch ist genauso wichtig [17], [20]: Drücken Sie Begeisterung aus und motivieren Sie zum Engagement. In Bezug auf das oben genannte Beispiel aus der Kardiologie könnten Sie zum Beispiel sagen: „Aber vergessen Sie nicht: Auch wenn Sie Blutverdünner einnehmen, bedeutet das nicht, dass Sie jetzt tauchen können wie ein Wal!“ Es ist die Art und Weise wie Sie Inhalte vermitteln, die Ihre Botschaft im Gedächtnis verankert. Vielleicht ernten Sie für Ihr Abschluss-Statement sogar Lacher; dann treffen sich Wissenschaft und Comedy.


Autorenbeiträge

FU und PM haben beide die entsprechende Literatur recherchiert und dieses Manuskript verfasst.

Beide Autoren haben gleichermassen zu dieser Arbeit beigetragen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
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