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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Patientensicherheitskultur in einem universitären Notfallzentrum in der Schweiz – eine Umfragestudie

Artikel Sicherheitskultur

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  • corresponding author Meret E. Ricklin - Inselspital Bern, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz
  • author Felice Hess - Inselspital Bern, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz
  • author Wolf E. Hautz - Inselspital Bern, Universitäres Notfallzentrum, Bern, Schweiz

GMS J Med Educ 2019;36(2):Doc14

doi: 10.3205/zma001222, urn:nbn:de:0183-zma0012222

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2019-36/zma001222.shtml

Eingereicht: 5. März 2018
Überarbeitet: 13. August 2018
Angenommen: 25. September 2018
Veröffentlicht: 15. März 2019

© 2019 Ricklin et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziel der Studie: Schlechte Sicherheitskultur, schlecht abgestimmte Zusammenarbeit, nicht-funktionierende Übergänge zwischen verschiedenen Abteilungen und verstärkte kognitive Herausforderungen gehen einher mit häufigeren fehlerhaften Behandlungen in Spitälern. Einer der ersten Schritte um die Patientensicherheit zu steigern, ist die Sicherheitskultur der Gesundheitsfachleute innerhalb einer Institution zu verbessern. Wegen der spärlich vorhandenen Studien über Patientensicherheit in Europa und der Schweiz war das Ziel dieser Studie die Patientensicherheitskultur in einem universitären Notfallzentrum in der Schweiz zu untersuchen.

Methoden: Wir haben die deutsche Übersetzung (PASKI) des Fragenbogens zur Patientensicherheitskultur „Hospital Survey On Patient Safety Culture“, den die amerikanische „Agency for Healthcare Research and Quality“ etabliert hat, benutzt. 140 Fragebögen wurden unter Pflege- und Arztpersonal verteilt. Zwei Wochen nach der Verteilung der ersten Fragebögen haben wir unter den Gesundheitsfachpersonen eine Informationskampagne gestartet und danach die Umfrage wiederholt. Wir haben die Werte für jede Fragen-Gruppe berechnet und auch die prozentualen positiven Anteile der einzelnen Fragen.

Zum Vergleich von Gruppen, wie zum Beispiel Unterschiede zwischen verschiedenen Ausbildungen, oder unterschiedlich langen Anstellungsverhältnissen und auch zum Vergleich des erstens und des zweiten Fragebogens habend wir einen T-Test benutzt. Die Resultate haben wir mit anderen, publizierten Daten von ausserhalb der Schweiz verglichen.

Resultate: In den Gruppen „nicht strafende Reaktion auf Fehler“, „Zusammenarbeit innerhalb der Abteilung“, „Erwartungen von Vorgesetzten und Massnahmen, die Patientensicherheit fördern“ und vor allem im Vergleich zu anderen Spitälern „Personalbestand“ wurden vor allem positive Antworten gefunden. Die tiefsten Antworten wurden bei den Kategorien „Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse“, „Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit“ und „Übergabe und Schichtwechsel“ gefunden.

Pflegende und Personen, mit bereits längerem Anstellungsverhältnis gaben eine schlechtere Beurteilung zur Patientensicherheit ab im Vergleich zu Arztpersonal und Gesundheitsfachleuten, die noch nicht so lange hier angestellt waren.

Schlussfolgerungen: Diese Studie hat einige Stärken und potentielle Schwächen in der Patientensicherheitskultur in einem grossen universitären Notfallzentrum in der Schweiz aufgedeckt. Die Resultate bieten die Möglichkeit, die Patientensicherheitskultur zu verbessern, insbesondere im Melden von unerwünschten Ereignissen, der Interaktion zwischen Abteilungen und der Patientenübergabe. Da wir einen standardisierten Fragebogen benutzt haben, den die Befragten selber ausfüllen, wie er in anderen Studien auch schon benutzt wurde, hilft diese Studie eine Benchmark für eine nationale, europäische und internationale Patientensicherheitskultur in Spitälern zu etablieren.

Schlüsselwörter: Patientensicherheit, Notfallzentrum, medizinische Fehler, Umfrage


Einführung

1999 hat das medizinische Institut (IOM) der nationalen Akademie der Wissenschaften der USA (Institute of Medicine (IOM) from the National Academy of Science, Engineering, and Medicine) einen Bericht herausgegeben über fatale medizinische Fehler. Sie haben eine Inzidenzrate von 44.000- 98.000 Toten pro Jahr für die USA geschätzt [1]. Dies hat in Nordamerika eine intensive Diskussion ausgelöst, der viele Interventionen und weitere Studien folgten. Die Definition eines medizinischen Fehlers war „ein erfolgloser Versuch eine geplante Aktion wie geplant zu Ende zu führen“ oder „die Verwendung der falschen Aktion, um ein Ziel zu erreichen“. Diese IOM Studie berichtete, dass die höchsten Fehlerraten, die zu schweren Konsequenzen führten, in Intensivstationen, Operationsräumen und Notfallstationen zu finden waren [1]. Eine kürzlich erschienene, retrospektive Studie unserer Arbeitsgruppe hat die Vermutung bestätigt, dass unerwünschte Ereignisse häufig auftreten und in der Notfallmedizin relevant sind. Beim Vergleich der retrospektiven Interpretation aller radiologischer Aufnahmen, die im Notfallzentrum des Inselspitals Bern (UNZ) gemacht wurden, zur definitiven Beschreibung eines einzelnen fortgeschrittenen Radiologen haben wir eine Diskrepanz von über 20% gefunden. Die primären Interpretationen wurden aus den Austrittsbriefen des UNZ extrahiert. Diese stammen gemeinsam von einem jungen Radiologen im Dienst und dem verantwortlichen Notfallarzt. Die Studie verglich die Austrittsdiagnosen des UNZ zum Goldstandard eines zertifizierten Radiologen. Dabei wurden bei einem Drittel der unterschiedlichen Diagnosen diese von zwei unabhängigen Experten als kritisch und klinisch relevant bezeichnet [2].

Die WHO schätzt, dass in Europa in 10% der Hospitalisationen Patienten einen vermeidbaren Schaden erleiden und eine kürzlich erschienene Studie aus der Schweiz hat berichtet, dass bei 5.9% der hospitalisierten Patienten eine nosokomiale Infektion auftrat [3], [4]. Andere Studien haben eine Inzidenz unerwünschter Ereignisse von 7.5% berechnet, wobei die Mehrheit davon als vermeidbar galt [5], [6].

Vorgeschlagene Strategien zur Reduktion medizinscher Fehler haben unter anderem folgende Aktionen beinhaltet: die Verbesserung der Patientensicherheitskultur, die Einführung eines Meldesystems um aus unerwünschten Ereignissen zu lernen ohne angeklagt zu werden, Pflegestandards zu erhöhen und sichere Abläufe bei der Umsetzung zu garantieren [1]. Es ist wichtig zu bedenken, dass einige Studien davon ausgehen, dass unvorhergesehene Ereignisse durch die Patientensicherheitskultur beeinflusst werden [7], [8], [9]. Patientensicherheitskultur wird definiert als „gemeinsame Werte, die unter den Mitgliedern einer Organisation als wichtig erscheinen, ihr Empfinden, wie Prozesse innerhalb der Organisation ablaufen und deren Interaktion mit Arbeitsgruppen, und den organisatorischen Strukturen und Systeme, die zusammen verhaltenstechnische Normen produzieren, die die Patientensicherheit erhöhen“ [7], [8], [9], [10]. Um die Patientensicherheit zu verbessern ist einer der ersten Schritte, die Patientensicherheitskultur der Gesundheitsfachleute innerhalb einer Institution zu untersuchen [11]. Dafür wurde das von den Gesundheitsfachleuten rapportierte Sicherheitsklima bereits in früheren Studien benutzt [12].

In Anbetracht der wenigen Studien über Patientensicherheit in Europa allgemein und im Speziellen in der Schweiz war das Ziel der Studie, die Patientensicherheitskultur der Gesundheitsfachleute des UNZ zu erheben. Dafür haben wir einen gut etablierten und validierten Fragebogen benutzt, der von der amerikanischen „Agency for Healthcare Research and Quality“ etabliert wurde [13]. Bis im März 2017 wurde der Fragebogen bereits in 71 Ländern und in 32 Sprachen benutzt [13], [14], [15], [16], [17], [18]. Weiter haben wir den Einfluss einer Informationskampagne über Patientensicherheit auf die Resultate des Fragebogens getestet.


Material und Methoden

Fragebogen über die Patientensicherheitskultur

Für diese selber erhobene, unkontrollierte vor- und nachher Studie haben wir das UNZ des Inselspitals Bern ausgewählt. Dies ist ein grosses tertiäries, universitäres Notfallzentrum, das ungefähr 45.000 Patienten jährlich behandelt [19]. Um die Patientensicherheitskultur unter den Gesundheitsfachleuten zu erfassen haben wir den „Hospital Survey On Patient Safety Culture (HSOPSC)“, der ins Deutsche übersetz und für die Schweiz validiert wurde (PaSKI) verwendet [13], [16], [20]. Die Fragebögen wurden an alle Pflegenden und die Ärzteschaft verteilt, die zu diesem Zeitpunkt im UNZ angestellt waren. Personen mit längeren Abwesenheiten und Studenten wurden ausgeschlossen, da sie nicht über die gesamte Zeitdauer der Studie anwesend waren. Wir haben den Fragebogen Anfang Mai 2017 an jeden Mitarbeitenden persönlich verteilt. Ausgefüllte Fragebögen haben wir gesammelt und digitalisiert.

Zwei Wochen nach dem ersten verteilten Fragebogen haben wir eine Informationskampagne gestartet, um die Gesundheitsfachleute zu sensibilisieren. Dafür haben zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2017 mehrere Aktivitäten stattgefunden. Die Kampagne enthielt Informationen über die Wichtigkeit der Patientensicherheit, Medizinische Fehler und die nicht strafende Meldung über stattgehabte unerwünschte Ereignisse. Die Gesundheitsfachleute wurden via Kurzvorträge bei den Schichtwechseln, einer Publikation im internen Nachrichtenportal, die von der Leiterin Pflege und vom Chefarzt unterschrieben war, und durch die Verteilung von Informations-Flugblättern an alle Gesundheitsfachleute informiert. Im Juli 2017 haben wir den zweiten, identischen Fragebogen verteilt. Es wurden wieder 140 Fragebögen persönlich an die gleichen Mitarbeitenden verteilt. Die Gesundheitsfachleute wurden gebeten, einen Code auszufüllen, der die anonyme Zuordnung des ersten und des zweiten Fragebogens zueinander ermöglicht. Fragebögen wurden wieder gesammelt und digitalisiert.

Evaluation der Fragebögen und statistische Analyse

Fragebögen mit weniger als 30% ausgefüllter Antworten wurden ausgeschlossen. Die Resultate der negativ formulierten Antworten wurden für die Analyse der einzelnen Fragen umcodiert. Wir haben die Werte für alle Frage-Gruppen nach dem Schema von Sorra und Nieva und wie es die Agentur für Forschung und Qualität im Gesundheitswesen (AHRQ) vorgibt berechnet, indem wir den Durchschnitt der Fragen pro Gruppe berechnet haben [13], [21]. Jede Gruppe bestand aus drei bis vier Fragen. Für jede Frage waren fünf Antworten zwischen nie bis immer und von ich stimme überhaupt nicht zu bis ich stimme vollumfänglich zu möglich. Wir haben auch die Prozentzahlen der positiven Antworten für jede Gruppe berechnet, indem wir die Anzahl positiver Antworten pro Gruppe durch die Anzahl ausgefüllter Antworten dividiert haben. Die zwei höchsten Antworten wurden hierzu zusammengezählt, wie es die AHRQ vorschlägt, damit die Daten mit anderen, früher publizierten Daten vergleichbar sind. Veränderungen von über 5% gelten als potentiell relevant [13], [21]. Allgemein bedeuten höhere Werte eine bessere Patientensicherheitskultur.

Für jede Frage und Gruppe haben wir eine deskriptive Statistik (Mittelwert und Standardabweichung) gemacht. Dazu haben wir SPSS V.22 (IBM, Armonk, New York, USA) und Microsoft Excel (Redmond, WA, USA) benutzt. Alle Fragebogendaten haben wir weiter auf ihre statistische Verteilung getestet und mittels des Shapiro Wilks Test analysiert, ob sie normalverteilt sind. Da keine Verteilung signifikant unterschiedlich von normal war, haben wir einen T-Test benutzt, um die Unterschiede zwischen Gruppen zu analysieren. Gruppen wurden eingeteilt nach demografischen Charakteristika wie Alter (jünger versus älter) oder Beruf (Ärzte versus Pflege). Weiter haben wir unsere Fragenbögen, vor und nach der Intervention, separat analysiert und miteinander mittels eines T-Test verglichen. Unsere Resultate haben wir einerseits mit der US Amerikanischen Datenbank von 2016 verglichen [15], und andererseits mit zwei Studien aus Deutschland und Schweden [22], [23]. Diese haben wir ausgewählt, weil sie genügend detaillierte Daten aufwiesen um sie deskriptiv mit unseren Daten zu vergleichen. Es war jedoch nicht möglich, diese statistisch zu vergleichen, da keine der Studien genügend detaillierte Rohdaten gezeigt hat.


Ergebnisse

Überblick über ausgefüllte Fragebögen aus dem UNZ

Nur ein Fragebogen musste ausgeschlossen werden, da mehr als 30% der Antworten gefehlt haben. In der ersten Runde wurden 101 von 140 (72%) und in der Zweiten 53 von 139 (38%) ausgefüllt. Detaillierte demographische Informationen finden Sie in Tabelle 1 [Tab. 1]. 20% der Ärzte und 10% der Pflegenden waren männlich. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden waren jünger als 40 Jahre alt (58%) und 72% der Antwortenden haben 80% (33.6h/Woche) oder mehr gearbeitet. Fast zwei Drittel der Gesundheitsfachleute hatten zum Zeitpunkt der Erhebung weniger lang als 5 Jahre am UNZ gearbeitet.

Der Anhang 1 [Anh. 1] zeigt die positiven Antworten für jede Frage und Gruppe. Vor der Analyse wurden die negativ formulierten Fragen umcodiert. Die drei Gruppen mit den höchsten positiven Antworten waren „nicht strafende Reaktion auf Fehler“ mit 78.7%, „Zusammenarbeit innerhalb der Abteilung“ mit 70.1% und ”Erwartungen der Vorgesetzten und Massnahmen, die Patientensicherheit fördern” mit 67.9%. Die drei Gruppen mit den tiefsten Prozentsätzen für positive Antworten waren „Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse“ die gemeldet wurden mit 37.8%, „abteilungsübergreifende Zusammenarbeit“ mit 46.88% und „Übergabe und Schichtwechsel“ mit 47.4% positiven Antworten.

Vergleich der Resultate mit anderen Spitälern

Mit dem Ziel unsere Resultate besser interpretieren zu können haben wie diese mit Studien aus Schweden, Deutschland und den USA verglichen, die alle denselben Fragenbogen benutzt hatten um die Patientensicherheit zu evaluieren [15], [22], [23]. Generell waren unsere Resultate mit denen aus Schweden vergleichbar, jedoch positiver als die aus Deutschland und in den meisten Fällen negativer als die aus den USA (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Punkt A).

Obwohl eine statistische Analyse wegen fehlender Rohdaten nicht möglich war zeigen die Vergleiche, dass die Stärke des UNZ im Bereich des „Personalbestands“ und „nicht strafende Reaktion auf Fehler“ lagen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Punkt A). Interessanterweise waren unsere positiven Antworten im Bereich „Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse“ bei den tiefsten, während die aus den USA die höchsten hatten, obwohl sie die tiefsten Werte für „nicht strafende Reaktion auf Fehler“ hatten. Diese Beobachtung weist potentiell zuziehende Konsequenzen auf. Im UNZ existiert ein systematisches Meldesystem, jedoch haben zwei Drittel der Antwortenden (65; 66.3%) angegeben, in den letzten sechs Monaten nie ein unerwünschtes Ereignis eingetragen zu haben und 27 haben angegeben ein bis zwei und sechs drei bis fünf Fehler gemeldet zu haben. Zusammengefasst weisen diese Daten darauf hin, dass die „Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse“, „Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit“ und „Übergabe und Schichtwechsel“ im untersuchten Notfallzentrum die Bereiche mit dem grössten Raum für Verbesserung sind.

Parameter, die die generelle Empfindung für Patientensicherheit beeinflussen

Interessanterweise war die Empfindung für Patientensicherheit, die im Fragebogen mittels eines subjektiven Wertes durch jeden Teilnehmenden beurteilt wurde, höher bei der Ärzteschaft (78%) als bei den Pflegenden (60%). Keine antwortende Person hat je schlecht oder ungenügend angegeben (siehe Tabelle 2 [Tab. 2] für Detailinformationen). Ältere Antwortende haben die Offenheit der Kommunikation als positiver bewertet als die Jüngeren (p=0.037). Unsere Daten haben auch gezeigt, dass die Angestellten mit einer tieferen Berufsausbildung länger im UNZ geblieben sind (p=0.033). Interessanterweise hat diese Gruppe auch mehr unerwünschte Ereignisse rapportiert (p=0.0001) im Vergleich zu Gesundheitsfachleuten, mit einer höheren beruflichen Ausbildung. Vergleicht man kürzer Angestellte mit länger Angestellten haben die, die bereits länger dabei waren den „Personalbestand“ als schlechter bewertet als ihre Kollegen (p=0.001) und hatten auch den Eindruck, dass „Übergabe und Schichtwechsel“ weniger positiv waren (p=0.001).

Ärzte dachten, dass sie mehr für die Patientensicherheit tun als Pflegende (p=0.001) und haben auch die „Offenheit der Kommunikation“ (p=0.0001) und die „Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit“ (p=0.013) besser bewertet als ihre pflegenden Kollegen.

Einfluss der Intervention auf die Antworten des Fragebogens

Nach der Informationskampagne wurde ein zweiter, identischer Fragebogen verteilt um zu schauen, ob die Patientensicherheitskultur sich verändert hat. Mit Hilfe eines T-Tests haben wir keine signifikanten Unterschiede gefunden zwischen den zwei Zeitpunkten. Nach der Intervention waren die „Unterstützung der Leitung für Patientensicherheit“, „Personalbestand“ und „organisatorisches Lernen“ um 11.8%, 10.2% und 6.7% erhöht. Jedoch sanken der positive Eindruck von „Erwartungen von Vorgesetzten und Massnahmen, die Patientensicherheit fördern“ und „Rückmeldung und Kommunikation bezüglich unerwünschter Ereignisse“ um 15% und 12% (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Punkt B). Obwohl diese Unterschiede statistisch nicht signifikant waren, sagen die Richtlinien der HSOPSC, dass sie potentiell relevant sein könnten, da sie höher als 5% sind [13], [21].


Diskussion

Mehrere Studien weisen darauf hin, dass das Gesundheitssystem durch einen Paradigmenwechsel verbessert werden kann, indem man Fehler nicht mehr primär als Versagen eines Individuums betrachtet, sondern als Chancen, das System zu verbessern [20], [24]. Hochrisikoindustrien haben eine exzellente Sicherheitsleistung und -kultur, von der das Gesundheitswesen noch viel lernen kann [25].

Tatsächlich haben unabhängige Studien zeigen können, dass schlechte Patientensicherheitskultur, schlechte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und erhöhte kognitive Anforderungen wie „schwierige Entscheidungen treffen“ und „Umgang mit vielen gleichzeitigen Aufgaben“ unabhängig voneinander mit mehr unerwünschten Ereignissen assoziiert sind [7].

Um eine positive Patientensicherheitskultur zu etablieren ist einer der ersten Schritte den Status quo zu analysieren. Hierzu werden selbsteinschätzende Instrumente, wie dasjenige, welches wir in dieser Studie benutzt haben, gebraucht. Obwohl die Schwächen von selbsteinschätzenden und unkontrollierten vor- und nachher Studien gut bekannt sind, ist die Erhebung der aktuellen Patientensicherheitskultur doch ein wichtiger Startpunkt um die Sensibilität für das Problem, die Identifikation und Evaluation möglicher Interventionen und die Etablierung von internen und externen Benchmarks einzuschätzen [1], [5], [6], [26], [27].

Eine selektive Intervention wie beispielsweise nur für die Hälfte der Abteilung wäre aus praktischen Gründen nicht möglich gewesen, da die Personen nicht isoliert sind, sondern miteinander arbeiten und reden. Es ist jedoch wichtig ein standardisiertes und identisches Instrument zu verwenden um die erhobenen Resultate mit anderen Spitälern vergleichen zu können.

Im Allgemeinen waren die Werte in unserer Erhebung tiefer als in U.S. amerikanischen Spitälern mit der Ausnahme von „Personalbestand“ und „nicht strafende Reaktion auf Fehler“. Ein Grund für die höheren Werte für „Personalbestand“ könnte sein, dass das untersuchte Notfallzentrum bezüglich Personalbestand in einer komfortablen Situation ist, im Vergleich zu nicht schweizerischen Spitälern. Ähnlich gelegen könnte der Grund sein, dass der Personalmangel im deutschen Notfallzentrum zu generell negativeren Antworten geführt hat [23].

Die Tatsache, dass „nicht strafende Reaktion auf Fehler“ eine sehr hohe Anzahl positiver Antworten erhielt (78.7%) ist ein Kompliment an die Leitung des UNZ, vor allem bezüglich deren Fehler-Kultur.

Tatsächlich hat man in Studien gesehen, dass der wichtigste Faktor um die Patientensicherheitskultur zu verbessern eine Organisationskultur ist, die zu Meldungen ermutigt ohne zu verurteilen und eine, die die Kommunikation zwischen den Gesundheitsfachpersonen fördert [28].

Die hohe Bewertung von „nicht strafende Reaktion auf Fehler“ kombiniert mit relativ tiefen „Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse“ ist insofern erstaunlich. Jedoch zeigt die gegenteilige Antwort dieser Gruppe in u.s. amerikanischen Spitälern, dass die „Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse“ stark durch andere Faktoren beeinflusst wird als nur durch nicht strafende Reaktion auf Fehler. Vor allem dies könnte auf ein fehlendes Bewusstsein hinweisen, dass Fehlermeldungen sich längerfristig positiv auf die Patientensicherheit auswirken. Die Antworten auf unseren zweiten Fragebogen, der nach der Intervention verteilt wurde, waren denen im ersten Durchgang sehr ähnlich, was auf ein generell gutes Bewusstsein für Patientensicherheit hinweisen könnte, mit Ausnahme für die Wichtigkeit geschehene Fehler zu melden. Zusätzlich mag die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Umfrage zu kurz gewesen sein um einen Einfluss auf die Fehlermeldequote sehen zu können. Um die Frage besser beantworten zu können, ist zurzeit im UNZ eine Studie am Laufen, die die Inzidenz unerwünschter Ereignisse retrospektiv analysiert.

Zusammenfassend hat diese Studie, die den HSOPSC (PaSKI) Fragebogen benutzt hat, folgende Stärken und potentielle Schwächen in der Patientensicherheitskultur eines grossen universitären Notfallzentrums in der Schweiz identifiziert. Die Resultate zeigen Möglichkeiten zur Verbesserung der Patienten Sicherheit, und zeigen auch nötige Forschungsarbeiten zum Thema auf. Für das UNZ sind wichtige zu verbessernde Themen das Melden unerwünschter Ereignisse, Übergabe und Schichtwechsel und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Dies wird auch unterstützt durch andere Studien, die im UNZ bereits in diesem Gebiet gemacht wurden [29], [30], [31]. Weiter wird durch die standardisierte Selbsteinschätzung aus anderen Studien ein Benchmark für Patientensicherheitskultur festgelegt werden können. Solche Studien sollten begleitet werden durch Forschung, die objektiv Fehlerraten misst wie zum Beispiel diagnostische Fehler [30], [32], [33]. Deswegen empfehlen wir, dass in Zukunft weitere Studien in anderen schweizerischen und europäischen Spitälern durchgeführt werden sollten. Solche Studien sind vor allem kritisch im Bereich der Notfallmedizin [33].


Danksagungen

Der PASKI Fragebogen (Deutsche Übersetzung und validierte Version des HSOPSC) wurde uns freundlicherweise von Professor Tanja Manser (Direktorin FHNW Hochschule für angewandte Psychologie, Olten, Schweiz) zur Verfügung gestellt. Wir danken Prof. Artur Summerfield für die kritische Korrektur des Manuskriptes. Weiter bedanken wir uns für die Unterstützung durch Chefarzt und Direktor Prof. Aristomenis Exadaktylos und Frau Petra Fuchs, Leiterin Pflege am UNZ und natürlich bei allen Studienteilnehmenden.


Beiträge der Autoren

MER hatte die Idee, hat die Studie entworfen, Daten analysiert und das Manuskript geschrieben. FH war an der Datenerhebung beteiligt. WEH war mit beteiligt am Entwurf der Studie, der Datenanalyse und hat das Manuskript kritisch gelesen.


Interessenkonflikt

WEH hat Sprecherhonorare von der AO Fundation Zürich und Sponsoring für eine von ihm organisierte Konferenz von Mundipharma Medical Basel erhalten. Die anderen Autoren deklarieren keine Interessenskonflikte.


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