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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Willkommen heißen, Orientierung geben, Sprache trainieren: ein Projekt der Charité für internationale Studienanfänger in der Medizin

Artikel Start ins Studium

  • Wendelin Marmon - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charité International Cooperation (ChiC), Berlin, Deutschland
  • Ulrike Arnold - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charité International Cooperation (ChiC), Berlin, Deutschland
  • Asja Maaz - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dieter Scheffner Fachzentrum für Medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung, Prodekanat für Studium und Lehre, Berlin, Deutschland
  • Marwa Schumann - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dieter Scheffner Fachzentrum für Medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung, Prodekanat für Studium und Lehre, Berlin, Deutschland
  • corresponding author Harm Peters - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dieter Scheffner Fachzentrum für Medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung, Prodekanat für Studium und Lehre, Berlin, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(5):Doc59

doi: 10.3205/zma001205, urn:nbn:de:0183-zma0012058

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001205.shtml

Eingereicht: 30. November 2017
Überarbeitet: 15. März 2018
Angenommen: 5. Juni 2018
Veröffentlicht: 30. November 2018

© 2018 Marmon et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Für internationale Medizinstudierende wurde an der Charité Berlin ein umfassendes, integriertes Unterstützungsprogramm für den Studienbeginn entwickelt, implementiert und evaluiert. Programmziele waren Verbesserung von sozialer Integration, Orientierung im Studium und am Studienort sowie medizinspezifische, sprachliche Qualifizierung.

Projektbeschreibung: Das „Charité Orientierungsmodul für Internationale Studierende“ (ChOIS) wurde von einer Arbeitsgruppe mit verschiedenen Expertisen zum Thema internationale Studierende als dreistufiges Programm konzipiert:

1.
Rekrutierung (gezielte Einladung bei der Immatrikulation);
2.
Orientierungswoche vor Semesterbeginn; und
3.
Begleitende Veranstaltungen während des 1. Semesters.

ChOIS wurde im Wintersemester 2015/16 pilotiert und auf Basis der Evaluation im Sommeresemster 2016 modifiziert weitergeführt. Inhaltliche Schwerpunkte bildeten:

1.
Willkommen heißen und soziale Integration in Veranstaltungen der Fakultät Charité und gemeinsamen Aktivitäten der Studierenden;
2.
Orientierung in Studium, Charité-Lerninfrastruktur studentischem Leben in Berlin in Tutorien von Medizinstudierenden höherer Fachsemester; und
3.
Sprachtraining für medizinische Kommunikation durch professionelle Dozenten für medizinische Fachsprache.

Ergebnisse: Die Evaluationen nach den Orientierungswochen, zum Ende des Semesters und rückblickend aus dem 3. Semester ergaben eine große Zustimmung zu den einzelnen Elementen des ChOIS-Programms und dem Programm insgesamt seitens der teilnehmenden Studierenden.

Diskussion: Es wurde erfolgreich ein umfassendes, integriertes Unterstützungsprogramm für internationale Medizinstudierende zum Studienstart konzipiert und implementiert. Das ChIOS-Programm kann anderen Medizinischen Fakultäten als Praxismodell der Orientierung dienen. Für die Zukunft sind ein über den Studienbeginn hinausgehendes Programm und die stärkere Einbeziehung von internationalen Studierenden aus höheren Semestern wünschenswert.

Schlüsselwörter: Internationale Studierende, Medizinstudium, Vorbereitungskurse


1. Einleitung

Die Transition von der Schule zum Medizinstudium stellt für viele, wenn nicht alle Studienbeginner eine große und kritische Herausforderung auf dem Weg zum Arzt, zur Ärztin bzw. zum Facharzt, zur Fachärztin dar. Transition wird dabei definiert als „eine Phase der Veränderung, in der Menschen“ (hier Medizinstudierende) „eine gewisse Diskontinuität in ihrem beruflichen Lebensraum erfahren und sie dazu zwing[t], zu reagieren, indem sie neue Verhaltensweisen entwickeln oder ihren beruflichen Lebensraum verändern, um die neuen Situationen zu bewältigen“ [1]. Um die Transition bzw. den Einstieg in das Medizinstudium mit seinen vergleichsweise hohen Anforderungen zu erleichtern, bieten viele Fakultäten spezifische Unterstützungsprogramme entsprechend der Bedürfnisse der Mehrheit oder größerer Gruppen ihrer Studierenden an.

Internationale Studierende, die ihre bisherige Bildungslaufbahn in einem anderen Land absolviert haben und zum Zweck des Studiums einreisen (Bildungsausländer), bilden hier eine hervorzuhebende Gruppe. Bei ihnen ist die „normale“ Transitionslast u.a. durch besondere Barrieren in der medizinischen Kommunikation und der sozialen Integration erheblich erhöht [2], [3] und für sie bestehen besondere zusätzliche Bedarfe [4], [5]. Diese liegen zum einen in den besonderen Anforderungen der medizinischen Kommunikation mit Dozierenden oder Mitstudierenden, mit Patienten und Patientinnen oder im ärztlichen und interprofessionellen Team [3], [4]. Eine tiefgreifende Transition ist für diese Gruppe der Übergang der bisherigen Fremdsprache Deutsch zur alltäglich gebrauchten Zweitsprache. Zum anderen gibt es einen besonderen Bedarf in der sozialen Integration innerhalb und außerhalb des Studiums. Empirische Untersuchungen zeigen, dass internationale Studierende sowohl in schriftlichen, mündlichen als auch in klinisch-praktischen Prüfungen schlechter abschneiden und längere Zeit für das Absolvieren des Medizinstudiums benötigen [2], [6], [7], [8], [9], [10], [11].

An den medizinischen Fakultäten in Deutschland schreiben sich jedes Jahr mehr als 2000 internationale Studierende für das Medizinstudium ein [4]. Dies entspricht einem Anteil von etwa 15% aller Medizinstudierenden [4]. Die Zahl internationaler Studierender hat in den letzten Dekaden kontinuierlich zugenommen [12]. Dieser Trend wird sich sehr wahrscheinlich in der Zukunft weiter fortsetzen. Für diese Zielgruppe, so eine kürzliche Bestandaufnahme, bestehen in Art und Umfang sehr unterschiedliche und meist punktuelle Unterstützungsangebote [4]. Diese umfassen von Studierenden geleitete Tutorien, sogenannte „Deutsch für Mediziner“-Sprachkurse, Tandems von Medizinstudierenden höherer Semester mit internationalen Studierenden in der Studieneingangsphase, spezifische Beratungsangebote, Prüfungsvorbereitungskurse oder gemeinsame Freizeitaktivitäten. An vielen deutschen medizinischen Fakultäten wird jedoch die aktuelle Situation weithin als unzureichend wahrgenommen [4]. Im Vordergrund stehen insbesondere die medizinspezifischen Kommunikationsschwierigkeiten internationaler Studierender und die soziale Integration. Die internationalen Studierenden selbst sehen zusätzliche Unterstützungsbedarfe bei finanziellen Problemen und dem interkulturellen Austausch [5]. Bis auf ein Peer-assisted Learning Programm zur Prüfungsvorbereitung [12] fehlt es an systematisch entwickelten und evaluierten Praxisbeispielen zu wirksamen Unterstützungsprogrammen für internationale Medizinstudierende an Deutschen Medizinischen Fakultäten. Die für den deutschsprachigen Raum hierzu publizierte Literatur ist insgesamt spärlich, insbesondere fehlt es an Praxisbeispielen.

In dieser Projektbeschreibung soll ein an der Charité – Universitätsmedizin Berlin (Charité) entwickeltes, integriertes Unterstützungsprogramm für den Studienstart internationaler Medizinstudierender vorgestellt werden, um anderen Fakultäten Orientierung beim Aufbau oder der Weiterentwicklung eigener Programme zu geben. Die Entwicklung und Implementation des Programms „Charité Orientierungsmodul für Internationale Studierende“ (ChOIS) erfolgte systematisch auf Basis der Erfahrungen eines interdisziplinären, curricularen Entwicklungsteams und unter Berücksichtigung der hierzu publizierten Literatur. Berichtet werden Aufbau, Umfang und Inhalte des ChOIS-Programms und seine Wirksamkeit auf Basis der studentischen Evaluation.


2. Projektbeschreibung

2.1. Konzeption

ChOIS wurde über drei Monate hinweg von einem interdisziplinären Team konzipiert: der Leiterin der Charité International Cooperation (ChiC), einem Germanisten mit Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache in der ärztlichen Kommunikation und einer Medizinstudierenden im 5. Studienjahr. Basis bildeten die eigenen Erfahrungen und die publizierte Literatur. In sechs Besprechungen wurden zunächst drei Eckpunkte (soziale Integration, Orientierungshilfe und sprachliche Qualifizierung in medizinischer Kommunikation), dann die Feinplanung eines Programms in konsensueller Teamarbeit erstellt.

2.2. Ablauf und Aufbau

Das ChOIS-Programm gliedert sich in drei Phasen: Rekrutierung, Orientierungswoche vor Studienbeginn und begleitendes Programm über das erste Semester.

Rekrutierung. Zur Immatrikulation der internationalen Studierenden im Referat für Studienangelegenheiten lagen InfoFlyer aus – Interessenten konnten sich per Email bei ChIC für das beschriebene Programm anmelden. Entsprechend einem Anteil von 10% EU-Bürgern und 5% Übrigen kamen pro Kohorte/Studienbeginn ca. 30-35 internationale Studierende in Frage.

ChOIS-Programm Aufbau und Ablauf. Einen Überblick über die Struktur, Bausteine und Inhalte des ChOIS-Programms geben Tabelle 1 [Tab. 1] mit der Orientierungswoche vor Studienbeginn und Tabelle 2 [Tab. 2] mit den begleitenden Veranstaltungen für das erste Studiensemester. Die drei inhaltlichen Schwerpunkte wurden wie folgt ausgestaltet:

Willkommen heißen und soziale Integration

Zu Beginn der gemeinsamen Orientierungswoche vor Studienbeginn wurden die internationalen Studierenden von der Prodekanin für Studium und Lehre und den ChiC-Mitarbeitern offiziell begrüßt und willkommen geheißen. In der Orientierungswoche ermöglichten wir den Studierenden, durch eine intensive, ganztägige Zusammenarbeit in einer überschaubaren Gruppe bereits Kontakte zu knüpfen und zu erkennen, dass man mit seinen für Nichtdeutsche typischen Problemen nicht alleine ist. Partner- und Kleingruppenarbeit sowie offene Aussprachen im Plenum trugen dabei als Veranstaltungsformate zum Team Building bei und bereiteten gleichzeitig auf die Lernformate im Modellstudiengang Medizin vor.

Auch einige semsterbegleitende Termine waren gezielt der sozialen Integration gewidmet: Ein gemeinsames „internationales Dinner“ beispielsweise, bei dem jeder Teilnehmer eine Spezialität aus seinem Land mitbringt, bietet die Möglichkeit zu privatem Austausch in lockerem Rahmen jenseits von Studien- und Prüfungsthemen. Bei diesen Events wurden im zweiten und dritten Durchlauf auch ehemalige internationale Teilnehmer der höheren Semester eingeladen.

Das Programm wurde mit einer Feier unter Beteiligung der Prodekanin für Studium und Lehre abgeschlossen. Den teilnehmenden Studierenden wurde ein Zertifikat übereicht, um im Sinne einer Willkommenskultur auch auf institutionell höherer Ebene zu zeigen, dass die neuen internationalen Studierenden beachtet und geachtet werden.

Orientierung in Studium, Charité-Lerninfrastruktur studentischem Leben in Berlin

Das erste Semester im Modellstudiengang Medizin beginnt für alle Studierenden mit einer Einführungswoche. In großen Veranstaltungen und rascher Abfolge wird eine schnell überfordernde Fülle von bisher unbekannten Informationen in z. T. neuen Begriffen vermittelt, was auch für Studienanfänger mit Deutsch als Muttersprache eine Herausforderung darstellt. Wir entschieden uns deshalb ganz bewusst dafür, in einer der Einführungswoche vorgeschalteten Orientierungswoche für internationale Studierende einige Inhalte vorausgreifend zu behandeln. Hierbei bezogen sich die Veranstaltungen zu Organisation und Studium v. a. auf solche Aspekte, die sich nicht sofort in allen Details erschließen bzw. überblicken lassen. Dazu gehörten eine Einführung in besondere Merkmale des Modellstudiengangs und seine spezifischen Lehrformate, ein erster Überblick über die fachlichen Inhalte des 1. Semesters, eine Vorstellung möglicher Lernstrategien und eine Einführung in den Umgang mit universitätsinternen Online-Portalen sowie dem Lernzentrum und seinen studentischen Tutorien. Ferner wichtige Informationen über den studentischen Alltag (Wohnen, öffentlicher Personen-Nahverkehr und Fahrrad, Nutzung von Ergänzungsangeboten in- und außerhalb der Universität, Life-Study-Balance), eine Campustour und Stadtspaziergänge.

In dem begleitenden Programm während des ersten Fachsemesters wurden zum einen allgemeine Informationen und Tipps für die Prüfungsvorbereitung zum Semesterende gegeben. Hierbei konnte unsere studentische Tutorin das an der Charité angewendete Multiple-Choice-Format erläutern und aus eigener Erfahrung Lernmethoden und Strategien für eine effiziente Vorbereitung vermitteln. Zum anderen wurden Informationen für die Organisation des obligatorischen Pflegepraktikums angeboten, das die meisten Studierenden im Anschluss an die Vorlesungszeit des ersten Semesters beginnen. Nicht zuletzt sollten diese Termine den internationalen Studierenden Raum bieten für offene Fragen und die Besprechung von Problemen. Weiterhin wurden regelmäßig Reminder und Hilfsangebote z.B. zur Anmeldung zu Prüfungen, Suche von Praktikumsplätzen etc. per Mail versendet.

Sprachtraining für medizinische Kommunikation und Patientenunterricht

Bei der Ermittlung des Bedarfs an sprachlicher Unterstützung konzentrierten wir uns auf eine Analyse der wesentlichen Lerninhalte im ersten Semester, immer bezogen auf die besonderen kommunikativen und sprachlichen Anforderungen, um Studieninhalte zu ermitteln, die für nichtdeutsche Studierende auf sprachlicher Ebene besonders anspruchsvoll sein könnten und bei denen Unterstützung sinnvoll erschien. Mit dem frühen klinischen Unterricht im Modellstudiengang der Charité kristallisierten sich dabei die beiden Schwerpunkte „Basiswissen Körper“ sowie „Anamnese und körperliche Untersuchung“ heraus.

Der Bereich „Basiswissen Körper“ wurde im Wesentlichen in der ChOIS-Orientierungswoche vor Semesterbeginn abgebildet. Ziel war, auf den menschlichen Körper bezogene, propädeutische Grundkenntnisse, die von jedem Studienanfänger mit Hochschulreife zu erwarten sind, in der deutschen Sprache anwenden zu können. Dabei wurde der im Studium erfolgende Wissenserwerb sprachlich vorentlastet. Ein übergeordnetes Lernziel war, eine erste Sensibilisierung dahingehend zu erreichen, dass Ärzte und Ärztinnen sich auf mehreren sprachlichen Ebenen bewegen (Fachsprache vs. Umgangssprache, Transfersprache) [13]. Ein weiteres Ziel war, dabei auf grundlegende Bereiche der Humanmedizin vorzubereiten: Terminologie (Lexik) in der Anatomie und der sprachliche Ausdruck von Organ- und Stoffwechselfunktionen, Beschwerden und körperlichem Empfinden.

Die Arzt-Patienten-Kommunikation gehört zu den sprachlich anspruchsvollsten Herausforderungen für Ärztinnen und Ärzte [14]. In dieser Kommunikationssituation werden Wortfelder und Redemittel genutzt, die dem Sprachlerner oft zunächst kaum bekannt sind. Der differenzierte Ausdruck von Beschwerden, Schmerzen, körperlichem Empfinden in der Anamnese wie auch die Anleitung von Patienten bei der körperlichen Untersuchung, aber auch die Herstellung einer höflichen, diskreten, vertrauensvollen und professionellen Atmosphäre ist immer auch vom Gebrauch der Sprache bedingt sowie kulturspezifisch und setzt für manchen internationalen Mediziner einen hohen Grad interkulturellen Lernens voraus. Für eine inhaltliche Ausgestaltung konnten wir auf unsere Erfahrungen in dem von der Charité International Academy durchgeführten Kommunikationstraining für internationale Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen. Den bei nichtdeutschen Ärztinnen und Ärzten besonders hohen Trainingsbedarf in diesem Handlungsfeld stellten wir auch bei internationalen Studienanfängern fest. Dieser Bereich wurde im Wesentlichen im semesterbegleitenden Programm abgebildet, nachdem die Studierenden bereits erste Erfahrungen in ihrem Untersuchungskurs machen konnten.

Eine Übersicht zur Orientierungswoche ist in Tabelle 1 [Tab. 1] zu finden.

2.3. Auswahl Dozierende

Der Sprachunterricht und landeskundliche Veranstaltungen wurden von professionellen Dozenten für Deutsch als Fremdsprache erteilt, die bereits Erfahrung in der Vermittlung medizinischer Fachsprache im universitären Umfeld hatten. Die Veranstaltungen zur Orientierungshilfe wurden von Medizinstudierenden höherer Semester als Tutorien geleitet.

2.4. Evaluation

Das ChOIS-Programm wurde von den Teilnehmern am Ende der Orientierungswoche, am Programmende (Ende 1. Semesters) und rückblickend im 3. Semester evaluiert.


3. Ergebnisse

3.1. Durchführung

Das ChOIS-Programm wurde im Wintersemester 2015/16 pilotiert und dann wie in diesem Artikel beschrieben im Sommersemester 2016 ein zweites Mal durchgeführt. Dabei wurden auf Basis durchgeführter Evaluierungen folgende Anpassungen vorgenommen: Ausbau des Bereichs soziale Integration mit mehr gemeinsamen Aktivitäten und Miteinbeziehung internationaler Studierender höherer Semester. Zusätzlich geringerer Umfang für die Themen Kultur, Geschichte und Orientierung in Berlin. Die sprachlichen Anforderungen wurden von einigen als zu einfach empfunden. Hierzu hatten wir im Vorfeld nicht berücksichtigt, dass sich unter den internationalen Teilnehmern auch Personen befinden, die fließend Deutsch sprechen. Deshalb differenzierten wir das Sprachtraining in Angebote für Teilnehmer mit besonderem Sprachlernbedarf und solche für alle Teilnehmer, um der Heterogenität besser Rechnung zu tragen.

3.2. Teilnehmer

Die Herkunft der internationalen Studierenden (n=22) setzte sich wie folgt zusammen: Europa: 2 Studierende aus Russland, jeweils ein/e Studierende/r aus Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Großbritannien, Montenegro und Polen. Naher u. Mittlerer Osten: 6 Studierende aus Syrien, jeweils ein/e Studierende/r aus Armenien und Saudi – Arabien. Asien: jeweils ein/e Studierende/r aus Indien und Südkorea, Afrika: ein Studierender aus Kamerun. Nordamerika: 2 Studierende aus den U.S.A. Die häufigsten Erstsprachen waren Arabisch und Englisch.

3.3. Evaluation

Einen Überblick über die Ergebnisse der quantitativen Evaluation geben die Tabelle 1 [Tab. 1] (Orientierungswoche) und Tabelle 2 [Tab. 2] (begleitende Veranstaltungen im ersten Semester).

Die Evaluation zeigte, dass insgesamt die Zustimmung zu den Angeboten im 2. Durchlauf deutlich verbessert werden konnte. In den Tutorien zur Orientierung im Studium wurden die Termine zu den Inhalten des 1. Semesters und zu der Nutzung der Online-Portale am besten bewertet. Bei den Sprachkursmodulen bekamen „Kommunikation auf der Station/ in der Pflege“ und „Untersuchung und Anamnese“ besonders gute Bewertungen, hiervon hätten sich einige Teilnehmer noch mehr gewünscht.

In der Gesamtbewertung wurden insbesondere folgenden Aspekte als hilfreich eingeschätzt: „sozial (Leute kennenlernen etc.)“ zu 100%, „Orientierung im Studium bzw. Organisation meines Studiums“ zu 92% und in der Sprachanwendung zu 88% Zustimmung.

3.4. Umfang und Aufwand

Die Orientierungswoche hatte einen Umfang von ca. 45 Unterrichtseinheiten à 45 min (inklusive Feiern / Abendveranstaltungen). Das semesterbegleitende Angebot umfasste 9 Abendtermine mit einem Umfang von 20 Unterrichtseinheiten. Von Dozierenden wurde 35 und von den studentischen Tutoren 38 Unterrichtseinheiten bestritten.

Eine umfassende Projektbeschreibung inklusive detaillierter Evaluationsergebnisse und beispielhafter Praxismodelle zur Unterrichtsplanung kann als Online-Broschüre der Charité International Cooperation eingesehen werden [15].


4. Diskussion

Die Transition von der Schule zum Medizinstudium stellt nicht nur für internationale Studierende, sondern auch für die betreuenden Fakultäten eine besondere Herausforderung dar. Während an vielen Medizinischen Fakultäten in Deutschland überwiegend punktuelle Unterstützungsprogramme etabliert sind [4], ist mit dem ChOIS-Programm auf Basis internationaler Empfehlungen [16] die Entwicklung und erfolgreiche Implementation eines umfassenden, integrierten Programms zu Studienbeginn gelungen. Seine drei Bausteine „Willkommen heißen, Orientierung geben, Sprache trainieren“ sollen im Folgenden diskutiert werden.

Die im ChOIS-Programm angebotenen Elemente zur Stärkung der sozialen Integration internationaler Studierender wurden durchweg positiv evaluiert. Eine zentrale Rolle spielte dabei das Senken der sprachlichen Barrieren [17] und somit die Eröffnung der Möglichkeit, mehr am sozialen Studierendenleben teilzuhaben. Auf diese Weise konnte die Basis für einen intensiveren interkulturellen Austausch und somit für eine potentielle Leistungssteigerung gelegt werden [18]. Aus unserer Sicht stellen auch die zur Verfügung gestellten Orientierungshilfen einen essentiellen Programmbestandteil dar, um den internationalen Studierenden einen besseren Einstieg in das Studium zu ermöglichen und möglichst zielgruppenorientiert die zentralen organisatorischen Informationen zu vermitteln.

Die im Rahmen des ChOIS-Programms angebotenen Sprachtrainings ermöglichen den Studierenden einen Zuwachs an kommunikativen Fähigkeiten insbesondere im Kontakt mit Patientinnen und Patienten sowie mit den Dozierenden. Diese Sprachtrainings gewinnen an Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund der immer wieder diskutierten, im Rahmen der Hochschulzulassung angewandten Sprachprüfungen, die allein auf allgemeine sprachliche Fähigkeiten abzielen [4]. Der so gewonnene Zuwachs an kommunikativen Fähigkeiten erlaubt es internationalen Studierenden, Patientinnen und Patienten adäquater zu versorgen [2]. Hervorzuheben ist, dass die Sprachtrainings von einem professionellen Dozenten gegeben wurden.

Das ChOIS-Programm unterstützt internationale Studierende nur zu Studienbeginn. Wünschenswert wäre sicherlich auch ein das gesamte Studium umfassendes Unterstützungsangebot, das internationalen Studierende an weiteren Transitionspunkten, wie den ersten Famulaturen, dem Ablegen der Staatsexamina oder dem Eintritt ins Praktische Jahr begleitet [16]. Für die zukünftige Weiterentwicklung des ChOIS-Programms sollten zum einen internationale Studierende höherer Semester als zentrale Stakeholder im Sinne der studentischen Teilhabe konzeptionell und personell miteingebunden werden. Zum anderen sollten internationale Studierende verstärkt in Kontakt mit ihren deutschsprachigen Kommilitoninnen kommen, z.B. durch Buddy-Programme, bei denen sie die Möglichkeit erhalten, einen deutschen Kommilitonen als Bezugspartner (buddy) zu bekommen. Angesichts der steigenden Anzahl internationaler Medizinstudierender sollten sich zukünftige Forschungsaktivitäten [19] darauf fokussieren, die Bedürfnisse und Benachteiligungen internationaler Studierender genauer zu beleuchten und Fördermöglichkeiten zu entwickeln sowie profundes Wissen zur arithmetischen Entwicklung, Erfolgs- und Abbrecherquoten zu erwerben, um auf diese Weise die Angebotslücke zur Förderung und Integration an den medizinischen Fakultäten zu schließen.

Das ChOIS-Programm hat Limitation. Es wurde an einer medizinischen Fakultät implementiert und ist damit auf dessen lokalen Charakteristika wie z.B. einem Modellstudiengang Medizin oder frühem Unterricht mit Patienten zugeschnitten. Seine Evaluation ist vor allem durch quantitative Erhebungsinstrumente erfolgt und auf das Level 1 nach Kirkpatrick’s Wirksamkeitsmodell für curriculare Interventionen konzentriert [20]. Nicht erfasst wurden Wirkungen auf Lernerfolg sowie Erwerb von ärztlichen Kompetenzen und deren Anwendung in der klinischen Arbeit.


5. Schlussfolgerungen

Mithilfe des ChOIS- Programms ist es gelungen, ein systematisch entwickeltes, umfassendes und integriertes Unterstützungsprogramm für internationale Studierende zum Studienstart zu implementieren. Die Evaluation der Teilnehmenden unterstreicht den Bedarf für ein derartiges Programm und seine einzelnen Elemente. Diese Projektbeschreibung soll anderen Medizinischen Fakultäten als Praxisbeispiel und Orientierungshilfe zur Weiterentwicklung ihrer Unterstützungsprogramme für internationale Studierende dienen. Zukünftig sollten, wie vom Stifterverband 2015 gefordert, verstärkte Bemühungen im Sinne von vermehrten Stipendien- und Betreuungsprogrammen unternommen werden [21], um internationalen Studierenden ein erfolgreiches Studium und so eine soziale und berufliche Integration zu ermöglichen sowie auf diesem Wege Studienabbrüche zu vermeiden.


Förderung

Das ChOIS-Programm wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ finanziell gefördert.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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