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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Gleiche Chance für alle?! Unterstützung im Studium durch Zusatzangebote für internationale Studierende der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Artikel Unterstützung in klinischen Semestern

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  • corresponding author Holger Lenz - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Wolfgang G. Paik - LMU München, München, Deutschland
  • author Fabian Jacobs - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(5):Doc55

doi: 10.3205/zma001201, urn:nbn:de:0183-zma0012015

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001201.shtml

Eingereicht: 29. November 2017
Überarbeitet: 19. Juni 2018
Angenommen: 21. September 2018
Veröffentlicht: 30. November 2018

© 2018 Lenz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Der vorliegende Artikel stellt das seit 2013 an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität existierende Projekt OFIF (Orientierungs- und Fachkommunikationskurse mit Interkulturellem Fokus) vor. Da internationale Studierende der Humanmedizin im Vergleich mit heimischen Kommilitonen oft Defizite in den Bereichen Kommunikation und Sprache vorweisen, bietet OFIF Kommunikationstrainings mit prüfungsrelevanten Schwerpunkten an. Im Folgenden werden Erfolge, Herausforderungen und Chancen des Projekts erläutert.

Methodik: Kommunikation ist eine der größten Hürden im Studien- und Prüfungsalltag internationaler Medizinstudierender. Daher vermitteln die Trainings des Projekts Kommunikationsstrategien anhand von Fallbeispielen und klinisch-praktischen Übungen. Das methodische Konzept der Trainings basiert dabei auf den sechs Lernebenen des kognitiven Modells der revidierten Taxonomie nach Bloom.

Ergebnisse: Seit 2013 wurden über 40 Trainings und Kurse für internationale Medizinstudierende angeboten. Im Wintersemester 2017/18 nahmen 49 Studierende aus allen klinischen Semestern an OFIF-Kursen teil. Die Bewertung der Kurse durch die Teilnehmer war stets positiv (95% der Bewertungsitems wurden auf einer Skala von 1-10 mit 9 oder 10 bewertet).

Schlussfolgerung: Die Tatsache, dass Studierende das Angebot von OFIF von Semester zu Semester immer wieder wahrnehmen und positiv bewerten zeigt, dass es sich hier um ein sinnvolles Konzept für die Unterstützung internationaler Studierender handelt, das als best practice Beispiel dienen kann. Gleichzeitig repräsentieren die 49 Teilnehmer im Wintersemester 2017/18 lediglich 10% der im klinischen Semester eingeschriebenen Studierenden aus dem Ausland. Weitere Forschungsarbeiten, die sich mit der Frage nach der tatsächlichen Auswirkung der Kurse auf die Prüfungs- und Studienleistungen internationaler Studierender beziehen, sind geplant.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung, internationale Studierende, Kommunikationsfähigkeit, Prüfung


1. Einleitung

Das Studium der Humanmedizin in Deutschland erfreut sich bei internationalen Studierenden unverminderter Beliebtheit. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes wuchs der Anteil internationaler Medizinstudierender zwischen 2012 und 2016 deutschlandweit um fast 20% [1]. Obwohl Chenot et al. bereits 2007 darauf aufmerksam machten, dass es sich bei dem Thema ‘Medizinstudierende ausländischer Herkunft in Deutschland’ um eine Forschungslücke handelt, gibt es bis dato keine systematische Untersuchung dieser Gruppe. Dementsprechend bleiben deutsche Bildungseinrichtungen ein standardisiertes und problemorientiertes Repertoire an Unterstützungsangeboten für diese Zielgruppe weiter schuldig [2]. Ferner klagen sowohl Studierende als auch Dozierende über Sprachbarrieren, Isolation im Studienalltag, fehlende Orientierung im Studiensystem, finanzielle Schwierigkeiten und Wohnungssuche als Hauptprobleme internationaler Studierender [3]. Laut einer Statistik des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) aus dem Jahr 2013 fallen, je nach Herkunftsland, 15-60% aller internationaler Vollzeitstudierenden durch das Physikum, verglichen mit nur 10% der deutschen Kommilitonen/innen [4]. Auch im 2. Staatsexamen sind die Leistungen schlechter. Des Weiteren studieren internationale Studierende im Durchschnitt drei Semester länger. Sowohl die höheren Durchfallquoten, als auch die schlechten Prüfungsergebnisse sind signifikant.

Angebote, sofern überhaupt vorhanden, werden nach wie vor zu oft im top-down Prozess entwickelt und orientieren sich demzufolge nicht an der ‘Forschungslücke’, nämlich dem realen Bedürfnis der Zielgruppe. Zugleich stehen Institutionen vor der Herausforderung, das oben angeführte, breit gefächerte Spektrum an Problemen ganzheitlich abzudecken. Angebote orientieren sich daher häufig an einem oder zwei der genannten Hauptproblemen [5]. An der Ludwig-Maximilians-Universität versucht das hier beschriebene Projekt OFIF (Orientierungs- und Fachkommunikationskurse mit Interkulturellem Fokus), diese Problematik durch Unterstützungsangebote für internationale Studierende anzugehen und auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe einzugehen. Der Fokus des Projekts liegt dabei auf der Vermittlung verbaler und nonverbaler Kommunikationsstrategien in Prüfungssituationen und im Umgang mit Patienten.


2. Projektbeschreibung

Nachfolgend wird das Projekt OFIF von seiner Entstehung bis heute beschrieben.

2.1. Bedarfsanalyse

Vor dem oben beschriebenen Hintergrund der ‚Forschungslücke‘ führte das 2013 gegründete Projekt OFIF eine umfassende Bedarfsanalyse mit Leitfadeninterviews unter Dozierenden (N=11) und internationalen Studierenden (N=9) der Medizinischen Fakultät der LMU durch. Ergänzend dazu führte OFIF eine Online-Umfrage unter Dozierenden (N=67) und Studierenden (N=100) durch. Ziel der Befragung war, den Bedarf an unterstützenden Veranstaltungen von verschiedenen Perspektiven aus zu eruieren und damit gezielt auf die Bedürfnisse der Studierenden eingehen zu können.

Basierend auf den Leitfadeninterviews zeigten sich folgende Ergebnisse:

Aus Sicht der Dozierenden haben internationale Studierende Probleme in folgenden Bereichen:

  • Probleme im Umgang mit Patienten/innen hinsichtlich der umgangssprachlichen Kommunikation und dem Transfer der medizinischen Fachbegriffe
  • Probleme in mündlichen und praktischen Prüfungen hinsichtlich des sprachlichen Ausdrucks und des Verstehens von Fragen bzw. Arbeitsanweisungen
  • Außerdem wirken internationale Studierende aus Sicht der Dozierenden oft isoliert, haben wenig Kontakt zu deutschen Studierenden und nehmen seltener an Lerngruppen teil

Aus Sicht der internationalen Studierenden gibt es folgende Probleme und Wünsche:

  • Probleme in mündlichen Prüfungen mit der Ausformulierung von Antworten
  • Probleme in Klausuren mit dem Verständnis der Multiple-Choice-Aufgaben
  • Wunsch nach mehr Anschluss an Lerngruppen und Kontakt zu deutschen Studierenden
  • Wunsch nach einem Tutoren-/Buddy-System, das besonders zu Studienbeginn Orientierung an der Universität bietet, bei der Administration unterstützt und Lerntipps gibt
2.2. Rahmen des implementierten Kursangebots

Auf Grundlage der Ergebnisse der Bedarfsanalyse führte OFIF im Wintersemester 2013/2014 eine dreigliedrige Veranstaltungsreihe (mit je zwei bis vier Unterrichtseinheiten) mit insgesamt fünf semesterübergreifenden, handlungs- und kommunikationsorientierten Trainings ein (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Anmeldung und Teilnahme war freiwillig und kein Teil des Curriculums. Aufgrund der großen Nachfrage wurden zwei zusätzliche Trainings für Multiple Choice Aufgaben und Mündliche Prüfungen durchgeführt. Um eine möglichst große Zahl von Studentinnen und Studenten zu erreichen, richtete sich das Angebot zunächst an Studierende aller Semester.

Diese Vorgehensweise ermöglichte eine aktive Wissensvermittlung und den Erfahrungsaustausch zwischen Studierenden unterschiedlicher Semester. Studierende aus der Vorklinik in niedrigeren Semestern konnten so vom Wissen ‘erfahrenerer’ Studierender profitieren. Studierende höherer, klinischer Semester konnten als Buddys, bzw. Tutoren/Mentoren fungieren.

2.2.1 Methodische Umsetzung

Methodisch basierten die Trainings auf handlungsorientiertem Lernen in Simulationen [6]. Es wurden zwei Trainings zum Thema „Mündliche Prüfungen“ durchgeführt. Diese Prüfungsform bereitet vielen internationalen Studierenden aufgrund von Prüfungsangst und mangelndem sprachlichen Ausdruck große Schwierigkeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Studierenden oftmals aus anderen Lerntraditionen kommen und folglich unterschiedliche Lernstile mitbringen [7]. Die angebotene Trainingseinheit unterstützte die Studierenden durch die Vermittlung von Lernstrategien sowie Tipps zur Präsentation und Verhalten in Prüfungen. Des Weiteren konnten die Inhalte realitätsnah durch die Simulation von mündlichen Prüfungssituationen in einem geschützten Rahmen geübt werden und mit Feedback von Peers unterstützt werden.

Des Weiteren wurden zwei Trainings zum Themenbereich „Multiple Choice Aufgaben“ durchgeführt. Diese Prüfungsform stellt durch die Komplexität der Fragestellungen für viele internationale Studierende eine Herausforderung dar. Mit der Vermittlung von Lernstrategien zur Prüfungsvorbereitung unterstützte OFIF in dieser Trainingseinheit die internationalen Studierenden bei ihrem Umgang mit MC-Aufgaben.

Schließlich stellt das Arzt-Patienten-Gespräch viele internationale Studierende nach dem erfolgreichen Erlernen der medizinischen Fachsprache vor Probleme. Deshalb lag der Fokus dieses Trainings auf dem Üben des Transfers medizinischer Fachausdrücke in die Laiensprache mit Hilfe von simulierten Arzt-Patienten-Gesprächen [8].

2.2.2 Evaluation

Die Trainings wurden mittels Fragebogen-Feedback evaluiert, um auf Grundlage dieser das Format und die Inhalte der Veranstaltungen kontinuierlich weiter zu verbessern. Im Wintersemester 2013/2014 nahmen insgesamt 65 Teilnehmer und Teilnehmerinnen (52 Vollzeitstudierende und 13 Erasmus-Studierende) aus 27 Nationen an den fünf Trainings teil. Davon waren 38 Personen aus dem vorklinischen und 27 aus dem klinischen Abschnitt des Medizinstudiums. Die Studierenden bewerteten die Veranstaltungen mit einer Durchschnittsnote von 1,4, auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht).

2.3 Das aktuelle Projekt

Der Ansatz, Studierende aus dem vorklinischen und klinischen Studienabschnitt als Gruppe gemeinsam zu coachen wurde aufgrund der unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse, sowie der Differenz fachlicher und kommunikativer Kompetenzen von Klinikern im Vergleich zu Studierenden der Vorklinik ab dem Wintersemester 2015/16 aufgegeben (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Während sich ein zweites, zwischenzeitlich gegründetes Projekt auf Studierende aus dem vorklinischen Studienabschnitt konzentriert, übernimmt OFIF die Angebotsbetreuung für Studierende im klinischen Studienabschnitt (nach dem bestandenen Physikum).

Da der Fokus im klinischen Studienabschnitt auf mündlich-praktischen Prüfungsformen (z.B. OSCEs) liegt, wurde das Training MC-Aufgaben von OFIF nicht mehr angeboten. Die Trainings „mündliche Prüfungen“ wurden durch praktische Komponenten erweitert, so dass in diesen Trainings nun am Prüfungs- und Klinikalltag orientierte Kommunikationsstrategien im Vordergrund stehen. Im Wintersemester 2017/18 wurden daher folgende Trainings durchgeführt:

1.
Kommunikationstraining Anamnesegespräch (2 Stunden)
2.
Kommunikationstraining Körperliche Untersuchung (1,5 Stunden)
3.
Kommunikationstraining Aufklärung vor OP (1,5 Stunden)
4.
Kommunikationstraining Schwieriger Patient (1,5 Stunden)
5.
Kommunikationstraining Digital-Rektale Untersuchung (1,5 Stunden)

Die Veranstaltungen wurden in oben geschilderter Reihenfolge im Wochenrhythmus jeweils an einem Dienstagabend durchgeführt und pro Semester nur einmal angeboten. Teilnahmeberechtigt waren Medizinstudierende der LMU im klinischen Studienabschnitt, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Die Zielgruppe wurde durch Werbung in Einführungsveranstaltungen, per Flyer, Soziale Netzwerke (Facebook) und per Email-Newsletter auf das Angebot aufmerksam gemacht. Die Anmeldung erfolgte über ein Online-Formular, die maximale Teilnehmerzahl war aus didaktisch-praktischen Gründen auf 21 begrenzt. Jede Veranstaltung mit Ausnahme des Anamnesegesprächs dauerte 90 Minuten. Im Folgenden wird nun der didaktische Aufbau des Trainingskonzepts beschrieben.

2.3.1 Methodik

Hauptziel von OFIF ist es, eine kontrollierte Lernumgebung für die teilnehmenden Studierenden zu schaffen, in der im klinischen Alltag nur implizit vermittelte Aspekte der Kommunikation explizit wahrgenommen, reproduziert und kritisch reflektiert werden können.

Didaktisch-strukturell orientiert sich jede Kurseinheit zu diesem Zweck an den sechs Lernebenen des kognitiven Modells der revidierten Taxonomie nach Bloom [9]. Blooms Taxonomie unterstützt besonders die Herstellung eines klaren Zusammenhangs zwischen Lernaktivität und Lernerfolg [10]. Im Folgenden soll zunächst der grundlegende Ablauf einer Kurseinheit vorgestellt und mit Hinblick auf die sechs Lernebenen Blooms erläutert werden. (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Im Gegensatz zu Blooms ursprünglicher Taxonomie kennzeichnet sich die revidierte Fassung durch den Einsatz von Verben und Gerundien für die Bezeichnung der sechs Lernebenen. Der Einsatz dieser sogenannten Handlungsworte (action words) betont die kognitiven Prozesse, anhand derer die Lernenden mit dem zu erwerbenden Wissen zusammentreffen und umgehen [11]. Ein solcher Ansatz gibt auch die Natur des Lernprozesses genauer wider, an deren Ende der erfolgreiche Erwerb frei einsetzbarer (Kommunikations-)Techniken, anstelle kristallisierten Wissens, steht [9], [11]. Die sechs Ebenen der revidierten Taxonomie lauten: Erinnern (remember), Verstehen (understand), Analysieren (analyze), Anwenden (apply), Erschaffen (create) und Auswerten (evaluate).

2.3.2 Strukturelle Darstellung eines OFIF-Kommunikationstrainings unter Berücksichtigung des methodischen Fundaments

Jede Kurseinheit eines OFIF-Kommunikationstrainings beginnt mit einer 5-minütigen, Kennenlernphase der Teilnehmer. Eine kurze Frage nach Vorerfahrungen zur Thematik des Kurses bietet Gelegenheit, den praktischen Nutzen des Kurses zu diskutieren. Nach der Kennenlernphase erfolgt die formale Einführung in die Thematik. Diese schließt eine 20-minütige Powerpoint-Präsentation mit ein, in der spezifische Fakten zum Thema vermittelt werden. Entscheidend in diesem Schritt ist die aktive Einbindung der Studierenden, welche durch wiederholtes Abfragen von (Vor-)Wissen im Laufe der Präsentation erreicht wird (Erinnern). Konkret könnte z. B. im Kontext eines Anamnesegesprächs die Definition der Kommunikationstechnik Echoing in dieser ersten Kursphase durch die Lernenden erinnert werden.

Anschließend erfolgt die Überprüfung und Reorganisation des erworbenen Wissens im Plenum. Eine entsprechende Aufgabenstellung zum Echoing etwa fordert die Lernenden dazu auf, diese Kommunikationstechnik mit der des Paraphrasierens zu vergleichen. Kognitiv führt dies zu einer klareren Abgrenzung der beiden Begriffe, was wiederum zu einem tieferen Verständnis der Begrifflichkeiten führt (Verstehen).

Im nächsten Schritt widmen sich die Lernenden in Kleingruppen der Bearbeitung von Lückentexten, was das eben erworbene Wissen (z. B. der Echoing-Technik) aktiviert. Der Lückentext setzt didaktisch betrachtet den engen Rahmen, innerhalb dessen die Lernenden das neu erworbene Wissen isoliert zur Anwendung bringen (Anwenden). Mit diesem Schritt ist das maximale Ausmaß an didaktisch vorhergesehener Isolierung von Gesprächsbestandteilen erreicht: Mit Ausnahme der einzusetzenden Gesprächstechniken bleibt die simulierte Gesprächssituation konstant.

Die schrittweise Wiedereinführung der Komplexität und somit die Annäherung an die Realität des klinischen Alltags beginnt mit einer 10-minütigen Schauspieldemonstration durch die Dozenten. Das bisher erworbene Wissen wird durch die schauspielenden Dozenten im Kontext eines klinischen Szenarios lebensecht dargestellt. Alle Lernenden werden dazu aufgefordert, dieses Gesamtszenario gedanklich in einzelne Bestandteile zu zerlegen, es auf (nun) bekannte Elemente der Gesprächsführung, z. B. der Technik des Echoings, hin zu untersuchen (Analysieren).

In der letzten Phase des Kurses werden die Lernenden schließlich direkt mit einem Szenario aus dem klinischen Alltag konfrontiert. Zu diesem Zweck bilden jeweils drei Lernende eine Kleingruppe und werden von den Dozenten mit dem Fallszenario und einer Checkliste ausgestattet. Jede Kleingruppe spielt dann den klinischen Fall durch, wobei jeder Teilnehmende jeweils einmal die Rolle des Arztes, des Patienten und eines Beobachters einnimmt. Der Beobachter besitzt die Aufgabe, das ärztliche Verhalten anhand der zur Verfügung gestellten Checkliste zu beurteilen, also z. B. auf den korrekten Einsatz des Echoings zu achten. Diese Übung unterscheidet sich von den vorangegangenen dadurch, dass sie den Lernenden die aktive Produktion eines Handlungszusammenhangs abverlangt, in den sich die bisher erlernten Gesprächstechniken auf natürliche Weise einbetten lassen. Sie dient sowohl der aktiven Einarbeitung der erlernten Techniken in das eigene Verhaltensrepertoire jedes Lernenden als auch der gegenseitigen Evaluation und dem Einprägen der erlernten Kommunikationstechniken durch dreimaliges Wiederholen der gleichen Situation.

Nach der Übung werden Herausforderungen und Performance im Plenum diskutiert und reflektiert (Erschaffen und Auswerten). In Tabelle 2 [Tab. 2] findet sich eine tabellarische Übersicht des hier vorgestellten Stundenplans.

2.4 Projektorganisation

Seit 2015 besteht eine Kooperation zwischen OFIF und dem Projekt Study-Buddies der Medizinischen Fakultät der LMU. Das Study-Buddy-Programm betreut internationale Studierende der Humanmedizin, die im Rahmen des Erasmusprogramms ein oder mehrere Auslandssemester an der LMU absolvieren und sorgt dafür, dass jedem Erasmus-Studierenden ein deutscher Kommilitone als Ansprechpartner zugeteilt wird. Den Erasmus-Studierenden steht es dabei frei, die Veranstaltungen von OFIF zu besuchen. Die Zusammenarbeit ermöglicht es internationalen Vollzeitstudierenden und Erasmus-Studierenden, sich gegenseitig auszutauschen und von einem größeren Veranstaltungsangebot zu profitieren. Im Rahmen der Kooperation wurden im Wintersemester 2017/18 die Kommunikationstrainings Anamnesegespräch und Körperliche Untersuchung nicht von OFIF, sondern von den Leitern des Study-Buddy-Programms (selbst Medizinstudierende an der LMU) auf Grundlage des von OFIF erarbeiteten Konzepts durchgeführt. Weitere Kooperationen und Vernetzungen mit anderen Einrichtungen sind erwünscht, gerade da sich dies positiv auf die Sichtbarkeit des Projekts auswirkt.

2.4.1 Projektteam

Das Projektteam setzt sich seit 2013 aus einem wissenschaftlichen Mitarbeiter mit pädagogischem Ausbildungshintergrund in Teilzeit (50%-Stelle) und zwei studentischen Hilfskräften aus dem Fachbereich Humanmedizin mit einer Arbeitszeit von je 8 Stunden pro Woche zusammen. Die Veranstaltungen wurden jeweils vom Wissenschaftlichen Mitarbeiter in Kooperation mit den Studentischen Hilfskräften entwickelt und durchgeführt. Weitere medizinische Perspektiven wurden, sofern benötigt, von am Klinikum der LMU tätigen Ärzten eingeholt.

Die Finanzierung erfolgt seit der Projektgründung über Studienzuschüsse der Medizinischen Fakultät der LMU über die Kommission zur Vergabe der Mittel aus Studienzuschüssen. Im Rahmen des LMU-internen Förderprojekts Lehre@LMU wurden für 2018 weitere Gelder für Hilfskräfte beantragt und genehmigt, so dass ab Januar 2018 insgesamt drei Hilfskräfte am Projekt arbeiten werden.


3. Ergebnisse

Im Wintersemester 2017/18 nahmen 55 Studierende an einer Einführungsveranstaltung teil, die in der Woche unmittelbar vor dem ersten Training abgehalten und in der das Programm und Trainingskonzept vorgestellt wurde. Dies entspricht 10% der Zielgruppe ausländischer Studierender im klinischen Studienabschnitt (N=543). An den Trainings selbst nahmen insgesamt 49 Studierende bei 91 Anmeldungen teil, wobei es jedem Studierenden frei stand, nur eins der fünf Trainings bzw. mehrere oder alle zu besuchen. Der von den Study-Buddies durchgeführte Anamnesekurs (16 Teilnehmer) war am besten besucht, gefolgt vom Training zur Aufklärung vor OP (12 Teilnehmer). Zu den Trainings Körperliche Untersuchung und Schwieriger Patient kamen jeweils 8 Studierende. Das Trainingsangebot Digital-Rektale Untersuchung wurde schließlich von 5 Studierenden in Anspruch genommen. Die meisten Studierenden kamen aus der Türkei (9), gefolgt von Ungarn (6), Israel, Belgien und Griechenland (4) und Italien, Russland, Slowenien und Zypern (3). Bulgarien, Finnland, Frankreich, Kamerun, Libyen, Polen, Serbien, Spanien und Vietnam waren mit jeweils einem Teilnehmer vertreten. Ein Deutscher Studierender nahm ebenfalls an den Kursen teil.

Da die Trainings Anamnesegespräch und Körperliche Untersuchung nicht von OFIF, sondern von den Study-Buddies durchgeführt wurden, liegen hier leider keine Evaluationsdaten vor. Sowohl anekdotische Erfahrungsberichte als auch statistische Daten (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]) zeigen aber, dass die von OFIF durchgeführten Veranstaltungen von Teilnehmern grundsätzlich als positiv bewertet werden. Besonders erfreulich ist, dass die Frage „Ich würde das Training weiterempfehlen“, von mehr als 90% mit der Aussage „Stimmt voll und ganz“ bewertet wurde.


4. Diskussion

Wie bereits dargelegt wurden die Angebote des Projekts OFIF sehr gut evaluiert und haben durch die fünfjährige Geschichte und stetige Weiterentwicklung einen festen Platz in der Angebotsstruktur der Medizinischen Fakultät der LMU gefunden.

Wie aus den oben angeführten Zahlen ersichtlich, besteht ein großer Unterschied zwischen Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen zu Beginn des Semesters im Vergleich zu Zahlen von Veranstaltungen, die in der Mitte oder gegen Ende des Semesters stattfinden. Eine zwischen 2015 und 2017 erprobte Kooperation mit der Interkulturellen Beratungsstelle der LMU musste beispielsweise wegen mangelnder Teilnehmerzahl wieder eingestellt werden. Dabei ist momentan noch nicht ersichtlich, aus welchen Ursachen sich das Gefälle der Teilnehmer im Laufe des Semesters ergibt. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass nicht alle für die Veranstaltungen angemeldeten Studierenden auch tatsächlich an den Veranstaltungen teilnehmen. Lediglich 49 der insgesamt 94 angemeldeten Teilnehmer erschienen tatsächlich zu den Kursen. Auch hier ist die Ursache noch unklar. Vermutungen liegen bei zunehmenden Verpflichtungen seitens der Studierenden, wachsendem Lern- und Prüfungsdruck, oder gar Desinteresse am Verbessern der eigenen Kommunikationsstrategien. Anekdotisch kann berichtet werden, dass viele internationale Vollzeitstudierende zwar „schon einmal von OFIF gehört“ haben und sich sogar anmelden, es aus zeitlichen oder persönlichen Gründen aber versäumen, eine Veranstaltung zu besuchen, die nicht verpflichtend und nicht in das Curriculum eingebettet ist. Eine für die Zukunft geplante Fokusgruppe soll die Ursachen dafür erforschen.


5. Schlussfolgerung

Im Mai 2018 jährte sich die Gründung des Projekts OFIF zum fünften Mal. Ziel ist es daher, in diesem Jahr in einer umfassenden Bilanzanalyse festzuhalten, ob OFIF die in der Bedarfsanalyse von 2013 aufgezeigten Hürden im Studienalltag internationaler Studierender positiv beeinflusst hat. Ob dies so ist und in welchem Maße, kann momentan nur schwer gesagt werden. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass trotz Bemühungen um ein bedürfnisorientiertes und prüfungsrelevantes Angebot, sowie trotz intensiven Werbens für Kommunikationstrainings in Einführungsveranstaltungen, Campus-Newslettern, Facebook-Seiten und per Flyer und Poster weiter Handlungsbedarf besteht. Im Sommersemester 2017 waren 490 internationale Vollzeitstudierende im klinischen Studienabschnitt der Humanmedizin an der LMU eingeschrieben - im Semester darauf nahmen 49 Studierende an den Veranstaltungen teil. Die selbstkritische Frage bleibt daher momentan offen, ob und wie diese Zielgruppe stärker in Angebote wie die von OFIF involviert werden kann, ohne diese Angebote verpflichtend in das Curriculum einzubetten.

Ein umfassendes Angebot zu konzipieren, dass alle Probleme löst, bzw. anspricht, die in der Einleitung angeführt wurden, ist unserer Erfahrung nach nur schwer möglich. Besonders die über Jahre hinweg unsichere Finanzierungslage der Stellenanteile erschwert langfristig die Planung und das Umsetzen größerer Projektideen. Nur wenn das Thema größere Sichtbarkeit und ein stärkeres Gewicht bei Verantwortlichen bekommt, vielleicht in Form einer zentralen Anlaufstelle für internationale Studierende, können diese auf Dauer profitieren.


Danksagung

Das Projekt OFIF bedankt sich für die Finanzierung durch Studienbeitragsmittel bei der Medizinischen Fakultät der LMU.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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