gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

„Heidelberger Standarduntersuchung“ – Erfahrungen von PJ-Studierenden mit Handbüchern und Lehrvideos zur Verbesserung der ärztlichen Kompetenz bei der Durchführung der körperlichen Untersuchung

Artikel Körperliche Untersuchung

  • Julia Knauber - Universität Heidelberg, Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland
  • Anna-Katharina König - Universität Heidelberg, Chirurgische Universitätsklinik, Heidelberg, Deutschland
  • Tobias Herion - Universität Heidelberg, Chirurgische Universitätsklinik, Heidelberg, Deutschland
  • Julia Tabatabai - Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinik Kinderheilkunde I, Heidelberg, Deutschland; Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Infektiologie, Virologie, Heidelberg, Deutschland; Universität Heidelberg, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Martina Kadmon - Universität Heidelberg, Chirurgische Universitätsklinik, Heidelberg, Deutschland; Universität Augsburg, Medizinische Fakultät, Augsburg, Deutschland
  • corresponding author Christoph Nikendei - Universität Heidelberg, Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(3):Doc38

doi: 10.3205/zma001184, urn:nbn:de:0183-zma0011844

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001184.shtml

Eingereicht: 12. März 2018
Überarbeitet: 7. Mai 2018
Angenommen: 7. Juni 2018
Veröffentlicht: 15. August 2018

© 2018 Knauber et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die körperliche Untersuchung (KU) von Patientinnen und Patienten ist in fast allen medizinischen Fachbereichen eine wichtige Kernkompetenz. Mit den Lehrmaterialien „Heidelberger Standarduntersuchung“, bestehend aus einem Kitteltaschenbuch und Begleitvideos, wurde ein neuer Lehr-und Prüfungsstandard entwickelt, der Medizinstudierenden die Möglichkeit gibt, bereits während des Studiums eine hohe Kompetenz in der Durchführung der KU zu erlangen. In einer sowohl quantitativ als auch qualitativ angelegten Befragung nach dem „mixed-method approach“ mit Studierenden im Praktischen Jahr (PJ) am Universitätsklinikum Heidelberg wurden Nutzungsverhalten und Bewertungen einzelner Komponenten der Lehrmaterialien untersucht. Der quantitative Teil der Untersuchung erfolgte dabei anhand eines Fragebogens, der von 92 PJ-Studierenden ausgefüllt wurde. Der qualitative Teil wurde in Form von halbstandardisierten Interviews mit zehn PJ-Studierenden durchgeführt. Von den n=77 Studierenden, die den klinischen Studienabschnitt am Standort absolviert hatten, hatten 97,4% (n=75) das Untersuchungsbuch und 35,0% (n=27) die Begleitvideos genutzt. Dabei wurde das Untersuchungsbuch mit einer Durchschnittsnote von 1,35±0,5 und die Begleitvideos mit einer Durchschnittsnote von 2,15±1,0 entsprechend dem Schulnotensystem bewertet. Unsere weiteren Ergebnisse zeigen, dass insbesondere das Kitteltaschenbuch als Leitfaden und Referenzwerk von den Studierenden sehr gut angenommen wurde und zu einer starken Verbesserung der selbstwahrgenommenen Kompetenz bei der KU beitragen konnte. Das Videomaterial wurde ebenfalls als sehr hilfreich bewertet, aber bisher noch weniger genutzt, sodass hier noch Entwicklungspotential zu sehen ist. Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass das Projekt „Heidelberger Standarduntersuchung“ dazu beigetragen hat, die Qualität der studentischen Ausbildung in Bezug auf die KU aus Sicht der Studierenden nachhaltig zu verbessern.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung, Körperliche Untersuchung, multimodales Lernen


Einleitung

Die Durchführung körperlicher Untersuchungen (KU) von Patientinnen und Patienten ist in fast allen medizinischen Fachbereichen eine entscheidende Komponente der ärztlichen Tätigkeit [1]. In Verbindung mit dem Erheben der Krankheitsgeschichte ermöglicht die körperliche Untersuchung dem Arzt eine zielgerichtete Diagnostik und ist daher Grundlage für eine erfolgreiche Behandlungsplanung [2], [3]. Aufgrund der zentralen Bedeutung der KU ist es essentiell, dass jeder Absolvent diese Fähigkeit exzellent beherrscht.

Trotz der Bedeutung körperlicher Untersuchungstechniken zeigen Untersuchungen bei Medizinstudierenden, dass ein Großteil dieser bei der Durchführung der KU und der Beurteilung der erhobenen Befunde gravierende Defizite aufweisen [1], [4], [5]. Um eine dringend notwendige Verbesserung der Qualifizierung von Medizinstudierenden in der Durchführung körperlicherer Untersuchungstechniken voranzutreiben, bedarf es der Entwicklung eines standardisierten Verfahrens in der Vermittlung von Lehrinhalten, welches über alle Studienabschnitte und Fachbereiche hinweg Anwendung findet [6], [7]. Für die Annahme solcher klinisch-praktischen Qualifizierungsangebote scheinen nicht nur curriculare und freiwillige Übungseinheiten zur Vertiefung von Bedeutung, sondern auch deren Verankerung und Korrespondenz mit Prüfungszielen [8].

Mit dem Ziel der Etablierung eines solchen interdisziplinären Standards zur KU in Abstimmung mit allen klinischen Disziplinen der Universitätsklinik Heidelberg wurde das Projekt „Heidelberger Klinische Standards“ [https://www.heidelbergerklinischestandards.de/] ins Leben gerufen [7]. Im Rahmen dieses Projektes sollte es allen Studierenden der Medizinischen Fakultät Heidelberg ermöglicht werden, anhand umfangreicher und kostenlos zur Verfügung gestellter multimedialer Materialien standardisierte Untersuchungsmethoden gezielter zu erlernen. Neben einem praxisorientierten Handbuch in Kitteltaschenformat [9] wurden dabei korrespondierende Lehrfilme entwickelt, um die einzelnen Untersuchungstechniken im Sinne des e-Learnings plastisch zu gestalten und damit Lernprozesse zu verbessern [7]. Durch eine curriculare Integration der entwickelten Untersuchungsstandards sollte so die Qualität der studentischen Ausbildung und der Kompetenzerwerb nachhaltig gesteigert und damit die Patientenversorgung verbessert werden [7]. Bisher liegen jedoch keinerlei Erkenntnisse darüber vor, wie ein Programm zur Standardisierung von körperlichen Untersuchungstechniken von Medizinstudierenden im Praktischen Jahr (PJ) bezüglich seines Nutzens für die Erweiterung ihrer fachlichen Kompetenzen wahrgenommen wird.

Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, im Rahmen einer sowohl quantitativen als auch qualitativen Befragung von PJ-Studierenden am Universitätsklinikum Heidelberg ihre Einschätzung

1.
zur Nutzungsweise
2.
zu hilfreichen Aspekten des Kitteltaschenbuchs und dessen Begleitvideos zu untersuchen,
3.
den Einfluss der Medien auf die Prüfungs-vorbereitung und das Erlernen von klinisch-praktischen Fertigkeiten zu erfassen sowie
4.
die Integration der Lehrmaterialien in das Curriculum zu überprüfen.

Methoden

Studiendesign

In einer sowohl quantitativ als auch qualitativ angelegten Befragung nach dem mixed-method approach [10] mit PJ-Studierenden am Universitätsklinikum Heidelberg wurden Nutzungsverhalten und Bewertungen einzelner Komponenten des Handbuchs „Heidelberger Standarduntersuchung“ und dessen Begleitfilmen [https://www.heidelbergerklinischestandards.de/] erfasst. Der quantitative Teil der Untersuchung erfolgte dabei anhand eines Fragebogens mit insgesamt 43 Items (siehe Abschnitt „Fragebogeninstrument“). Um einen differenzierteren Eindruck des Nutzungsverhaltens zu erlangen und die Bedeutung der Materialien im klinischen Studienabschnitt und dem PJ besser zu verstehen, wurden zusätzlich halbstandardisierte Interviews geführt.

Studienteilnehmer der quantitativen Fragebogenuntersuchung

Der quantitative Teil der Untersuchung wurde im Zeitraum von November 2016 bis Mai 2017 am Universitätsklinikums Heidelberg durchgeführt. Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte dabei aus zwei geschlossenen Kohorten von Studierenden, die sich jeweils am Beginn ihres PJs befanden sowie aus einer geschlossenen Kohorte von Studierenden, die sich im dritten Tertial ihres PJs im Abschnitt „Inneren Medizin“ befanden. Diejenigen Teilnehmer, die sich am Anfang ihres PJs befanden, wurden im Rahmen einer PJ-Einführungsveranstaltung [11] rekrutiert. Die PJ-Studierenden aus dem Abschnitt „Inneren Medizin“ wurden während einer Supervisionsveranstaltung rekrutiert. Alle Teilnehmer wurden vor Beginn der Befragung über die Hintergründe der Evaluation informiert und die Teilnahme war freiwillig. Die Komplettierung des Fragebogens nahm ca. 15 Minuten in Anspruch.

Fragebogeninstrument

Die quantitative Bewertung des Handbuchs „Heidelberger Standarduntersuchung“ und dessen Begleitvideos erfolgte anhand eines von unserer Arbeitsgruppe selber konzipierten Fragenbogens. Dieser wurde während des Entwicklungsprozesses wiederholt von Fachexperten kritisch geprüft und einer Pilotierung unterzogen indem er 10 PJ-Studierenden vorgelegt wurde mit der Bitte ihn auszufüllen und Rückmeldung zu geben. Schließlich umfasste der Fragebogen insgesamt 43 Items. Neben zwei normativen Fragen zum aktuellen Studienabschnitt und dem bisherigen Studienort wurde im Fragebogen zunächst

1.
die Nutzungsweise der Lehrmaterialien abgefragt. In einem ersten Frageblock mit zwei Items wurde anhand dreier Kategorien („kenne ich nicht“, „kenne ich“, „habe ich bereits genutzt“) die
    • bisherige Nutzungserfahrung erfragt.
    • Innerhalb eines zweiten Frageblocks wurde die Frequenz der Nutzung von Buch und Videos in je vier verschiedenen Zusammenhängen (Vorbereitung auf praktische Tätigkeit, praktische Tätigkeit, praktische und schriftliche Prüfungsvorbereitung) mit fünfstufigen Likert-Skalen Fragen („sehr häufig“ bis „nie“) abgefragt.
2.
Die Zustimmung zu wahrgenommenen hilfreichen Aspekte des Handbuchs und der Begleitvideos wurden mit je acht Items auf einer siebenstufigen Likert-Skala („stimme voll zu“ bis „stimme gar nicht zu“) evaluiert. Bei fehlender Erfahrung mit einer Eigenschaft hatten die Teilnehmer dabei die Möglichkeit, dies anzugeben.
3.
Der Einfluss der Medien auf die Prüfungsvorbereitung und das Erlernen von klinisch-praktischen Fertigkeiten wurden ebenfalls mit siebenstufigen Likert-Skalen Fragen („stimme voll zu“ bis „stimme gar nicht zu“) für das Buch und die Videos bestimmt. Hierbei wurden jeweils drei Items bezüglich des praktischen Nutzens („größere Eigenständigkeit“, „höheres Sicherheitsempfinden“, „weniger Fehler bei der Untersuchung“) und je zwei Items zum Nutzen für die Prüfungsvorbereitung (Staatsexamen und praktische Prüfungen im Studium) abgefragt.
4.
Die Integration des Lehrmaterials in das Curriculum wurde mit je einer Frage zur Häufigkeit von Hinweisen auf Buch und Videos von Dozenten im Studentenunterricht und einem Item zur tatsächlichen Nutzung von Videos im Unterricht anhand einer fünfstelligen Likert-Skala („sehr häufig“ bis „nie“) abgefragt. Abschließend wurde jeweils anhand einer sechsstufigen Schulnote („sehr gut“ bis „ungenügend“) die allgemeine Bewertung des Handbuchs und der Begleitvideos erhoben.
Quantitative Analyse der Fragebogenergebnisse

Die Datenauswertung erfolgte mittels deskriptiver Analysen mit dem Statistical Package for the Social Sciences (version 21.0, SPSS Inc., Chicago, IL, USA). Um ein möglichst transparentes Bild vom Antwortverhalten der Befragten zu erlangen, betrachteten wir bei der Analyse die Häufigkeitsverteilungen. Die Bewertung des Buchs und der Videos anhand einer Schulnote wurde über Mittelwerte berechnet.

Studienteilnehmer der qualitativen Untersuchung

Die Rekrutierung für den qualitativen Teil der Untersuchung erfolgte zeitgleich zur quantitativen Befragung der PJ-Studierenden im dritten Tertial im Abschnitt „Inneren Medizin“ am Universitätsklinikum Heidelberg. Den Studierenden dieser Kohorte wurde angeboten, auf freiwilliger Basis, auch am qualitativen Teil unserer Studie teilzunehmen, sodass die interviewten PJ-Studierenden eine Subgruppe der Befragten aus der quantitativen Befragung darstellen.

Entwicklung der Interview-Leitfragen und Durchführung der halbstandardisierten Interviews

Die qualitative Untersuchung der Nutzungserfahrungen und der Bewertung der Lehrmaterialien durch die PJ-Studierenden erfolgte anhand von halbstandardisierten Interviews. Die Leitfragen für die Interviews wurden dabei anhand der Qualitätskriterien der COREQ-Checkliste [12] und auf Grundlage von Diskussionen im Expertenteam entwickelt. Unter Berücksichtigung der methodischen Anhaltspunkte nach Helfferich wurden die Interviews dabei in semi-standardisierter Form mit offenen Leitfragen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]), aufrechterhaltenen Fragen und Nachfragen entwickelt [13].

Die Teilnehmer wurden über die Hintergründe der Befragung aufgeklärt. Die Teilnahme war freiwillig. Die manualbasierten Interviews wurden in Einzelgesprächen durch eine in qualitativer Forschung erfahrene und trainierte Interviewerin unter Supervision durchführt. Die Durchführung dauerte ca. 30 Minuten. Die Interviews wurden per Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend wörtlich transkribiert.

Qualitative Auswertung der halbstandardisierten Interviews

Die qualitative Inhaltsanalyse der transkribierten Interviews wurde mithilfe der Software MaxQDA (version 12, VERBI GmbH, Berlin) durchgeführt. Hierbei folgten wir den Leitlinien der qualitativen induktiven Inhaltsanalyse [14], so dass thematische Kategorien nicht im Vorfeld definiert, sondern erst aus den Inhalten heraus entwickelt wurden. Mit dem Ziel, wiederkehrende Themen zu identifizieren wurden daher alle Interviews zunächst einer offenen Codierung unterzogen. Hierbei wurden einzelne oder mehrere inhaltlich zusammenhängende Sätze als sogenannte „Codes“, als stellvertretende elementarste Bedeutungseinheiten [15], herausgearbeitet. In einem folgenden Schritt wurden diese Codes für jeden einzelnen Teilnehmer zu relevanten Themen zusammengefasst. Zwischen den Teilnehmern wiederkehrende Themen wurden dann in einem iterativen Prozess miteinander verglichen und adaptiert, bis relevante Themen für alle Teilnehmer definiert werden konnten. Die Zuordnung der Codes zu entsprechenden Themen wurde dabei von zwei Autoren unabhängig voneinander vorgenommen, bei Unstimmigkeit diskutiert und ggf. verändert. Schließlich wurden inhaltlich übereinstimmenden Themen in Haupt- und Unterkategorien gruppiert.


Ergebnisse

Stichprobe der quantitativen Fragebogenuntersuchung

Der Fragebogen wurde an insgesamt 100 PJ-Studierende verteilt. Wir erhielten von 92 Personen den ausgefüllten Fragebogen zurück, so dass eine Rücklaufquote von 92% erreicht werden konnte. Während 14 Studierende sich im dritten Tertial dieses Ausbildungsabschnittes befanden, waren die übrigen 78 Teilnehmer gerade am Beginn ihres PJs. Die große Mehrheit der Befragten (83,7%) hatte bereits den klinischen Teil ihrer universitären Ausbildung an der Universität Heidelberg absolviert. Die verbleibenden 16,3% waren erst zum PJ an das Universitätsklinikum Heidelberg gekommen. Aufgrund der geringen Nutzungserfahrung der von anderen Universitäten an das Universitätsklinikum Heidelberg gekommenen Studierenden beinhalten die nachfolgenden Analysen nur die Angaben der PJ-Studierenden, die auch bereits in Heidelberg ihr klinisches Studium absolviert hatten.

Ergebnis der Fragebogenuntersuchung
Nutzungsweise (10 Items)

Fast alle PJ-Studierenden (97,4%), die den klinischen Teil ihrer Ausbildung in Heidelberg absolviert hatten, gaben an, das Handbuch bereits genutzt zu haben. Die große Mehrheit (85%) hatte das Buch regelmäßig für die Vorbereitung zu praktischen Prüfungen im klinischen Abschnitt ihres Studiums und dabei im Speziellen für die praktischen Prüfungen (OSCEs) [16] genutzt. Knapp die Hälfte der PJ-Studierenden gab ebenfalls an, das Buch auch häufig bis sehr häufig zuhause zur Vorbereitung für die Arbeit auf Station genutzt zu haben. Auf Station wurde das Buch von einem Drittel der Studierenden ebenfalls häufig genutzt. Für die Vorbereitung auf das schriftliche Staatsexamen hatten weniger als 20% das Buch verwendet (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Hinsichtlich der Begleitvideos zum Handbuch gab knapp über ein Drittel (35,1%) der PJ-Studierenden an, diese bereits genutzt zu haben. Mehr als die Hälfte derjenigen, die bereits Erfahrung mit den Videos gesammelt hatten, hatten die Begleitvideos häufig zur Vorbereitung auf die OSCEs gesehen. Zur Vorbereitung auf die Stationsarbeit hatten nur knapp 15% das Videomaterial häufig genutzt. Für die Vorbereitung auf das schriftliche Staatsexamen hatten sich weniger als 25% der Befragten mit den Videos beschäftigt (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Hilfreiche Aspekte des Buchs und der Begleitvideos (jeweils 8 Items)

Bei der Frage, welche Eigenschaften des Buchs als hilfreich angesehen wurden (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]), nannten die Befragten die „Beschreibung der Arbeitsschritte“, die schematische Gegenüberstellung von Normalfund und pathologischem Befund sowie Hinweise in Form von CAVEs und Tipps (für ein Beispielkapitel siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Bezüglich der Begleitvideos wurden die Erklärungen des Sprechers, die Abstimmung der Abläufe auf die Inhalte des Buchs sowie die Integration von Abbildungen als besonders hilfreich eingeschätzt (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]).

Einfluss der Nutzung des Handbuchs und der Begleitvideos auf das Erlernen klinisch-praktischer Fertigkeiten (je 3 Items) und die Prüfungsvorbereitung (je 2 Items)

Eine große Mehrheit der PJ-Studierenden gab an, durch die Nutzung des Untersuchungsbuchs ein größeres Sicherheitsgefühl bei der Durchführung der KU erlangt zu haben. Ein Drittel gab hierzu ihre volle, knapp 39% ihre überwiegende und 25,3% ihre mäßige Zustimmung. Die Befragten gaben weiter an, dass sie sich durch die Arbeit mit dem Buch auch schneller zugetraut hätten, eine KU eigenständig durchzuführen. 28,0 % stimmten dieser Feststellung voll, 41,3% überwiegend und 26,7% mäßig zu. Der Aussage, aufgrund der Nutzung des Untersuchungsbuchs weniger Fehler bei der KU gemacht zu haben, stimmten 17,3% voll, weitere 30,7% überwiegend und die restlichen 40% mäßig zu. Bezüglich der OSCEs sahen die Befragten das Buch als wichtigen Aspekt für den Erfolg ihrer Vorbereitung auf dieses Prüfungsformat. 60% stimmten dieser Aussage voll, weitere 20% überwiegend zu. Knapp 11% der Befragten fühlten sich durch die Nutzung des Buchs mindestens überwiegend besser auf das schriftliche Staatsexamen vorbereitet und für ca. 36% hatte es eine immerhin mäßige Bedeutung.

Die Begleitvideos wurden insgesamt ähnlich beurteilt, wobei sich die Zustimmung zu den drei Hauptaspekten „empfundenes Selbstvertrauen“, „eigenständige Durchführung“ und „Fehlerreduktion“ von der Mehrheit der Befragten überwiegend auf einem mittleren Niveau befand. In Bezug auf die OSCEs empfanden über die Hälfte derjenigen Studierenden, die Erfahrung mit den Videos hatten, diese zumindest überwiegend als sehr hilfreich für die Vorbereitung. Für das schriftliche Staatsexamen spielten die Filme nach Einschätzung der PJ-Studierenden kaum eine Rolle (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]).

Integration der Lehrmaterialien in das Curriculum (3 Items)

Bezüglich der Integration des Untersuchungsbuchs und der Lehrvideos in die universitäre Lehre gaben die PJ-Studierenden an, dass ihre Dozenten durchaus häufig Hinweise auf das Buch gegeben hätten. Bezüglich der Begleitvideos gab knapp ein Drittel der Befragten dahingegen an, nie Hinweise auf diese erhalten zu haben. Ebenfalls gab ein Großteil der PJ-Studierenden an, dass sie nie oder nur selten Videomaterial zu den Standarduntersuchungen aktiv im Studentenunterricht gezeigt bekommen hätten (siehe Tabelle 6 [Tab. 6]).

Gesamtbewertung des Buchs und der Begleitvideos

Das Untersuchungsbuch wurde insgesamt mit der Note „sehr gut“ mit einem Mittelwert von 1,35 (0,5 Standardabweichung; Range 1 - 3) nach dem Schulnotensystem bewertet. Die Videos wurden mit der Note „gut“ mit einem Mittelwert von 2,15 (1,0 Standardabweichung; Range 1 - 5) bewertet.

Stichprobe der halbstandardisierten Interviews

An den halbstandardisierten Interviews nahmen zehn PJ-Studierende teil, die alle bereits den klinischen Teil ihres Studiums an der Universität Heidelberg absolviert hatten. Die Teilnehmer befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung im dritten Tertial ihres PJs.

Ergebnisse der qualitativen Untersuchung

Im Folgenden werden die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Auswertung der transkribierten Interviews dargestellt. Insgesamt wurden 203 Einzelaussagen von zehn befragten PJ-Studierenden herausgearbeitet, welche sechs unterschiedlichen Hauptkategorien zugeordnet werden konnten. Eine Übersicht der Themenbereiche mit den zugehörigen Unter-kategorien, Beschreibungen der Aussagen und Beispielzitaten findet sich in Anhang 1 [Anh. 1].

Nutzungsweise
Art der Nutzung des Untersuchungsbuchs (58)

Die Studierenden beschrieben hauptsächlich drei unterschiedliche Bereiche, für welche sie das Untersuchungsbuch während ihrer medizinischen Ausbildung verwendet haben: zur Prüfungsvorbereitung, für den Stationsunterricht und die klinische Arbeit im PJ. Für wenige Befragte war das Handbuch auch für die ersten praktischen Erfahrungen im Rahmen von Famulaturen von Bedeutung.

In Bezug auf die Prüfungsvorbereitung im klinischen Studienabschnitt gaben die PJ-Studierenden an, das Buch intensiv als Referenzwerk für die Vorbereitung auf ihre praktischen Prüfungen genutzt zu haben. Viele beschrieben, dass sie das Untersuchungsbuch insbesondere für die OSCEs als sehr hilfreich erlebt hätten, da es einen exakten Leitfaden für die KU vorgeben würde. Daher sei das Buch auch für die Vorbereitung auf Prüfungssimulationen während des PJs [1] und für das zweite Staatsexamen von Relevanz. Zuvor habe man das Buch bereits als Grundlage zum Erlernen von Untersuchungstechniken und Diagnostik im Rahmen des Stationsunterrichts genutzt. Einige beschrieben, das Buch zur gemeinsamen Repetition des Gelernten mit anderen Studierenden genutzt zu haben.

Im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit im aktuellen Studienabschnitt wurde das Buch gleichfalls als sehr wichtige Stütze zur gezielten Vor- und Nachbereitung der diagnostischen Aufgaben auf Station wahrgenommen. In diesem Zusammenhang gaben die Studierenden an, die Basisuntersuchungen sowie neurologische und orthopädische Untersuchungen im Buch als besonders nützlich für den Stationsalltag empfunden zu haben. Diese Bedeutung für die praktische Arbeit erschloss sich den meisten Befragten aber erst am Ende ihres Studiums. Nur sehr wenige berichteten, das Buch bereits während der praktischen Arbeit im klinischen Studienabschnitt (z.B. für Famulaturen) genutzt zu haben.

Systematische Einordnung des Untersuchungsbuchs (39)

Es wurde vielfach genannt, dass das Buch als explizierter Leitfaden für die Planung unterschiedlicher Untersuchungen gesehen wird. Im Zusammenhang mit der praktischen Tätigkeit wurde erwähnt, dass das Buch eine Orientierungshilfe darstelle, anhand derer eigene, an den klinischen Alltag angepasste Konzepte entwickelt werden könnten. Andere betonten den Charakter des Buchs als vielseitiges Nachschlagewerk insbesondere während des PJs. Sie seien überzeugt, dass sie das Buch auch zu Beginn ihrer Assistenzarztzeit nutzen würden. Für viele der Befragten sei das Buch schließlich auch ein wichtiges Referenzwerk. In den praktischen Prüfungen hätten sie so eine Referenz eines Standards den Dozenten gegenüber. Auch für die praktische Arbeit werde das Buch als eine Art „Goldstandard“ gesehen. So beschrieben die Befragten, dass sie oft unterschiedliche Informationen von Assistenten erhielten, wie eine Untersuchung durchzuführen sei. Das Buch gäbe ihnen einen Anhalt dafür, wie es tatsächlich richtig sei.

Durch seine Fülle an Informationen, wurde das Buch dabei explizit nicht als Kitteltaschenbuch gesehen. Es sei dafür zu „dick“ und „klobig“. Diese Eigenschaft wurde von den Befragten allerdings nicht als negativ benannt. Es wurde als ausreichend angesehen, das Buch im Stationszimmer zur Vorbereitung auf bevorstehende Untersuchungen nutzen zu können. Direkt am Krankenbett möchten es die meisten gar nicht nutzen.

Hilfreiche Aspekte des Untersuchungsbuchs
Positive Eigenschaften des Untersuchungsbuchs (44)

Eine Mehrheit der PJ-Studierenden beschrieb den kompakten und sehr übersichtlichen Aufbau des Buchs als besonders hilfreich. Alle wesentlichen Informationen seien in knapper Form enthalten und die Orientierung auf den einzelnen Seiten sei einfach. Trotz des kompakten Formats gäbe es eine große Vielfalt an Inhalten, sodass es selten vorgekommen sei, dass eine gesuchte Untersuchung im Buch nicht gefunden wurde. Während manche Bereiche vor Beginn des PJs zu ausführlich erschienen, hätte die praktische Auseinandersetzung mit diagnostischen Fragestellungen auf der Station den besonderen Wert der vollständigen Darstellung der verschiedenen Fachbereiche bewusst werden lassen.

Als besonders praktische Hilfestellung beschrieben viele die grafische Gegenüberstellung von Normalbefund und möglichen pathologischen Befunden. Außerdem habe die ausführliche Bebilderung geholfen, ein besseres Verständnis für die Untersuchungsabläufe zu bekommen. Zusammen mit der Befundgegenüberstellung würden die Fotos und Schemata bei der diagnostischen Einschätzung der Untersuchungsergebnisse helfen. Das Buch unterscheide sich aufgrund all dieser beschriebenen Aspekte insgesamt sehr von anderen Büchern zur KU. Es wurde wiederholt betont, dass das Buch als große Bereicherung empfunden werde und dass die PJ-Studierenden die Erfahrung gemacht hätten, dass viele Studierende anderer Universitäten ein solches Buch auch gerne nutzen würden.

Beschriebene Kritikpunkte am Untersuchungsbuch (23)

Während der umfangreiche Inhalt des Buchs einerseits gelobt wurde, wurde dieser gleichzeitig als häufigster Kritikpunkt genannt. So sei es in der Praxis teilweise schwierig, das Buch leichtgängig einzusetzen, da zu viele Details und unterschiedlichste Untersuchungen beschrieben würden. Im Stationsalltag sei es meist nicht praktikabel, die Untersuchungsschritte in der gleichen Ausführlichkeit durchzuführen, wie sie im Buch dargestellt würden. Auch sei oft schwer ersichtlich, welche Tests wichtiger seien als andere. Insbesondere im Bereich der orthopädischen, neurologischen und pädiatrischen Abschnitte falle eine Orientierung daher zum Teil schwer. Insgesamt führe die Fülle an Information teilweise zu Unübersichtlichkeit, sodass man sich wünsche, dass es im Buch Hinweise gäbe, welche Aspekte essentiell und welche insbesondere für Angehörige einer anderen Fachdisziplin nachrangig seien.

Integration der Lehrmaterialien in das Curriculum (14)

Die Mehrzahl der Studierenden erinnere sich nicht daran, dass das Buch aktiv im Unterricht integriert worden sei oder sie konkret auf die Nutzung des Buchs durch die Dozenten hingewiesen wurden. Das Buch wäre eher auf Eigeninitiative hin genutzt worden. Ein paar Befragte beschrieben allerdings, dass es durchaus Hinweise von Seiten der Dozenten gegeben habe, das Buch für die Vorbereitung für die OSCEs zu nutzen. Es wurde außerdem so empfunden, dass das Buch quasi „als Erwartungshorizont für die OSCEs“ diene, also implizit tatsächlich als Basis für die Lehre gesehen werde.

Erfahrungen mit der Nutzung der Begleitvideos zum Untersuchungsbuch (25)

Die große Mehrheit der befragten Studierenden gab an, keine Erfahrungen mit der Nutzung der Begleitvideos gemacht zu haben. Die Mehrheit begründete dies damit, dass sie Filme auf „Google“ oder von anderen Anbietern ansehen würden und deshalb kein Bedarf bestehe, sich die Begleitvideos zum Lehrbuch anzuschauen. Obwohl die meisten wussten, dass es die Videos gab, sei der Aufwand sich über die Zugangsmöglichkeiten zu informieren meist zu langwierig gewesen. Einige Studierende sagten, sie hätten noch mit der ersten Auflage des Buchs gearbeitet und die später gelieferten Zugangscodes nie abgeholt. Die wenigen PJ-Studierenden, die Videos in der Vergangenheit genutzt hatten, gaben allerdings an, die Filme als hilfreiche Ergänzung zum Buch empfunden zu haben. Besonders bei den orthopädischen Untersuchungen seien sie aufgrund der Komplexität der Tests wichtig für ein besseres Verständnis der Inhalte gewesen.


Diskussion

Mit dem Werk „Heidelberger Standarduntersuchung“ wurde ein praxisnahes Kitteltaschenbuch geschaffen, das Medizinstudierenden die Möglichkeit geben sollte, bereits während ihres Studiums eine hohe Kompetenz in der Durchführung der KU zu erlangen. Mittels der Etablierung eines neuen Lehr- und Prüfungsstandards sollte der Entwicklung entgegengewirkt werden, dass ein Großteil der Medizinstudierenden bei der Durchführung der KU und der Beurteilung der erhobenen Befunde oft gravierende Defizite aufweisen [1], [4], [5].

Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine große Mehrheit der PJ-Studierenden am Universitätsklinikum Heidelberg das Buch „Heidelberger Standarduntersuchung“ regelmäßig nutzte. Das Handbuch wurde dabei in erster Linie als Leitfaden für das Erlernen der KU im Studentenunterricht sowie für die Vorbereitung auf klinisch-praktische Prüfungen eingesetzt. Im Studentenunterricht wurden die Studierenden häufig auf die Nützlichkeit des Buchs hingewiesen, weshalb sich das Handbuch indirekt als Standardwerk für die praktischen Prüfungen entwickelte. Ebenfalls hatte es eine große Bedeutung für die Vorbereitung auf die Stationsarbeit im PJ. Hier wurde es als Orientierungshilfe gesehen, um eigene, an den klinischen Alltag angepasste Untersuchungskonzepte zu entwickeln. Als besonders hilfreich empfanden die Nutzer den kompakten und einfach gegliederten Aufbau des Buchs. Auch die grafische Gegenüberstellung von Normalbefund und möglichen pathologischen Befunden sowie die ausführliche Bebilderung und Hinweise zu möglichen Fehlerquellen (CAVEs) wurden als sehr nützlich wahrgenommen.

Diese Bewertungen des Handbuchs sind insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass Studien zeigen, dass Medizinstudierende bei ihren klinischen Einsätzen oftmals wenig Supervision oder Anleitung darin bekommen, auf welche Aspekte sie bei der KU besonders achten müssen [17], [18], [19]. Dieses Defizit an praktischer Anleitung kann durch das Kitteltaschenbuch möglicherweise reduziert werden. Hierfür spricht, dass die Studierenden angaben, sich durch die Nutzung des Buchs nicht nur besser auf die praktischen Prüfungen vorbereitet gefühlt zu haben, sondern dass sie sich auch schneller zugetraut hätten eine KU eigenständig durchzuführen, sie sich dabei sicherer gefühlt und größtenteils weniger Fehler gemacht hätten. In einer solchen verbesserten Verhaltenssicherheit ist auch ein zentraler Vorteil eines (Prüfungs-)Standards zu sehen, auch wenn hierfür Kompromissschließungen zwischen den beteiligten Experten notwendig waren. Während allerdings allgemein anerkannt ist, dass die Vermittlung körperlicher Untersuchungstechniken im Skills-Lab und am Krankenbett zu einer objektiven Verbesserung der studentischen Kompetenzen in diesem Bereich führen [20], fehlen für den Einsatz von Kitteltaschenbüchern und Lehrvideos gut konzipierte kontrollierte Studien.

Während das Untersuchungsbuch bei den Studierenden entsprechend den obigen Evaluationen großen Anklang fand, zeigte sich in Bezug auf die Begleitvideos ein differierendes Nutzungsverhalten. Nur knapp über ein Drittel der PJ-Studierenden gaben an auch die Begleitvideos zum Handbuch genutzt zu haben. Die Mehrheit dieser Gruppe schaute die Filme zur Vorbereitung auf praktische Prüfungen und nur ein kleiner Anteil berichtete sich mit diesen auf praktische Aufgaben auf der Station vorbereitet zu haben. Die Studierenden schätzten besonders die Abstimmung der Inhalte auf die Darstellungen im Buch, die Erklärungen des Sprechers sowie die Integration von Grafiken und Abbildungen. Die Lehrfilme hätten die eigene Sicherheit in der Durchführung der KU gestärkt und sie hätten sich daher besser auf praktische Prüfungen vorzubereitet gefühlt. Allerdings bleibt es kritisch anzumerken, dass Untersuchungen zeigen, dass die subjektiven Kompetenzeinschätzungen nicht zwingend mit der objektiven Kompetenz übereinstimmen [21] weshalb diese Einschätzungen in weiteren Untersuchungen objektiviert werden sollten.

Insgesamt war die Bewertung des Nutzens der Begleitfilme dabei aber weniger positiv als die des Buchs selbst. Dieses Ergebnis scheint erstaunlich ob der „Digitalisierung“ der heutigen Generation von Studierenden. Die aktuelle Beobachtung widerspricht auch Ergebnissen aus anderen Studien, die zeigten, dass die Integration von Lehrfilmen in die studentische Ausbildung zu einer signifikanten Verbesserung der Kompetenz bei der KU betragen konnte [22], [23], [24]. Möglicherweise hängt dieses Ergebnis damit zusammen, dass die Videos von den Studierenden in unserer Studie nur als Ergänzung zum Lehrbuch gesehen wurden und der Umgang mit Filmmaterial als Lehrmedium noch nicht für alle Studierenden zugänglich war. Anders als beim „blended learning“ [25], bei dem Filmmaterial im Unterricht direkt mit der Ausbildung am Krankenbett kombiniert wird, scheint die Integration unserer Begleitvideos in den Unterricht zur KU bisher nur unzureichend, sodass vielen Studierenden der Nutzen der Videos nicht nahegebracht wurde und damit auch ihre Wirksamkeit nicht entfaltet werden konnte. Es wird daher wichtig sein, ein größeres Bewusstsein für die Existenz der Lehrfilme bei denjenigen zu schaffen, die im Studentenunterricht in direktem Kontakt mit den Studierenden stehen und die Videos systematisch in den Unterricht zu integrieren. Dies könnte auf Seiten der Studierenden den Umgang mit diesem Lehrmedium unterstützen, sodass multimodales Lernen gefördert wird.

Schließlich wurde der passwortgeschützte Zugang zu den Videos über unsere Website von vielen Befragte im klinischen Alltag als zu umständlich angesehen, weshalb viele PJ-Studierenden angaben, auf andere Anbieter oder „Youtube“ Videos zurückzugreifen. Diese Aussage deckt sich mit Erkenntnissen anderer Studien, die zeigten, dass Medizinstudierende und junge Ärzte schnellen und einfachen Zugang zu online Quellen bevorzugen [26], [27]. Um eine größere Nutzung unserer Lehrfilme „Heidelberger Standarduntersuchung“ zu erreichen, wird es folglich daher notwendig sein, die Zugangs-möglichkeiten zu den Filmen zu verbessern. Dies kann auch beitragen zu verhindern, dass Studierende qualitativ ungeprüfte Videoclips zur KU anschauen und so möglicherweise falsche Untersuchungstechniken erlernen [28].


Limitationen

Unsere Studie betreffend sind einige Limitationen zu benennen. So war die Anzahl an Teilnehmern begrenzt, zudem fehlt ein objektives Maß zur Bestimmung des Lernerfolgs durch die Nutzung des Buchs „Heidelberger Standarduntersuchung“ und deren Begleitvideos. Außerdem stellen die Aussagen der Studierenden aus den halb-standardisierten Interviews nur eine subjektive Sichtweise einer kleinen Gruppe PJ-Studierenden ausschließlich des 3. PJ-Tertials der Universität Heidelberg dar, die nicht alle Wahlfachtertiale thematisch abdecken, so dass die Ergebnisse nicht generalisierbar sind. Insbesondere auch die ausschließliche Befragung von PJ-Studierenden schränkt die Originalität ein. Außerdem gab es keine Befragung der Dozenten, um die tatsächliche Integration der Lehrmittel zu beurteilen. Weitere Forschung ist von Nöten, damit der Lernerfolg aufgrund der Nutzung des Handbuchs und der Begleitvideos longitudinal anhand standardisierter Messmethoden nachgewiesen werden kann.


Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse unserer Studie, dass die Lehrmaterialien „Heidelberger Standarduntersuchung“ mit Kitteltaschenbuch und Begleitvideos von den Medizinstudierenden der Universität Heidelberg sehr gut angenommen wurde. Insbesondere das Lehrbuch wird als Standardwerk zum Erlernen der KU bewertet und trägt in der Wahrnehmung der befragten PJ-Studierenden zur eindeutigen Verbesserung der praktisch-klinischen Fertigkeiten bei. Damit weißt unsere Studie darauf hin, dass das Projekt „Heidelberger Klinische Standards“ einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung einer wichtigen Kernkompetenz in der medizinischen Ausbildung leistet.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Krautter M, Diefenbacher K, Koehl-Hackert N, Buss B, Nagelmann L, Herzog W, Jünger J, Nikendei C. Short communication: final year students' deficits in physical examination skills performance in Germany. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2005;109(1):59-61. DOI: 10.1016/j.zefq.2015.01.003 Externer Link
2.
Ende J, Fosnocht KM. Clinical examination: still a tool for our times? Trans Am Clin Climatol Assoc. 2002;113:137-150.
3.
Reilly BM. Physical examination in the care of medical inpatients: an observational study. Lancet. 2003;362(9390):1100-1105. DOI: 10.1016/S0140-6736(03)14464-9 Externer Link
4.
Nikendei C, Kraus B, Schrauth M, Briem S, Junger J. Ward rounds: how prepared are future doctors? Med Teach. 2008;30(1):88-91. DOI: 10.1080/01421590701753468 Externer Link
5.
Ortiz-Neu C, Walters CA, Tenenbaum J, Colliver JA, Schmidt,HJ. Error patterns of 3rd-year medical students on the cardiovascular physical examination. Teach Learn Med. 2001;13(3):161-166. DOI: 10.1207/S15328015TLM1303_5 Externer Link
6.
Hahn EG, Fischer MR. Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM) für Deutschland: Zusammenarbeit der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Medizinischen Fakultätentages (MFT). GMS Z Med Ausbild. 2009;26(3):Doc35. DOI: 10.3205/zma000627 Externer Link
7.
Nikendei C, Ganschow P, Groener JB, Huwendiek S, Köchel A, Köhl-Hackert N, Pjontek R, Rodrian J, Scheibe F, Stadler AK, Steiner T, Stiepak J, Tabatabai J, Utz A, Kadmon M. "Heidelberg standard examination" and "Heidelberg standard procedures" – Development of faculty-wide standards for physical examination techniques and clinical procedures in undergraduate medical education. GMS J Med Educ. 2016;33(4):Doc54. DOI: 10.3205/zma001053 Externer Link
8.
Buss B, Krautter M, Möltner A, Weyrich P, Werner A, Jünger J, Nikendei C. Can the'Assessment Drives Learning'effect be detected in clinical skills training?-Implications for curriculum design and resource planning. GMS Z Med Ausbild. 2012;29(5):Doc70. DOI: 10.3205/zma000840 Externer Link
9.
Pjontek R, Scheibe F, Tabatabai J. Heidelberger Standarduntersuchung: Handlungsanweisung zur Durchführung der körperlichen Untersuchung. Heidelberg: HeiCuMed; 2013.
10.
Creswell JW, Plano Clark VL, Gutmann ML, Hanson WE. Advanced mixed methods research designs. In: Tashakkori A, Teddlie C (Hrsg). Handbook of mixed methods in social and behavioral research. Thousand Oaks, CA: Sage; 2003. S.209-240.
11.
Nikendei C, Kraus B, Schrauth M, Weyrich P, Zipfel S, Jünger J. An innovative model for final-year students' skills training course in internal medicine: 'essentials from admission to discharge'. Med Teach. 2006;28(7):648-651. DOI: 10.1080/01421590600922917 Externer Link
12.
Tong A, Sainsbury P, Craig J. Consolidated criteria for reporting qualitative research (COREQ): a 32-item checklist for interviews and focus groups. Intern J Qual Health Care. 2007;19(6):349-357. DOI: 10.1093/intqhc/mzm042 Externer Link
13.
Helfferich C. Die Qualität qualitativer Daten. Heidelberg: Springer; 2011. DOI: 10.1007/978-3-531-92076-4 Externer Link
14.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 8. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Verlag; 2003.
15.
Strauss A, Corbin J. Basics of qualitative research: Procedures and techniques for developing grounded theory. Thousand Oaks, CA: Sage; 1998.
16.
Nikendei C, Jünger J. OSCE – praktische Tipps zur Implementierung einer klinisch-praktischen Prüfung. GMS Z Med Ausbild. 2006;23(3):Doc47. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2006-23/zma000266.shtml Externer Link
17.
Daelmans HE, Hoogenboom RJ, Donker AJ, Scherpbier AJ, Stehouwer CD, Van der Vleuten CP. Effectiveness of clinical rotations as a learning environment for achieving competences. Med Teach. 2004;26(4):305-312. DOI: 10.1080/01421590410001683195 Externer Link
18.
Howley LD, Wilson WG. Direct Observation of Students during Clerkship Rotations: A Multiyear Descriptive Study. Acad Med. 2004;79(3):276-280. DOI: 10.1097/00001888-200403000-00017 Externer Link
19.
Remmen R, Denekens J, Scherpbier A, Hermann I, Van Der Vleuten C, Royen PV, Bossaert L. An evaluation study of the didactic quality of clerkships. Med Educ. 2000;34(6):460-464. DOI: 10.1046/j.1365-2923.2000.00570 Externer Link
20.
Jünger J, Schäfer S, Roth C, Schellberg D, Friedman Ben-David M, Nikendei C. Effects of basic clinical skills training on objective structured clinical examination performance. Med Educ. 2005;39(10):1015-1020. DOI: 10.1111/j.1365-2929.2005.02266.x. Externer Link
21.
Davis DA, Mazmanian PE, Fordis M, Van Harrison R, Thorpe KE, Perrier L. Accuracy of physician self-assessment compared with observed measures of competence: a systematic review. JAMA. 2006;296(9):1094-1102. DOI: 10.1001/jama.296.9.1094 Externer Link
22.
Hull P, Chaudry A, Prasthofer A, Pattison G. Optimal sequencing of bedside teaching and computer-based learning: a randomised trial. Med Educ. 2009;43(2):108-112. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2008.03261.x Externer Link
23.
Lehmann R, Seitz A, Bosse HM, Lutz T, Huwendiek S. Student perceptions of a video-based blended learning approach for improving pediatric physical examination skills. Ann Anat. 2016;208:179-182. DOI: 10.1016/j.aanat.2016.05.009 Externer Link
24.
Orientale E Jr, Kosowicz L, Alerte A, Pfeiffer C, Harrington K, Palley J, Brown S, Sapieha-Yanchak T. Using web-based video to enhance physical examination skills in medical students. Fam Med. 2008;40(7):471-476.
25.
Bonk CJ, Graham CR. Handbook of blended learning: Global Perspectives, local designs. San Francisco, CA: Pfeiffer Publishing; 2006.
26.
Bennett NL, Casebeer LL, Kristofco RE, Strasser SM. Physicians' Internet information-seeking behaviors. J Contin Educ Health Prof. 2004;24(1),31-38. DOI: 10.1002/chp.1340240106 Externer Link
27.
Brennan N, Edwards S, Kelly N, Miller A, Harrower L, Mattick K. Qualified doctor and medical students' use of resources for accessing information: what is used and why? Health Info Libr J. 2014;31(3):204-214. DOI: 10.1111/hir.12072 Externer Link
28.
Azer SA, AlGrain HA, AlKhelaif RA, AlEshaiwi SM. Evaluation of the Educational Value of YouTube Videos About Physical Examination of the Cardiovascular and Respiratory Systems. J Med Internet Res. 2013;15(11):e241. DOI: 10.2196/jmir.2728 Externer Link