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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Vom HAM-Nat bis zum „Physikum“ – Analyse der Studienerfolgsparameter vor und nach Einführung eines Naturwissenschaftstests im Zulassungsverfahren

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  • corresponding author Katrin Werwick - Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Magdeburg, Deutschland
  • author Kirstin Winkler-Stuck - Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Magdeburg, Deutschland
  • author Bernt-Peter Robra - Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Medizinische Fakultät, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Magdeburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(3):Doc30

doi: 10.3205/zma001176, urn:nbn:de:0183-zma0011766

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001176.shtml

Eingereicht: 10. Oktober 2017
Überarbeitet: 11. April 2018
Angenommen: 5. Juni 2018
Veröffentlicht: 15. August 2018

© 2018 Werwick et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund/Zielsetzung: Die Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg hat zum Wintersemester 2012/13 den HAM-Nat-Test (Hamburger Auswahlverfahren für Medizinische Studiengänge – Naturwissenschaftsteil) zur Auswahl ihrer Studienbewerber mit dem Ziel eingeführt, den Studienerfolg ihrer Studierenden im vorrangig naturwissenschaftlich geprägten vorklinischen Studienabschnitt zu verbessern. Untersucht wird, inwieweit das neue Auswahlverfahren der Hochschule (AdH) zwei Kriterien des Studienerfolgs beeinflusst, nämlich die Einhaltung der Regelstudienzeit bis zum 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1) und dessen Ergebnis.

Methodik: Die genannten Studienerfolgsparameter der Matrikel 2008-2011 (ohne HAM-Nat-Test, Vor-Matrikel) werden mit denen der Matrikel 2012-2014 (Nat-Matrikel) verglichen, deren Studierende im Auswahlverfahren der Hochschule den HAM-Nat-Test abgelegt haben. Außerdem wurde die Anzahl der in der Regelzeit bestandenen Leistungsnachweise berücksichtigt. In der Nat-Matrikel wurden die HAM-Nat-Ergebnisse mit den zugehörigen M1-Prüfungsergebnissen zusammengeführt.

Ergebnisse: Der Anteil der AdH-Studierenden, der in der Regelstudienzeit zur M1-Prüfung zugelassen werden konnte, ist in der untersuchten Zeitreihe nur gering gestiegen. Innerhalb der AdH Gruppe erreichten 70% der Vor-Matrikel verzögerungsfrei den zweiten Studienabschnitt, in der AdH-Gruppe der Nat-Matrikel 78%. Für alle Zulassungsquoten zusammengenommen ist bzgl. der Gesamtprädikate im 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung von 2010-2016 unabhängig vom Auswahlverfahren ein positiver Trend zu verzeichnen. Der Anteil der richtig beantworteten Fragen in der bundesweiten M1-Prüfung stieg dazu passend im Beobachtungszeitraum.

Je besser die Immatrikulierten im HAM-Nat-Test abgeschnitten hatten, desto besser waren ihre Ergebnisse im schriftlichen und im mündlichen Teil des 1. Abschnitts der ärztlichen Prüfung.

Schlussfolgerung: Obwohl ein nennenswerter Teil der Studierenden in der AdH-Quote ihren Studienplatz erst aufgrund ihres Testergebnisses erhalten hatte und die Punktzahl im HAM-Nat-Test nur schwach mit der Abiturnote korreliert, haben sich die bisher quantifizierbaren Studienerfolgsparameter im allerdings nur kurzen Beobachtungszeitraum vor und nach Einführung des Tests gering positiv verändert. Die Zahl der Nat-Matrikel ist zu gering, um den Effekt des HAM-Nat-Tests in seinen natürlichen Schwankungen beurteilen zu können. Dennoch ermöglicht der HAM-Nat-Test als Auswahlinstrument auch Bewerbern mit primär unzureichend zulassungsfähigen Abiturdurchschnittsnoten Erfolg im Zulassungsverfahren, ohne den Studienerfolg der AdH-Kohorte zu verschlechtern.

Schlüsselwörter: Auswahlverfahren, HAM-Nat, Medizinstudium, AdH, Studienbewerberauswahl Medizin, 1. Abschnitt der ärztlichen Prüfung


Hintergrund

Deutsche medizinische Fakultäten können 60 Prozent der Studienplätze, die nach Abzug von Vorabquoten verfügbar sind, im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) vergeben, hinzukommen ggf. noch unbesetzte Plätze z. B. aus der Abiturbestenquote, die auf diese Quote umverteilt werden können. Das Auswahlverfahren ist primär leistungsbezogen durchzuführen [http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/;jsessionid=2A69786A56277F588FA9F903070C8FCE.jp14?quelle=jlink&query=HSchulZulG+ST&psml=bssahprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-HSchulZulGST2012rahmen]. Neben der Abiturnote1 („Grad der Qualifikation“) können Einzelnoten des Abiturzeugnisses und/ oder

1.
das Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests,
2.
die Art einer Berufsausbildung oder Berufstätigkeit und/oder
3.
das Ergebnis eines Auswahlgesprächs bei der Auswahl berücksichtigt werden.

Die möglichen Auswahlinstrumente unterscheiden sich hinsichtlich der residualen Dominanz der Abiturnote als Leistungskriterium und in ihrer notwendigen Logistik. Die meisten Medizinischen Fakultäten suchen die Studienbewerber nicht mehr nur allein nach Abiturnote aus, sondern berücksichtigen andere Auswahlkriterien [1]. Kadmon et al. [2] haben in einer Längsschnittanalyse gezeigt, dass die Abiturnote ein „Prädikator für die Studienleistung ist“. Dennoch ist die Aussagekraft der Abiturnote für den Studienerfolg im klinischen Studienabschnitt und für den Berufserfolg nicht ausreichend erforscht [3]. Neben der Berücksichtigung der Berufserfahrung im medizinischen Bereich, führen einige Fakultäten strukturierte Interviews durch. Göttingen führt bspw. sehr aufwändige und hoch strukturierte ,,Multiple Mini-Interviews‘‘ (MMI) durch [4]. Das Verfahren besteht aus einem strukturierten Interview und einem „Praxistest“ (Stationen mit Schauspielpatienten) und ist geeignet Outcomekriterien im sozialen und kommunikativen Bereich zu prognostizieren. Hamburg und Berlin führen genau wie Magdeburg den HAM-Nat-Test [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10] durch. Zahlreiche andere Medizinische Fakultäten berücksichtigen den Test für Medizinische Studiengänge (TMS) bei der Auswahl ihrer Studienbewerber (15). Studierende mit schlechteren Abiturnoten, die den TMS absolviert haben, erreichten bessere Studienergebnisse im 1. Studienabschnitt als die Abiturbesten, die den TMS mittelmäßig absolviert haben [11]. Kommunikative und soziale Kompetenz, Empathie und Studienmotivation testen der HAM-Nat-Test und TMS nicht. Keines der Kriterien ist im Hinblick auf den Berufserfolg prospektiv validiert [4], [3].

Im „Masterplan Medizinstudium 2020“ [https://www.bmbf.de/de/masterplan-medizinstudium-2020-4024.html, Stand 11.04.17] werden zusätzlich zur Abiturnote mindestens zwei weitere Auswahlkriterien gefordert. Nach einem Vorschlag von MFT (Medizinischer Fakultätentag) und bvmd (Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V.) soll deutschlandweit einheitlich ein Test dazu gehören, z. B. der TMS oder der HAM-Nat (Hamburger Naturwissenschaftstest). Damit käme Auswahltests zukünftig eine besondere Bedeutung zu. Es erscheint daher sinnvoll, Ergebnisse des Einsatzes vorhandener Tests zu überprüfen. Außerdem soll in Zukunft bei der Auswahl der Studienbewerber mehr Wert auf praktische und sozial-kommunikative Fähigkeiten sowie bereits in medizinischen Berufen erworbene Qualifikationen gelegt werden (vgl. Urteil Bundesverfassungsgericht BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Dezember 2017 – 1 BvL 3/14 – Rn. (1-253)). Das Bundesverfassungsgericht hält es für verfassungswidrig, wenn im Auswahlverfahren der Hochschulen „neben der Abiturdurchschnittsnote keine weiteren Auswahlkriterien mit erheblichem Gewicht Berücksichtigung finden. Da die Kriterien in ihrer Gesamtheit aber Gewähr für eine hinreichende Vorhersagekraft zum Eignungsprofil bieten müssen, sind weitere Längsschnittstudien zum Outcome der Auswahlverfahren wichtig.“

Bis zum Wintersemester 2011/12 war die Abiturnote das alleinige Auswahlkriterium im Auswahlverfahren der Medizinischen Fakultät Magdeburg. Zum Wintersemester 2012/13 führte die Fakultät einen Naturwissenschaftstest zur Auswahl ihrer Studienbewerber ein, und zwar den HAM-Nat-Test, der an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg speziell für die Auswahl von Medizinstudierenden entwickelt und validiert wurde und seither Gegenstand weiterer Evaluation [5], [6], [7], [8], [9] ist. Es handelt sich um einen Multiple-Choice-Test mit Fragen zu medizinisch relevanten Aspekten der Fächer Biologie, Physik, Chemie und Mathematik. Im Rahmen des Auswahlverfahrens werden zuerst die nach der Gesamtnote ihrer Hochschulzugangsberechtigung (HZB) bestbewerteten 700 Bewerber, die Magdeburg mit erster Ortspräferenz angegeben haben, in der Rangfolge der Durchschnittsnote ihrer Abiturnote ermittelt. Die Bewerber auf den Plätzen 1-25 werden direkt, d. h. ohne Ablegen des Tests, zum Studium zugelassen (Exzellenzquote). Ab Platz 26 werden dann die Studienplätze nach der Durchschnittsabiturnote in Verbindung mit dem Ergebnis des Auswahltests vergeben. Die Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung eines Bewerbers wird anhand einer linearen Skala in eine Punktzahl von 60 (bei Note 1,0) bis 0 (ab Note 4,0) umgerechnet. Für das Testergebnis des HAM-Nat-Tests werden bis zu 59 Punkte vergeben (59 x Zahl der richtig beantworteten Fragen/Zahl der gewerteten Fragen). Der Rangplatz eines Bewerbers ab Platz 26 des AdH-Verfahrens wird aus der Summe seiner beiden Punktzahlen ermittelt. Höhere Punktzahlsumme bedeutet einen besseren Rangplatz (siehe [10] für Details).

Die vorliegende Zusammenstellung vergleicht die Studienergebnisse, insbesondere die Ergebnisse des 1. Abschnitts der Ärztlichen Prüfung der Vor-Matrikel mit denen der Nat-Matrikel. Zudem werden die Abiturnoten und die HAM-Nat-Testergebnisse der Nat-Matrikel mit ihren Ergebnissen im 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung in Beziehung gesetzt. Außerdem wurde die Anzahl der in der Regelzeit bestandenen Leistungsnachweise in der AdH-Quote aller Zulassungsjahrgänge berücksichtigt.


Methoden

Die Zulassungsjahrgänge 2008-2011 (ohne HAM-Nat; n=790) und 2012-2014 (mit Ham-Nat; n=578), im Folgenden „Vor-Matrikel“ und „Nat-Matrikel“ genannt, wurden bezüglich der Einhaltung der Regelstudienzeit bis zum 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1), ihrer M1-Ergebnisse und der Anzahl der bestandenen vorklinischen Leistungsnachweise in der Regelzeit verglichen (vgl. Tabelle 1 [Tab. 1]). In die Analyse wurden die Studierenden aller Zulassungsquoten eingeschlossen, die Ergebnisse der Studierenden aus dem AdH werden detailliert und mit der Wartezeit- und der Abiturbestenquote vergleichend dargestellt.

Da die Approbationsordnung im 1. Studienabschnitt keine Noten für Leistungsnachweise (außer für das Wahlfach) vorsieht, wurde für den Vergleich der Studienleistungen die Anzahl der in der Regelzeit bestandenen Leistungsnachweise gemäß Anlage 1 der ÄApprO zugrunde gelegt. Zudem wurden die HAM-Nat-Ergebnisse der Zulassungsjahrgänge 2012-2014 mit den zugehörigen M1-Prüfungsergebnissen zusammengeführt und auch mit den bundesweiten M1-Prüfungsergebnissen verglichen.

Alle Daten wurden für die Analyse anonymisiert und mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 24) ausgewertet. Es wurden Korrelationsanalysen der Nat-Punkte mit den Abiturnoten und mit den einzelnen M1-Prüfungsergebnissen (schriftlich, mündlich, gesamt) der Nat-Matrikel und Regressionsanalysen der Staatsexamensnoten (abhängige Variable) mit dem HAM-Nat-Ergebnis und der Abiturnote (unabhängige Merkmale) durchgeführt. Die Vor-Matrikel wurde auf den Einfluss der Abiturnote auf das M1-Ergebnis hin untersucht. Häufigkeitsunterschiede zwischen Gruppen wurden mit dem Exakten Test nach Fisher, Mittelwertunterschiede mit dem t-Test und dem exakten Mann-Whitney-U-Test auf Signifikanz geprüft (Irrtumswahrscheinlichkeit p≤0,05 ohne Adjustierung für multiples Testen).


Ergebnisse

Vergleich der Ergebnisse des 1. Abschnitts der Ärztlichen Prüfung 2010-2016

2012 erhielten 56%, 2013 65% und 2014 66% der AdH-Gruppe ihre Zulassung durch ihr Testergebnis (Paternoster-Effekt [10]). Das HAM-Nat-Testergebnis ist also sehr zulassungswirksam. Tabelle 1 [Tab. 1] vergleicht den Studienverlauf der Vor-Matrikel mit der Nat-Matrikel.

Von den Studierenden der Vor-Matrikel wurden zusammengenommen 66% in der Regelstudienzeit zur M1-Prüfung zugelassen. Davon haben 88% die Prüfung im ersten Versuch bestanden. Insgesamt kamen 58% der Zugelassenen in der Regelzeit in den zweiten Studienabschnitt.

Von den Studierenden der Nat-Matrikel wurden ebenfalls 66% in der Regelstudienzeit zur M1-Prüfung zugelassen. Von diesen haben 96% die Prüfung bestanden, so dass insgesamt 63% in der Regelzeit in den nächsten Studienabschnitt aufrücken konnten, 5 Prozentpunkte mehr als in der Vor-Matrikel. Wenn man allerdings die letztgenannten Prozentsätze für die sieben Studienjahre gesondert ansieht, so hatten je zwei der zu vergleichenden Studienjahre mit und ohne Test gleiche Gesamterfolgsquoten von 60% (ohne Test 60%, 55%, 56%, 60%, mit Test 60%, 70%, 60%).

Blendet man nur die Studierenden ein, die im Rahmen des AdH eingeschrieben wurden, so ist der Anteil der rechtzeitig zur M1 Zugelassenen mit 75% bzw. 79% anteilig größer als in der gesamten Matrikel und es kommen auch anteilig mehr Studierende in der Regelzeit in den zweiten Studienabschnitt als in der gesamten Matrikel (70% bzw. 78%). Doch streut der letztgenannte Anteil in den einzelnen Jahrgängen: ohne Test 73%, 60%, 60%, 87% und mit Test 82%, 87%, 64%. Das neue Auswahlverfahren ist also nicht durchgängig „produktiver“ im Hinblick auf den M1-Prüfungsabschluss in der Regelstudienzeit. Von den Immatrikulierten der Abiturbestenquote kommen 83% der Vor-Matrikel und 52% der Nat-Matrikel in der Regelzeit in den zweiten Studienabschnitt. Die M1-Prüfung bestehen alle Abiturbesten (100%), die sich dafür in Regelzeit angemeldet haben. Aus der Wartezeitquote studieren lediglich 37% der Vor-Matrikel und 28% der Nat-Matrikel mit in Regelzeit bestandenem M1 weiter.

Vergleicht man die Ergebnisse des ersten Staatsexamens in Magdeburg mit dem Bundesdurchschnitt – der Vergleichbarkeit wegen wird nur die Referenzgruppe in der Regelstudienzeit berücksichtigt – so haben die Magdeburger Studierenden2 in beiden zu vergleichenden Perioden mehr Fragen richtig beantwortet als der Bundesdurchschnitt. Die Vor-Matrikel lag mit zusätzlich 3,5 richtig beantworteten Fragen um 1,4% über dem Bundesdurchschnitt, die Nat-Matrikel mit zusätzlich 5,3 Fragen um 2,0%. Der Unterschied zwischen den beiden Perioden ist mit einem Gewinn von 0,6 Prozentpunkten also sehr klein.

Erwartungsgemäß sind die Noten im 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1) der AdH-Gruppe durchgängig besser als die der Studierenden aller Zulassungsquoten zusammengenommen. Dies war vor Einsatz des HAM-Nat-Tests bereits so (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) und änderte sich nach Einführung des HAM-Nat-Auswahltests nicht. Vergleicht man dagegen die Abiturdurchschnittsnoten der Zugelassenen in der AdH-Quote, lag der Durchschnitt der Vor-Matrikel bei 1,36 und der der Nat-Matrikel bei 1,64. Die AdH-Gruppe mit absolviertem HAM-Nat-Test hatte also im Durchschnitt schlechtere Abiturnoten, war jedoch genauso gut bzw. besser in der M1-Prüfung als die AdH-Gruppe der Vor-Matrikel.

Fasst man die jährlichen Ergebnisse zusammen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]), verbessert sich das M1-Staatsexamensergebnis der Gesamtmatrikel von 2,8 (Vor-Matrikel) auf 2,5 (Nat-Matrikel). Die M1-Durchschnittsnoten in der Abiturbestenquote wie in der Wartezeitquote verändern sich nur minimal. Das M1-Staatsexamensergebnis der AdH-Quote verbessert sich nach Testeinführung von 2,6 (Vor-Matrikel) auf 2,4 (Nat-Matrikel). Damit verbessern sich in der AdH-Kohorte die Staatsexamensergebnisse gering. Dazu tragen die vergleichsweise ungünstigen Ergebnisse der Exzellenzgruppe (2,4) bei, die keinen zulassungsrelevanten naturwissenschaftlichen Test ablegen musste.

Vergleich der nicht in der Regelstudienzeit bleibenden AdH-Studierenden der Matrikel 2008-2011 und 2012-2014

Der prozentuale Anteil der Studierenden aus der AdH-Quote, die nicht zur M1-Staatsexamensprüfung zugelassen wurden, hat sich durch die Einführung des HAM-Nat-Tests insgesamt nicht wesentlich reduziert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Der Studienverlauf dieser Gruppen wurde durch die Zahl der noch fehlenden Leistungsnachweise weiter charakterisiert. Diesen Studierenden fehlen für die Zulassung zur M1-Prüfung durchschnittlich 2-3 Leistungsnachweise, vor allem in Chemie, Biochemie, Anatomie und Physiologie.

Es werden die Studierenden näher betrachtet, die mindestens drei Leistungsnachweise nicht erbracht haben. In der Vor-Matrikel waren insgesamt 55% der nicht rechtzeitig Zugelassenen mit 3 oder mehr Leistungsnachweisen (116/210) im Verzug. Aus der AdH-Quote waren es 39% (46/117). Von den Studierenden der Nat-Matrikel, die nicht in der Regelstudienzeit zur M1-Prüfung zugelassen werden konnten, hatten 41% drei oder mehr fehlende Leistungsnachweise (82/198). Von denen aus der AdH-Quote waren es 33% (28/85).

Generell gibt es also weniger Studierende der Nat-Matrikel, denen drei oder mehr Leistungsnachweise für die M1-Zulassung fehlen im Vergleich zur Vor-Matrikel. Innerhalb der AdH-Quote ist der Effekt weniger stark.

Zusammenhang zwischen HAM-Nat-Testergebnissen und Staatsexamensnoten

Die Nat-Matrikel betrachtet gilt: Je mehr Fragen im HAM-Nat-Test richtig beantwortet wurden, desto besser sind die Noten im schriftlichen Teil und die Gesamtnoten im 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (negatives Vorzeichen: Prüflinge mit hohen Testpunktzahlen haben gute M1-Prüfungsergebnisse) (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). Die Korrelationskoeffizienten sind allerdings nur klein. Das HAM-Nat-Ergebnis korreliert ähnlich schwach mit den Abiturnoten, obwohl die interne Konsistenz des HAM-Nat-Tests in allen drei Testjahren fast gleich ist (Cronbachs α 0,87 bis 0,89). Die Studierenden, die den HAM-Nat-Test in der AdH-Quote absolviert haben, waren im Durchschnitt in der M1-Prüfung besser als die Studierenden, die den Test nicht absolviert haben (Exzellenzquote). Die Regressionsanalyse zeigt eine signifikante Prädiktion der schriftlichen M1-Prüfungsergebnisse durch die Nat-Punkte (p≤0,001). Die Abiturnote allein noch in Kombination mit den Nat-Punkten sind kein Prädiktor für die M1-Prüfungsergebnisse. Der im Modell erklärte Varianzanteil ist mit 5% gering. Wurden das Geschlecht und der HZB-Ort (Bundesland/ EU-Ausland) als Faktoren einbezogen, ergaben sich dafür keine signifikanten Effekte. Auch bei der Untersuchung der Vor-Matrikel für sich genommen gibt es keinen signifikanten Zusammenhang der Abiturnote mit dem Ergebnis der schriftlichen M1-Prüfung.


Diskussion

Die vorliegende Studie prüft die Einführung des Naturwissenschaftstests HAM-Nat in einem Vorher-Nachher-Vergleich an einem Hochschulstandort. In der Gruppe der Studienbewerber, die ihre Zulassung im AdH erhalten hat, ist der Test in erheblichem Maß zulassungswirksam (Paternoster-Effekt). Das HAM-Nat-Ergebnis korreliert nur schwach mit der Abiturnote, der Test bringt also gegenüber der vorhergehenden Berichtsperiode, in der die Abiturnote das einzige Kriterium war, zusätzliche Information in das Auswahlverfahren ein. Auch die Studie von Hampe et al. [4] zeigt eine geringe Korrelation des Nat-Ergebnisses mit der Abiturnote in Hamburg.

Der im Studienablauf erste mögliche Erfolgsindikator ist der Anteil der in Regelstudienzeit zum M1 Zugelassenen. Er ist vor und mit dem HAM-Nat-Test gleich groß. Doch ist der Anteil, der diese Prüfung besteht, in der Nat-Matrikel etwas größer, so dass in den drei Jahren mit HAM-Nat-Test mehr Studierende als vorher in den zweiten Studienabschnitt übergehen können. Das könnte daran liegen, dass die Studierenden, die mittels HAM-Nat-Test ihre Zulassung erhalten haben, bessere Kenntnisse in Physik, Biologie und Chemie mitbringen und sich somit mehr auf andere Fächer des vorklinischen Studienabschnitts konzentrieren können.

In der Untergruppe der im AdH Zugelassenen, in der sich ein Effekt des HAM-Nat-Tests deutlicher zeigen müsste als in der gesamten Matrikel, stiegen der Anteil der zur M1-Prüfung in der Regelzeit zulassungswürdigen Studierenden von 75% auf 79% und der Anteil der erfolgreich in den zweiten Studienabschnitt Gelangenden von 70% auf 78% – und dies trotz zunehmender Zahl von Studierenden mit einer Abiturnote aus dem EU-Ausland (Bildungsinländer und -ausländer). In beiden Berichtsperioden gibt es aber deutliche und mit den verfügbaren Daten nicht erklärte Schwankungen zwischen den Ergebnissen der einzelnen Studienjahrgänge. Dadurch wird die beobachtete Tendenz relativiert. Die Anzahl der Nat-Matrikel ist zu gering, um den HAM-Nat-Effekt in seinen natürlichen Schwankungen beurteilen zu können.

Die Regressionsanalyse hat gezeigt, dass die HAM-Nat-Punktzahl, nicht aber die Abiturnote einen signifikanten Zusammenhang mit dem Ergebnis der M1-Prüfung hat. Die Abiturnote allein ist kein Prädiktor für die M1-Prüfungsergebnisse. Dazu kann beitragen, dass die Abiturnoten der Immatrikulierten im AdH wenig Varianz zeigen. Wie Hampe et al. festgestellt haben [4], differieren die Abiturnoten der einzelnen Bundesländer stark, was ihre Assoziation mit dem Ergebnis eines bundeseinheitlichen Staatsexamens schwächen dürfte.

Eine Limitation besteht darin, dass nicht sicher ist, ob die in Magdeburg geschriebenen Klausuren in allen Jahren vergleichbar schwer waren. Ein in beiden verglichenen Gruppen identischer Anteil der Studierenden, die die M1-Prüfung nach vier Semestern absolvierte (66%), spricht für ähnlich wirksame Filter. Im Berichtszeitraum hat es ständige Bemühen um Verbesserungen der Lehre, aber keine Neuordnung des Curriculums gegeben.

Auffällig ist, dass in der Nat-Matrikel 52% der Abiturbesten nicht in der Regelzeit bleiben und auch die Studierenden der Exzellenzquote, die ebenfalls keinen Test ablegen mussten, weniger erfolgreich sind als der Rest der AdH-Gruppe mit Test. In der Wartezeitquote, die keinen Test ablegt, studieren nur rund ein Drittel (Vor-Matrikel – 37% und Nat-Matrikel – 28%) in der Regelzeit nach der M1-Prüfung weiter.

Wegen der unbenoteten Leistungsnachweise im ersten Studienabschnitt ist ohne sehr hohen Mehraufwand (Einzelauswertungen der Klausur- und Testat-Leistungen) keine differenzierte Analyse des Zusammenhangs von Abiturnote, in der gymnasialen Oberstufe belegten Leistungskursen, HAM-Nat-Ergebnis und fächerspezifischen Studienleistungen möglich. Diese Zusammenhänge könnten erst ab dem zweiten Studienabschnitt, in dem es zahlreiche Noten und somit quantifizierte Bewertungen gibt, weiter untersucht werden. Auch kann erst zum Studienende ein Vergleich mit den Medizinischen Fakultäten Hamburg und Berlin, die auch den HAM-Nat-Test zur Bewerberauswahl nutzen, versucht werden. Denn beide Standorte sind am ersten Staatsexamen des IMPP nicht beteiligt, weil sie Modellstudiengänge etabliert haben. Damit unterscheiden sich deren Curricula allerdings auch in anderer Hinsicht vom Regelstudiengang in Magdeburg.

Der HAM-Nat-Test schafft auch für Studienbewerber mit einer Abiturnote oberhalb 1,5 gute Möglichkeiten, einen Studienplatz zu erhalten, gut in das Studium zu starten und über die M1-Hürde zu kommen. Die Analyse erlaubt jedoch keine Prognose zur Qualität der Absolventen hinsichtlich aller Facetten ärztlichen Handelns und zum Berufserfolg. Auch testet der HAM-Nat keine sozialen und kommunikativen Kompetenzen. Da Auswahlgespräche sehr aufwändig sind und strukturiert werden müssen, um die Validität sicherstellen zu können, ist der HAM-Nat-Test ein objektives für eine kleine Fakultät gut umsetzbares Verfahren. Abgeprüftes naturwissenschaftliches Wissen zu Studienbeginn mag eine notwendige, aber nicht unbedingt auch eine hinreichende Voraussetzung für professionelles Handeln im ärztlichen Beruf sein. Es muss überlegt werden, wie in Zukunft noch die sozialen und kommunikativen Kompetenzen in Magdeburg in das Auswahlverfahren berücksichtigt werden können.


Anmerkungen

1 inklusive europäische Abitur-Äquivalente

2 https://www.impp.de/internet/de/loesungen-und-ergebnisse.html, Stand 18.04.17. Die Angabe der Teilnehmer der Referenzgruppe Magdeburg beim IMPP kann von den Angaben der M1-Teilnehmer (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) abweichen. Hochschulwechsler sind in Tabelle 1 [Tab. 1] nicht berücksichtigt.


Danksagung

Die Autoren sind den konsultierten und beratenden Partnern, insbesondere

  • den Mitgliedern der Auswahlkommission,
  • Prof. Dr. W. Hampe, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie
  • Dr. F. W. Röhl, Institut für Biometrie und Medizinische Informatik
  • sowie den Studienteilnehmern und -teilnehmerinnen

für ihre eingebrachten Anregungen zu besonderem Dank verpflichtet.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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