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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Effekt einer Selbsterhebung von Daten als aktivierende Lehrmethode in einem Statistiksoftwarekurs in medizinischer Biometrie – eine Pilotstudie

Artikel Medizinische Biometrie

  • corresponding author Benjamin Mayer - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • author Ulrike Braisch - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • author Marianne Meule - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • author Andreas Allgoewer - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • author Silvia Richter - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • author Rainer Muche - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(1):Doc9

doi: 10.3205/zma001156, urn:nbn:de:0183-zma0011565

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001156.shtml

Eingereicht: 31. Juli 2017
Überarbeitet: 26. Oktober 2017
Angenommen: 4. Dezember 2017
Veröffentlicht: 15. Februar 2018

© 2018 Mayer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Medizinische Biometrie ist ein zentraler Bestandteil des Studiums der Humanmedizin. Die Studierenden lernen die Grundlagen der Analyse und Interpretation von Studienergebnissen. Die Relevanz des Fachgebietes sollte durch die Anwendung geeigneter Lehrmaßnahmen veranschaulicht werden, um den Lernerfolg zu maximieren. Wir untersuchten, ob eine aktive Beteiligung der Studierenden im Rahmen des Datenerhebungsprozesses den Erfolg im Testat und die Motivation bei Studierenden der Humanmedizin erhöhen kann.

Methoden: Wir führten eine Pilotstudie durch, bei der eine aktive Beteiligung von Studierenden im Datenerhebungsprozess (n1=45) verglichen wurde mit einem Standardansatz der Lehre (n2=26). Alle Studierenden dieser Pilotstudie nahmen Teil an einer Beobachtungsstudie, in deren Rahmen die Vorliebe für Süßigkeiten oder salzige Knabbereien erhoben wurde. Die Studierenden der Interventionsgruppe arbeiteten anschließend während der Seminarübungen des gesamten Semesters mit diesem Datensatz. Die primären und sekundären Endpunkte der Studie waren der Erfolg im Testat sowie die Motivation.

Ergebnisse: Eine Überlegenheit der aktivierenden Lehrmethode konnte nicht gezeigt werden (Interventionsgruppe: 109.0 Punkte (SD 8.8), Kontrollgruppe: 113.8 Punkte (SD 6.5)). Die Bewertungen des Seminars waren in der Interventionsgruppe leicht überlegen (mediane Note 1 vs. mediane Note 2 in der Kontrollgruppe), jedoch stellte dies keine signifikante Verbesserung dar (p=0.487).

Schlussfolgerungen: Die Lehre im Fach Medizinische Biometrie sollte didaktische Ansätze integrieren, die zu einem besseren Verständnis der Lehrinhalte beitragen können. Mögliche Gründe, weshalb eine Überlegenheit des betrachteten Lehrkonzeptes hier nicht gezeigt werden konnte, könnten eine zu geringe Fallzahl sowie die guten Bewertungen der Kontrollgruppe gewesen sein. Das vorgestellte Lehrkonzept sollte auf der Basis einer größeren Stichprobe evaluiert werden, um zu valideren Schlussfolgerungen zu gelangen. Zudem sollte die zugrunde gelegte Forschungsfrage in der Interventionsgruppe geändert werden in eine für die medizinische Praxis relevantere.

Schlüsselwörter: Aktivierung, Medizinische Biometrie, Software, SPSS


Einleitung

Die Medizinische Biometrie ist ein zentraler Bestandteil des Studiums der Humanmedizin. In Deutschland ist das Fach in Kombination mit den Fächern Epidemiologie und Medizinische Informatik im so genannten Querschnittsfach Q1 im Curriculum implementiert. Das Querschnittsfach hat insofern eine hohe Relevanz für zukünftige Mediziner, da es die Grundlagen der Studienplanung, -durchführung, -auswertung und -interpretation in der medizinischen Forschung einführt. Die Medizinische Biometrie zielt dabei insbesondere auf die statistisch-methodischen Grundlagen ab, welche den Standardauswertungsmethoden zugrunde liegen. Die Lehre im Fach Epidemiologie hat ihren Fokus primär auf die zentralen Aspekte von Beobachtungsstudien ausgerichtet, in deren Rahmen überwiegend die Entwicklung und Verbreitung von Krankheiten untersucht werden. Das Interesse der Medizinischen Informatik gilt schließlich dem geeigneten Einsatz informationstechnologischer Methoden (z.B. Datenbanken und statistische Software) im Rahmen einer effizienten Verarbeitung und Auswertung medizinischer Daten.

Das übergeordnete Lehrziel der Vorlesung Medizinische Biometrie für Studierende der Humanmedizin ist sie mit den Grundlagen und der Terminologie des Faches vertraut zu machen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die eigenständige Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten (z.B. Dissertation oder Fachartikel). Zudem sollten die Studierenden dazu befähigt werden den Inhalt publizierter Fachartikel verstehen und deren inhaltliche Relevanz bewerten zu können. Dies stellt eine wichtige Fertigkeit ihres späteren Berufslebens dar, unabhängig davon in welchem Bereich der medizinischen Forschung sie arbeiten werden [1]. Zwar werden in der Forschung aktive Mediziner häufiger damit konfrontiert sich mit Fachartikeln auseinanderzusetzen, jedoch sollten auch praktisch tätige Mediziner in der Lage sein die Bedeutung neuer Forschungsergebnisse valide einzuschätzen.

Trotz der unbestreitbaren Bedeutung der Medizinischen Biometrie in der wissenschaftlichen Praxis, scheint es als würde dem Fach keine große Sympathie entgegengebracht werden im Vergleich zu anderen, eher klinisch orientierten Fächern. Hauptsächlich kann dies vielleicht auf eine grundsätzliche Unbeliebtheit mathematischer Fächer und einer nicht ausreichend erkennbaren praktischen Relevanz zurückgeführt werden. Deshalb ist es umso wichtiger anschauliche Beispiele in die Lehrveranstaltungen zu integrieren, um den Lernerfolg zu maximieren. Idealerweise sollten zusätzlich aktivierende Lehrmethoden eingesetzt werden, um diesen Prozess zu unterstützen. Es konnte in zahlreichen Studien belegt werden, dass dieser didaktische Ansatz den Lernerfolg verbessern kann [2], [3]. Ebenso kann aus dem Motivationsmodell nach Keller und Kopp (ARCS) abgeleitet werden, dass erfolgreiche didaktische Ansätze notwendigerweise spezifische motivierende Komponenten beinhalten müssen [4].

Ein erster Schritt in Richtung mehr Praxisnähe wurde an unserem Institut bereits vor mehr als zehn Jahren gemacht. Damals wurde ein PC-basiertes Seminar in Medizinischer Biometrie entwickelt und in die reguläre Lehre implementiert. Seither können maximal 76 Studierende pro Semester (25% der Gesamtkohorte) Übungsaufgaben in einem praxisorientierten Setting der Medizinischen Biometrie bearbeiten [5]. Die Aufgaben und Analysen basieren auf einem realen Datensatz einer bereits abgeschlossenen Studie aus dem Bereich Pädiatrie. Im Rahmen der betreffenden Beobachtungsstudie wurde die Prävalenz von Typ 2 Diabetes mellitus in adipösen Kindern und Jugendlichen untersucht [6]. Unter Verwendung dieser Daten bearbeiten die Studierenden verschiedene Übungsaufgaben in den Bereichen deskriptive Statistik, Konfidenzintervalle, Ereigniszeitanalyse, Korrelation und Regression, sowie statistische Tests. Ursprünglich wurde die Software SAS Analyst für die Auswertungen verwendet, mittlerweile wird jedoch mit der Statistiksoftware SPSS gearbeitet. Die Software wird dabei nicht nur für die Bearbeitung der Übungsaufgaben eingesetzt, sondern auch für die Kurztestate am Ende eines jeden Seminars. Die Studierenden erzeugen ihre Analyseergebnisse mit SPSS und übertagen diese dann in speziell dafür entwickelte Microsoft Access Eingabemasken. Die Korrektur und Benotung der Kurztestate erfolgt anschließend dann automatisiert mit Hilfe entsprechender SAS-Programme. Die Ergebnisse aller Kurztestate werden kumuliert und ersetzen am Semesterende die gewöhnliche Examensnote.

Dieser initiale Ansatz eines PC-basierten Seminars in Medizinischer Biometrie konnte die praktische Relevanz verbessern [7]. Allerdings ist es für die Mehrzahl der Studierenden aus Kapazitätsgründen in den PC-Pools nicht möglich das PC-Seminar zu besuchen. Damit besuchen 75% der Gesamtkohorte der Studierenden das reguläre Seminar, in dessen Rahmen die Übungen und Testate mit Hilfe von kleineren Rechenaufgaben unter Verwendung eines Taschenrechners durchgeführt werden. Dies ist natürlich nicht angemessen und förderlich für das Ziel einer Erhöhung des Interesses für das Fachgebiet. Die durch die Implementierung des PC-Seminars erreichte Steigerung der praktischen Relevanz könnte unter Umständen weiter gesteigert werden, wenn die Studierenden bereits in den Prozess der Datenerhebung involviert wären. Dies würde es ihnen ermöglichen im Anschluss an die Datengenerierung mit den eigenen Daten zu arbeiten, was insgesamt damit dem Konzept der aktivierenden Lehrmethoden entspricht. Diese sind nachweislich in der Lage den Lernerfolg zu erhöhen [2], [8], [9]. Demzufolge wurde von uns das hier vorgestellte Studienkonzept entwickelt.

Im Rahmen verschiedener universitärer Veranstaltungen (z.B. Jubiläum der Universität, „Schüleruniversitäten“, Erwachsenen-/Seniorenweiterbildung) nutzten wir bereits eine Beispielstudie, um die Grundlagen der Medizinstatistik einem breiten, nicht-spezialisierten Publikum zu demonstrieren. Interessierten Teilnehmern wurde die Teilnahme an einer kleinen Beobachtungsstudie angeboten, deren Ziel darin bestand die Präferenz der Teilnehmer hinsichtlich Süßigkeiten („Naschkatzen“) oder salzigen Knabbereien („Nagetiere“) zu erfassen. Zusätzlich wurden wenige andere Basisvariablen wie Alter, Geschlecht, sowie Körpergröße und Körpergewicht erhoben. Die Auswertung der Beispielstudie zielte hauptsächlich auf den möglichen Unterschied im Body Mass Index (BMI) zwischen den beiden Gruppen ab [10]. Das im Folgenden verwendete Studienakronym NaNa resultierte dabei aus den zuvor genannten Gruppenbeschreibungen von Naschkatzen und Nagetieren.

Demzufolge stellte das NaNa Studienkonzept eine vielversprechende Möglichkeit dar die praktische Relevanz des Seminars in Medizinischer Biometrie zu verbessern. Einerseits konnten damit die Studierenden in den Prozess der Datenerhebung involviert werden, so dass die grundlegenden Aspekte dieses Prozesses mit den damit assoziierten Problem diskutiert werden konnten. Zum anderen erhofften wir uns eine Motivationssteigerung auf Seiten der Studierenden aufgrund der Tatsache, dass sie im Rahmen des Seminars mit den eigenen Daten arbeiten können. Dies könnte auch einen positiven Effekt auf den Lernerfolg haben. Um den Effekt dieser aktivierenden Lehrmethode evaluieren zu können, führten wir eine Pilotstudie auf der Basis von Beobachtungsdaten durch. Im Speziellen wurde das NaNa-Lehrkonzept verglichen mit der bis dahin als Standard implementierten Lehrmethode im Softwarekurs Medizinische Biometrie. Unserer Forschungshypothese entsprechend sollte das NaNa-Konzept überlegen sein in Bezug auf Lernerfolg und Motivation.

Der Artikel ist wie folg strukturiert: Zunächst werden die eingesetzten didaktischen Ansätze (Intervention und Kontrolle) vorgestellt und die erhobenen Studiendaten beschrieben. Anschließend erfolgt eine Evaluierung der beiden Forschungshypothesen, d.h. Verbesserung des Lernerfolgs und Erhöhung der Motivation. Der Artikel schließt mit einer kritischen Diskussion der Kernaussagen der Analysen im Hinblick auf den Effekt der didaktischen Intervention und des Potentials des NaNa-Konzeptes als Standardlehrmethode im betreffenden Statistiksoftwarekurs eingesetzt zu werden.


Material und Methoden

Studiendesign, Studienteilnehmer und didaktische Intervention

Die Studie folgte einem monozentrischen, zweiarmigen, kontrollierten Design mit prospektiven Beobachtungsdaten. Aufgrund des Pilotcharakters der Studie erfolgte in der Planungsphase keine formale Abschätzung der Stichprobengröße, obwohl eine Berechnung auf Basis entsprechender Vordaten zum Lernerfolg (Testatergebnisse) in der Kontrollgruppe hätte durchgeführt werden können. Stattdessen wurden alle Studierenden der Humanmedizin der Universität Ulm, die am PC-Seminar der Medizinischen Biometrie im Wintersemester 2016/17 teilgenommen haben, in die Studie eingeschlossen (N=71). Die Studierenden besuchten eine von vier möglichen Seminargruppen (maximal 24 bzw. 14 Teilnehmer pro Kurs), welche von 3 verschiedenen Dozenten unterrichtet wurden. Fast alle Studierenden (Ndataset=70) nahmen an der Datenerhebung teil, welche im Rahmen eines außerplanmäßigen Termins vor offiziellem Start des Seminars stattfand. Die zwei größeren Seminargruppen (n1=45) wurden mit dem interventionellen NaNa-Lehrkonzept unterrichtet und arbeiteten demnach während des Kurses mit den eigens erhobenen Daten aller Studienteilnehmer. Die zwei kleineren Gruppen (n2=26) fungierten als Kontrollgruppe und wurden mit dem etablierten Standardlehrkonzept unterrichtet, so dass deren Seminar- und Testataufgaben auf realen Beobachtungsdaten einer pädiatrischen Studie basierten [6]. Die Studierenden beider Vergleichsgruppen bearbeiteten exakt dieselben Aufgaben während der Übungen und Testate. Einzige Ausnahme waren die Variablen, welche für die Berechnungen verwendet wurden. Alle Studierenden gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme an der Studie. Zudem lag ein positives Votum der Ethikkommission Ulm vor.

Datenerhebung

Die Datenerhebung erfolgte pseudonymisiert. Die an der Datenerhebung anwesenden Studienteilnehmer (N=70) machten Angaben zu demographischen und gesundheitsbezogenen Variablen. Zudem wurde das Konsumverhalten der angebotenen Snacks erhoben, insbesondere die Art des Snacks (süß oder salzig), die Konsumhäufigkeit und der Hauptgrund für den Konsum. In beiden Snackgruppen gab es ein breites Angebot, um möglichst alle Präferenzen abzudecken.

Die demographischen Variablen umfassten Alter, Geschlecht, Körpergröße, Körpergewicht und Herkunftsland. Die gesundheitsbezogenen Merkmale waren körperliche Aktivität, Blutdruck, Raucherstatus, chronische Erkrankungen und Allergien. Die erhobenen Merkmale wurden genutzt um die Übungs- und Testataufgaben entsprechend zu konzipieren. Alle Aufgaben orientierten sich dabei strikt an denen der Kontrollgruppe.

Endpunkte

Die primäre Zielgröße der Studie zur Erfassung des Effektes der didaktischen Intervention war die kumulierte Punktzahl aus allen sechs Testaten während des Semesters bzw. der damit einhergehenden Note. Die Ergebnisse der Evaluierung des Seminars durch die Studierenden war die sekundäre Zielgröße unserer Studie.

Statistische Analyse

Ein Vergleich der beiden Studienkollektive in Bezug auf die demographischen Variablen erfolgte zunächst deskriptiv. Für kontinuierliche Merkmale wurden Mittelwert, Standardabweichung (SD), Median und Quartile berechnet. Für kategoriale Merkmale wurden Häufigkeiten berechnet, die anschließend mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests bzw. des exakten Test nach Fisher weitergehend verglichen wurden. Ein ungepaarter t-Test wurde für die Analyse des primären Endpunktes verwendet. Aus früheren Semestern konnte erwartet werden, dass die kumulierten Punkte einer Normalverteilung folgen. Der Mann-Whitney-U-Test wurde eingesetzt zum Vergleich der Kollektive im Hinblick auf die ordinalskalierte, sekundäre Zielgröße (Akzeptanz bzw. Motivation). Zusätzlich wurde jeweils Cohen’s d berechnet, um die Stärke des Effektes auszudrücken [11]. Ein p≤0.05 wurde als statistisch signifikant betrachtet, wobei alle Ergebnisse in explorativem Sinne interpretiert werden. Nur vereinzelt zeigten sich fehlende Werte in den Daten, insbesondere für die primären und sekundären Endpunkte war die Datenerhebung vollständig. Die Statistiksoftware R (Version 3.2.1, http://www.r-project.org) wurde für die Analysen verwendet.


Ergebnisse

Die Studienteilnehmer zeigten keine Unterschiede hinsichtlich der Alters- und Geschlechterverteilung im Vergleich zu jenen Studierenden, die während des Wintersemesters 2016/17 nicht am PC-Seminar teilgenommen haben. Sie waren durchschnittlich 23.9 Jahre alt (SD 2.9) und 43% waren männlich (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Die Mehrzahl besuchte das 6. oder 7. Fachsemester (77%) und entschied sich für einen süßen Snack (76%) während der Datenerhebung. Unabhängig vom gewählten Snack gaben 80% der Studienteilnehmer „Genuss“ als Hauptgrund des Konsums an. Hinsichtlich Alter und Geschlecht konnten keine Unterschiede der beiden Vergleichskollektive nachgewiesen werden, jedoch im Hinblick auf die Verteilung der Fachsemester (p=0.0003).

Die primären Forschungshypothesen einer Überlegenheit des NaNa Konzeptes in Bezug auf eine Erhöhung des Lernerfolgs und der Motivation konnte auf Basis der erhobenen Daten nicht gezeigt werden. Vielmehr zeigten die Studierenden der Kontrollgruppe sogar etwas bessere Ergebnisse bezüglich Lernerfolg mit durchschnittlich 113.8 Punkten (SD 6.5) über alle Testate hinweg im Vergleich zu 109.0 Punkten (SD 8.8) für Studierende der NaNa-Gruppe (p=0.012, siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Dieses Resultat zeigt sich in einer Effektgröße von d=0.62, welche einen moderaten Effekt darstellt. Als eine logische Konsequenz waren damit auch die Noten der Kontrollgruppe im Mittel besser (1.6 (SD 0.6)) als in der NaNa-Gruppe (2.1 (SD 0.7)), d.h. d=0.77 und p=0.001. Jedoch bewerteten die Studierenden der Interventionsgruppe den Kurs etwas besser (Median 1) als die Studierenden der Kontrollgruppe (Median 2), wobei die Bewertung sich an den regulären Schulnoten 1=beste Bewertung bis 6=schlechteste Bewertung orientierte. Dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant (p=0.487). Dieselbe Tendenz konnte beobachtet werden bei spezifischeren Fragen der Kursbewertung. Der mediane Score für die Frage „Ich würde die Lehrveranstaltung wieder besuchen“ lag bei 6 („vollständige Zustimmung“) in der NaNa-Gruppe und bei 5 („Zustimmung“) in der Kontrollgruppe. Die Frage „Ich habe viel gelernt“ wurde in beiden Gruppen im Median mit 5 („Zustimmung“) bewertet.


Diskussion

Nahezu alle Fächer des Curriculums im Studiengang Humanmedizin, die wie die Medizinische Biometrie nicht primär einen klinischen Fokus haben, sehen sich mehr oder weniger mit denselben Problemen konfrontiert. Oftmals wird fehlende Praxisnähe als Grund genannt. Da viele dieser Fächer natürlicherweise auf die Vermittlung von Grundlagen (z.B. Biochemie, Physik) oder methodische Aspekte ausgerichtet sind, sollte die Lehre in diesen Fächern praxisnahe Elemente beinhalten. Dies können beispielsweise technische Geräte zur Wissensvermittlung wie Virtual Reality Brillen in der Kardiologie, Patientendummies mit integrierten Messsensoren in der Notfallmedizin oder entsprechende Lern-Apps sein, welche die Studierenden unterstützen [12], [13]. Zudem ist der positive Effekt aktivierender Lehrmethoden auf das Verständnis der Lehrinhalte nachweislich belegt [2], [3]. Unser NaNa Lehrkonzept adressiert explizit die attention und satisfaction Aspekte von Keller und Kopp’s ARCS-Modell [4]. Außerdem wurde auch der confidence Aspekt berücksichtigt durch die wiederholten Prüfungen (Selbstkontrolle) während des Semesters. Allerdings wurde der relevance Aspekt in unserer Studie nicht optimal umgesetzt. Die Studierenden der Kontrollgruppe arbeiteten mit realen Daten (Prävalenz von Typ 2 Diabetes mellitus) und für die Praxis relevanteren Fragestellungen im Vergleich zu den Studierenden der Interventionsgruppe (Unterschiede zwischen Studierenden die Süßigkeiten präferieren anstelle salziger Knabbereien).

Lehrveranstaltungen in Medizinischer Biometrie sollten die theoretischen Aspekte von Studienplanung, Datenanalyse und Interpretation in Bezug setzen zu praxisorientierten Fragestellungen, Daten und Methoden. Natürlich ist dabei ein wichtiger Anspruch die Studierenden dazu zu befähigen selbstständig die Validität von Forschungsergebnissen und –artikeln bewerten zu können. Vor allem in der heutigen Zeit sollte den Studierenden jedoch auch ermöglicht werden erste Erfahrungen mit Statistiksoftware zu sammeln, da dies für die Praxis eine große Relevanz hat. Das bereits entwickelte PC-Seminar in Medizinischer Biometrie, das die Rahmenbedingung für die vorgestellte Lehrstudie festlegte, adressiert diese Anforderungen. Auch im Rahmen der Änderung der Approbationsordnung für Ärzte im Jahre 2004 wurden diese Anforderungen explizit gestellt [5], [14]. Das vorgestellte NaNa-Lehrkonzept erweitert das etablierte PC-Seminar und schließt eine Selbsterhebung empirischer Daten inklusive deren anschließender Auswertung mit ein, um die Motivation der Studierenden möglichst zu steigern. Durch die Involvierung der Studierenden bereits im Prozess der Datenerhebung wurde erhofft, dass dies einen positiven Effekt auf den Lernerfolg hat. Allerdings zeigten die Ergebnisse der Studie, dass keine signifikante Verbesserung hinsichtlich beider Zielgrößen durch die Lehrintervention erzielt werden konnte. Tatsächlich erreichten die Studierenden der Kontrollgruppe sogar eine höhere kumulierte Punktzahl von durchschnittlich 113.8 Punkten gegenüber 109.0 Punkten in der NaNa-Gruppe, was einen moderaten Effekt darstellte. Dem entsprechend erzielten die Studierenden der Kontrollgruppe im Mittel auch bessere Noten (1.6 in der Kontrollgruppe gegenüber 2.1 in der NaNa-Gruppe). Im Hinblick auf die Anzahl der in die Studie eingeschlossenen Teilnehmer ist es an dieser Stelle jedoch nicht möglich von einem systematischen Effekt zu sprechen. Eine umfangreichere Evaluation der in unserer Pilotstudie gefundenen Resultate wäre notwendig auf der Basis größerer Studienkollektive, die mehr statistische Evidenz mit sich bringen. Allerdings wäre unter Betrachtung der mittleren kumulierten Punktzahl von 110 Punkten (SD 8.9) in den letzten zehn Jahren (entspricht einem Notendurchschnitt von 2.0) eine Gesamtfallzahl von N=160 Studierenden notwendig, um eine signifikante Verbesserung der NaNa-Gruppe auf durchschnittlich 114 Punkte (Notendurchschnitt 1.5) zu erreichen (unter der Annahme eines zweiseitigen Typ 1 Fehlers von 5% und einer Power von 80%). Dies könnte durch eine Ausweitung der Studiendauer über mehrere Semester hinweg erreicht werden, oder aber über einen multizentrischen Ansatz, der jedoch als Cluster-randomisierte Studie durchgeführt werden müsste, um für mögliche Differenzen zwischen den teilnehmenden Universitäten korrigieren zu können [15].

In Bezug auf den Effekt des NaNa-Konzeptes auf die Akzeptanz der Studierenden gegenüber unserem Fach konnte die leichte Tendenz einer Überlegenheit der Interventionsgruppe festgestellt werden, welche jedoch statistisch nicht signifikant war. Die Gesamtbewertung des Seminars auf Basis von Schulnoten führte zu einem höheren Median in der NaNa-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ebenso antworteten die Studierenden der NaNa-Gruppe überzeugender auf Fragen, ob sie das Seminar noch einmal besuchen würden.

Limitationen

Entgegen unserer ursprünglichen Intention war es nicht möglich Cluster-randomisierte Studie zu implementieren, in deren Rahmen die vier Seminargruppen zufällig auf die zwei Lehrkonzepte randomisiert worden wären. Die ist unter anderem auf organisatorische Gründe zurückzuführen (Stundenplan der betreffenden Fachsemester), vor allem jedoch auch aufgrund der limitierten Kapazität in den zur Verfügung stehenden PC-Pools. Beide Seminare am Dienstag bieten Platz für maximal 24 Studierende, während für die Seminare am Donnerstag und Freitag nur 14 Arbeitsplätze verfügbar sind. Eine Clusterrandomisierung hätte den potentiellen Nachteil gehabt, dass per Zufall die beiden kleineren Seminargruppen mit dem NaNa-Konzept unterrichtet worden wären. Damit hätten sich die theoretisch möglichen 48 Beobachtungen für die Zielgrößen in der Interventionsgruppe auf nur 28 Beobachtungen reduziert. Aufgrund der Tatsache, dass die kumulierte Punktzahl unter dem Standardlehransatz in den letzten Jahren konstant war, hielten wir es für angemessener die kleinere Fallzahl in der Kontrollgruppe zu haben. Zudem zeigten die Analysen in Tabelle 1 [Tab. 1] keinen Unterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen mit Ausnahme der Fachsemesterverteilung. Dieser Unterschied wiederum ist nicht überraschend, da die Studierenden des 6. Semesters aufgrund ihres Stundenplans zur Dienstags (Interventionsgruppe) besuchen können.

Insgesamt ist die Fallzahl dieser Pilotstudie sicherlich zu niedrig, um valide Aussagen aus den Analysen abzuleiten. Insbesondere die Ergebnisse der Kontrollgruppe in Bezug auf die Akzeptanz des Seminars sind mit nur 26 Studierenden nicht repräsentativ. Allerdings bestätigten die Ergebnisse der Kontrollgruppe im Hinblick auf den Lernerfolg die Beobachtungen der letzten Jahre.

Es ist bezüglich der in dieser Studie gefundenen, kleinen Effekte wichtig zu erwähnen, dass die Noten im Fach Medizinische Biometrie in den letzten Jahren per se auf einem hohen Level waren. Demzufolge war es von Beginn an klar, dass bedeutsame Verbesserungen des Lernerfolgs kaum erreicht werden können. Wie bereits erwähnt wäre eine sehr viel größere Fallzahl notwendig gewesen, um eine Verbesserung des Lernerfolgs durch das NaNa-Konzept erreichen zu können. Letztlich nahmen auch alle Studierenden an der Datenerhebung teil, um einen möglichst umfangreichen Datensatz für die NaNa-Gruppe erzeugen zu können. In Folge dessen machten aber auch alle Studierenden die Erfahrung mit aktivierenden Elementen in der Lehre.


Schlussfolgerung

Die vorgestellte Studie war nicht in der Lage die vorab definierten Forschungshypothesen einer Überlegenheit von Lehrmethoden mit aktivierenden Elementen gegenüber dem Standardlehransatz zu bestätigen. Erwartungsgemäß konnte nur eine leichte Tendenz in Bezug auf eine verbesserte Motivation der Studierenden in der NaNa-Gruppe festgestellt werden, nicht jedoch im Hinblick auf eine Verbesserung des Lern- und Prüfungserfolgs. Allerdings sind umfangreichere Daten notwendig, um valide Aussagen über die Effektivität der Datenselbsterhebung als aktivierendes Lehrelement in Medizinischer Biometrie treffen zu können. Zukünftige Studien sollten zusätzlich weitere Zielgrößen mit einschließen, wie zum Beispiel andere Scores zur Erfassung der Motivation [16], um eine noch umfassendere Evaluierung des Lehrkonzeptes vornehmen zu können. Werden all die zuvor genannten Argumente zusammengenommen und in Anbetracht des nicht eindeutig bewertbaren Effektes der untersuchten Lehrintervention auf den Lernerfolg, sollte die Lehre in Medizinischer Biometrie weiterhin versuchen eine möglichst hohe Praxisrelevanz durch die Einbindung von anschaulichen Beispielen zu erzeugen, um den Studierenden die Relevanz des Fachgebiets zu vermitteln.


Interessenkonflikt

Diese Studie wurde finanziell unterstützt durch die AG Lehrforschung der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm. Alle Autoren des Artikels erklären, dass keine Interessenskonflikte bestehen.


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