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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Verbindung von Studium und Facharztausbildung durch ein elektives, EPA-basiertes letztes Studienjahr in der Akutmedizin: Ein erster Projektbericht

Artikel Transition

  • corresponding author Gersten Jonker - Universität Utrecht, UMC Utrecht, Abteilung für Anästhesiologie, Utrecht, Niederlande
  • author Reinier G. Hoff - Universität Utrecht, UMC Utrecht, Abteilung für Anästhesiologie, Utrecht, Niederlande
  • author Stefan Max - Universität Utrecht, UMC Utrecht, Abteilung für Anästhesiologie, Utrecht, Niederlande
  • author Cor J. Kalkman - Universität Utrecht, UMC Utrecht, Abteilung für Anästhesiologie, Utrecht, Niederlande
  • author Olle ten Cate - Universität Utrecht, UMC Utrecht, Zentrum für Forschung und Entwicklung für medizinische Ausbildung, Utrecht, Niederlande

GMS J Med Educ 2017;34(5):Doc64

doi: 10.3205/zma001141, urn:nbn:de:0183-zma0011414

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001141.shtml

Eingereicht: 29. November 2016
Überarbeitet: 8. Juli 2017
Angenommen: 18. August 2017
Veröffentlicht: 15. November 2017

© 2017 Jonker et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ein gut gestaltetes letztes Studienjahr („praktisches Jahr” oder „Übergangsjahr“) kann den Übergang von Studium zu Facharztweiterbildung vereinfachen, wenn es ausreichend fachliche Tiefe zur frühen Aneignung von fachspezifischer Erfahrung bietet, ohne dabei die vollständige Bandbreite medizinischer Ausbildung zum praktischen Arzt zu vernachlässigen. Ziel dieses Artikels ist es, die Gestaltung eines multidisziplinären letzten Studienjahres („dedicated transitional year“, DTY) rund um die Erkennung und Erstbehandlung von vital bedrohten Patienten zu beschreiben.

Methoden: Die Lehrbeauftragten für Studenten- und Facharztausbildung der Anästhesiologie, Kardiologie, Notfallmedizin, Intensivmedizin und Pulmologie der Uniklinik Utrecht (Universitätsmedizinisches Zentrum, UMC) und seiner Lehrkrankenhäuser entwickelten und implementierten gemeinsam ein Curriculum für ein letztes Studienjahr, welches sich auf drei APT („anvertraubare professionelle Tätigkeit“, engl. „entrustable professional activity“, EPA) aus der Akutmedizin stützt. Diese APT repräsentieren tatsächliche Tätigkeiten beginnender Ärzte der teilnehmenden Fächer, gleichen die Lernziele der Studenten an diese zukünftigen Tätigkeiten an, und sind der Kern für Lernen, Lehre und Beurteilung während dieses Jahres. Die Studenten werden in ihrer Entwicklung durch einen Mentor unterstützt, und es findet monatlicher Unterricht statt.

Ergebnisse: Zwischen Oktober 2014 und November 2016 haben sich 47 Studenten für das DTY Akutmedizin entschieden. Die Einrichtung unseres DTY inspiriert andere Fachrichtungen, ebenfalls multidisziplinäre DTYs zu entwickeln. Die erlangte klinische Kompetenz, die Erfahrungen von Studenten und Mitarbeitern sowie die beginnenden Karrieren der Absolventen sind Gegenstand aktueller Forschungsprojekte.

Fazit: Dieses multidisziplinäre letzte Studienjahr soll Studenten ermöglichen, ihr Studium mit spezifischen Kompetenzen der Akutmedizin abzuschließen, und bereitet auf die Facharztweiterbildung in einer Reihe von Fachrichtungen vor.

Schlüsselwörter: Studium Medizin, Weiterbildung Medizin, klinische Kompetenz, praktisches Jahr, anvertraubare professionelle Aktivitäten


1. Einleitung

Ziel des Medizinstudiums ist es, Ärzte hervorzubringen, die nahtlos mit der Facharztweiterbildung beginnen können [1]. Jedoch haben Studenten, beginnende Ärzte und Weiterbildungsbeauftragte Lücken in der Vorbereitung durch das Studium erkannt, zum Beispiel in Bereichen wie Verantwortungsübernahme oder Arbeit auf ärztlichem Niveau. Dies wird dem Fehlen von gezielter Ausbildung im letzten Studienjahr zugeschrieben [2], [3], [4]. Ein gut organisiertes letztes Studienjahr kann diese Lücken füllen und den beginnenden Ärzten den Einstieg in die Weiterbildung vereinfachen [3], [5].

In den Niederlanden besteht das Medizinstudium seit der Bologna-Erklärung [6] aus einem dreijährigen, hauptsächlich theoretischen Bachelorabschnitt und einem ebenfalls dreijährigen Masterabschnitt, der größtenteils aus klinischen Famulaturen besteht [7]. Die ersten beiden Jahre des Masterabschnittes bestehen aus Pflichtfamulaturen in verschiedensten Fachrichtungen. Im dritten und letzten Jahr nehmen alle Studenten des UMC Utrecht an einem sogenannten „Übergangsjahr“ (engl. „transitional year“) teil, das am ehesten dem deutschen praktischen Jahr entspricht. Es ist aus bis zu drei klinischen Famulaturen und einem Forschungspraktikum zusammengesetzt, um den Übergang vom Studium zur Facharztweiterbildung zu vereinfachen. In diesem Übergangsjahr sollen Studenten klinisch Arbeiten lernen, Kenntnisse und Fähigkeiten aus den vorherigen Jahren einbinden und anwenden, zur Übernahme ärztlicher Verantwortung heranwachsen, das Verständnis in ihren Interessengebieten vertiefen, frühe fachspezifische Expertise erwerben und Karrieremöglichkeiten erkunden [2], [3], [4], [5].

Einige Studenten, die sich schon für ein Weiterbildungsfach entschieden haben, konzentrieren sich im Übergangsjahr oft auf diese eine Fachrichtung. So können sie schon früh für dieses Fach relevantes Wissen erlangen, welches ihre Chancen bei der Bewerbung auf die gewünschte Weiterbildungsstelle verbessern kann. Allerdings können eben diese Studenten im letzten Studienjahr ihre Meinung doch noch ändern oder sich schlicht als ungeeignet erweisen. Weiterhin kann ein auf eine einzelne Fachrichtung fixiertes Übergangsjahr für noch unentschlossene Studenten, oder solche die in allgemeineren Fachrichtungen arbeiten möchten, ungeeignet sein. Zusätzlich ist ein begrenztes, „überspezialisiertes“ letztes Jahr nicht geeignet, erlangtes Wissen und Fertigkeiten der vorangehenden Jahre zusammenzuführen und als umfassender Abschluss eines Medizinstudiums zu gelten [3].

Der Zweck dieses Artikels ist es, ein letztes Medizinstudienjahr zu beschreiben, welches als multidisziplinäres, aber doch spezialisiertes Übergangsjahr gestaltet ist und welches sich obigen Problemen widmet. Im Zentrum stehen die Aneignung von Basiskompetenzen in der Akutmedizin sowie die Vorbereitung auf die Inhalte der Facharztweiterbildung in den beteiligten Fachrichtungen. Wir wählten diese Ziele, da junge Ärzte in Notfallsituationen häufig erstverantwortlich sind und schnell handeln können müssen.


2. Projektbeschreibung

2.1. Ein multidisziplinäres, thematisch spezialisiertes letztes Studienjahr

Die Abteilungen für Anästhesiologie, Kardiologie, Notfallmedizin, Intensivmedizin und Pulmologie des UMC Utrecht und des St. Antonius Hospitals (Nieuwegein, Niederlande) haben gemeinschaftlich ein multidisziplinäres, thematisch spezialisiertes letztes Studienjahr bzw. Übergangsjahr („dedicated transitional year“, DTY) entwickelt. Der Kern unseres DTY liegt auf der Erkennung und Behandlung von vital bedrohten Patienten, einem Thema welches allen fünf beteiligten Fachrichtungen gemein ist (daher die Bezeichnung „DTY Akutmedizin“). Ebenso kombinieren alle Fächer ein analytisches Vorgehen mit einer praktischen Mentalität.

Am UMC Utrecht können Studenten das DTY Akutmedizin im letzten Studienjahr wählen. Ein zwölfwöchiges Forschungspraktikum kann aus den obigen fünf Fachrichtungen gewählt werden, ebenso drei klinische Famulaturen. Zwei dieser Famulaturen dauern sechs Wochen, die dritte zwölf Wochen. Diese Zusammensetzung erlaubt es den Studenten, spezialisierte aber auch ausgewogene Erfahrungen in ihrem Interessengebiet zu sammeln, ohne dabei übertrieben auf eine Fachrichtung fixiert zu sein [3]. Während der Famulaturen sollten die Studenten nahe dem Niveau eines beginnenden Arztes arbeiten, um sich an die Rolle und die Pflichten eines Arztes in Weiterbildung zu gewöhnen [2], [3], [8]. Dies bedeutet, dass sie die gleichen Aufgaben wie diese zugeteilt bekommen, wobei jedoch relevante Punkte von ihren Betreuern überprüft werden und Medikamente von einem approbierten Arzt verschrieben werden müssen. Zusammen mit einem sechswöchigen Einführungsblock und einem sechswöchigen Abschlussblock füllt das DTY somit das komplette letzte Jahr des Medizinstudiums.

2.2. Lernziele: Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten
2.2.1. Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten

Da das DTY den Einstieg in die Facharztweiterbildung erleichtern soll, müssen die Lernziele aus typischen Aufgaben beginnender Ärzte bestehen [1], [9], [10]. Praktische Aufgaben als Lernziele zu handhaben gibt Struktur und Klarheit in der chaotischen klinischen Lehrumgebung [11]. Dies erzeugt Einsatzwillen und Motivation und fördert somit den Lernprozess [11]. Solche Lernziele, welche sich auf klinische Aufgaben beziehen, können als Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten (APT, engl. „Entrustable Professional Activities“, EPA) formuliert werden [1], [9], [10]. Eine APT ist eine gesondert ausführbare klinische Tätigkeit, bei der die benötigte Aufsicht graduell vermindert werden kann, und die letztlich einer Person anvertraut werden kann, welche für kompetent befunden wurde, diese Tätigkeit ohne direkte Aufsicht auszuführen [12].

Das Konzept der APT fügt sich hervorragend in das theoretische Gerüst der „Community of Practice“ und des situierten Lernens ein [13], welche die Bedeutung authentischer Aufgaben im (praktischen) Lernprozess betonen. Durch die Beteiligung an kleinen, aber sinnvollen Aufgaben der täglichen Arbeit können selbst Anfänger legitim am Rande einer Community of Practice teilnehmen und mit wachsender Erfahrung Teil derselben werden [13].

Die Hauptlernziele des DTY Akutmedizin werden durch drei APT beschrieben, welche relevante, typische Tätigkeiten beginnender Ärzte umfassen und den fünf teilnehmenden Fachrichtungen gemein sind: „Erkennung und Erstbehandlung von vital bedrohten Patienten“, „Beurteilung von respiratorisch insuffizienten Patienten“ und „Beurteilung von kreislaufinstabilen Patienten“ (siehe Anhang 1 [Anh. 1], Anhang 2 [Anh. 2] und Anhang 3 [Anh. 3]). Diese drei APT definieren unterliegende Kompetenzen, benötigtes Wissen, Fertigkeiten und Haltungen (cf [12]). Das Ziel ist es, Studenten so auszubilden, dass sie diese Tätigkeiten unter indirekter Aufsicht (mit anschließender Besprechung) durchführen können. Dies entspricht dem Maß an Verantwortung, welches von ihnen im ersten Jahr der Facharztweiterbildung erwartet wird [2], [10].

Diese Kombination aus drei APT treibt Lernen, Lehre und Beurteilungen im gesamten DTY an. Die DTY APT wurden schrittweise und gemeinsam von erfahrenen Mitgliedern (n=13) der Fakultäten der beteiligten Fachrichtungen entwickelt. Der Entwicklungsprozess fand von September 2014 bis Juni 2015 statt und bestand aus mehreren Besprechungen, zwischen und nach denen die Konzept-APT per E-Mail schrittweise weiterentwickelt wurden. Über die finalen APT bestand Konsens bei allen Beteiligten. Die DTY APT sollen die Ziele der Studentenausbildung an die Anforderungen beginnender Ärzte angleichen [10]. Ungewöhnlich ist, dass sie nicht fachrichtungsgebunden sind und somit durch ihre Relevanz für mehrere Fachbereiche traditionelle Hürden überschreiten.

2.2.2. Kern-APT versus DTY APT

Während ihrer Famulaturen erleben die Studenten die gesamte Bandbreite ihrer gewählten Fächer. In der Notfallmedizin werden sie beispielsweise mit Patienten mit Frakturen konfrontiert, in der Anästhesiologie lernen sie die Grundlagen der Narkose kennen, in der Kardiologie oder Pulmologie betreuen sie chronisch Kranke. Diese Aspekte ihrer Arbeit sind nicht unbedingt Teil der drei DTY APT. Die APT beschreiben die den Fachrichtungen gemeinsame Erkennung und Erstbehandlung von vital bedrohten Patienten. Allerdings sind Aufgaben die nicht unter diese APT fallen natürlich trotzdem wertvoll, da sie zum einen Tätigkeiten beinhalten, die nützliche Erfahrungen für die APT liefern (z.B. die Interpretation eines EKGs), und zum anderen Verständnis für den ganzen Umfang der Fachrichtung schaffen.

Die Entwicklung der DTY APT ging der noch laufenden Entwicklung von Kern-APT für das Medizinstudium voran. Die Kern-APT werden die Grundlage des Lernens für alle Studenten während der klinischen Studienzeit bilden, während die DTY APT fortgeschrittene Lernziele für die Teilnehmer des DTY Akutmedizin definieren. Die DTY APT sollen die Aufmerksamkeit der Studenten auf diese Lernziele während solcher Famulaturen lenken, die früher keine expliziten Lernziele besaßen.

Insofern können die DTY APT als zusätzliche Wahl-APT bezeichnet werden [5], da sie fortgeschrittener als die Kern-APT sind, die jeder Student für den Studienabschluss beherrschen muss [10]. Die APT können mit umfassenderen und komplexeren APT der Facharztweiterbildungen der teilnehmenden Fachrichtungen verknüpft werden [9], [10] und so zur Kontinuität der medizinischen Ausbildung beitragen. Gegenwärtig wird das APT-Konzept umfassend in der Facharztweiterbildung in den Niederlanden eingeführt [https://www.medischevervolgopleidingen.nl/epas].

2.3. Beurteilung

APT und deren Beurteilung sollen das erfahrungsbasierte Lernen während klinischer Famulaturen lenken. Die Studenten nehmen zu Beginn und am Ende des DTY an einer multimodalen Prüfung teil, welche auf die drei APT zugeschnitten ist. Diese Prüfung besteht aus mehreren Teilen, welche Wissen (schriftlich, offene und geschlossene Fragen), Fertigkeiten (mehrere Stationen mit „Objective Structured Clinical Examinations”), klinische Argumentation (fallbasierte Diskussionen) und klinische Leistung in realistischen Simulationen von Akutsituationen evaluiert. Die Eingangsprüfung macht die Studenten mit den Lernzielen und der erwarteten Leistung bekannt, die analog aufgebaute Abschlussprüfung beurteilt die persönliche Kompetenzentwicklung der Studenten.

Arbeitsplatzbasierte Beurteilungen unseres DTY sind an die APT angepasst. Das DTY-Team entwickelte gemeinsam Mini-CEXs (Clinical Evaluation Exercises), um beurteilbare Tätigkeiten die Teil der APT sind abzudecken (z.B. „Anamnese beim dyspnoischen Patienten“, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Diese spezifischen, kurzen klinischen Beurteilungen ergänzen die allgemeinen Beurteilungen, die im Masterabschnitt des Medizinstudiums am UMC Utrecht üblich sind, und lenken die Aufmerksamkeit von Studenten und Begleitern auf die Lernziele des DTY. Die Studenten dokumentieren ihre erhaltenen Beurteilungen in einem Portfolio, welches in naher Zukunft durch eine elektronische Version ersetzt wird.

Momentan werden die APT noch nicht zur formellen Beurteilung der Studenten im Rahmen des Gesamtstudiums benutzt.

2.4. Begleitung

Die Studenten werden während des gesamten Jahres durch einen Mentor begleitet. Dieser Mentor ist ein erfahrener Arzt in Weiterbildung in einer der teilnehmenden Fachrichtungen. Dieser „Buddy“ bietet den Studenten kontinuierliche Unterstützung bei der persönlichen Entwicklung [14], fungiert als Vorbild, kann bei Einarbeitung, Karriereplanung und Bewerbungen zur Seite stehen, und hilft, das Beste aus den Famulaturen herauszuholen [3], [4]. Mentoren nehmen nicht an formellen Prüfungen ihres Schützlings teil. Soweit uns bekannt ist, wird die Begleitung durch einen Mentor sowohl von den Studenten wie auch den Mentoren sehr geschätzt.

Eine weitere Besonderheit des DTY ist ein monatlicher Unterrichtstag. Dieser besteht aus interaktiven Seminaren in Kleingruppen, wobei die Studenten Erfahrungen teilen und APT-relevante Themen von einem integrativen, multidisziplinären Standpunkt aus besprechen können. Bei abschließenden Befragungen von Studenten gaben diese an, dass hierdurch auch ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl gefördert würde, wohingegen das traditionelle Übergangsjahr rein individualistisch ist. Der ein Jahr andauernde Unterrichtszyklus behandelt die Inhalte sogenannter Bootcamp-Kurse, wie sie in den USA für den Übergang von Studium zu Facharztweiterbildung üblich sind [5], [15].


3. Ergebnisse

Zwischen Oktober 2014 und November 2016 haben 47 Studenten am DTY Akutmedizin teilgenommen (etwa 7% der Jahrgangsstärke). Bis heute ist unser DTY das einzige seiner Art. Andere Zusammenschlüsse von Fachrichtungen des UMC Utrechts folgen unserem Beispiel und erkunden momentan themenorientierte Übergangsjahre.

Zu Beginn des DTY sehen viele unserer Studenten eine Karriere in einer der teilnehmenden Fachrichtungen vor sich. 92 Prozent der im DTY eingeschriebenen Studenten streben eine Weiterbildung in einem der fünf am DTY beteiligten Fächer an, wobei sich 16% ihrer Wahl sehr sicher sind. Eine Minderheit von 8% möchte später in einem nicht am DTY teilnehmenden Fach arbeiten. Von allen Studenten, die sich noch nicht endgültig für eine bestimmte Karriere entschieden haben, erwägen 68% eine Fachrichtung außerhalb des DTY.

Das DTY steht allen Medizinstudenten im letzten Jahr am UMC Utrecht offen. Zugang zum DTY ist lediglich durch die begrenzte Anzahl von Famulaturstellen beschränkt. Bis jetzt war es uns dank Flexibilität bei der Famulaturverteilung und unserer Zusammenarbeit mit den regionalen Lehrkrankenhäusern möglich, allen interessierten Studenten einen Platz zu bieten. Teilnahme am DTY garantiert keine Facharztweiterbildungsstelle und keine Verkürzung der Weiterbildungsdauer.

Das DTY ist Gegenstand dreier laufender Forschungsarbeiten. Eine Arbeit wertet aus, inwiefern das DTY hilft, in den drei multidisziplinären APT Kompetenzen zu entwickeln. Eine zweite Studie erkundet die Erfahrungen der Studenten und des begleitenden Personals mit dem DTY. Eine dritte Arbeit folgt ehemaligen DTY-Studenten und dem Verlauf des Beginns ihrer Karriere.


4. Diskussion

Wir entwarfen das DTY Akutmedizin mit dem Thema der Erkennung und Behandlung von vital bedrohten Patienten. Wir formulierten klare multidisziplinäre Lernziele, welche typische Tätigkeiten beginnender Ärzte umfassen. Diese für viele Fachrichtungen wichtige thematische Orientierung ist eine der Stärken des DTY. Es stellt eine ausreichende Bandbreite für einen Studienabschluss als praktischer Arzt sicher, bietet aber trotzdem genug Tiefe um schon wertvolle Kompetenz für eine Facharztweiterbildung zu erlangen. Überdies sorgen die thematische Orientierung und die Lernziele für Kohärenz innerhalb eines Jahres von Wahlfamulaturen.

Die Entwicklung und Einführung des DTY war ein arbeitsintensiver, aber lohnender Prozess. Es kostete beträchtliche Zeit und Aufwand, die drei APT gemeinschaftlich mit Angehörigen von fünf Fakultäten zu definieren und zu erstellen. Hierdurch wurde jedoch durch das Überschreiten traditioneller Fachgrenzen das Bereichsdenken in den einzelnen Fächern abgebaut.

Die APT sind der Schwerpunkt der Beurteilung im DTY. Die multimodale Prüfung zu Beginn und Ende des Jahres kann eine wichtige Methode sein, um die durch die Studenten angeeignete Kompetenz zu demonstrieren. Allerdings ist diese Prüfung auch sehr arbeitsintensiv und könnte im größeren Rahmen schwierig durchzuführen sein.

Arbeitsplatzgebundene Beurteilungen sind an die APT durch Mini-CEX gebunden („Clinical Evaluation Exercises“). In 2014 führten wir mit dem DTY das Konzept der APT in ein noch nicht APT-basiertes Medizincurriculum ein. Daher wurden die „Entscheidungen des Anvertrauens“ noch nicht in die Gesamtevaluation der Studenten integriert. Eine „Entscheidung des Anvertrauens“ wird basierend auf Beobachtungen der klinischen Leistung und den Ergebnissen von Prüfungen über benötigtes Wissen und Fertigkeiten getroffen. Nachdem eine Tätigkeit anvertraut wurde, darf der Student diese unter indirekter Begleitung durchführen. Mit der Einführung des neuen, APT-basierten Medizincurriculums werden „Entscheidungen des Anvertrauens“ unvermeidlich Teil der Beurteilung von Studenten im klinischen Teil des Studiums werden, einschließlich dem DTY. Das Erlangen von APT, auch bei fast selbständigen Studenten kurz vor dem Abschluss, kann helfen Entscheidungen zur Delegation ärztlicher Aufgaben zu rechtfertigen, oder die Angemessenheit von Delegation an beginnende Ärzte im Hinblick auf die Patientensicherheit zu überdenken [10], [16].

Die Studenten des DTY nehmen an Famulaturen fünf verschiedener Fächer in diversen regionalen Lehrkrankenhäusern teil. Die Akzeptanz des DTY Konzepts und seiner Prinzipien wird dort wahrscheinlich nicht homogen sein. Weiterhin werden Studenten verschiedene Arten Famulaturen und Praktika zur gleichen Zeit im gleichen Krankenhaus durchführen. Deswegen liegt es vornehmlich in der Verantwortung der Studenten selbst, kontinuierlich die Aufmerksamkeit der lokalen Begleiter auf die speziellen Lernziele des DTY zu richten. Gleichzeitig sollte in die adäquate Vorbereitung und kontinuierliche Information der Begleiter und Mentoren investiert werden.


5. Fazit

In diesem Artikel beschreiben wir die Entwicklung und Formgebung eines multidisziplinären letzten Studienjahres mit Akutmedizin als thematischem Fokus und mit auf APT basierenden Lernzielen. Im DTY lernen die Studenten, Verantwortung für Patienten zu übernehmen, haben ihre vorbestehenden Kenntnisse und Fertigkeiten aufgefrischt, vertieft und verflochten, und werden ein Kompetenzprofil in der Akutmedizin auf einem nahezu selbstständigen Niveau erworben haben – eine nützliche Vorbereitung auf die Weiterbildung in den teilnehmenden Fachrichtungen. Ein ähnlicher Aufbau könnte benutzt werden um andere multidisziplinäre letzte Studienjahre entweder um verwandte Fächer oder um verschiedene medizinische Themenprofile herum zu entwickeln. Dies würde mehr Studenten die Möglichkeit geben, mit spezifischer Kompetenz ihre Facharztweiterbildung zu beginnen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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