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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Online-Plattform zur Unterstützung der Weiterbildung Allgemeinmedizin – Ein Bericht

Artikel

  • author Lorena Dini - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Claire Galanski - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Susanne Döpfmer - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Sabine Gehrke-Beck - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Gudrun Bayer - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Martin Boeckle - EUROPEAN INSTITUTE FOR PARTICIPATORY MEDIA, Berlin, Deutschland
  • author Isabel Micheel - EUROPEAN INSTITUTE FOR PARTICIPATORY MEDIA, Berlin, Deutschland
  • author Jasminko Novak - EUROPEAN INSTITUTE FOR PARTICIPATORY MEDIA, Berlin, Deutschland
  • corresponding author Christoph Heintze - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland

GMS J Med Educ 2017;34(5):Doc59

doi: 10.3205/zma001136, urn:nbn:de:0183-zma0011364

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001136.shtml

Eingereicht: 26. September 2016
Überarbeitet: 16. März 2017
Angenommen: 30. Mai 2017
Veröffentlicht: 15. November 2017

© 2017 Dini et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) Allgemeinmedizin haben überwiegend wenig Austausch mit ihrer Peer Group, weil sie meist die einzigen ÄiW sind, die zu einer gegebenen Zeit in dem entsprechenden Fachbereich bzw. der Praxis arbeiten. Die hier vorgestellte Online-Plattform „KOLEGEA“ hat daher das Ziel, die Weiterbildung Allgemeinmedizin in Deutschland durch den virtuellen Austausch zu unterstützen.

Methodik: In einem interdisziplinären Forschungsprojekt wurde 2012 eine Online-Plattform etabliert, die Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (ÄiW) mittels ihrer Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) frei nutzen können. Neben problemorientierten Lernen können anonymisiert eingestellte Patientenfälle mit der Gemeinschaft diskutiert und mit erfahrenen Mentoren (Fachärztinnen/Fachärzten für Allgemeinmedizin) in virtuellen Kleingruppen eingeordnet und diskutiert werden.

Ergebnisse: Eine anonyme Online-Umfrage im Rahmen der Evaluation in 2014 wies darauf hin, dass die Plattform positiv aufgenommen wurde, wenn auch Zeitmangel als begrenzender Faktor für die Nutzung beschrieben wurde. Die Datenanalyse zeigte, dass die KOLEGEA-Plattform in allen Bundesländern von ÄiW genutzt wurde. Passive Nutzungsmuster überwiegen (90%). Ergänzend wird die Weiterentwicklung der Plattform in 2015/2016 beschrieben, die einen Aktivitätsmonitor als spielerische Lernelemente integriert.

Schlussfolgerungen: Die niedrige Response der Online-Umfrage 2014 und die vorläufigen Auswertungen zu Nutzungsmustern lassen nur erste Trends erkennen, ob KOLEGEA den Weiterbildungsprozess unterstützt. Die Plattform wird als hilfreiche Ergänzung zu einer besseren Strukturierung der Weiterbildung Allgemeinmedizin eingeschätzt.

Schlüsselwörter: Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Online-Plattform, fallbasiertes Lernen, Social Web, Kompetenzbasiertes Curriculum


1. Einleitung

Aufgrund des zunehmenden Mangels an Fachärztinnen und Fachärzten für Allgemeinmedizin (HÄ) gerade in ländlichen Regionen entwickeln sich vielfältige Initiativen, um den hausärztlichen Nachwuchs langfristig zu erhöhen. Aktuell initiiert die Gesundheitspolitik durch das Versorgungsstärkungsgesetz [1] Unterstützungsmaßnahmen für die Allgemeinmedizin. Zukünftig soll die Weiterbildung durch eine engere Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Landesärztekammern, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der universitären Allgemeinmedizin strukturiert gefördert werden [2].

Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) Allgemeinmedizin haben in der ambulanten Weiterbildung überwiegend wenig Austausch mit ihrer Peer Group, weil sie meist die einzigen ÄiW sind, die zu einer gegebenen Zeit in dem entsprechenden Fachbereich bzw. der Praxis arbeiten.

Neben der Verbesserung der strukturellen Gegebenheiten bieten auch moderne Kommunikationsformen neue Möglichkeiten der Fort-und Weiterbildung. Das Internet und insbesondere netzbasiertes Lernen leisten einen wichtigen Beitrag, um Lehrenden und Lernenden neues Wissen leichter verfügbar zu machen [3]. Das Web 2.0 hat bereits begonnen das Medizinstudium mitzuprägen. Für die Zukunft gilt es, die besonderen Möglichkeiten des Webs noch stärker für die medizinische Lehre [4], aber auch die Weiterbildung nutzbar zu machen.

In dem vorliegenden Artikel wird ein innovatives Projekt zur Unterstützung der hausärztlichen Weiterbildung mit Hilfe einer Online-Plattform vorgestellt. Der virtuelle Wissensaustausch [5], [6] wird als vielversprechende Ergänzung zu bestehenden Weiterbildungsangeboten gesehen, um den Weiterbildungsprozess zu unterstützen. Der hier intendierte didaktische Ansatz des problemorientierten und selbstgesteuerten Lernens mittels klinischer Fallbeispiele ist jungen Ärztinnen und Ärzten zunehmend vertraut, insbesondere jenen, die in Modellstudiengängen ausgebildet werden. Diesem bewährten Lernansatz folgend [7] wurde die Online-Plattform für „Kooperatives Lernen und mobile Gemeinschaften für berufsbegleitende Weiterbildung Allgemeinmedizin“ (KOLEGEA) entwickelt und erprobt [8].


2. Grundlage der KOLEGEA Plattform

Zunächst wurde ein mediendidaktisches Konzept erstellt, das auf einer quantitativen Befragung von 73 Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung und einer Fokusgruppe beruhte. Unter Berücksichtigung der erhobenen Bedürfnisse der Zielgruppe erfolgte die Umsetzung des KOLEGEA-Konzeptes in eine Online-Plattform. Eine Pilotversion wurde über drei Monate von einer kleinen geschlossenen Gruppe von Nutzern (20 ÄiW und 1 Mentor) genutzt und anschließend evaluiert [8]. Auf der Grundlage der Erfahrungen der Nutzer und der Erkenntnisse der Evaluation wurde die Plattform im Hinblick auf Design, Struktur und Technik optimiert. Seit September 2013 kann die KOLEGEA-Plattform [https://beta.kolegea.org/kolegea/] bundesweit kostenfrei von ÄiW oder approbierten Ärztinnen und Ärzten genutzt werden [5]. Diese können sich mit ihrer Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) ortsunabhängig anmelden. Die Plattform ist das erste deutsche Online-Portal, in dem ein virtueller klinisch-fallbasierter Wissensaustausch möglich ist. Registrierte Mitglieder können eigene Fälle aus der ärztlichen Sprechstunde anonymisiert und nach Formulierung einer konkreten Fragestellung mit der KOLEGEA-Community teilen. Damit ist es möglich, das eigene klinische Vorgehen mit anderen Nutzern zu diskutieren und klinische Einschätzungen zu reflektieren.

Die strukturierte Falldarstellung orientiert sich an der in der Hausarztpraxis üblichen klinischen Vorgehensweise (Anamnese, Untersuchung, Diagnostik, Verdachtsdiagnose, Prozedere). Eingestellte Patientenfälle können zusätzlich durch multimediale Ergänzungen (z. B. Fotos, EKG, Röntgenbilder, Videos oder Tonaufnahmen) veranschaulicht werden. Ergänzend können Patientenfälle auch mit relevanten Leitlinien, Fachartikeln oder hilfreichen Internet-Links verknüpft werden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Zu Beginn wurden 20 strukturierte Patientenfälle von erfahrenen Hausärztinnen und Hausärzten auf der Plattform eingestellt. Dies dient als Motivation für ÄiW, selbst eigene Fälle zu hinterlegen.

Zur Unterstützung der hausärztlichen Weiterbildung sind erfahrene HÄ temporär als sogenannte Mentoren auf der Plattform aktiv. In der Bedarfsanalyse hat sich gezeigt, dass ÄiW diese Form der Unterstützung als hilfreiche Ergänzung wahrnehmen. Die Mentoren kommentieren den geschilderten Beratungsanlass, die möglichen Differentialdiagnosen und das klinische Vorgehen nochmals aus fachärztlicher Sicht.

Für eine Steigerung der Aktivitäten auf der Plattform wird wöchentlich automatisch eine Benachrichtigungsemail an die Plattformnutzer mit einer übersichtlichen Aufzählung der neuesten Plattformaktivitäten versendet.


3. Evaluation der Ursprungsplattform: Online-Befragung der Nutzer

In einer anonymen Online-Umfrage wurden alle im Juni 2014 registrieren Nutzer (n=198) bezüglich ihres Plattformnutzungsverhaltens sowie der Stärken und Barrieren der Anwendung befragt. Durch 5-stufige Likert-Skalen und offene Fragen wurde quantitatives und qualitatives Nutzerfeedback zu relevanten Qualitätsmerkmalen erhoben, z.B. wahrgenommene Nützlichkeit, Einfachheit der Bedienung, Zufriedenheit und Freude bei der Nutzung. Ferner wurde auch nach Nutzungsverhalten und -erfahrungen sowie zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten der Plattform gefragt. Ca. zehn Prozent der registrierten Nutzer (17 Teilnehmer) haben an der Evaluation teilgenommen [8].

Ergebnisse der deskriptiven Auswertung zeigten, dass die befragten KOLEGEA Nutzer circa zwei Stunden täglich (SD=1.74, Range 0.5–7.0) das Internet nutzen und sich im Monat durchschnittlich fünfmal (SD=7.22, Range 1–30) auf der KOLEGEA-Plattform anmelden. Die Mehrheit der Befragten (88,2%) nutzt KOLEGEA vornehmlich in der Freizeit. Als Hauptnutzungsbarriere wurde „zu wenig Zeit für Eigenstudium im Berufsalltag“ angegeben, gefolgt von „mangelnder Beteiligung anderer TeilnehmerInnen“ und „technischen Hürden bei der Nutzung“. Wichtigster Anreiz sich auf der Plattform zu beteiligen waren für die Hälfte der Befragten die wöchentlichen Benachrichtigungs-Emails. Gründe für ein passives Verhalten (Nichtdiskutieren von Fällen) waren „zeitbedingt“ (Zeitmangel bzw. schlechtes Timing), „umständliche Handhabung“ und „neues Plattformmitglied“ sowie die „geringe Beteiligung anderer“. Insbesondere die Funktionen zum Erstellen und Diskutieren von Fällen wurden wichtig bewertet. Auch das Mentoring durch HÄ empfanden 75 Prozent der Beteiligten als hilfreich. 88,3 Prozent sahen die KOLEGEA-Plattform als eine „nützliche Ergänzung der bisherigen Online-Lernangebote“ [8].

Besonders geschätzt wurden die Möglichkeit zum fachlichen Austausch und die Verbindung zu Patientenfällen mit Relevanz für die Weiterbildung. Deutlich wurde auch, dass die Anonymität für die Zielgruppe von Bedeutung war. Änderungs- bzw. Verbesserungsvorschläge bezogen sich auf Gestaltung (Übersichtlichkeit der Plattform und Fallsortierung) und eine stärkere Nutzung der Plattform durch Kollegen und Mentoren. Limitierend muss festgestellt werden, dass der Rücklauf dieser Evaluation niedrig war und damit nur begrenzte Aussagen zu Nutzungsmustern der Ursprungsplattform gemacht werden können.


4. Evaluation der Ursprungsplattform: Anonyme Datenbankabfrage

Zusätzlich erfolgte im Dezember 2015 eine anonyme Datenbankabfrage, mit der das Verhalten der Nutzer auf der KOLEGEA Plattform analysiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren 298 Nutzer aus 16 Bundesländern registriert. Das entspricht dem üblichen Verbreitungsgrad neuer Online-Plattformen in der Etablierungsphase [9]. Fast die Hälfte der Nutzer wählte einen „anonymen“ Nutzernamen. Das Geschlecht wurde nur von 31 Prozent angegeben. Die Zurückhaltung persönlicher Daten der KOLEGEA Nutzer unterstreicht das Bedürfnis nach Anonymität. Die große Mehrheit der Nutzer sind Berufsanfänger. Stark vertreten sind Berlin (28%), Bayern (16%) und Baden-Württemberg (11%) und Nordrhein-Westfalen (7%) [10].

Innerhalb des untersuchten Zeitraumes wurden über 100 Fälle diskutiert [8], [11]. Die überwiegende Zahl der KOLEGEA-Nutzer war lesend (passiv), ohne aktive Beiträge oder Patientenfälle beizutragen. Einzelne Nutzer („Lead-User) waren dagegen sehr aktiv und stellten einen Großteil neuer Patientenfälle zur Verfügung oder beteiligten sich an der Kommentierung anderer Fälle. Dieses Verhalten spiegelt ein bekanntes Aktivitätsmuster in Online-Gemeinschaften wider, bei dem das Verhältnis von aktiven (ca. 10%) und passiven (ca. 90%) beschrieben wird [12].


5. Weiterentwicklung der KOLEGA Plattform

Basierend auf der Evaluation wurde die Plattform nach Anschlussfinanzierung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) weiterentwickelt. Schwerpunkte waren nun die Strukturierung der Weiterbildungsinhalte in ärztliche Kompetenzen und die Integration von Gamifizierungselementen (spieleähnlichen Elementen) in die Plattformstruktur.

5.1 Kompetenzbasiertes Curriculum Allgemeinmedizin und CanMEDS

Das typische hausärztliche Vorgehen bei Patienten-Konsultationen orientiert sich an Beratungsanlässen. Entsprechend kam diesem Aspekt bei der Erweiterung der KOLEGEA Plattform besondere Aufmerksamkeit zu. Das in Deutschland aktuell zu nutzende Kompetenzbasierte Curriculum Allgemeinmedizin (KCA) [http://www.kompetenzzentrum-allgemeinmedizin.de/public/curriculum.shtml] bildete die Grundlage für die Weiterentwicklung der Plattform. Im KCA gibt es 78 Beratungsanlässe, eingeteilt in 12 medizinische Bereiche. Für die Verbesserung der Plattform wurde die Liste um existierende Beratungsanlässe erweitert und auf ein überschaubares Maß von 73 Hauptberatungsanlässen kondensiert.

In Tabelle 1 [Tab. 1] wird der Vergleich der medizinischen Bereiche des KCA und der KOLEGEA Plattform gezeigt.

Auch für die Weiterbildung Allgemeinmedizin wird zunehmend der frühzeitige Bezug zu hausärztlichen Kompetenzen gefordert [13], [14]. Der kanadische Ansatz der „CanMEDS“, zuletzt aktualisiert in 2014 [15], [16], diente als zielführendes Konzept für die Weiterentwicklung der Plattform. Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten werden in Meta-Kompetenzen zusammengeführt und in sieben Bereichen organisiert. Neben der medizinischen Expertise sind Kommunikation, Zusammenarbeit, Professionalität, Vertretung des Patienten, Lehren und Lernen und Management als zentrale Achsen definiert. Diese Kompetenzen sind auch in das KCA eingeflossen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

5.2 Integration von Gamifizierungselementen

Um die Attraktivität für die Nutzer zu erhöhen, wurden spielerische Elemente, auch Gamifizierungselemente genannt, integriert. Mit Gamifizierung ist die Anwendung von spieleähnlichen Elementen und Mechanismen in einem nicht spielerischen Kontext gemeint; dies umfasst zum Beispiel Belohnungs- und Wettbewerbsmechanismen [17]. Dabei sollen die Motivation der Lernenden und ein gezieltes Lernen gefördert werden [18], [19].

Auch aus medizinischen Kontexten [20], [21] ist bekannt, dass damit die Motivation von Nutzern gesteigert und der Nutzungsgrad auf entsprechenden Plattformen erhöht werden kann. Beschrieben ist auch, dass die Generierung und der Austausch von Inhalten durch die Einführung von Anreizsystemen gezielt gefördert wird [22]. Das Gefühl der sozialen Zugehörigkeit und des persönlichen Nutzens wird ebenfalls als relevant beschrieben [23], [24].

Bei der Gamifizierung sind zwei grundlegende Varianten zu unterscheiden:

1.
der Einsatz unterschiedlicher Formen von Punkte- und Reputationssystemen (Punkte, Medaillen, Badges, Statuslevels), welche auf persönliche Belohnungseffekte oder Vergleiche mit anderen setzen.
2.
die Entwicklung von sog. Serious Games, welche die Lösung von pragmatischen Aufgaben, Informationsgewinn oder das Lernen in ein speziell dafür entwickeltes Spiel einbetten.

Für die KOLEGEA Plattform wurde eine Kombination aus beiden Anreizmodellen entwickelt.

5.3 Gamifizierungselemente und CanMEDS-Kompetenzen

Gamifizierungselemente sind auf der Plattform mit CanMEDS-Kompetenzen verknüpft, die für viele internationale Weiterbildungsprogramme maßgeblich sind. Entsprechend werden die auf der Plattform durchgeführten Aktivitäten für jeden Nutzer in einem persönlichen „Aktivitätsmonitor“ dargestellt. Dieser visualisiert die Plattformaktivität als ein Art Online-Lernfortschritt, der sich auf eine Vertiefung der medizinischen Expertise oder auf die CanMEDS-Kompetenzen beziehen kann. Dieser Lernfortschritt wird dem Nutzer visuell durch die farblich veränderte Markierung der eignen Expertise auf der KOLEGEA Plattform sichtbar gemacht (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Der Aktivitätsmonitor ist in erster Linie ein Werkzeug, mit dem Nutzer ihre Aktivität auf KOLEGEA individuell und gezielt auf ihre Weiterbildung ausrichten können. Zu berücksichtigen bleibt, dass die Selbsteinschätzung eigener Online-Aktivitäten auf der Plattform eine persönliche Einschätzung der eigenen Expertise oder Kompetenz darstellt, die sich von realem Verhalten abgrenzt (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Fallbasierte Aktivität, d.h. das Teilen eines Patientenfalls aus der Praxis und die Teilnahme an der Diskussion zu einem Fall durch Kommentare, wird anhand zwölf medizinischer Bereiche durch Medaillen mit medizinischen Symbolen visualisiert (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Dafür wurden vom Institut für Allgemeinmedizin der Charité zwölf medizinische Bereiche nach Vorlage des „Kompetenzbasierten Curriculums Allgemeinmedizin“ der DEGAM geringfügig adaptiert.

Die online erworbene medizinische Expertise wird durch eine Färbung der Innenfläche der Medaille automatisch in den drei Abstufungen Bronze, Silber, Gold dargestellt, wobei eine goldene Medaille eine sehr hohe KOLEGEA-Aktivität in dem jeweiligen medizinischen Bereich bedeutet. Der aktuelle Stand der eigenen Expertise für einen medizinischen Bereich kann in drei Abstufungen eingeschätzt werden (wenig, mittel, hoch). Jede Abstufung wird dann durch die Farbe des Medaillenrandes des Symbols angezeigt.

Passend zur individuellen Aktivität macht die KOLEGEA Plattform weitere Aktivitätsvorschläge, um einzelne Bereiche gezielt zu fördern (z. B. „Teilen Sie noch einen Fall im Bereich Geriatrie, chronisch Kranke“).


6. Diskussion

Die niedrige Response der Online-Umfrage 2014 und die vorläufigen Auswertungen zu Nutzungsmustern lassen nur erste Trends erkennen, ob die KOLEGEA Plattform den Weiterbildungsprozess unterstützt. Internationale Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Allgemeinmediziner generell Interesse an E-Learning-Angeboten haben und die Vorteile der flexiblen Zeiteinteilung und die Eigenmotivation gerne nutzen. Vor allem in angelsächsischen Ländern werden E-Learning-Angebote bereits häufig von Allgemeinmedizinern genutzt [25]. Für Deutschland konnte mit KOLEGEA erstmals eine Online-Plattform etabliert werden, die speziell auf den Bedarf von ÄiW in Allgemeinmedizin zugeschnitten ist [26].

Der pädagogische Ansatz und Mehrwert der KOLEGEA Plattform beruht auf der Unterstützung des Austausches zwischen Lernenden in einer Lerngemeinschaft im Sinne einer „Community of Practice“ [27]. Zusätzlich setzt der KOLEGEA-Ansatz auf den Aufbau einer Sammlung von Lernobjekten. Das sind z. B. die Fälle und Kommentare, welche von den Lernenden selbst erzeugt und bereitgestellt werden [28], [29].

Die Struktur der Plattform erlaubt neben der Förderung der medizinischen Expertise auch die Stärkung weiterer für die hausärztliche Tätigkeit maßgeblicher Kompetenzen [30], [31], [32]. Eine Verbreitung des kompetenzbasierten Models wird auch unter Dozenten und Weiterbildungsbefugten zukünftig an Bedeutung gewinnen [33].

Ein wichtiger Punkt ist, dass sich die Mehrheit der KOLEGEA Nutzer anonym auf der Plattform anmeldet und damit für die mitdiskutierenden ÄiW und HÄ nicht identifizierbar ist. Zusätzlich könnte sich zukünftig die Option der Regionalisierung von Nutzergruppen ergeben, die sich neben dem anonymen Online-Angebot direkt austauschen können. Gerade im Hinblick auf bestehende allgemeinmedizinische Weiterbildungsverbünde und die zu etablierenden Kompetenzzentren Allgemeinmedizin werden vielfältige Anwendungsmöglichkeiten sichtbar. So könnte die zusätzliche Unterstützung durch eine regional verfügbare hausärztliche Mentorin/Mentor für einen geschlossenen Nutzerkreis eine interessante Ergänzung darstellen.

Empfehlungsfunktionen stellen ein geeignetes Mittel dar, um die Exploration großer Datenbestände effizienter zu gestalten [34]. Inhaltsbasierte Verfahren ermitteln Ähnlichkeiten zwischen Textvektoren oder zur Verfügung stehenden Schlagworten. Die Güte der berechneten Empfehlungen hängt primär von der Qualität der verwendeten Datenbasis ab [35]. Auch für die KOLEGEA Nutzer werden Empfehlungsfunktionen bereitgestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt allerdings offen, ob die Qualität der verwendeten Datenbasis ausreicht, um für ÄiW einen Mehrwert bei der Nutzung dieser Empfehlungen zu erzeugen.

Gamifizierungselemente als Anreizsystem des Informations- und Wissensaustausches wurden in anderen Anwendungsbereichen erfolgreich eingesetzt [17], [21], [36], aber noch nicht auf die allgemeinmedizinische Weiterbildung angewendet. Die wenigen bestehenden Arbeiten konnten ermutigende Effekte zeigen [37]. Insbesondere vor dem Hintergrund der ausgeprägten Zeitknappheit junger Ärztinnen und Ärzte, stellt die Entwicklung eines speziell für diese Zielgruppe zugeschnittenen Anreizsystems allerdings eine Herausforderung dar.


7. Ausblick

Der fallbasierte Austausch mit einem Tool zur Selbsteinschätzung von Kompetenzen wird als wertvolle Möglichkeit gesehen, zukünftig die ärztliche Weiterbildung durch Web 2.0 Anwendungen zu unterstützen. Zu prüfen ist, inwieweit die virtuelle Vernetzung von ÄiW nicht auch durch persönliches Kennenlernen oder Begleitseminare als ergänzende Maßnahme gestärkt werden kann. Entsprechend könnte KOLEGEA eine hilfreiche Ergänzung für die sich entwickelnden Allgemeinmedizinischen Kompetenzzentren darstellen.

Zukünftige Evaluationen sollten prüfen, ob die Verbreitung und nachhaltige Nutzung der Plattform einen Beitrag zur Steigerung der Qualität, Effektivität und Attraktivität der allgemeinmedizinischen Weiterbildung leisten kann.


Danksagung

Forschungsgruppen Interaktive Systeme und Kooperative (Prof. J. Ziegler), Lernunterstützende Systeme (Prof. H-U. Hoppe) der Universität Duisburg-Essen und TheCode AG.


Förderung

Dieses Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und des Europäischen Sozialfonds der EU (Fördernummer 898 14145) gefördert.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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