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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Bedeutung der akademischen Lehrkompetenz für die Karriereentwicklung von Hochschullehrenden – eine hochschuldidaktische Stellungnahme

Artikel Lehrkompetenzen

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  • author Marianne Merkt - Hochschule Magdeburg-Stendal, Zentrum für Hochschuldidaktik und angewandte Hochschulforschung, Magdeburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2017;34(4):Doc48

doi: 10.3205/zma001125, urn:nbn:de:0183-zma0011255

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001125.shtml

Eingereicht: 2. Mai 2016
Überarbeitet: 2. Mai 2016
Angenommen: 13. September 2017
Veröffentlicht: 16. Oktober 2017

© 2017 Merkt.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Der hochschuldidaktisch fokussierte Diskussionsbeitrag beleuchtet die Frage, welche Bedingungen an Hochschulen und Universitäten entwickelt werden müssten, damit die akademische Lehrkompetenz für die Karriere von Hochschullehrenden relevant wird. Zur Beantwortung werden aktuelle Erkenntnisse aus dem hochschuldidaktischen Diskurs zusammengefasst.

Schlüsselwörter: akademische Lehrkompetenz, Fach- und hochschuldidaktische Weiterbildung, Kompetenzstandards, Prüfung der Lehrkompetenz


1. Einleitung

Während die hochschul- und fachdidaktische Weiterbildung zur Entwicklung der akademischen Lehrkompetenz von Hochschullehrenden in Deutschland relativ systematisch und breit verankert ist, wird die Karriere von Hochschullehrenden immer noch fast ausschließlich durch ihre wissenschaftliche Leistung definiert. Einige zaghafte Ansätze, auch die akademische Lehrkompetenz – beispielsweise in Berufungsverfahren – zu berücksichtigen, sind die Ausnahme, auch wenn die Relevanz der Lehrkompetenz für die Qualität von Studium und Lehre nicht mehr infrage gestellt wird. Die Medizin und die weiteren gesundheitsbezogenen Disziplinen fügen sich da nahtlos ins Bild. Sinn und Zweck der Entwicklung akademischer Lehrkompetenz ist, dass die lehrenden Personen befähigt werden sollen, qualitativ hochwertige (Aus-)Bildungsprozesse von zukünftigen Mediziner/innen und weiteren in Gesundheitsberufen arbeitenden Professionellen zu gestalten. Diese Gestaltungskompetenz bezieht sich sowohl auf die individuelle Ebene in der einzelnen Lehrveranstaltung und Prüfung als auch auf die strukturelle Ebene der Gestaltung von Modulen, Studiengängen, Prüfungsarchitekturen in Studiengängen und der darauf bezogenen Strukturen wie Studienreformprozesse, Qualitätsmanagement in Studium und Lehre, E-Learning-Strukturen etc.. Da ein wesentliches Merkmal akademischer Lehre ist, dass sie ständig entlang der Forschung und des Expertentums in beruflichen Tätigkeitsfeldern weiter entwickelt werden muss, sind ihre Inhalte und Wissensbestände dynamisch. Lehrkompetenz beinhaltet auch die Entwicklung von kompetenzorientierten Lehrinhalten. Entsprechend anspruchsvoll sind die Anforderungen an die akademische Lehrkompetenz.


2. Entwicklung akademischer Lehrkompetenz durch Aus- und Weiterbildung

Empirisch gesichert ist, dass die Entwicklung akademischer Lehrkompetenz längere Entwicklungszeiträume benötigt. Der Grund dafür liegt in der handlungsleitenden Funktion von Lehr-Lernüberzeugungen oder Lehr-Lernkonzepten, die emotional verankert sind, weil sie Wert- und Normvorstellungen, beispielsweise auch der eigenen Rolle als Lehrende/r sowie habitualisierte Bildungsvorstellungen betreffen [1]. Deshalb sind beispielsweise ausschließliche Methodentrainings in Weiterbildungen wenig nachhaltig, weil sie auf die Performanz der Lehrenden beschränkt sind. Ein weiterer empirisch gesicherter Einflussfaktor auf die Entwicklung der Lehrkompetenz ist die Lehr-Lernkultur im Kolleg/innenkreis [2]. Der Transfer von neu Erlerntem aus der Weiterbildung in den Lehralltag hängt entscheidend von der Offenheit des Arbeitskontextes und der Unterstützung im kollegialen Umfeld für Innovationen ab.


3. Prüfung der akademischen Lehrkompetenz

Des weiteren entscheidend für die Karriererelevanz ist, wie die akademische Lehrkompetenz geprüft wird und welche Wertschätzung und Anerkennung ihr zugestanden wird [3], [4].

Lösungen für diese Anforderungen wurden in den europäischen Nachbarländern entwickelt und implementiert. In Großbritannien wurde ein Kompetenzstandard zur Entwicklung der Lehrkompetenz, das Professional Development Framework PDF [https://www.seda.ac.uk/pdf], entlang der wesentlichen beruflichen Übergangsfelder in der Berufskarriere entwickelt. Dieser kompetenzorientierte Standard ist die Richtlinie für die Prüfung der Lehrkompetenzen auf verschiedenen Niveaustufen mit einer Ausdifferenzierung in Spezialgebiete wie E-Learning, Beratung, Qualitätsmanagement etc.. Die im PDF definierten Kompetenzniveaus werden als Voraussetzung für die Einstellung von Lehrenden an Hochschulen herangezogen. Lehrende müssen für ihre Einstellung entsprechende Qualifikationen nachweisen. Das niedrigste Niveau bezieht sich auf die Definition der Lehrkompetenz von studentischen Tutor/innen und Mentor/innen, aufsteigend für Lehrbeauftragte, in der nächsten Niveaustufe für Lehrkräfte und Dozent/innen über Promovierende bis hin zur höchsten definierten Niveaustufe für die Berufung von Professor/innen. Das PDF wurde weitgehend an skandinavischen und niederländischen Hochschulen und Universitäten übernommen.

Ein Best-Practice Beispiel, das aus Publikationen bekannt ist, ist das Assessmentverfahren bei Berufungen in der ingenieurswissenschaftlichen Fakultät der Universität Lund. Die Prüfung der Lehrkompetenz nach dem PDF-Standard geht zu 50% in das Berufungsverfahren ein, d.h. in gleicher Höhe wie die Prüfung der wissenschaftlichen Leistung. Das Assessmentverfahren sieht vor, dass die Berufungskandidat/innen von einer Kommission in zwei Lehrveranstaltungen hospitiert werden und einen umfangreichen Nachweis ihrer Lehrqualifikation vorlegen müssen. Die Kommission besteht aus Mitgliedern der Pädagogischen Akademie der Fakultät. In die Akademie werden Lehrende aufgenommen, die sowohl eine hohe Lehrqualifikation nachweisen können, als auch Lehrforschung betrieben und publiziert haben. Die Aufnahme in die Akademie erfolgt auf Antrag und wird durch ein Verfahren geprüft. Mitglieder der Akademie erhalten eine Leistungszulage, sind aber auch zu spezifischen Aufgaben verpflichtet wie beispielsweise der Mitarbeit in den Assessmentkommissionen. Es ist nachvollziehbar, dass die Einrichtung einer auch forschungsorientierten Akademie die Reputation und Wertschätzung der Qualität in Studium und Lehre erheblich erhöht [5].


4. Fazit

Die Entwicklung akademischer Lehrkompetenz im institutionellen Kontext der Hochschullehre hat mehrere Dimensionen. Dazu zählt die Dimension der individuellen, personenbezogenen Entwicklung entlang von Karrierepfaden. Eine weitere Dimension ist die institutionelle Verankerung der Lehrkompetenz über Weiterbildungsangebote, Assessmentverfahren und der Entwicklung von qualitätsfördernden kulturellen Kontexten. Die dritte Dimension, auf die im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter eingegangen wurde, betrifft die Regelung der gesetzlichen und verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen. Hiermit ist die Regelung der pädagogischen Eignung in Landeshochschulgesetzen und in Berufungs- und Habil- oder Promotionsordnungen gemeint. Eine vierte Dimension ist die Entwicklung kompetenzorientierter deutschlandweiter Standards, auf die sich Hochschulen und Universitäten verpflichten. Einige Ansätze dazu sind in der deutschen Hochschullandschaft erkennbar. Im Vergleich zu den Entwicklungen in den europäischen Nachbarländern, vor allem im Norden und Westen, kann die deutsche Hochschullandschaft allerdings nicht mithalten.


Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Trautwein C, Merkt M. Akademische Lehrkompetenz und Entwicklungsprozesse Lehrender. In: Beiträge zur Hochschulforschung, 35. Jahrgang, 3/2013. München: Bayrisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung; 2013. Zugänglich unter/available from: http://www.bzh.bayern.de/index.php?id=85&tx_ttnews[tt_news]=1631 Externer Link
2.
Roxa T, Martensson K. How Effects from Teacher-training of Academic Teachers Propagate into the Meso Level and Beyond. In: Simon E, Pleschova G (Hrsg). Teacher Development in Higher Education. Existing Programs, Program Impact and Future Trend. London: Routledge; 2012.
3.
Egger R, Merkt M. Lernwelt Universität. Entwicklung von Lehrkompetenz in der Hochschullehre. Reihe Lernweltforschung. Heidelberg: VS-Verlag; 2012.
4.
Egger R, Merkt M. Teaching Skills Assessments. Qualitätsmanagement und Personalentwicklung in der Hochschullehre. Reihe Lernweltforschung. Heidelberg: VS-Verlag; 2015
5.
Olsson T, Roxa T. A model promoting conceptual change in higher education - an integrated approach. Res Develop High Educ. 2012;35:213-223.